Das fettige Haar

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Last

Beitragvon Last » 15.04.2006, 01:12

Das fettige Haar

Ein Rahmen von Butter, aus kälteren Tagen,
verwirklicht ein älteres Streben.
Der Wind weht mir Haare noch fettig.
Geölte Gedanken, die niemanden plagen,
sie können das Jetzt wohl durchweben.
Ihr Wind weht mir Haare noch fettig.

Ein grünlicher Schimmer der Glätte der Aale
und diese zwei Tropfen verperlen.
Kein Wind weht, die fettigen Haare.
Mein Blick friert nach vorne noch mehrere Male
die selbige Zeit zu verehren.
Denn Zukunft verweht nicht im Winde.

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 17.04.2006, 00:14

Tja, bisher hat noch niemand was dazu gesagt.

Wahrscheinlich ist der Grund ein echtes Verständnisproblem.
Ich habe auch eines - ich habe lediglich eine ganz dumpfe Ahnung, daß die fettigen Haare irgendetwas mit "Jugendzeit" zu tun haben könnten und du/LyrIch versuchen, diese Bilder der Vergangenheit loszuwerden - durch Auseinandersetzung, nicht durch Verdrängung, um dich umso mehr der Zukunft widmen zu können, auch wenn diese kalt ist und verunsichert.

Trotzdem kriege ich die Bilder dahinter aufgrund des Textes leider nicht zu fassen. Wind der Veränderung? Darum die Wortspiele mit Wind weht, Wind weht nicht, ohne daß es für die "fettigen Haare" irgendeinen Unterschied macht?

Du siehst, Fragen über Fragen. Du hast zu deinem anderen Gedicht gesagt, es sei häufig schwierig und auch nicht toll, wenn man seine Gedichte erklären muß. Einerseits stimmt das, andererseits - und das hast du ja auch erkannt - liegt es manchmal daran, daß die eigene Sprache zu esoterisch ist (was da alles an Emotion, Gedanken dranhängt, kann ein Außenstehender ja schwerlich wissen).

Das hat jetzt nichts damit zu tun, ob ein Gedicht "gelungen" ist oder nicht, es ist eine Frage der Verdichtung, die cyberpoet bei seinen Versen auch in einem Kommentar angesprochen hat: manchmal sind einem die eigenen Gedanken so vertraut, die Irrungen des eigenen Gedankenlabyrinths, daß man vergißt, daß nicht alle zu ähnlichen Schlüssen kommen), eine Falle, in die jeder Autor hier und da tappt.

Also, auch wenns dir widerstrebt - hier hätte ich doch gerne einige Erläuterungen :mrgreen: .

Gruß
Frank

Last

Beitragvon Last » 17.04.2006, 00:54

Hallo Franktireur,
dank für deinen Kommentar :smile:

Es gibt Gedichte, die einem selbst sehr liegen, aber nicht für die Veröffentlichung geeignet sind. Das hier ist wohl so eins. Ich persönlich habe da leider noch nicht so das Feingefühl entwickelt zu unterscheiden.
Kein neutraler Leser hat dieses hier verstehen können, es kamen höchstens Ansätze, die aber in die richtige Richtung gehen. Interessanter Weise hat meine kleine Schwester (15 Jahre alt) es als einzige entschlüsseln können (mit Hilfestellung von mir...).

Ich wollte mein Empfinden der drei Zeitinstanzen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ausdrücken, was eine schwierige Sache ist (wer versteht schon die Zeit...).
Die Gegenwart verbringt man häufig mit Erinnerungen/Träumereien einem Bezug auf die Vergangenheit also. Man sollte aber stehts nach vorne schauen, was sehr schwierig ist. Die Gegenwart ist auch ein Resultat aus dem vergangenem Umgang mit der Zukunft.
Der Wind ist der Wind der Zeit, er ist unkontrollierbar und weht einem die Vergangenheitsgedanken förmlich in den Kopf.
Die Fettsymbolik eignet sich ganz gut um mein Verhältnis zur Zeit und diesen Gedanken zu veranschaulichen. Das Flutschen dieser Gedanken in den Kopf (Geölte Gedanken), eine gewisse Kälteschutzfunktion (Rahmen aus Butter) und eine negative Wertung dieser (Ein grünlicher Schimmer der Glätte der Aale). Sich von diesen Gedanken unterjochen zu lassen bedeutet auch sich gehen zu lassen (fettige Haare), dem Wind der Zeit nachzugeben. An dem Ekel vor dieser Fettigkeit perlen dann die Gedanken ab. Die Zukunft hat man selbst in der Hand, der Wind macht mir die Zukunft nicht, ich stehe ihr so aber auch ohne Kälteschutz gegenüber.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 17.04.2006, 22:15

Hallo Last,

ich muss sagen: Ich hoffe noch einige Gedichte von dir hier lesen zu können. Nicht nur, weil ich ihre Originalität in Thematik und Stil schätze, sondern weil ich mich Franks Verständnisproblemen zunächst wieder (wie bei dem anderen Gedicht) anschließen hätte müssen, gäbe es nicht die Erläuterungen wieter unten. Ich konnte deinen letzten Kommentar bei dem anderen Gedicht nur allzugut verstehen (verraten, das Gedicht und dich).

Ich glaube, dass ich erst lernen muss, deine Bilder lesen zu können (ein wenig zumindest) - was keine Kritik ist, Frank hat das gut beschrieben, eigenes Labyrinth und so - und ich freue mich darauf...das ist etwas, wodurch man wirklich gewinnen kann.

Das kann ein paar Gedichte dauern, auch ein paar mehr, aber ich finde deine gewählten Bilder wirklich spannend. Auf fettiges Haar im ZUsammenhang mit Zeit wäre ich nie nie gekommen - das erfrischt irgendwie so :grin: Ich meine, eine Rose ist auch etwas Nettes im Gedicht, aber weniger besonders :smile:

Ich hoffe, du verstehst, was ich sagen wollte :cool:

Last

Beitragvon Last » 18.04.2006, 00:29

Hallo Lisa,

danke für deinen aufmunternden Kommentar :smile:

Ich meine zu verstehen, was du meinst. Als ich das erste mal "Fadensonnen" von Paul Celan (kennt ihr das?) gelesen hab, dachte ich mir: "Ui!" Habe nichts verstanden, aber da war eine Faszination, die von diesen ungreifbaren Gedanken ausging. "Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen" Das Gedicht ist inzwischen mein absoluter Favorit, obwohl ich noch immer nicht sagen kann, was jenseits der Menschen liegt. Das war wohl der Knackpunkt, jetzt schreibe ich selbst Gedichte und versuche die ganzen Ungreifbaren Wahrheiten zu greifen die jenseits der Menschen liegen. (Asche auf mein Haupt, das hier ist Blasphemie gegen den Meister) Ich meine, dass das nur in der Kunst möglich ist, deshalb schreibe ich. (Nochmals Asche auf mein Haupt, Selbstdarstellung, die nächste Todsünde)

Nun schreibe ich noch nicht lange intensiv und bin gebeutelt von verschiedenen Lyrikforen, die ich in den letzten Wochen durchlaufen habe, deshalb bin ich recht verunsichert, was meine Werke angeht (an dieser Stelle muss ich meine Hochachtung für dieses Forum ausdrücken). Diese sind auch ganz bestimmt noch nicht da, wo ich sie haben will, deshalb muss ich ganz stringent nach vorne schauen und jede Kleinigkeit suchen, die zu verbessern ist, nach dem Prinzip: Der Leser hat immer recht!
Dieses Prinzip ist mein Lebensprinzip, was ich auch in diesem Gedicht verfasst hab, womit ich beim Kern meines Postings angelangt bin.
Ich muss nämlich meiner Erklärung noch ein Wort anfügen: "Selbstgefälligkeit" Die ich ablehne (Die Passage mit den Aalen)

Und wo ich schonmal dabei bin kann ich auch noch einen alternativen Zugang zu meinem Gedicht erläutern. Kennt ihr diese Phase nach einer Beziehung, die in die Brüche ging, man zerfließt in Selbstmitleid, bekommt nichts auf die Reihe (nichtmal duschen), man lässt sich gehen (fettige Haare). Irgendwann schafft man es aber da raus, blickt wieder nach vorne, obwohl man weiß, dass es schwer wird ohne den verlorenen Partner, doch Zukunft ist das wichtigste, sie verweht nicht im Winde.
(Und zu guter letzt nochmal Asche auf mein Haupt)

Ihr werdet natürlich noch mehr von mir zu lesen bekommen. Habe aber meine beiden Prunkstücke schon verschossen, wie gesagt, ic schreibe noch nicht lange intensiv...

Danke für's zuhören :grin:

Wannendicht

Beitragvon Wannendicht » 18.04.2006, 10:16

Also ich finde diese krypzische Ausdrucksweise für diese Thematik sehr passend (anders kann man ja sein innerstes nicht ungeschoren nach aussen drehen).

Selbstmitleid sehe ich da jedenfalls nicht...sowas perlt wohl mit an den fettigen Haaren ab..

Mal weht einen der Wind der Zeit in die Vergangenheit und mal nicht, deswegen auch die Windstille am Ende.

Aale...Fischrhetorik...köstliche Meeresfrüchte das sind...

Wasser und Fische haben meines Wissens etwas mit Emotionen zu tun.
Wie auch immer, manchmal will ich das gar nicht so genau Wissen...


kiehmengeatmete Grüße Wanne

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 18.04.2006, 10:24

Hallo Last,

natürlich (! :wub: ) kenne ich Paul Celan...neben der Bachmann zähle ich ihn zu den stärksten Lyrikern überhaupt...

Habe nichts verstanden, aber da war eine Faszination, die von diesen ungreifbaren Gedanken ausging


ja, so ist es oft...interessanterweise hatte ich gerade bei den Fadensonnen weniger das Bedürfnis "herauszubekommen", was es mit ihnen auf sich hat, da sie sofort, unmittelbar vor meinem Auge entstanden ( dünnfädige Sonnen, mit zerlaufenen (ähnlich Farbe oder Tränen) Strahlen und die Strahlen laufen nur nach unten...als ob die Sonne, die Schwerkraft auf den Kopf gedreht, alles unter ihr wie einen Ballon hielte...

Sei sicher: Deine Bilder haben Stärke. Sie sind halt nicht jedermanns Sache (meine schon) , so wie das immer mit allem ist. Celan stieß in der Gruppe 47 auch größtenteils auf Unerständnis, seine Briefe beschreiben das "amüsant".

Wenn man solche Bilder wie du sie verwendest, gebraucht, muss man eben sehr daran arbeiten, was man presigibt und was nicht und vorallem wie...ohne, dass deine Bilder an Dichte verlieren. Ich denke hier sind einige im Forum, die dir dabei helfen können :grin:

Wir könnten ja mit diesem deinem Prunkstück :idea: :cool: anfangen...

Was vielleicht dem Verständnis ( ich klammere jetzt das mit der Beziehung zunächst aus) helfen würde, wäre, wenn du die Zeiten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft klar benennst, dafür keine Metaphern benutzt, keine Umschreibungen, auch nicht im Zeitablauf. So nimmst du dem fettigen Haar sein gebautes Labyrinth...und es kann besser wirken?

Übrigens ist mir das beim letzten Mal schon aufgefallen: ich würde an allen stellen einen Artikel vor das Haar stellen, also z.B.:

Der Wind weht mir die Haare noch fettig.

Last

Beitragvon Last » 18.04.2006, 11:19

Hallo ihr beiden,
danke für die Kommentare :grin:

Der Wind weht mir die Haare noch fettig.

Das ist erstmal gar nicht so einfach, zerstört es mir doch das Metrum. Müsste dann Der Wind weht die Haare noch fettig/ Der Wind weht das Haar mir fettig/ Wind weht mir die Haare noch fettig, o.ä. nehmen. Diese drei gefallen mir aber alle noch nicht, beim ertsen kein "mir" mehr, beim zweiten kein "noch" beim dritten steht der Wind ohne Artikel. Auch fand ich die ursprüngliche Formulierung "Der Wind weht mir Haare noch fettig" eigentlich sehr ansprechend (jetzt im Augenblick geistert da aber schon ein Atikel durch meinen Kopf). Werde darüber noch nachdenken.

Zur Benennung der Zeitformen, Jetzt und Zukunft werden ja bereits benannt. Die Umschreibung der Vergangenheit ist gar nicht so enorm, dachte ich (kälteren Tagen/ älteres Streben, ich war ja ach so stolz auf die Reimverknüpfung^^). Für die Vergangenheit müsste ich auch viel Umstellen in den ersten zwei Versen, das braucht also ein paar mehr Gedanken, auch darüber werde ich nachdenken.
Was ich direkt machen könnte wäre in V. 8 das Wörtchen "Tropfen" durch "Zeiten" ersetzen. Dadurch zerstöre ich (meine ich) nichtmal das Bild, das durch "verperlen" bestehen bleibt. Das könnte beim Verständnis schon enorm helfen, weil es das schwierigste (???) Bild etwas erleichtert.

Last

Beitragvon Last » 19.04.2006, 00:36

Überarbeitung:

Das fettige Haar

Ein Rahmen von Butter aus älteren Tagen,
Vergangenheits kaltes Bestreben.
Der Wind weht das Haar mir noch fettig.
Geölte Gedanken die niemanden plagen,
sie können das Jetzt wohl durchweben.
Ihr Wind weht das Haar mir noch fettig.

Ein grünlicher Schimmer der Glätte der Aale
und diese zwei Zeiten verperlen.
Kein Wind weht, die fettigen Haare.
Mein Blick friert nach vorne noch mehrere Male,
die kommende Zeit zu verehren.
Denn Zukunft verweht nicht im Winde.


P.S.:
ja, so ist es oft...interessanterweise hatte ich gerade bei den Fadensonnen weniger das Bedürfnis "herauszubekommen", was es mit ihnen auf sich hat, da sie sofort, unmittelbar vor meinem Auge entstanden ( dünnfädige Sonnen, mit zerlaufenen (ähnlich Farbe oder Tränen) Strahlen und die Strahlen laufen nur nach unten...als ob die Sonne, die Schwerkraft auf den Kopf gedreht, alles unter ihr wie einen Ballon hielte...

Herausbekommen will ich nicht unbedingt, viel mehr mitsingen *g*

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Beitragvon Lisa » 20.04.2006, 10:07

Hallo Last,

wie wäre es denn das Gedicht so zu setzen?

Das fettige Haar

Ein Rahmen von Butter aus älteren Tagen,
Vergangenheits kaltes Bestreben.
Der Wind weht das Haar mir noch fettig.

Geölte Gedanken die niemanden plagen,
sie können das Jetzt wohl durchweben.
Ihr Wind weht das Haar mir noch fettig.

Ein grünlicher Schimmer der Glätte der Aale
und diese zwei Zeiten verperlen.
Kein Wind weht, die fettigen Haare.

Mein Blick friert nach vorne noch mehrere Male,
die kommende Zeit zu verehren.
Denn Zukunft verweht nicht im Winde.


Für mich hat der Text deutlich an Klarheit gewonnen. Diese Zeile gefällt mir aber von der Konstruktion noch nicht:

Vergangenheits kaltes Bestreben


Der Kasus klingt zu alt, zu bemüht.

Und hier würde ich vielleicht noch ein Komma setzen:

Geölte Gedanken, die niemanden plagen,


da du sonst sehr konsequent mit deinen Kommata bist.

Hm?

Last

Beitragvon Last » 20.04.2006, 11:02

Hallo Lisa,
danke für deinen erneuten Kommentar.

Das Komma muss natürlich gesetzt werden, ist wohl bei der Überarbeitung irgendwie flöten gegangen...

Mit der einen Zeile hast du auch recht, ich lass mir da noch was einfallen.
Wollte ja eigentlich "In meine Vergangenheit Streben", aber das meiner geht gar nicht (in meinen Augen)


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