Gestatten, mein Name ist Plumb. Karl Plumb. Mit einem weichen „b“ am Ende – so viel Zeit muss sein. Ich bin Privatdetektiv.
Eines Sonntagabends im Februar saß ich an meinem Schreibtisch, schaute auf meine Porzellantierchen-Sammlung und überlegte, dass der Stuhl mir gegenüber es besser hatte als ich. Mein letzter Job, eine betrogene Ehefrau. Rothaarig. Ein Meter Bein. Und ein Hinterteil wie gemacht für einen feuchten Traum. Mit dieser Astralkruppe rutsche sie auf meinem Stuhl hin und her. Ich aber musste mit ihrem Gesicht vorlieb nehmen. Geschäft ist Geschäft.
In diesem Moment schellte das Telefon.. Schnell wischte ich den Staub vom Hörer. Dann nahm ich ab. Ein Anrufer, der anonym bleiben wollte, bat mich, am frühen Rosenmontagmorgen nach Köln zu fahren, eine gewisse „goldenene Kamelle“ aufzuspüren und diese noch vor Ende des Karnevalszuges gleichmäßig aber gerecht unter dem Dreigestirn - Prinz, Bauer und Jungfrau – aufzuteilen. Tausend Euro Spesen lägen bereits in meinem Briefkasten. Bei Erfolg gäbe es noch mal fünftausend extra. Köln, meine alte Heimat. Vor Aufregung musste ich erst mal aufs Klo.
Ich packte meinen Koffer, steckte vorsichtshalber meinen Revolver und einen Teleskopschlagstock die Manteltasche und band mir mit einem Seil die Schweizer Taschenuhr, ein Erbstück meiner Tante Gertrud, ans Handgelenk. Dann schlüpfte ich in meine original Sioux-Mokassins - Kostüm ist im Rosenmontag schließlich ein Muss – und nahm ein Taxi zum Hauptbahnhof Castropp-Rauxel. Um 5:30 h saß ich im Regionalexpress nach Köln.
Um 7:23 h stand ich am Clodwigplatz in der Kölner Südstadt, wo sich der Rosenmontagszug aufstellt. Verbarg sich die goldene Kamelle in einem der zahllosen Bagagewagen? Ich nahm mein Glasauge mit eingebauter Farb- und Materialerkennung heraus, band es zwecks besseren Überblicks an den Teleskopschlagstock und schritt die Wagenburg ab. Kamelle gab es es millionenfach, in allen Farben. Nur Gold war nicht darunter.
Nun war guter Rat teuer. Doch ich hatte Glück. In einem Ständer vor der Bank meines Vertrauens stand - ein Rad. Ohne Schloss. Schon saß ich obenauf, meinen Koffer zwischen die Zähne geklemmt und fuhr los. Allerdings ohne Ziel. Was mich wiederum teuer zu stehen kam. Das Rad auch. Es blieb zwar nicht direkt stehen, aber schon nach hundert Metern riss die Kette.
Ich stand auf der Severinstraße und hoffte, Plutos erbarmte sich meiner und beförderte das Dreigestirn samt Garden in den Kölner Untergrund. Doch darauf wollte ich mich nicht verlassen und beförderte statt dessen das Fahrrad mit einem Podolski-Pass gegen den Gepäckträger ein Stück weit den Bürgersteig hinunter, bis es vor einer Plakatwand zu liegen kam. Und auf einem der Plakate stand es dann: After-Zoch-Party in Kemals Klub Kurdistan feat. „Die Goldene Kamelle“ , Keupstraße 70, Köln Mühlheim.
Um 9:45 h stand ich vor Kemals Kebabhaus direkt neben seinem Klub. Die Auslagen sahen ganz manierlich aus, was ich von dem Typen hinter dem Tresen nicht behaupten konnte. Ich ging trotzdem rein, grüßte höflich und stellte fest, dass der Typ eine Statur hatte wie Karl Blömer 1960 und dazu ein Gesicht wie Karl Dall nach fünf im Urwald. Unwillkürlich tastete ich nach meinem Glasauge.
„Döner noch nisch fertisch, dauert noch zirka halbe Stunde.“
Entweder hatte der Typ vor seinem Job hier als Eunuch in einem orientalischen Serail gearbeitet oder ihm war beim Dönerschnetzeln das Messer unglücklich verrutscht.
„Ich suche Kemal.“
„Is nebenan in Klüp. Probe, verstessu?“
Ich verstand, schließlich bin ich Sprach gewandt und außerdem schalte ich, wenn ich einen Job erledige, mein Hörgerät ein.
„Und wie, bitte, komme ich dahin?“
„Gessuh dursch Tür hinten räschs nebben Klo. Wo stät privatt.“ Der Typ konnte lesen. Trotz Migrationshintergrund.
Der Klub war kaum größer als eine Zelle im Klingelpütz. Vielleicht lag das aber auch an der Rot-Weiß gewandeten Litfaßsäule mit Blondhaarperücke am Klavier auf der Bühne, in der Hand einen silbernen Dildo.
„Wat han m'r dann he? Liebelein!!“ Ehe ich darüber nachdenken konnte, wie viele Bretter diese Stimme schon zerspant haben mochte, schloss mich das Wesen fest – und wenn ich fest sage, dann meine ich fest - in seine Arme. Ich hatte gerade noch Zeit zu erkennen, dass das Ding in seiner Hand ein Mikrophon war, dann sah ich rot und dann nichts mehr. Dafür fühlte ich Brustfleisch gegen Lippen und Nase. Meine letzte Wahrnehmung war der Geruch von Latex.
Bevor ich erstickte, hatte der Fleischberg sein Begrüßungsritual beendet.
Gestatten, mein Name ist....
„Kalle, weiß isch doch, ja kenns do misch dann jar nit mieh?“
„Ja, aber, ich dachte...“
„Et es wohr, se han met m'r Casablanca jemaat. Un jetz mach isch einen auf Damenimitator. Die goldige Kamilla.“
Kamilla! Kamilla Küppers. Geschlechtsumwandlung mit 26. Aus Kamilla wurde Kemal, der einzig ehemals weibliche Damenimitator. Ich hätte es wissen müssen.
„Kamilla. Kemal. Ich brauche deine Hilfe. Ich bin auf der Suche nach der goldenen Kamelle. Wenn ich die nicht bis heute Nachmittag um halb sechs gefunden habe und gleichmäßig aber gerecht unter dem Dreigestirn aufgeteilt, dann bin ich erledigt.“
Kamillas Lachen war gerade dabei mein Trommelfell zu zerspanen, da ging die Tür auf. Vor mir stand eine Frau, für die sämtliche feuchten Träume meines Lebens nicht ausreichten, selbst wenn ich die Hundert bei guter Gesundheit erreichte.
„Darf ich vorstellen? Das ist Chantal, meine Tochter.“ Sie oder er oder wie auch immer hatte das Hochdeutsch ja doch nicht verlernt.
„Nä, Kalle, sach jetz nix, dat war vorher. Do wor isch noch et schönste Mädsche vum Westerwald.“
Bevor ich rechnen konnte, sagte Kamilla: „30“
„Und der Vater?“
„Dat is dat Problem. Et jibt da nämlisch drei potenzijelle Kandidaten.“
„Prinz, Bauer und Jungfrau!“ Mir fiel es wie Schuppen aus den Haaren. „Die Väter von Chantal.“
Inzwischen hatte ich mein Hörgerät ausgeschaltet. Langsam erholten sich meine Trommelfelle.
„Dann ist Chantal die goldene Kamelle? Der Anruf war also von Dir?“
„Na ja, nit direck... Also der Karl-Heinz, der hat für misch anjerufen. Is ja sein jutes Rescht. Hat ja immer brav Zahlemann un Söhne jemacht für et Schantall.“
„Aber wieso goldene Kamelle?“
Chantal begnügte sich mit Wirken. Vielleicht sollte ich von ihr eine MMS zur Erinnerung schießen? Kamilla starrte mich an. Ich starrte zurück. Die nächsten Minuten verbrachten wir schweigend. Hatten sich ihre Stimmbänder am Ende selbst zerspant?
Dann, endlich. „Ach Kalle, du hörst ja auch nie richtig zu.“
Es stimmte, ich hatte an besagtem Abend mein Hörgerät nicht eingeschaltet.
„Hier, dat hab isch dem Karl-Heinz aufjeschrieben. Lies.“ Kamilla reichte mir einen Zettel. Ich las und langweilte mich dabei halb zu Tode. Die lebendige Hälfte aber erfuhr Folgendes:
„Bitte fahren Sie am Rosenmontag morgen in die Keupstraße nach Köln-Mühlheim zur goldigen Kamilla. Bringen Sie deren Tochter spätestens bis zum Ende des Karnevalszuges zum Dreigestirn und teilen Sie diesem mit, dass die Vaterschaftsangelegenheit in gegenseitigem Einvernehmen ein gerechtes Ende gefunden hat.“
Das war zwar immer noch Blödsinn, aber durchaus machbar. Vor lauter Freude gab ich Kamilla einen Kuss auf ihren Latexbusen. Geschäft ist eben doch nicht immer nur Geschäft
Krimikoffer: Die goldene Kamelle
Ach Marion, das nenne ich Sprachgewandtheit!! Schnell fortschreitend, mit Alaaf-Witz und allen verlangten Ingredenzien - das passt sehr gut. Ich muss mich allerdings in diese Art Humor immer erst einlesen.
Ich könnte mir diese Geschichte als Hörversion ausgezeichnet vorstellen ... das müsste mit deiner Erfahrung doch zu machen sein.
Toll, dich hier zu treffen ...
slG
Renée
Ich könnte mir diese Geschichte als Hörversion ausgezeichnet vorstellen ... das müsste mit deiner Erfahrung doch zu machen sein.
Toll, dich hier zu treffen ...
slG
Renée
Hallo und willkommen im Blauen Salon, Marion!
Deinen Einstiegstext habe ich mit großem Vergnügen gelesen. Köstlich, was du dir hast einfallen lassen.
An vielen Stellen hab ich laut gelacht. Es liest sich auch sehr locker flockig runter.
Also, diesen Text hätte ich auch gern als Hörversion von dir, wegen der Dialekte.
Saludos
Gabriella
Deinen Einstiegstext habe ich mit großem Vergnügen gelesen. Köstlich, was du dir hast einfallen lassen.
An vielen Stellen hab ich laut gelacht. Es liest sich auch sehr locker flockig runter.
Also, diesen Text hätte ich auch gern als Hörversion von dir, wegen der Dialekte.
Saludos
Gabriella
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