Walt Whitman

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 16.09.2013, 03:18

Zwei Fakten
machen Whitmans Epos
zunichte,
zwei Fakten
die er kaum erwähnt:
das Privateigentum und
das Kapital.

Wirklich gut ist er,
wenn er Amerika vergisst
und sich
mit kleinen Dingen beschäftigt,
mit dem Leben,
mit dem Tod.
Zuletzt geändert von Klimperer am 29.10.2013, 00:15, insgesamt 3-mal geändert.

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 16.09.2013, 16:50

Hallo, Klimperer,

Leben und Tod ... kleiner ging es wohl nicht? ;)

Ich kenne mich mit Whitman nicht so aus, daher kann ich das inhaltlich nicht beurteilen, aber ich finde den Text ganz gut auf die Spitze getrieben. Was mich stört, ist der Begriff "Sachen", zwei Sachen. Wie wäre denn sowas:

Diese zwei
machen Whitmans Epos
zunichte,
diese zwei
die er nicht erwähnt:
das Privateigentum
und das Geld.

Viele Grüße
fenestra

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 16.09.2013, 18:50

Hallo, Fenestra,

danke für deine Rückmeldung.

Ich werde "Sachen" durch "Fakten" ersetzen.

Ein Leben lang habe ich gebraucht, um zu der Einsicht zu kommen, die dich verwundert.

Ich hoffe, ich erwecke das Interesse für die Lektüre dieses Dichters.

IDS

Carlos

ecb

Beitragvon ecb » 16.09.2013, 20:38

Diese beiden würden jede Poesie zunichte machen, nicht nur Whitmans, denke ich.

Aber nichts macht Whitmans Poesie zunichte, eben weil er sie nicht erwähnt - oder?

Die Poesie ist eine Gegenwelt, die allerdings nur zu gut weiß, daß sie ohne die beiden Erwähnten nicht wäre, daß die beiden geradezu die Grundlage ihrer Existenz darstellen - und daß sie nicht darüber reden muß, weil das einfach nicht ihre Aufgabe ist.

Liebe Grüße
Eva

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 17.09.2013, 09:53

Hallo Eva,
ich schreibe dir hier ein kleines Gedicht von ihm ab, aus "Leaves of grass", seinem Hauptwerk:
AMERIKA
Centre of equal daughters, equal sons,
All, all alike endear'd, grown, ungrown, young or old,
Strong, ample, fair, enduring, capable, rich,
Perennial with the Earth, with Freedom, Law and Love,
A grand, sane, towering, seated Mother,
Chair'd in the adamant of Time.

So hat Whitman Amerika gesehen.

"Leaves of grass" ist eine Liebeserklärung an sein Land, an seine Landsleute. Wie ein Verliebter, ist er blind für die Realität. Die Zukunft, die er prophezeit, ist nicht eingetroffen.
Whitman ist der Dichter einer jungen, aufstrebenden, hungrigen Nation. Er hat die Annektierung von einem großen Teil von Mexico gutgeheißen.
Als Jugendlicher lernte ich eins seiner bekanntesten Gedichten aufwendig, das Gedicht, das er schrieb, nach der Ermordung von Lincoln, "O Captain, My Captain!"
O Captain, my Captain! our fearful trip is done,
The ship has weather'd every rack, the prize we sought is won,
The port is near, the bells I hear, the people all exulting...

Liebe Grüße,
Carlos

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 25.09.2013, 09:34

Der Kavallerieangriff ist ausgeblieben ...
Ich bewundere zutiefst Walt Whitman. Ich schreibe hier eins seiner Gedichte ab, aus dem Zyklus "Children of Adam", das Gedicht Nummer vier:
I have percieve'd that to be with those I like is enough,
To stop in company with the rest at evening is enough,
To be surrounded by beautiful, curious, breathing, laughing
flesh is enough,
To pass among them or touch any one, or rest my arm ever so
lightly round his or her neck for a moment, what is this
then?
I do not ask any more delight, I swim in it as in a sea.
There is something in staying close to men and women and
looking on them, and in the contact and odor of them, that
pleases the soul well,
All things please the soul, but these please the soul well.

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 26.09.2013, 23:57

ein wunderschönes Gedicht, weil es genauestens die Glückseligkeiten gewisser Momente der guten Geselligkeiten wiedergibt.
eine körperliche Nähe zu Männern und Frauen, sie sehen, sie spüren, ihren Duft, das mag die Seele so sehr.
alles mag die Seele, aber dies mag sie so sehr...
ich mochte ihn auch. bis hin zu seinen Widersprüchen, seinen Fehler. Man bewahre uns vor korrekt denkenden Poeten-

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 28.09.2013, 11:23

ich habe ihn auch gelesen, erst weil ich musste, dann ihn kurz interessant fand und schließlich wieder weglegte, weil ich der Dauerekstase müde wurde. Warum versucht man nicht eine Übersetzung der so geliebten Zeilen, die hier zitiert wurden? Das wäre doch angebrachter in einem deutschsprachigen Forum als Diskussionen um einen dummdreisten Kommentar? Aber Provokationen haben eben auch Sinn und etwas Gutes: sie regen an und auf!

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 30.09.2013, 10:05

Leider habe ich auf Deutsch nur eine Auswahl von "Leaves of grass". "Grashalme" ist der deutsche Titel.

Die besten Gedichten von ihm sind eher länger, aber manche recht kleine lassen sich gut abschreiben (ich habe und will keinen Scanner). Manche klingen aud Deutsch nicht falsch, aber verfälscht. Die meisten guten Dichter kann man mit guten Flaschen Weins vergleichen: Whitman ist eher ein Fass der zu platzen droht, ein Heidelberger Fass!

Once I pass'd through a populous city

Once I pass'd through a populous city imprinting my brain for
future use with its shows, architecture, customs,
traditions,
yet now of all that city I remember only a woman I casually
met there who detain'd me for love of me,
day by day and night by night we were together, all else has
long been forgotten by me,
I remember I say only that woman who passionately clung to me,
Again we wander, we love, we separate again,
again she holds me by the hand, I must not go,
I see her close beside me with silent lips sad and tremolous.

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 30.09.2013, 12:08

Klimperer: Ich habe keine deutsche Fassung und die englische ist irgendwo. Als Übung habe ich daher Dein Zitat auf Deutsch "verfälscht" und zwar

Damals ging ich durch eine geschäftige Stadt,
bereitend für späteren Gebrauch mein Hirn
mit deren Trubel, Bauten, Traditionen und Sitten,
aber von dieser Stadt erinnere ich allein eine Frau,
die ich ganz zufällig traf und die mich mit Liebe fesselte.
Tag für Tag und Nacht für Nacht waren wir zusammen.
Alles andere habe ich lange schon vergessen.
Ja, einzig erinnere ich mich der wilden Umarmungen jener Frau.
Wir wandern, lieben uns, trennen uns wieder,
und wieder hält sie meine Hand, ich solle doch bleiben!
Nah ist sie mir, die stummen Lippen traurig und bebend

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 30.09.2013, 13:13

Das ist ja klasse!!!

Danke, Schwarzbeere.

Morgen fahre ich in die Stadt, in der du wohnst, für zehn Tage. Vielleicht trifft man sich am Place de la Sorbonne ...

Meine Freundin und ich gehen fast jeden Tag zu einem Bistro, das "L´Ecritoire" heisst, bzw zum "Tabac", das sind zwei der insgesammt drei Bistros am Platz. So gegen 18 Uhr ... Manchmal essen wir dort, bzw. zu Abend bei einem Chinesen in der Rue Cujas, neben dem Hotel Excelsior, wo wir absteigen.

Salut,

Carlos

PS: Meine Freundin läuft mit Zwei Krücken.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 30.09.2013, 13:37

Ich selbst bin ein kleiner, bebrillter, glattrasierter, weißhaariger Mann.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 29.10.2013, 00:18

I can't resist the temptation, to write down some words from him: the last two verses of poem number 2 from "The sleepers", a section from "Leaves of grass":

"It seems to me that everything in the light and air ought to be
happy,
whoever is not in his coffin and the dark grave let him know he
has enough."


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