Träume

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 11.10.2010, 22:29

Traum 1

Ich irre in einer Stadt aus brennenden Häusern, man sagt, es seien Hochöfen. So, in diesem Traum ist mir das Wort zum ersten Mal begegnet. Ich irre, ich laufe, ich renne. Es sind aber keine Hochöfen, merke ich jetzt, es sind auch keine Knusperhäuschen, wie ich hoffte, es sind riesige rote Nussknacker. Sie fletschen ihre Nussknackermäuler, Klappe auf, Klappe zu, nach mir, Riesenpranke um Riesenpranke. Ich kann nicht entkommen.

Da fliegt vor mir her eine Kutsche von vier Schmetterlingen gezogen: mit ihr fliege ich gen Himmel, das heißt grüne Wiese und Glücklichsein. Mit den Schmetterlingen auf der Wiese, sonst war niemand dabei, tandarei. Vermutlich versteckte sich in diesem Traum ein vierblättriges Kleeblatt.

Der Horror dieses Traums kam mir zu Bewusstsein, als ich über Träume von Lagerinsassen las. Auch sie hatten selten Albträume. Ihnen flogen beständig gebratene Gänse vor der Nase hin- und her. Ich glaube diese Schaumkronen-träume aus ähnlicher Quelle zu beziehen. Dieses Idyll klebt an mir und macht mich fertig.

Traum II

Zehn Jahre später ein feuchter Traum: In meinem Zimmer stehend, die Fensterläden sind zu, sticht von draußen her durchs Zimmer das grelle Licht einer Atomexplosion. Nicht unerwartet, denn wir erwarteten damals jeden Tag die Atombombe. Aber unvermittelt, plötzlic.

Als ich feststelle, dass ich noch lebe, weiß ich, dass mir noch Zeit bleibt, einige Stunden. Ich treffe meinen Freund, den damalig Geliebten und wir schwimmen dann in einer weichen algenbehaarten Tiefe. Je weiter oben, desto näher an den nachfolgenden atomaren Blitzen, je tiefer, desto näher am Versinken; wir schwimmen glücklich miteinander, aneinander, Liebe und Tod vereint.

Ob es mir je gelingen wird diese kleine und kräftige Mädchenarie zu umschreiben, zu singen: Diese Träume machten mich für Tage glücklich. Es waren gewiss Botschaften wollte ich eine Zeitlang glauben. Vor allem das Grün: Le vert mordoré.



Traum III

Ich sitze in einem Kino, wie es sie in Frankreich noch lange gab, rote Samtsessel, enge Reihen. Neben mir sitzt plötzlich ein elegantes Herrscherpaar aus halb asiatischem halb afrikanischem Land. Goldbrokat, ausladend breite Rockschöße, bestickte breite Gürtel, Mann und Frau kaum unterschiedlich bekleidet, jene Höhen der inneren Würde, die Geschlechtsunterschiede abschafft, nur die Verantwortung des perfekten Seins, die Anstrengung leicht und hoch zu sein, wie alte Silberpappeln. Ein Blick trifft mich, der mich zerstört, ich weiß nicht, wie ich die Vernichtung durch diesen Blick wieder gut machen kann: Sie sitzen da. Statuen sitzen nicht leiser. Diese atmen, leise raschelt das Gold: Da tritt eine dritte eine vierte Person auf, es sind Nebenfrauen, Nebenherrscherinnen, uralte, im Gewerbe wissend gewordene Damen des Hofes. Sie blicken nicht, sie starren: Sie starren mich an, bis mein Mund sich zu bewegen beginnt. Es gibt nur eine Lösung, gegen die ich mich wehre das Lächeln, sie erkämpfen langsam aus mir, ein Lächeln. Erst dann zeichnet sich der Bruchteil eines Lächelns auf ihren Gesichtern ab. Ich lächle zurück, und kann endlich, den Kopf von ihnen abwenden. Mein Gesicht ist wieder frei.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 16.10.2010, 11:39

Liebe Renée,

diese Bilder mag ich. Noch lieber hätte ich sie aber, wenn sie keine Traumwebereien wären (was es ja ziemlich oft gibt), sondern sich mehr in die Realität schwingen würden. Es gibt so viel Absurdes auf der Welt, nicht wahr?

Liebe Grüße
ELsa
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 16.10.2010, 19:31

Da widerspreche ich: Traumbilder brauchen sich nicht "in die Realität zu schwingen", denn sie kommen aus der Realität, verknüpfen die Eindrücke nur mit ihrer eigenen "irrsinnigen" Logik. Ich habe über lange Zeit ein Traumtagebuch geführt und war verblüfft über das künstlerische Potential, das Träume besitzen.

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Beitragvon Elsa » 16.10.2010, 20:11

Liebe Amanita,

zweifellos.
Ich spreche aber vom Sujet, das mir (ganz persönlich) als reale Geschichte gefiele.

Lieben Gruß
ELsa
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