Bis auf Kommata die Endversion der Geschichte (was nicht heißt, dass keine Anregungen gegeben werden sollten), die innerhalb einer längeren Erzählung erzählt wird...
Der Maler
Fremdes Leid war mir seit ich denken kann eine Lust.
Ich erinnere mich, wie ich schon als Kind fasziniert die Hofkatze beobachtete, wenn sie im Kuhstall Fliegen fing. Sie ergriff sie mit ihrer Tatze, betrachtete sie kurz und steckte sie sich dann so in ihr Maul, dass nur noch Flügel und Kopf herausschauten. Die Fliege versuchte sich zu befreien, verletzte sich dabei, Flügel und Beine nahmen Schaden. Nach einer Weile ließ sie die offensichtlich betäubte Fliege wieder frei, diese kam ein Stück weit und die Katze fing sie erneut. Dieses Spiel trieb die Katze, bis sie es müde wurde oder die Fliege starb.
Ich trieb meine Spiele nicht anders als diese Hofkatze, die übrigens, als sie alt und lahm geworden war, vom Hofhund in Stücke gerissen wurde – nur waren meine Fliegen Menschen. Mit einer Geste konnte ich einen Menschen ins Verderben stürzen, alles war mir möglich. Als Sohn eines Leibeigenen wuchs ich zunächst zwar in erbärmlichen Verhältnissen auf. Doch mit fünf Jahren wurde ich von einer ebenso betuchten wie unfruchtbaren Kaufmannswitwe adoptiert, nachdem meine schlafenden Eltern in der Nacht zum Erntedankfest in unserem Haus verbrannten. Ich hatte mein Zimmer am hinteren Ende des Hauses und konnte mich rechtzeitig nach draußen in Sicherheit bringen, weil ich durch die Schreie meiner Eltern aus dem Schlaf geschreckt wurde. Das allzu gute Mutterherz der Kaufmannswitwe verhätschelte mich aus Mitleid und so lernte ich nach den Misstrauen säenden Schlägen meines Vaters nun auch noch die Maßlosigkeit kennen. Spätestens seit ich durch allerlei Verführungskünste und eine andernfalls voreheliche Niederkunft die Hochzeit mit einer Tochter aus altem Adelsgeschlecht in die Wege geleitet und diese, als sie mir lästig geworden, mit grausamen Spielchen in den Wahnsinn getrieben hatte, waren meiner Phantasie keine Grenzen mehr gesetzt. Zudem: Verrat ist nicht nur ein netter Zeitvertreib, sondern auch ein hübscher Nebenverdienst.
Ich verstrickte bei Hofe alle einflussreichen Personen so sehr in ihre eigenen Lügennetze, dass ich wie ein Marionettenspieler agieren konnte. Als es mich einmal zufällig in die Gegend verschlug, in der mein Elternhaus gestanden hatte, konnte ich diesen schmutzigen, abscheulich stinkenden Anblick nicht ertragen und gab meinen Lakaien den Auftrag, das Pack von diesem Ort zu vertreiben. Heute befindet sich an eben dieser Stelle ein von mir in Auftrag gegebener Lustgarten. Ich machte es mir zur Gewohnheit, alle meine Mätressen, die mir lästig wurden, in diesem Garten zu demütigen, bevor ich sie verließ.
Doch anders als es die Lust der Katze vermochte, begriff mein Verstand mit der Zeit, wie viel Wiederholung in diesem ganzen Spiel lag. Die Katze fing jede neu erblickte Fliege mit gleicher Leidenschaft, als sei es das erste Mal, dass dieser Reiz ihre Augen träfe, als hätte sie nicht schon Dutzende Male ihr grausames Spiel getrieben. Sie konnte nicht begreifen welch leichtes Spiel sie hatte, wie viele Fliegen sie bereits getötet hatte. Ich dagegen begann mich zu langweilen. Der Verstand ist zu sehr Verstand als ein natürlicher Jäger zu sein. Das Jammern und Wimmern, Weinen und Fluchen entfachte nach einiger Zeit keinen Funken Lust mehr in meinem Inneren und als es mich sogar völlig unberührt ließ, als meine Frau unsere gerade erst geborene Tochter an einem heißen Julitag mit einem Kissen erstickte, sich anschließend Steine in ihr Kleid einnähte und sich im nahegelegenen Fluss ersäufte, beendete ich meine Machenschaften. Es gab keinen Anlass mehr für mich, sie zu betreiben.
Doch mit jedem einzelnen Tag verdichtete sich der schwarze Nebel, der meine Sinne umgab. Mit jedem einzelnen Tag quälte der Stachel der Langeweile mich stärker und wurde über die Jahre unerträglich. Mein Herz war ein Grab. Als ich kaum noch meine Kammer verließ entschied ich, dass es unumgänglich war, mir ein neues Laster zu suchen. Eines, das mich nicht zufrieden, aber zumindest lebendig hielt. Und so begann ich mir alles, von dem ich hörte, dass es an sich oder für jemand einzelnen einen ganz besonderen Wert hatte, zu erkaufen. Ich ließ in nahen und fernen Gegenden meines Landsitzes nach seltsamen Gerätschaften, Kunstgegenständen und Frauen anderer Männer forschen. Hatte ich ein Ding einmal in meinen Besitz gebracht, bedeutete es mir nichts mehr, aber es in meinen Besitz zu bringen, der Moment, kurz bevor ich es mein Eigen nannte und in dem ich an jene dachte, welche dieses nun entbehren mussten, war stark genug mich erinnern zu lassen, wie es war zu fühlen.
Einige Zeit lang berichteten mir meine Lakaien beständig, dass die Bewohner tief in den Bergen von einem unter ihnen erzählten, der ursprünglich nicht aus ihrem Dorf kam, sondern sich vor vielen Jahren abseits von ihnen eine kleine Hütte gebaut hatte und seitdem dort abgeschottet von den anderen lebte. Der Lehnsherr akzeptierte ihn, da seine Familie einst in diesem Dorf gelebt hatte und der Mann sich nun als Rattenfänger verdingte. Dieser Mann, so hieß es, behauptete, dass er das teuerste aller Bilder besäße und er selbst der Maler desselben sei. Zunächst gab ich nichts darauf, vermutete Schwachsinn oder Aberglaube, doch die Gerüchte hielten sich. Als meine Kutsche auf einer Reise zufällig den Weg kreuzte, welcher zu dem Dorf hinaufführte, hieß ich den Kutscher halten und entschied, dass es nicht schaden könnte, einmal nachzusehen, was es mit der Sache auf sich hatte. Als wir das Dorf nach einem kurzen Aufstieg erreichten, führte mich mein Diener zu der entlegenen Hütte, in dem besagter Maler wohnen sollte. Bei der Behausung handelte es sich eher um einen mannshohen Bretterverschlag als um eine Hütte. Man sah, dass aus Nachlässigkeit auf eine wohnlichere Anlage verzichtet worden war. Ich klopfte an der Stelle, die mir der Eingang zu sein schien. Es öffnete sich keine Tür, aber von drinnen ertönte eine Stimme, die mich aufforderte einzutreten. Ich schob eine Art ledernen Vorhang zur Seite und folgte der Stimme. Nur für einen kleinen Augenblick strömte Licht ins Innere, zu kurz um sich vollständig zu orientieren. Im Inneren war es düster. Nur eine äußerst schwache Petroleumlampe spendete so viel Licht, dass ich in der hinteren rechten Ecke die Umrisse einer Gestalt zu erkennen meinte. „Ihre Augen werden sich bald an die Dunkelheit gewöhnen. Im Übrigen gibt es hier nicht viel Lohnenswertes zu sehen. Setzen Sie sich solange hier zu mir.“ Ich tat, was die Stimme sagte und bewegte mich in ihre Richtung, ertaste eine Art Schemel und setzte mich. Ich konnte mein Gegenüber nicht erkennen, sah nur zwei gelblich blitzende Augen aus einem kauernden Körper herausblicken.
„Sie sind wegen des Bildes gekommen.“ Ich konnte den Blick nicht von seinen gelben Augen abwenden. „Ja, das bin ich“, antwortete ich verzögert. Mir erschien die ganze Situation äußerst seltsam und ich fragte mich, wo sich in diesem Verschlag das erwähnte Gemälde befinden solle. Womöglich lagerte es gar nicht an diesem Ort, und um es sehen zu können, müsste ich mich gar bereit erklären, mich mit dieser Gestalt in meinem Wagen zu ihm zu begeben. Eine gräuliche Vorstellung. Doch dann – meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit – nahm ich neben dem Mann Umrisse eines Gegenstandes wahr, bei dem es sich um ein Bild auf einer Staffelei handeln konnte. Als der Maler meinen Blick in jene Richtung wandern sah, erkannte ich seine herausfordernden und amüsierten Blicke. Ich erfasste seine Gestalt überhaupt immer besser und meinte im Flackern der Petroleumlampe einen rötlichen Stich seiner Haut zu erkennen, welchen die Art Menschen aufweisen, bei denen die Haut durch das ganze Jahr eine solche Färbung hat. Bei leichter Wärme treten sogleich an Händen, Armen und Hals Adern und Sehnen kräftig hervor. Alles, was diese Menschen tun, geschieht mit Anstrengung. In all ihrem Streben und Tun liegt eine Bewegung, die wirkt, als gäbe es ein unsichtbares Hindernis, ein ständige Barriere.
„Und nun wollen Sie die Geschichte zu dem Bild hören. Deshalb sind Sie doch gekommen, nicht wahr? Zumindest in den letzten Jahren traf das auf jeden zu, der hierher fand“, fügte der Maler hinzu. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht allzu gerne, ja“, antwortete ich unverbindlich. „Sicher, sicher. Sie müssen wissen, es ist eine unschöne Geschichte.“ Ich erwiderte nichts. „Natürlich denken Sie nicht darüber nach, ob es mir etwas ausmachen könnte, aber wissen Sie, das bedeutet nichts. Ich habe das Bild erschaffen. Es noch einmal zu tun, ändert nichts. Es wird mich langweilen, vermutlich auch quälen, aber das bedeutet nichts.“ Und mit diesen Worten begann er zu erzählen und sprang viele Jahre zurück in seine Vergangenheit.
“Ich wusste schon als Kind, dass ich Maler werden wollte. Bei den spärlichen Kirchgängen meiner Familie konnte ich für keinen Moment meinen Blick von den Fresken wenden. In ihnen war ein Licht, das mein Inneres mit einer Wärme flutete, das in Kaskaden durch meinen Körper schoss. Alle Schatten, die sich schon in den ersten Jahren meines kurzen Lebens auf meine Seele gelegt hatten, hoben sich wie schwarze Vorhänge und mein Herz fiel in Aufruhr. Mit einem Schrecken begriff ich, dass die Fresken mir heiliger als Gott selbst erschienen. Und wenn ich von meiner Mutter aufgefordert wurde, zumindest beim Gebet meine Augen für einen kurzen Moment zu schließen, so empfand ich brennenden Hass für sie und presste meine Lider so fest aufeinander, bis ich meinte, das Bild durch sie hindurch in mein Inneres hineingezogen zu haben, um es endlich wieder betrachten zu können. Als es mir dann schließlich erlaubt wurde, die Augen wieder zu öffnen, schienen mir die Fresken von einem düsteren Nebel umgeben, der mich an die Schatten in meinem Inneren erinnerte. Ich wusste, dass dieser Nebel die Fresken umgab, weil ich ihnen Unrecht getan, ihnen mein Inneres aufgezwungen hatte.
Später gelang es mir, Schüler eines Meisters zu werden. Ich arbeitete Tag und Nacht an Körperstudien, studierte Farbtechniken und versuchte mich an verschiedenen Materialien und Maltechniken. An meinen Bildern gab es nichts zu beanstanden, ich beherrschte gegen Ende meiner Lehrzeit alle notwendigen Techniken perfekt. Dieser Meinung war auch mein Meister. Doch was mir viel mehr bedeutete, war, was er nicht sah. Schon bei meinen ersten ernsthaften Versuchen fiel mir auf, dass ein gewisser Glanz in den Augen meines Meisters fehlte, wenn er meine Werke betrachtete. Es gab einzelne Schüler, bei denen grauste es einen (einem), wenn man ihre Maltechniken in Augenschein nahm und doch eben genau diese Bilder zeichneten etwas in das Gesicht meines Meisters, für das ich alles, aber auch wirklich alles gegeben hätte.
Ich flüchtete mich immer öfter in den Wald oder in die Berge und versuchte dort wieder und wieder in meinen Bildern einzufangen, was mich schon als Kind an den Fresken so berührt hatte, und was den Augen des Meister Glanz verlieh. Um mich waren unzählige Erscheinungen, die mich verzauberten, ja, nach und nach schien es mir, als besäße die ganze Welt, jedes einzelne Ding darinnen, diesen Zauber. Doch mir gelang mein Vorhaben nicht, so sehr meine Augen die Mysterien auch schauten. Wenn meine Hand sich vom unentwegten Zeichnen zusammenkrampfte, ich mich erschöpft auf die Erde warf und in die wehenden Kronen der Bäume hinaufsah, so erfasste mich ein sonnenlichtiges Zittern. Sogleich hastete ich dann zu meiner Staffelei zurück und hetzte meine schmerzende Hand wieder über das Papier, um es dieses eine Mal zu vermögen. Vergebens. Wenn dann auch meine Augen vom stundenlangen Studieren gerötet und gereizt waren und ich meinem erhitzten Kopf im See etwas Abkühlung verschaffen wollte, so traf mich das rauschende Schilf, das Schimmern und all die zart wehenden Gräser erneut so in meiner Seele, dass ich es wieder versuchen musste. Auf diese Weise erging es mir Tag um Tag. Es kam vor, dass ich vor Gram und rasender Wut gerade fertig gestellte Bilder schreiend zerschlug und in den See warf, den ich gerade auf ihnen abgebildet hatte. Auch nachts fand ich keinen Schlaf mehr, denn das bloße Mondlicht ließ mir keine Ruhe. Ich hielt es nicht aus, all dies um mich herum wirklich zu sehen, zu zergehen aufgrund all des Schönen und Erhabenen, und zugleich nicht mit dem, was ich war, nämlich ein Maler, diesem entgegnen zu können. Meinen Teil beizutragen. Ein Teil dieses Schönen zu sein. Ich begriff, dass meiner zeichnenden Hand ein letzter Grad an Freiheit fehlte.
Ich bezeichne diesen Mangel als fehlende Anmut und gab es, um es kurz und allgemein zu beschreiben, als ich erkannte, dass Übung diese Unvollkommenheit nicht beheben konnte, mit einem Schlag auf, jemals ein wahrer Maler zu werden. Niemals, das begriff ich, niemals wäre dies für mich möglich. Fortan gab ich die Landschaftsmalerei auf, spezialisierte meine technischen Fähigkeiten auf die Portraitmalerei und arbeitete nach meiner Lehrzeit auf diesem Gebiet als Auftragsmaler. Hier war es per definitionem meine Aufgabe, nicht das zu malen, was ich sah, und so lebte ich auf eine stumpfe Weise zufrieden vor mich hin. Nach einigen Jahren musste ich nicht einmal mehr an die Verzweiflung meiner Jugend denken, auch wenn ich sehr unter meiner Natur gelitten hatte.
Bis zu jenem einem Moment. Andere können den Moment nur dramatisch und vergänglich, das heißt in Zeitdehnung verfolgen. Für sie ereignete sich dieser Moment auf jenem der halbjährlich stattfindenden Debütantenbälle, auf dem der Wiener Opernbesitzer seine nun bald 15 Jahre zählende Tochter in die Gesellschaft einführte. Ich war jedes Jahr auf diese eingeladen, um neue Aufträge abzuschließen. In dem Moment, in welchem die Tochter des Wiener Opernbesitzers mit ihrem Vater den Saal betrat, richtete ich mich gerade aus einer ihr um etwas weniger als ein Viertelkreis abgewandten Verbeugung gegen eine Großtante eines Auftraggebers auf, den Blick in der Bewegung selbst noch zunächst gesenkt und dann gehoben und sie gewahr werdend – die Anmut in meiner Pupille.
Für mich schien in diesem Moment alles eins. Es war eine Offenbarung. Als ich sie sah, traf mich ihr Anblick so unvermittelt, so tief, dass ich nicht in der Lage war, diesem mit meinem Herzen zu begegnen. Es hatte aufgehört zu schlagen. Auch mein Geist konnte keinerlei Gedanken hervorbringen, einzig mein Körper kannte eine Sprache, auf solch einen unmittelbaren, starken Reiz zu reagieren. Vom ersten Augenblick an wusste ich, wie es um mich stand: Dass ich sie lieben müsse, auf eine Art, die mir unmöglich: Allzu leicht. Ich verspürte den innigen Wunsch, für dieses Wesen Sorge zu tragen, ja, es glücklich zu machen. Doch daran zu glauben war mir unmöglich. Ich las in ihren Augen, wie sie mich sah. Wie sie mich nicht sah. Und so begriff ich, dass ich sie besitzen müsse. Dass mein Körper den einzigen Weg bahnen könne. Wie damals in den Wäldern und Bergen es auch allein meine Augäpfel gewesen waren, die etwas begriffen.
Und ich malte mir alles – ganz ohne Pinsel und Leinwand – aus: Wie sie daläge, im Dämmerlicht. Auf der Seite, dem Zimmer zugewandt, Kopf und Knie einander leicht angenähert, der Rücken daher kaum gebeugt. Wie sie daläge, wenn ich mich zu ihr und ihrem Schlaf gesellte, beide weiß und bloß, mich ihrem Rücken näherte, mich ihrer Beugung entgegen schmiege (Zeit). Wie sie daläge, in ihren ruhigen Atem gehüllt, ihre Lippen, so für mich geformt, so schön, dass ich meinen Namen von ihnen zu lesen glaubte. Jakob, Jakob, umschwärmte es mich. Und ich würde auf die Weise antworten, die mir gegeben wäre. Alles würde vergessen sein, nichts von Bedeutung, ich und sie in einer Schachtel, die in einer Schachtel, die in einer Schachtel, die in einer Schachtel.“
Während der Maler erzählte, waren seine Augen stumpf vor Tiefe. Kein glänzender Spiegel lag mehr auf ihnen, denn jeglicher Widerschein kam von innen. Er war tief in sich. Er war dort, wo Vergangenheit immer noch Gegenwart ist. Dann drehte er den Kopf leicht und schaute mich an, seine Pupillen gewannen an Raum und Licht. „Sie wollen mehr erfahren, habe ich Recht?“
„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, allzu gerne, ja“, lächelte ich erneut.
„Ich dachte mir, dass Sie es nicht verstehen würden“, entgegnete er. „Alles, was ich Ihnen bisher erzählt habe, wird Ihnen mehr erklären als sämtliche noch so detaillierte Beschreibungen dessen, was weiter geschah. Allein die Vorstellung, die ich von all dem hatte, sich diese zu vergegenwärtigen, bedeutet soviel mehr als alles Folgende, sogar das Geschehene selbst, zu sagen vermag. Nur in ihr kann das Unvermeidbare, das Unabänderliche mitschwingen. Verstehen Sie, nur in der Vorstellung von etwas Unabänderlichem, was noch nicht eingetroffen ist, können Wollen, Leugnen und Reue mitschwingen. Wenn ich es als meine Vorstellung beschreibe, wenn ich beim Erzählen noch der bin, der ich war, und zugleich der bin, der ich jetzt bin, dann ist dies mehr als alles andere.“
Ich sah, dass ich ihm gegenüber an Ansehen verlor, ja schon verloren hatte, doch hatte ich mein Leben lang schon zu viele Intrigen gesponnen, als dass mich dieses beunruhigen oder gar berühren konnte. So sagte ich: „Und doch erführe ich gerne, wie es weiterging.“ Er lachte dunkel aus seiner Kehle heraus. „Gut, meine Sünde sei die Ihre, mein Vergehen Ihr Vergehen, ich sehe unsere schwarzen Seelen sind Schwestern im Geiste. Kein Wissen kann sie belehren, stillen, auch wenn es noch so wahr, so rein, so ehrlich ist.“ Der Maler befeuchtete seine Lippen.
„Ich wurde von Ihrem Vater beauftragt sie zu portraitieren und litt jeden Augenblick, in dem sie um mich war und in dem sie mir fern war, lebte nur noch in diesem dunklen, vergrabenen Schmerz, der meine Welt bestimmte, schaute ihre Augen nicht, sprach nur das Nötigste. Der Vater erlaubte nicht, dass sie zum Portraitieren in mein Atelier kam und so malte ich sie in ihrem eigenen Zimmer am Fenster sitzend. Dieses Fenster wurde mein Fluchtpunkt und wenn auch meine Hand die Form ihrer Wangen auf dem Papier nachfuhr, so blieb der Rest von mir stets auf dieses Fenster konzentriert. Und wenn meine Augen sie betrachteten, so sahen nur meine Augen sie. Die Reize gingen durch sie hindurch wie durch ein Sieb. Ich wusste, dass dieses Bild niemals fertig würde, doch ein ganz anderes zeichnete sich dafür immer klarer und stärker in mir ab.
Ich ergriff meine Chance, als Vorkehrungen für eine bevorstehende Premiere einer Oper getroffen wurden. Das Haus des Wiener Opernbesitzers befand sich nahe des Opernhauses und da er mich ebenfalls geladen hatte um mir die Möglichkeit zu geben, neue Aufträge zu erhalten, wurde mir in seinem Haus ein Zimmer bereitgestellt. So hatte ich genug Möglichkeit durch schmeichelnde Gespräche mit dem Zimmermädchen einen Schlüssel zu dem Zimmer seiner Tochter zu erhalten. Der Plan war denkbar einfach. In der kommenden Nacht würde es ein gemeinsames Mahl geben. Ich zögerte nicht, das Dienstpersonal ein zweites Mal in mein Vorhaben mit einzubeziehen, weil ich nichts fürchtete nach jener Nacht. Ein Danach gab es für mich nicht, war unvorstellbar. Nicht einmal Reue würde ich mir erlauben können. Eine Gewehrkugel würde ihr Übriges tun. Das Dienstmädchen war von mir dazu angehalten bei diesem Mahl ein leichtes Schlafmittel, mehr würde nicht nötig sein, in das Glas der Tochter zu geben. Später schliche ich mich dann auf ihr Zimmer. Sie schliefe längst und so bliebe das Äthertuch unbenutzt in meiner Tasche. Alles geschähe wie aus freien Stücken. Ich legte (Modus – Zeit) mich zu ihr und dann, ja dann endlich –.“
Die Worte des Malers verebbten in seinem Inneren, doch man sah seine Gedanken in der Dunkelheit der Hütte glimmen. Er blickte nur einmal auf, schaute mich an, ich schluckte und der Maler fuhr mit seiner Erzählung fort.
„Der Abend kam und alle Vorhaben klappten reibungslos. Als sie aus dem Glas mit dem Schlafmittel trank, prostete ihr Vater ihr aufmunternd zu. Schon im Salon befiel sie die Müdigkeit und sie entschuldigte sich damit, dass morgen solch ein aufregender Tag sei, dass sie unbedingt ausgeschlafen sein wolle, wenn das neue Werk des Hofkompositeurs zu hören sei. Ihr Gang war trunken. Ich blieb noch eine Weile im Salon, mein Mund führte Unterhaltungen, doch mein Herz malte beständig, so wie es dies all die letzten Wochen getan hatte. Schließlich schlug die Uhr eine Stunde, die keinen Verdacht schöpfen ließ. Ich empfahl mich mit einer Verbeugung und auch als ich die Salontüren hinter mir geschlossen hatte, wurden meine Schritte nicht schneller. Auf meinem Zimmer angekommen entkleidete und wusch ich mich. Anschließend zog ich mich gut an. Ich legte keinen Duft auf.
Ihre Zimmertür öffnete sich lautlos. Ich schlich in die Dunkelheit hinein. Der Mond spendete nur spärliches Licht durch die Fenster, vor welche ich die Vorhänge zog, bevor ich eine kleine Kerze auf den Sekretär stellte und anzündete. Noch zum Tisch gewandt schloss ich die Augen und drehte mich so, dass mein Blick auf das Bett fiele, wenn ich die Augen öffnete (Modus – Zeit). Nun endlich ließ ich meine Hände zittern. Ich stellte mich aufrecht hin, die Augen immer noch geschlossen. In der Stille konnte ich ihren tiefen, ruhigen Atem hören. Gleich würde für einen einzigen warmen Augenblick kein ‚Niemals’ gelten. Dieses ‚Niemals’, das mich mein ganzes verfluchtes Leben hatte leiden lassen. Mit dem ich mich selbst beschämte, indem ich es akzeptierte und das meine Seelenkräfte unterdrückte – bis ich sie sah und mich ein letztes Mal aufbäumte – nach all den Jahren. Und nun, im nächsten Augenblick, mit dem Öffnen meiner Lider, gälten für einen trügerisch wahren Augenblick andere Weltgesetze. Ohne Schwerkraft, die Anmut in meinen Armen, wäre ich nicht länger umgetrieben, nicht länger unter Schmerz. Meine Pein hätte ein Ende. Doch als ich endlich die Augen öffnen wollte, krampften sich meine Hände zusammen und meine Nägel bohrten sich tief in die Innenflächen. Die Muskeln meiner Oberschenkel zuckten, doch die Füße standen versteinert am Boden und rührten sich nicht. Ich weiß nicht wie lange ich dort stand und meinen lächerlichen Kampf führte. Mit einem Mal ließen die Krämpfe nach und ich wurde für einen Moment ganz ruhig. Ich hatte begriffen. Ich vermochte es nicht. Ich würde es niemals vermögen. ‚Niemals’ – das Gesetz hatte mich zurück. Ich wandte mich wieder zum Sekretär, öffnete die Augen, blies das Kerzenlicht aus und zog die Vorhänge wieder zurück. Ich trat an ihr Bett. Schemenhaft konnte ich erkennen, wie sie dalag. Sie lag wie in meinen Träumen. Im Dämmerlicht. Auf der Seite, dem Zimmer zugewandt, Kopf und Knie einander leicht angenähert, der Rücken daher kaum gebeugt. Weiß und bloß lagen sie dort, ihr Schlaf und sie. Meinen Namen auf ihren lieblichen Lippen. Ich spürte Schreie in mir aufsteigen und rannte aus dem Zimmer, hetzte den Flur entlang, stürmte durch die Pforten ins Freie, schrie und rannte bis mir die Muskeln brannten. Ich geriet ins Gebirge. Ohne zu zögern suchte ich in der Dunkelheit einen Abgrund, stellte mich dicht an die Erdgrenze, zog das Äthertuch hervor, schloss die Augen, beugte mich leicht nach vorn und hielt mir das Tuch vor den Mund. Es raubte mir die Sinne und ich stürzte hinab. Ich weiß nicht wie tief es war, im Fall sah ich nur sie, wie sie dalag, weiß und bloß.
Es war nicht tief genug. Ich starb nicht. Keiner fand mich, ich erwachte an irgendeinem Morgen, schleppte mich an diesen Ort und verdinge mich um hier leben zu dürfen seit dem Abheilen meiner Wunden als Rattenfänger.“
Der Maler schaute mich an. Mir war heiß und kalt, doch ich fragte bloß: „Wo ist dieses Mädchen jetzt?“
Der Maler lachte dunkel. „Ich weiß es nicht. Aber sehen Sie mich an, Ihre Augen werden sich doch inzwischen etwas an die Dunkelheit gewöhnt haben. Ich bin, ich weiß gar nicht wie alt, so alt wie Sie vielleicht. Demnach zählt das Mädchen mindestens 40 Jahre.“
Mein Gesicht verzog sich. „Da machen die Jahre Ihnen wohl einen Strich durch die Rechnung“, grinste der Maler.
Ich stand auf: „Und das Bild? Wo ist es? Kann ich sie darauf sehen?“
„Das Bild! Das Bild, das ich gemalt habe. Wo es ist? Dort, wo es immer sein wird. Dort, wo kein Bild zerrissen werden kann. In meinem verdammten Kopf, in meinem verdammten Körper, meinem verdammten Herzen. Hier drin ist es!“ Der Maler schlug sich an den Kopf und vor die Brust.
„Leben Sie wohl“, sagte ich.
„Leben Sie wohl“, gab der Maler zurück. „Nun haben Sie das Bild gesehen, dass mich Tag und Nacht verfolgt. Und da ich Ihre Natur kenne, wir uns ähneln, brauche ich Ihnen nicht zu sagen, wie teuer ich dafür bezahlt habe, und dass ich es noch immer tun würde, wenn ich es nur vermöchte. Mein Leben werde ich nun damit zubringen, es nicht getan zu haben. Verstehen Sie, ich bin kein guter Mensch, ich bin nur nicht schlecht genug für mein Glück.“
„Meine Natur hätte es im Gegensatz zu der Ihrigen vollbracht“, war das einzige, was ich ihm entgegenschmetterte, während ich wankend den Verschlag verließ und dachte: Du Narr! Nicht einmal, dass ich das Bild nicht sehen konnte, niemals werde sehen können, hast du bemerkt. Nicht schlecht genug für dein Glück, dass ich nicht lache. Und ich dachte an all den angehäuften Tand in meinem Hause und daran, dass ich niemals geliebt hatte, und in diesem Moment fühlte ich mich wie die Katze, als der Hofhund sie in Stücke riss.
Der Maler (Endversion)
Hallo Lisa,
Dein Kapitel mit Rahmen- und Binnenerzählung gefällt mir gut. Du hast offensichtlich große Freude am ästhetizistischen Künstlerroman. Auch ich habe solche Romane und Erzählungen gerne gelesen. Bei der Mordszene etwa musste ich an Edgar Allan Poe denken (The Oval Portrait und The Tell-Tale Heart). Natürlich gibt es auch im Frühwerk von Hesse (weniger blutrünstige) Künstlergeschichten. Dein böser Erzähler erinnert mich an einen Protagonisten von Joris-Karl Huysmans. Moderne Vergleiche fallen mir natürlich auch ein: Robert Schneider (das war doch sein Name, oder?), Carl-Johan Fallgren usw. Du siehst, ich bin schwer beeindruckt. Nimm es mir deshalb bitte auch nicht übel, wenn ich an einigen Stellen noch nachbessern würde. Nach dem Vorbild von Leonie habe ich meine Anmerkungen in Klammern dazugeschrieben. Die Farbe aus meinem Schreibprogramm findet sich hier leider nicht wieder, sonst würdest Du auch meine Anregungen zur Zeichensetzung leichter finden können.
Grüße
Paul Ost
Der Maler
Fremdes Leid war mir seit ich denken kann eine Lust.
Ich erinnere mich, wie ich schon als Kind fasziniert die Hofkatze beobachtete, wenn sie im Kuhstall Fliegen fing. Sie ergriff sie mit ihrer Tatze, betrachtete sie kurz und steckte sie sich dann so in ihr Maul, dass nur noch Flügel und Kopf herausschauten. Die Fliege versuchte sich zu befreien, verletzte sich dabei, Flügel und Beine nahmen Schaden. Nach einer Weile ließ sie die offensichtlich betäubte Fliege wieder frei, diese kam ein Stück weit und die Katze fing sie erneut. Dieses Spiel trieb die Katze, bis sie es müde wurde oder die Fliege starb.
Ich trieb meine Spiele nicht anders als diese Hofkatze, die übrigens, als sie alt und lahm geworden war, vom Hofhund in Stücke gerissen wurde – nur waren meine Fliegen Menschen. Mit einer Geste konnte ich einen Menschen ins Verderben stürzen, alles war mir möglich. Als Sohn eines Leibeigenen wuchs ich zunächst zwar in erbärmlichen Verhältnissen auf. Doch mit fünf Jahren wurde ich von einer ebenso betuchten wie unfruchtbaren Kaufmannswitwe adoptiert, nachdem meine schlafenden Eltern in der Nacht zum Erntedankfest in unserem Haus verbrannten. Ich hatte mein Zimmer am hinteren Ende des Hauses und konnte mich rechtzeitig nach draußen in Sicherheit bringen, weil ich durch die Schreie meiner Eltern aus dem Schlaf geschreckt wurde. Das allzu gute Mutterherz der Kaufmannswitwe verhätschelte mich aus Mitleid und so lernte ich nach den Misstrauen säenden Schlägen meines Vaters nun auch noch die Maßlosigkeit kennen. Spätestens seit ich durch allerlei Verführungskünste und eine andernfalls voreheliche Niederkunft die Hochzeit mit einer Tochter aus altem Adelsgeschlecht in die Wege geleitet und diese, als sie mir lästig geworden, mit grausamen Spielchen in den Wahnsinn getrieben hatte, waren meiner Phantasie keine Grenzen mehr gesetzt. Zudem: Verrat ist nicht nur ein netter Zeitvertreib, sondern auch ein hübscher Nebenverdienst.
Ich verstrickte bei Hofe alle einflussreichen Personen so sehr in ihre eigenen Lügennetze, dass ich wie ein Marionettenspieler agieren konnte. Als es mich einmal zufällig in die Gegend verschlug, in der mein Elternhaus gestanden hatte, konnte ich diesen schmutzigen, abscheulich stinkenden Anblick nicht ertragen und gab meinen Lakaien den Auftrag, das Pack von diesem Ort zu vertreiben. Heute befindet sich an eben dieser Stelle ein von mir in Auftrag gegebener Lustgarten. Ich machte es mir zur Gewohnheit, alle meine Mätressen, die mir lästig wurden, in diesem Garten zu demütigen, bevor ich sie verließ.
Doch anders als es die Lust der Katze vermochte, begriff mein Verstand mit der Zeit, wie viel Wiederholung in diesem ganzen Spiel lag. Die Katze fing jede neu erblickte Fliege mit gleicher Leidenschaft, als sei es das erste Mal, dass dieser Reiz ihre Augen träfe, als hätte sie nicht schon Dutzende Male ihr grausames Spiel getrieben. Sie konnte nicht begreifen welch leichtes Spiel sie hatte, wie viele Fliegen sie bereits getötet hatte. Ich dagegen begann mich zu langweilen. Der Verstand ist zu sehr Verstand als ein natürlicher Jäger zu sein. Das Jammern und Wimmern, Weinen und Fluchen entfachte nach einiger Zeit keinen Funken Lust mehr in meinem Inneren und als es mich sogar völlig unberührt ließ, als meine Frau unsere gerade erst geborene Tochter an einem heißen Julitag mit einem Kissen erstickte, sich anschließend Steine in ihr Kleid einnähte und sich im nahegelegenen Fluss ersäufte, beendete ich meine Machenschaften. Es gab keinen Anlass mehr für mich, sie zu betreiben.
Doch mit jedem einzelnen Tag verdichtete sich der schwarze Nebel, der meine Sinne umgab. Mit jedem einzelnen Tag quälte der Stachel der Langeweile mich stärker und wurde über die Jahre unerträglich. Mein Herz war ein Grab. Als ich kaum noch meine Kammer verließ entschied ich, dass es unumgänglich war, mir ein neues Laster zu suchen. Eines, das mich nicht zufrieden, aber zumindest lebendig hielt. Und so begann ich mir alles, von dem ich hörte, dass es an sich oder für jemand einzelnen einen ganz besonderen Wert hatte, zu erkaufen. Ich ließ in nahen und fernen Gegenden meines Landsitzes nach seltsamen Gerätschaften, Kunstgegenständen und Frauen anderer Männer forschen. Hatte ich ein Ding einmal in meinen Besitz gebracht, bedeutete es mir nichts mehr, aber es in meinen Besitz zu bringen, der Moment, kurz bevor ich es mein Eigen nannte und in dem ich an jene dachte, welche dieses nun entbehren mussten, war stark genug mich erinnern zu lassen, wie es war zu fühlen.
Einige Zeit lang berichteten mir meine Lakaien beständig, dass die Bewohner tief in den Bergen von einem unter ihnen erzählten, der ursprünglich nicht aus ihrem Dorf kam, sondern sich vor vielen Jahren abseits von ihnen eine kleine Hütte gebaut hatte und seitdem dort abgeschottet von den anderen lebte. Der Lehnsherr akzeptierte ihn, da seine Familie einst in diesem Dorf gelebt hatte und der Mann sich nun als Rattenfänger verdingte. Dieser Mann, so hieß es, behauptete, dass er das teuerste aller Bilder besäße und er selbst der Maler desselben sei. Zunächst gab ich nichts darauf, vermutete Schwachsinn oder Aberglaube, doch die Gerüchte hielten sich. Als meine Kutsche auf einer Reise zufällig den Weg kreuzte, welcher zu dem Dorf hinaufführte, hieß ich den Kutscher halten und entschied, dass es nicht schaden könnte, einmal nachzusehen, was es mit der Sache auf sich hatte. Als wir das Dorf nach einem kurzen Aufstieg erreichten, führte mich mein Diener zu der entlegenen Hütte, in dem besagter Maler wohnen sollte. Bei der Behausung handelte es sich vielmehr (eher) um einen mannshohen Bretterverschlag als um eine Hütte. Man sah, dass aus Nachlässigkeit auf eine wohnlichere Anlage verzichtet worden war. Ich klopfte an der Stelle, die mir der Eingang zu sein schien. Es öffnete sich keine Tür, aber von drinnen ertönte eine Stimme, die mich aufforderte einzutreten. Ich schob einzelne Bretter zur Seite und trat umständlich ein. Nur für einen kleinen Augenblick fiel Licht ins Innere, zu kurz um sich vollständig zu orientieren. Dann verdeckten die Bretter wieder den Zugang (wie von Geisterhand?). Im ganzen (könnte man weglassen) Inneren war es düster. Nur eine äußerst schwache Petroleumlampe spendete so viel Licht, dass ich in der hinteren rechten Ecke die Umrisse einer Gestalt zu erkennen meinte. „Ihre Augen werden sich bald an die Dunkelheit gewöhnen. Im Übrigen gibt es hier nicht viel Lohnenswertes zu sehen. Setzen Sie sich solange hier zu mir.“ Ich tat, was die Stimme sagte und bewegte mich in ihre Richtung, ertaste eine Art Schemel und setzte mich. Ich konnte mein Gegenüber nicht erkennen, sah nur zwei gelblich blitzende Augen aus einem kauernden Körper herausblicken.
„Sie sind wegen des Bildes gekommen.“ Ich konnte den Blick nicht von seinen gelben Augen abwenden. „Ja, das bin ich“, antwortete ich verzögert. Mir erschien die ganze Situation äußerst seltsam und ich fragte mich, wo sich in diesem Verschlag das erwähnte Gemälde befinden solle. Womöglich lagerte es gar nicht an diesem Ort, und um es sehen zu können, müsste ich mich gar bereit erklären, mich mit dieser Gestalt in meinem Wagen zu ihm zu begeben. Eine gräuliche Vorstellung. Doch dann – meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit – nahm ich neben dem Mann Umrisse eines Gegenstandes wahr, bei dem es sich um ein Bild auf einer Staffelei handeln konnte. Als der Maler meinen Blick in jene Richtung wandern sah, erkannte ich seine herausfordernden und amüsierten Blicke. Ich erfasste seine Gestalt überhaupt immer besser und meinte im Flackern der Petroleumlampe einen rötlichen Stich seiner Haut zu erkennen, welchen die Art Menschen aufweisen, bei denen die Haut durch das ganze Jahr eine rötliche Färbung hat (Das scheint mir eine Wiederholung zu sein). Bei leichter Wärme treten sogleich an Händen, Armen und Hals Adern und Sehnen kräftig hervor. Alles, was diese Menschen tun, geschieht mit Anstrengung. In all ihrem Streben und Tun liegt eine Bewegung, die wirkt, als gäbe es ein unsichtbares Hindernis, ein ständige Barriere.
„Und nun wollen Sie die Geschichte zu dem Bild hören. Deshalb sind Sie doch gekommen, nicht wahr? Zumindest in den letzten Jahren traf das auf jeden zu, der hierher fand“, fügte der Maler hinzu. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht allzu gerne, ja“, antwortete ich unverbindlich. „Sicher, sicher. Sie müssen wissen, es ist eine unschöne Geschichte.“ Ich erwiderte nichts. „Natürlich denken Sie nicht darüber nach, ob es mir etwas ausmachen könnte, aber wissen Sie, das bedeutet nichts. Ich habe das Bild erschaffen. Es noch einmal zu tun, ändert nichts. Es wird mich langweilen, vermutlich auch quälen, aber das bedeutet nichts.“ Und mit diesen Worten begann er zu erzählen und sprang viele Jahre zurück in seine Vergangenheit.
“Ich wusste schon als Kind, dass ich Maler werden wollte. Bei den spärlichen Kirchgängen meiner Familie konnte ich für keinen Moment meinen Blick von den Fresken wenden. In ihnen war ein Licht, das mein Inneres mit einer Wärme flutete, das in Kaskaden durch meinen Körper schoss wie Feuerjäger (was sind Feuerjäger?). Alle Schatten, die sich schon in den ersten Jahren meines kurzen Lebens auf meine Seele gelegt hatten, hoben sich wie schwarze Vorhänge und mein Herz fiel in Aufruhr. Mit einem Schrecken begriff ich, dass die Fresken mir heiliger als Gott selbst erschienen. Und wenn ich von meiner Mutter aufgefordert wurde, zumindest beim Gebet meine Augen für einen kurzen Moment zu schließen, so empfand ich brennenden Hass für sie und presste meine Lider so fest aufeinander, bis ich meinte, das Bild durch sie hindurch in mein Inneres hineingezogen zu haben, um es endlich wieder betrachten zu können. Als es mir dann schließlich erlaubt wurde, die Augen wieder zu öffnen, schienen mir die Fresken von einem düsterem (Grammatik) Nebel umgeben, der mich an die Schatten in meinem Inneren erinnerte. Ich wusste, dass dieser Nebel die Fresken umgab, weil ich ihnen Unrecht getan, ihnen mein Inneres aufgezwungen hatte.
Später gelang es mir, Schüler eines Meisters zu werden. Ich arbeitete Tag und Nacht an Körperstudien, studierte Farbtechniken und versuchte mich an verschiedenen Materialien und Maltechniken. An meinen Bildern gab es nichts zu beanstanden, ich beherrschte gegen Ende meiner Lehrzeit alle notwendigen Techniken perfekt. Dieser Meinung war auch mein Meister. Doch was mir viel mehr bedeutete, war, was er nicht sah. Schon bei meinen ersten ernsthaften Versuchen fiel mir auf, dass ein gewisser Glanz in den Augen meines Meisters fehlte, wenn er meine Werke betrachtete. Es gab einzelne Schüler, bei denen grauste es einen (einem), wenn man ihre Maltechniken in Augenschein nahm und doch eben genau diese Bilder zeichneten etwas in das Gesicht meines Meisters, für das ich alles, aber auch wirklich alles gegeben hätte.
Ich flüchtete mich immer öfter in den Wald oder in die Berge und versuchte dort wieder und wieder in meinen Bildern einzufangen, was mich schon als Kind an den Fresken so berührt hatte, und was den Augen des Meister Glanz verlieh. Um mich waren unzählige Erscheinungen, die mich verzauberten, ja, nach und nach schien es mir, als besäße die ganze Welt, jedes einzelne Ding darinnen, diesen Zauber. Doch mir gelang mein Vorhaben nicht, so sehr meine Augen die Mysterien auch schauten. Wenn meine Hand sich vom unentwegten Zeichnen zusammenkrampfte, ich mich erschöpft auf die Erde warf und in die wehenden Kronen der Bäume hinaufsah, so erfasste mich ein sonnenlichtiges (?) Zittern. Sogleich hastete ich dann zu meiner Staffelei zurück und hetzte meine schmerzende Hand wieder über das Papier, um es dieses eine Mal zu vermögen. Vergebens. Wenn dann auch meine Augen vom stundenlangen Studieren gerötet und gereizt waren und ich meinem erhitzten Kopf im See etwas Abkühlung verschaffen wollte, so traf mich das rauschende Schilf, das Schimmern und all die zart wehenden Gräser erneut so in meiner Seele, dass ich es wieder versuchen musste. Auf diese Weise erging es mir Tag um Tag. Es kam vor, dass ich vor Gram und rasender Wut gerade fertig gestellte Bilder schreiend zerschlug und in den See warf, den ich gerade auf ihnen abgebildet hatte. Auch nachts fand ich keinen Schlaf mehr, denn das bloße Mondlicht ließ mir keine Ruhe. Ich hielt es nicht aus, all dies um mich herum wirklich zu sehen, zu zergehen aufgrund all des Schönen und Erhabenen, und zugleich nicht mit dem, was ich war, nämlich ein Maler, diesem entgegnen zu können. Meinen Teil beizutragen. Ein Teil dieses Schönen zu sein. Ich begriff, dass meiner zeichnenden Hand ein letzter Grad an Freiheit fehlte.
Ich bezeichne diesen Mangel als fehlende Anmut und gab es, um es kurz und allgemein zu beschreiben, als ich erkannte, dass Übung diese Unvollkommenheit nicht beheben konnte, mit einem Schlag auf, jemals ein wahrer Maler zu werden. Niemals, das begriff ich, niemals wäre dies für mich möglich. Fortan gab ich die Landschaftsmalerei auf, spezialisierte meine technischen Fähigkeiten auf die Portraitmalerei und arbeitete nach meiner Lehrzeit auf diesem Gebiet als Auftragsmaler. Hier war es per Definition (per definitionem) meine Aufgabe, nicht das zu malen, was ich sah, und so lebte ich auf eine stumpfe Weise zufrieden vor mich hin. Nach einigen Jahren musste ich nicht einmal mehr an die Verzweiflung meiner Jugend denken, auch wenn ich sehr unter meiner Natur gelitten hatte.
Bis zu jenem einem Moment. Andere können den Moment nur dramatisch und vergänglich, das heißt in Zeitdehnung verfolgen. Für sie ereignete sich dieser Moment auf jenem der halbjährlich stattfindenden Debütantenbälle, auf dem der Wiener Opernbesitzer seine nun bald 15 Jahre zählende Tochter in die Gesellschaft einführte. Ich war jedes Jahr auf diese eingeladen, um neue Aufträge abzuschließen. In dem Moment, in welchem die Tochter des Wiener Opernbesitzers mit ihrem Vater den Saal betrat, richtete ich mich gerade aus einer ihr um etwas weniger als ein Viertelkreis abgewandten Verbeugung gegen eine Großtante eines Auftraggebers auf, den Blick in der Bewegung selbst noch zunächst gesenkt und dann gehoben und sie gewahr werdend – die Anmut in meiner Pupille (da ist die Anmut nicht zu finden).
Für mich schien in diesem Moment alles eins. Es war eine Offenbarung. Als ich sie sah, traf mich ihr Anblick so unvermittelt, so tief, dass ich nicht in der Lage war, diesem mit meinem Herzen zu begegnen. Es hatte aufgehört zu schlagen. Auch mein Geist konnte keinerlei Gedanken hervorbringen, einzig mein Körper kannte eine Sprache, auf solch einen unmittelbaren, starken Reiz zu reagieren. Vom ersten Augenblick an wusste ich, wie es um mich stand: Dass ich sie lieben müsse, auf eine Art, die mir unmöglich: Allzu leicht. Ich verspürte zu allertiefst (den innigen Wunsch?) den Wunsch, für dieses Wesen Sorge zu tragen, ja, es glücklich zu machen. Doch daran zu glauben war mir unmöglich. Ich las in ihren Augen, wie sie mich sah. Wie sie mich nicht sah. Und so begriff ich, dass ich sie besitzen müsse. Dass mein Körper den einzigen Weg bahnen könne. Wie damals in den Wäldern und Bergen es auch allein meine Augäpfel gewesen waren, die etwas begriffen.
Und ich malte mir alles – ganz ohne Pinsel und Leinwand – aus: Wie sie daläge, im Dämmerlicht. Auf der Seite, dem Zimmer zugewandt, Kopf und Knie einander leicht angenähert, der Rücken daher kaum gebeugt. Wie sie daläge, wenn ich mich zu ihr und ihrem Schlaf gesellte, beide weiß und bloß, mich ihrem Rücken näherte, mich ihrer Beugung entgegen schmiege (Zeit). Wie sie daläge, in ihren ruhigen Atem gehüllt, ihre Lippen, so für mich geformt, so schön, dass ich meinen Namen von ihnen zu lesen glaubte. Jakob, Jakob, umschwärmte es mich. Und ich würde auf die Weise antworten, die mir gegeben wäre. Alles würde vergessen sein, nichts von Bedeutung, ich und sie in einer Schachtel, die in einer Schachtel, die in einer Schachtel, die in einer Schachtel.“
Während der Maler erzählte, waren seine Augen stumpf vor Tiefe. Kein glänzender Spiegel lag mehr auf ihnen, denn jeglicher Widerschein kam von innen. Er war tief in sich. Er war dort, wo Vergangenheit immer noch Gegenwart ist. Dann drehte er den Kopf leicht und schaute mich an, seine Pupillen gewannen an Raum und Licht. „Sie wollen mehr erfahren, habe ich Recht?“
„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, allzu gerne, ja“, lächelte ich erneut.
„Ich dachte mir, dass Sie es nicht verstehen würden“, entgegnete er. „Alles, was ich Ihnen bisher erzählt habe, wird Ihnen mehr erklären als sämtliche noch so detaillierte Beschreibungen dessen, was weiter geschah. Allein die Vorstellung, die ich von all dem hatte, sich diese zu vergegenwärtigen, bedeutet soviel mehr als alles Folgende, sogar das Geschehene selbst, zu sagen vermag. Nur in ihr kann das Unvermeidbare, das Unabänderliche mitschwingen. Verstehen Sie, nur in der Vorstellung von etwas Unabänderlichem, was noch nicht eingetroffen ist, können Wollen, Leugnen und Reue mitschwingen. Wenn ich es als meine Vorstellung beschreibe, wenn ich beim Erzählen noch der bin, der ich war, und zugleich der bin, der ich jetzt bin, dann ist dies mehr als alles andere.“
Ich sah, dass ich ihm gegenüber an Ansehen verlor, ja schon verloren hatte, doch hatte ich mein Leben lang schon zu viele Intrigen gesponnen, als dass mich dieses beunruhigen oder gar berühren konnte. So sagte ich: „Und doch erführe ich gerne, wie es weiterging.“ Er lachte dunkel aus seiner Kehle heraus. „Gut, meine Sünde sei die Ihre, mein Vergehen Ihr Vergehen, ich sehe unsere schwarzen Seelen sind Schwestern im Geiste. Kein Wissen kann sie belehren, stillen, auch wenn es noch so wahr, so rein, so ehrlich ist.“ Der Maler befeuchtete seine Lippen.
„Ich wurde von Ihrem Vater beauftragt sie zu portraitieren und litt jeden Augenblick, in dem sie um mich war und in dem sie mir fern war, lebte nur noch in diesem dunklen, vergrabenen Schmerz, der meine Welt bestimmte, schaute ihre Augen nicht, sprach nur das Nötigste. Der Vater erlaubte nicht, dass sie zum Portraitieren in mein Atelier kam und so malte ich sie in ihrem eigenen Zimmer am Fenster sitzend. Dieses Fenster wurde mein Fluchtpunkt und wenn auch meine Hand die Form ihrer Wangen auf dem Papier nachfuhr, so blieb der Rest von mir stets auf dieses Fenster konzentriert. Und wenn meine Augen sie betrachteten, so sahen nur meine Augen sie. Die Reize gingen durch sie hindurch wie durch ein Sieb. Ich wusste, dass dieses Bild niemals fertig würde, doch ein ganz anderes zeichnete sich dafür immer klarer und stärker in mir ab.
Ich ergriff meine Chance, als Vorkehrungen für eine bevorstehende Premiere einer Oper getroffen wurden. Das Haus des Wiener Opernbesitzers befand sich nahe des Opernhauses und da er mich ebenfalls geladen hatte um mir die Möglichkeit zu geben, neue Aufträge zu erhalten, wurde mir in seinem Haus ein Zimmer bereitgestellt. So hatte ich genug Möglichkeit durch schmeichelnde Gespräche mit dem Zimmermädchen einen Schlüssel zu dem Zimmer seiner Tochter zu erhalten. Der Plan war denkbar einfach. In der kommenden Nacht würde es ein gemeinsames Mahl geben. Ich zögerte nicht, das Dienstpersonal ein zweites Mal in mein Vorhaben mit einzubeziehen, weil ich nicht fürchtete nach jener Nacht aufzufliegen. Ein Danach gab es für mich nicht, war unvorstellbar. Nicht einmal Reue würde ich mir erlauben können. Eine Gewehrkugel würde ihr Übriges tun. Das Dienstmädchen war von mir dazu angehalten bei diesem Mahl ein leichtes Schlafmittel, mehr würde nicht nötig sein, in ihr (wessen) Glas zu geben. Später schliche ich mich dann auf ihr Zimmer. Sie schliefe längst und so bliebe das Äthertuch unbenutzt in meiner Tasche. Alles geschähe wie aus freien Stücken. Ich legte (Modus – Zeit) mich zu ihr und dann, ja dann endlich –.“
Die Worte des Malers verebbten in sein Inneres (in seinem Inneren), doch man sah seine Gedanken in der Dunkelheit der Hütte glimmen. Er blickte nur einmal auf, sah (Wd) mich an, ich schluckte und der Maler fuhr mit seiner Erzählung fort.
„Der Abend kam und alle Vorhaben klappten reibungslos. Als sie aus dem Glas mit dem Schlafmittel trank, prostete ihr Vater ihr aufmunternd zu. Schon im Salon befiel sie die Müdigkeit und sie entschuldigte sich damit, dass morgen solch ein aufregender Tag sei, dass sie unbedingt ausgeschlafen sein wolle, wenn das neue Werk des Hofkompositeurs zu hören sei. Ihr Gang war trunken. Ich blieb noch eine Weile im Salon, mein Mund führte Unterhaltungen, doch mein Herz malte beständig, so wie es dies all die letzten Wochen getan hatte. Schließlich schlug die Uhr eine Stunde, die keinen Verdacht schöpfen ließ. Ich empfahl mich mit einer Verbeugung(,) und auch als ich die Salontüren hinter mir geschlossen hatte, wurden meine Schritte nicht schneller. Auf meinem Zimmer angekommen entkleidete und wusch ich mich. Anschließend zog ich mich gut an. Ich legte keinen Duft auf.
Ihre Zimmertür öffnete sich ohne Ton (lautlos). Ich schlich in die Dunkelheit hinein. Der Mond spendete nur spärliches Licht durch die Fenster, vor welche ich die Vorhänge zog, bevor ich eine kleine Kerze auf den Sekretär stellte und anzündete. Noch zum Tisch gewandt schloss ich die Augen und drehte mich so, dass mein Blick auf das Bett fiele, wenn ich die Augen öffnete (Modus – Zeit). Nun endlich ließ ich meine Hände zittern. Ich stellte mich aufrecht hin, die Augen immer noch geschlossen. In der Stille konnte ich ihren tiefen, ruhigen Atem hören. Gleich würde für einen einzigen warmen Augenblick kein ‚Niemals’ gelten. Dieses ‚Niemals’, das mich mein ganzes verfluchtes Leben hatte leiden lassen. Mit dem ich mich selbst beschämte, indem ich es akzeptierte und das meine Seelenkräfte unterdrückte – bis ich sie sah und mich ein letztes Mal aufbäumte – nach all den Jahren. Und nun, im nächsten Augenblick, mit dem Öffnen meiner Lider, gälten für einen trügerisch wahren Augenblick andere Weltgesetze. Ohne Schwerkraft, die Anmut in meinen Armen, wäre ich nicht länger umgetrieben, nicht länger unter Schmerz. Meine Pein hätte ein Ende. Doch als ich endlich die Augen öffnen wollte, krampften sich meine Hände zusammen und meine Nägel bohrten sich tief in die Innenflächen. Die Muskeln meiner Oberschenkel zuckten, doch die Füße standen stahlfest am Boden und rührten sich nicht. Ich weiß nicht wie lange ich dort stand und meinen lächerlichen Kampf führte. Mit einem Mal ließen die Krämpfe nach und ich wurde für einen Moment ganz ruhig. Ich hatte begriffen. Ich vermochte es nicht. Ich würde es niemals vermögen. ‚Niemals’ – das Gesetz hatte mich zurück. Ich wandte mich wieder zum Sekretär, öffnete die Augen, blies das Kerzenlicht aus und zog die Vorhänge wieder zurück. Ich trat an ihr Bett. Schemenhaft konnte ich erkennen, wie sie dalag. Sie lag wie in meinen Träumen. Im Dämmerlicht. Auf der Seite, dem Zimmer zugewandt, Kopf und Knie einander leicht angenähert, der Rücken daher kaum gebeugt. Weiß und bloß lagen sie dort, ihr Schlaf und sie. Meinen Namen auf ihren lieblichen Lippen. Ich spürte Schreie in mir aufsteigen und rannte aus dem Zimmer, hetzte den Flur entlang, stürmte durch die Pforten ins Freie, schrie und rannte bis mir die Muskeln brannten. Ich weiß nicht wie geriet ich auf einen Berg. Ohne zu zögern suchte ich in der Dunkelheit einen Abgrund, stellte mich dicht an die Erdgrenze, zog das Äthertuch hervor, schloss die Augen, beugte mich leicht nach vorn und hielt mir das Tuch vor den Mund. Es raubte mir die Sinne und ich stürzte hinab. Ich weiß nicht wie tief es war, im Fall sah ich nur sie, wie sie dalag, weiß und bloß.
Es war nicht tief genug. Ich starb nicht. Keiner fand mich, ich erwachte an irgendeinem Morgen, schleppte mich hier an diesen Ort und verdinge mich um hier leben zu dürfen seit dem Abheilen meiner Wunden als Rattenfänger.“
Der Maler schaute mich an. Mir war heiß und kalt, doch ich fragte bloß: „Wo ist dieses Mädchen jetzt?“
Der Maler lachte dunkel. „Ich weiß es nicht. Aber sehen Sie mich an, Ihre Augen werden sich doch inzwischen etwas an die Dunkelheit gewöhnt haben. Ich bin, ich weiß gar nicht wie alt, so alt wie Sie vielleicht. Demnach zählt das Mädchen mindestens 40 Jahre.“
Mein Gesicht verzog sich. „Da machen die Jahre Ihnen wohl einen Strich durch die Rechnung“, grinste der Maler.
Ich stand auf: „Und das Bild? Wo ist es? Kann ich sie darauf sehen?“
„Das Bild! Das Bild, das ich gemalt habe. Wo es ist? Dort, wo es immer sein wird. Dort, wo kein Bild zerrissen werden kann. In meinem verdammten Kopf, in meinem verdammten Körper, meinem verdammten Herzen. Hier drin ist es!“ Der Maler schlug sich an den Kopf und vor die Brust.
„Leben Sie wohl“, sagte ich.
„Leben Sie wohl“, gab der Maler zurück. „Nun haben Sie das Bild gesehen, dass mich Tag und Nacht verfolgt. Und da ich Ihre Natur kenne, wir uns ähneln, brauche ich Ihnen nicht zu sagen, wie teuer ich dafür bezahlt habe, und dass ich es noch immer tun würde, wenn ich es nur vermöchte. Mein Leben werde ich nun damit zubringen, es nicht getan zu haben. Verstehen Sie, ich bin kein guter Mensch, ich bin nur nicht schlecht genug für mein Glück.“
„Meine Natur hätte es im Gegensatz zu der Ihrigen vollbracht“, war das einzige, was ich ihm entgegenschmetterte, während ich wankend den Verschlag verließ und dachte: Du Narr! Nicht einmal, dass ich das Bild nicht sehen konnte, niemals werde sehen können, hast du bemerkt. Nicht schlecht genug für dein Glück, dass ich nicht lache. Und ich dachte an all den angehäuften Tand in meinem Hause und daran, dass ich niemals geliebt hatte, und in dem Moment war es mir, als erginge es mir wie der Katze, als sie vom Hofhund in Stücke gerissen wurde. ... und in diesem Moment fühlte ich mich wie die Katze, als der Hofhund sie in Stücke riss.
Dein Kapitel mit Rahmen- und Binnenerzählung gefällt mir gut. Du hast offensichtlich große Freude am ästhetizistischen Künstlerroman. Auch ich habe solche Romane und Erzählungen gerne gelesen. Bei der Mordszene etwa musste ich an Edgar Allan Poe denken (The Oval Portrait und The Tell-Tale Heart). Natürlich gibt es auch im Frühwerk von Hesse (weniger blutrünstige) Künstlergeschichten. Dein böser Erzähler erinnert mich an einen Protagonisten von Joris-Karl Huysmans. Moderne Vergleiche fallen mir natürlich auch ein: Robert Schneider (das war doch sein Name, oder?), Carl-Johan Fallgren usw. Du siehst, ich bin schwer beeindruckt. Nimm es mir deshalb bitte auch nicht übel, wenn ich an einigen Stellen noch nachbessern würde. Nach dem Vorbild von Leonie habe ich meine Anmerkungen in Klammern dazugeschrieben. Die Farbe aus meinem Schreibprogramm findet sich hier leider nicht wieder, sonst würdest Du auch meine Anregungen zur Zeichensetzung leichter finden können.
Grüße
Paul Ost
Der Maler
Fremdes Leid war mir seit ich denken kann eine Lust.
Ich erinnere mich, wie ich schon als Kind fasziniert die Hofkatze beobachtete, wenn sie im Kuhstall Fliegen fing. Sie ergriff sie mit ihrer Tatze, betrachtete sie kurz und steckte sie sich dann so in ihr Maul, dass nur noch Flügel und Kopf herausschauten. Die Fliege versuchte sich zu befreien, verletzte sich dabei, Flügel und Beine nahmen Schaden. Nach einer Weile ließ sie die offensichtlich betäubte Fliege wieder frei, diese kam ein Stück weit und die Katze fing sie erneut. Dieses Spiel trieb die Katze, bis sie es müde wurde oder die Fliege starb.
Ich trieb meine Spiele nicht anders als diese Hofkatze, die übrigens, als sie alt und lahm geworden war, vom Hofhund in Stücke gerissen wurde – nur waren meine Fliegen Menschen. Mit einer Geste konnte ich einen Menschen ins Verderben stürzen, alles war mir möglich. Als Sohn eines Leibeigenen wuchs ich zunächst zwar in erbärmlichen Verhältnissen auf. Doch mit fünf Jahren wurde ich von einer ebenso betuchten wie unfruchtbaren Kaufmannswitwe adoptiert, nachdem meine schlafenden Eltern in der Nacht zum Erntedankfest in unserem Haus verbrannten. Ich hatte mein Zimmer am hinteren Ende des Hauses und konnte mich rechtzeitig nach draußen in Sicherheit bringen, weil ich durch die Schreie meiner Eltern aus dem Schlaf geschreckt wurde. Das allzu gute Mutterherz der Kaufmannswitwe verhätschelte mich aus Mitleid und so lernte ich nach den Misstrauen säenden Schlägen meines Vaters nun auch noch die Maßlosigkeit kennen. Spätestens seit ich durch allerlei Verführungskünste und eine andernfalls voreheliche Niederkunft die Hochzeit mit einer Tochter aus altem Adelsgeschlecht in die Wege geleitet und diese, als sie mir lästig geworden, mit grausamen Spielchen in den Wahnsinn getrieben hatte, waren meiner Phantasie keine Grenzen mehr gesetzt. Zudem: Verrat ist nicht nur ein netter Zeitvertreib, sondern auch ein hübscher Nebenverdienst.
Ich verstrickte bei Hofe alle einflussreichen Personen so sehr in ihre eigenen Lügennetze, dass ich wie ein Marionettenspieler agieren konnte. Als es mich einmal zufällig in die Gegend verschlug, in der mein Elternhaus gestanden hatte, konnte ich diesen schmutzigen, abscheulich stinkenden Anblick nicht ertragen und gab meinen Lakaien den Auftrag, das Pack von diesem Ort zu vertreiben. Heute befindet sich an eben dieser Stelle ein von mir in Auftrag gegebener Lustgarten. Ich machte es mir zur Gewohnheit, alle meine Mätressen, die mir lästig wurden, in diesem Garten zu demütigen, bevor ich sie verließ.
Doch anders als es die Lust der Katze vermochte, begriff mein Verstand mit der Zeit, wie viel Wiederholung in diesem ganzen Spiel lag. Die Katze fing jede neu erblickte Fliege mit gleicher Leidenschaft, als sei es das erste Mal, dass dieser Reiz ihre Augen träfe, als hätte sie nicht schon Dutzende Male ihr grausames Spiel getrieben. Sie konnte nicht begreifen welch leichtes Spiel sie hatte, wie viele Fliegen sie bereits getötet hatte. Ich dagegen begann mich zu langweilen. Der Verstand ist zu sehr Verstand als ein natürlicher Jäger zu sein. Das Jammern und Wimmern, Weinen und Fluchen entfachte nach einiger Zeit keinen Funken Lust mehr in meinem Inneren und als es mich sogar völlig unberührt ließ, als meine Frau unsere gerade erst geborene Tochter an einem heißen Julitag mit einem Kissen erstickte, sich anschließend Steine in ihr Kleid einnähte und sich im nahegelegenen Fluss ersäufte, beendete ich meine Machenschaften. Es gab keinen Anlass mehr für mich, sie zu betreiben.
Doch mit jedem einzelnen Tag verdichtete sich der schwarze Nebel, der meine Sinne umgab. Mit jedem einzelnen Tag quälte der Stachel der Langeweile mich stärker und wurde über die Jahre unerträglich. Mein Herz war ein Grab. Als ich kaum noch meine Kammer verließ entschied ich, dass es unumgänglich war, mir ein neues Laster zu suchen. Eines, das mich nicht zufrieden, aber zumindest lebendig hielt. Und so begann ich mir alles, von dem ich hörte, dass es an sich oder für jemand einzelnen einen ganz besonderen Wert hatte, zu erkaufen. Ich ließ in nahen und fernen Gegenden meines Landsitzes nach seltsamen Gerätschaften, Kunstgegenständen und Frauen anderer Männer forschen. Hatte ich ein Ding einmal in meinen Besitz gebracht, bedeutete es mir nichts mehr, aber es in meinen Besitz zu bringen, der Moment, kurz bevor ich es mein Eigen nannte und in dem ich an jene dachte, welche dieses nun entbehren mussten, war stark genug mich erinnern zu lassen, wie es war zu fühlen.
Einige Zeit lang berichteten mir meine Lakaien beständig, dass die Bewohner tief in den Bergen von einem unter ihnen erzählten, der ursprünglich nicht aus ihrem Dorf kam, sondern sich vor vielen Jahren abseits von ihnen eine kleine Hütte gebaut hatte und seitdem dort abgeschottet von den anderen lebte. Der Lehnsherr akzeptierte ihn, da seine Familie einst in diesem Dorf gelebt hatte und der Mann sich nun als Rattenfänger verdingte. Dieser Mann, so hieß es, behauptete, dass er das teuerste aller Bilder besäße und er selbst der Maler desselben sei. Zunächst gab ich nichts darauf, vermutete Schwachsinn oder Aberglaube, doch die Gerüchte hielten sich. Als meine Kutsche auf einer Reise zufällig den Weg kreuzte, welcher zu dem Dorf hinaufführte, hieß ich den Kutscher halten und entschied, dass es nicht schaden könnte, einmal nachzusehen, was es mit der Sache auf sich hatte. Als wir das Dorf nach einem kurzen Aufstieg erreichten, führte mich mein Diener zu der entlegenen Hütte, in dem besagter Maler wohnen sollte. Bei der Behausung handelte es sich vielmehr (eher) um einen mannshohen Bretterverschlag als um eine Hütte. Man sah, dass aus Nachlässigkeit auf eine wohnlichere Anlage verzichtet worden war. Ich klopfte an der Stelle, die mir der Eingang zu sein schien. Es öffnete sich keine Tür, aber von drinnen ertönte eine Stimme, die mich aufforderte einzutreten. Ich schob einzelne Bretter zur Seite und trat umständlich ein. Nur für einen kleinen Augenblick fiel Licht ins Innere, zu kurz um sich vollständig zu orientieren. Dann verdeckten die Bretter wieder den Zugang (wie von Geisterhand?). Im ganzen (könnte man weglassen) Inneren war es düster. Nur eine äußerst schwache Petroleumlampe spendete so viel Licht, dass ich in der hinteren rechten Ecke die Umrisse einer Gestalt zu erkennen meinte. „Ihre Augen werden sich bald an die Dunkelheit gewöhnen. Im Übrigen gibt es hier nicht viel Lohnenswertes zu sehen. Setzen Sie sich solange hier zu mir.“ Ich tat, was die Stimme sagte und bewegte mich in ihre Richtung, ertaste eine Art Schemel und setzte mich. Ich konnte mein Gegenüber nicht erkennen, sah nur zwei gelblich blitzende Augen aus einem kauernden Körper herausblicken.
„Sie sind wegen des Bildes gekommen.“ Ich konnte den Blick nicht von seinen gelben Augen abwenden. „Ja, das bin ich“, antwortete ich verzögert. Mir erschien die ganze Situation äußerst seltsam und ich fragte mich, wo sich in diesem Verschlag das erwähnte Gemälde befinden solle. Womöglich lagerte es gar nicht an diesem Ort, und um es sehen zu können, müsste ich mich gar bereit erklären, mich mit dieser Gestalt in meinem Wagen zu ihm zu begeben. Eine gräuliche Vorstellung. Doch dann – meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit – nahm ich neben dem Mann Umrisse eines Gegenstandes wahr, bei dem es sich um ein Bild auf einer Staffelei handeln konnte. Als der Maler meinen Blick in jene Richtung wandern sah, erkannte ich seine herausfordernden und amüsierten Blicke. Ich erfasste seine Gestalt überhaupt immer besser und meinte im Flackern der Petroleumlampe einen rötlichen Stich seiner Haut zu erkennen, welchen die Art Menschen aufweisen, bei denen die Haut durch das ganze Jahr eine rötliche Färbung hat (Das scheint mir eine Wiederholung zu sein). Bei leichter Wärme treten sogleich an Händen, Armen und Hals Adern und Sehnen kräftig hervor. Alles, was diese Menschen tun, geschieht mit Anstrengung. In all ihrem Streben und Tun liegt eine Bewegung, die wirkt, als gäbe es ein unsichtbares Hindernis, ein ständige Barriere.
„Und nun wollen Sie die Geschichte zu dem Bild hören. Deshalb sind Sie doch gekommen, nicht wahr? Zumindest in den letzten Jahren traf das auf jeden zu, der hierher fand“, fügte der Maler hinzu. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht allzu gerne, ja“, antwortete ich unverbindlich. „Sicher, sicher. Sie müssen wissen, es ist eine unschöne Geschichte.“ Ich erwiderte nichts. „Natürlich denken Sie nicht darüber nach, ob es mir etwas ausmachen könnte, aber wissen Sie, das bedeutet nichts. Ich habe das Bild erschaffen. Es noch einmal zu tun, ändert nichts. Es wird mich langweilen, vermutlich auch quälen, aber das bedeutet nichts.“ Und mit diesen Worten begann er zu erzählen und sprang viele Jahre zurück in seine Vergangenheit.
“Ich wusste schon als Kind, dass ich Maler werden wollte. Bei den spärlichen Kirchgängen meiner Familie konnte ich für keinen Moment meinen Blick von den Fresken wenden. In ihnen war ein Licht, das mein Inneres mit einer Wärme flutete, das in Kaskaden durch meinen Körper schoss wie Feuerjäger (was sind Feuerjäger?). Alle Schatten, die sich schon in den ersten Jahren meines kurzen Lebens auf meine Seele gelegt hatten, hoben sich wie schwarze Vorhänge und mein Herz fiel in Aufruhr. Mit einem Schrecken begriff ich, dass die Fresken mir heiliger als Gott selbst erschienen. Und wenn ich von meiner Mutter aufgefordert wurde, zumindest beim Gebet meine Augen für einen kurzen Moment zu schließen, so empfand ich brennenden Hass für sie und presste meine Lider so fest aufeinander, bis ich meinte, das Bild durch sie hindurch in mein Inneres hineingezogen zu haben, um es endlich wieder betrachten zu können. Als es mir dann schließlich erlaubt wurde, die Augen wieder zu öffnen, schienen mir die Fresken von einem düsterem (Grammatik) Nebel umgeben, der mich an die Schatten in meinem Inneren erinnerte. Ich wusste, dass dieser Nebel die Fresken umgab, weil ich ihnen Unrecht getan, ihnen mein Inneres aufgezwungen hatte.
Später gelang es mir, Schüler eines Meisters zu werden. Ich arbeitete Tag und Nacht an Körperstudien, studierte Farbtechniken und versuchte mich an verschiedenen Materialien und Maltechniken. An meinen Bildern gab es nichts zu beanstanden, ich beherrschte gegen Ende meiner Lehrzeit alle notwendigen Techniken perfekt. Dieser Meinung war auch mein Meister. Doch was mir viel mehr bedeutete, war, was er nicht sah. Schon bei meinen ersten ernsthaften Versuchen fiel mir auf, dass ein gewisser Glanz in den Augen meines Meisters fehlte, wenn er meine Werke betrachtete. Es gab einzelne Schüler, bei denen grauste es einen (einem), wenn man ihre Maltechniken in Augenschein nahm und doch eben genau diese Bilder zeichneten etwas in das Gesicht meines Meisters, für das ich alles, aber auch wirklich alles gegeben hätte.
Ich flüchtete mich immer öfter in den Wald oder in die Berge und versuchte dort wieder und wieder in meinen Bildern einzufangen, was mich schon als Kind an den Fresken so berührt hatte, und was den Augen des Meister Glanz verlieh. Um mich waren unzählige Erscheinungen, die mich verzauberten, ja, nach und nach schien es mir, als besäße die ganze Welt, jedes einzelne Ding darinnen, diesen Zauber. Doch mir gelang mein Vorhaben nicht, so sehr meine Augen die Mysterien auch schauten. Wenn meine Hand sich vom unentwegten Zeichnen zusammenkrampfte, ich mich erschöpft auf die Erde warf und in die wehenden Kronen der Bäume hinaufsah, so erfasste mich ein sonnenlichtiges (?) Zittern. Sogleich hastete ich dann zu meiner Staffelei zurück und hetzte meine schmerzende Hand wieder über das Papier, um es dieses eine Mal zu vermögen. Vergebens. Wenn dann auch meine Augen vom stundenlangen Studieren gerötet und gereizt waren und ich meinem erhitzten Kopf im See etwas Abkühlung verschaffen wollte, so traf mich das rauschende Schilf, das Schimmern und all die zart wehenden Gräser erneut so in meiner Seele, dass ich es wieder versuchen musste. Auf diese Weise erging es mir Tag um Tag. Es kam vor, dass ich vor Gram und rasender Wut gerade fertig gestellte Bilder schreiend zerschlug und in den See warf, den ich gerade auf ihnen abgebildet hatte. Auch nachts fand ich keinen Schlaf mehr, denn das bloße Mondlicht ließ mir keine Ruhe. Ich hielt es nicht aus, all dies um mich herum wirklich zu sehen, zu zergehen aufgrund all des Schönen und Erhabenen, und zugleich nicht mit dem, was ich war, nämlich ein Maler, diesem entgegnen zu können. Meinen Teil beizutragen. Ein Teil dieses Schönen zu sein. Ich begriff, dass meiner zeichnenden Hand ein letzter Grad an Freiheit fehlte.
Ich bezeichne diesen Mangel als fehlende Anmut und gab es, um es kurz und allgemein zu beschreiben, als ich erkannte, dass Übung diese Unvollkommenheit nicht beheben konnte, mit einem Schlag auf, jemals ein wahrer Maler zu werden. Niemals, das begriff ich, niemals wäre dies für mich möglich. Fortan gab ich die Landschaftsmalerei auf, spezialisierte meine technischen Fähigkeiten auf die Portraitmalerei und arbeitete nach meiner Lehrzeit auf diesem Gebiet als Auftragsmaler. Hier war es per Definition (per definitionem) meine Aufgabe, nicht das zu malen, was ich sah, und so lebte ich auf eine stumpfe Weise zufrieden vor mich hin. Nach einigen Jahren musste ich nicht einmal mehr an die Verzweiflung meiner Jugend denken, auch wenn ich sehr unter meiner Natur gelitten hatte.
Bis zu jenem einem Moment. Andere können den Moment nur dramatisch und vergänglich, das heißt in Zeitdehnung verfolgen. Für sie ereignete sich dieser Moment auf jenem der halbjährlich stattfindenden Debütantenbälle, auf dem der Wiener Opernbesitzer seine nun bald 15 Jahre zählende Tochter in die Gesellschaft einführte. Ich war jedes Jahr auf diese eingeladen, um neue Aufträge abzuschließen. In dem Moment, in welchem die Tochter des Wiener Opernbesitzers mit ihrem Vater den Saal betrat, richtete ich mich gerade aus einer ihr um etwas weniger als ein Viertelkreis abgewandten Verbeugung gegen eine Großtante eines Auftraggebers auf, den Blick in der Bewegung selbst noch zunächst gesenkt und dann gehoben und sie gewahr werdend – die Anmut in meiner Pupille (da ist die Anmut nicht zu finden).
Für mich schien in diesem Moment alles eins. Es war eine Offenbarung. Als ich sie sah, traf mich ihr Anblick so unvermittelt, so tief, dass ich nicht in der Lage war, diesem mit meinem Herzen zu begegnen. Es hatte aufgehört zu schlagen. Auch mein Geist konnte keinerlei Gedanken hervorbringen, einzig mein Körper kannte eine Sprache, auf solch einen unmittelbaren, starken Reiz zu reagieren. Vom ersten Augenblick an wusste ich, wie es um mich stand: Dass ich sie lieben müsse, auf eine Art, die mir unmöglich: Allzu leicht. Ich verspürte zu allertiefst (den innigen Wunsch?) den Wunsch, für dieses Wesen Sorge zu tragen, ja, es glücklich zu machen. Doch daran zu glauben war mir unmöglich. Ich las in ihren Augen, wie sie mich sah. Wie sie mich nicht sah. Und so begriff ich, dass ich sie besitzen müsse. Dass mein Körper den einzigen Weg bahnen könne. Wie damals in den Wäldern und Bergen es auch allein meine Augäpfel gewesen waren, die etwas begriffen.
Und ich malte mir alles – ganz ohne Pinsel und Leinwand – aus: Wie sie daläge, im Dämmerlicht. Auf der Seite, dem Zimmer zugewandt, Kopf und Knie einander leicht angenähert, der Rücken daher kaum gebeugt. Wie sie daläge, wenn ich mich zu ihr und ihrem Schlaf gesellte, beide weiß und bloß, mich ihrem Rücken näherte, mich ihrer Beugung entgegen schmiege (Zeit). Wie sie daläge, in ihren ruhigen Atem gehüllt, ihre Lippen, so für mich geformt, so schön, dass ich meinen Namen von ihnen zu lesen glaubte. Jakob, Jakob, umschwärmte es mich. Und ich würde auf die Weise antworten, die mir gegeben wäre. Alles würde vergessen sein, nichts von Bedeutung, ich und sie in einer Schachtel, die in einer Schachtel, die in einer Schachtel, die in einer Schachtel.“
Während der Maler erzählte, waren seine Augen stumpf vor Tiefe. Kein glänzender Spiegel lag mehr auf ihnen, denn jeglicher Widerschein kam von innen. Er war tief in sich. Er war dort, wo Vergangenheit immer noch Gegenwart ist. Dann drehte er den Kopf leicht und schaute mich an, seine Pupillen gewannen an Raum und Licht. „Sie wollen mehr erfahren, habe ich Recht?“
„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, allzu gerne, ja“, lächelte ich erneut.
„Ich dachte mir, dass Sie es nicht verstehen würden“, entgegnete er. „Alles, was ich Ihnen bisher erzählt habe, wird Ihnen mehr erklären als sämtliche noch so detaillierte Beschreibungen dessen, was weiter geschah. Allein die Vorstellung, die ich von all dem hatte, sich diese zu vergegenwärtigen, bedeutet soviel mehr als alles Folgende, sogar das Geschehene selbst, zu sagen vermag. Nur in ihr kann das Unvermeidbare, das Unabänderliche mitschwingen. Verstehen Sie, nur in der Vorstellung von etwas Unabänderlichem, was noch nicht eingetroffen ist, können Wollen, Leugnen und Reue mitschwingen. Wenn ich es als meine Vorstellung beschreibe, wenn ich beim Erzählen noch der bin, der ich war, und zugleich der bin, der ich jetzt bin, dann ist dies mehr als alles andere.“
Ich sah, dass ich ihm gegenüber an Ansehen verlor, ja schon verloren hatte, doch hatte ich mein Leben lang schon zu viele Intrigen gesponnen, als dass mich dieses beunruhigen oder gar berühren konnte. So sagte ich: „Und doch erführe ich gerne, wie es weiterging.“ Er lachte dunkel aus seiner Kehle heraus. „Gut, meine Sünde sei die Ihre, mein Vergehen Ihr Vergehen, ich sehe unsere schwarzen Seelen sind Schwestern im Geiste. Kein Wissen kann sie belehren, stillen, auch wenn es noch so wahr, so rein, so ehrlich ist.“ Der Maler befeuchtete seine Lippen.
„Ich wurde von Ihrem Vater beauftragt sie zu portraitieren und litt jeden Augenblick, in dem sie um mich war und in dem sie mir fern war, lebte nur noch in diesem dunklen, vergrabenen Schmerz, der meine Welt bestimmte, schaute ihre Augen nicht, sprach nur das Nötigste. Der Vater erlaubte nicht, dass sie zum Portraitieren in mein Atelier kam und so malte ich sie in ihrem eigenen Zimmer am Fenster sitzend. Dieses Fenster wurde mein Fluchtpunkt und wenn auch meine Hand die Form ihrer Wangen auf dem Papier nachfuhr, so blieb der Rest von mir stets auf dieses Fenster konzentriert. Und wenn meine Augen sie betrachteten, so sahen nur meine Augen sie. Die Reize gingen durch sie hindurch wie durch ein Sieb. Ich wusste, dass dieses Bild niemals fertig würde, doch ein ganz anderes zeichnete sich dafür immer klarer und stärker in mir ab.
Ich ergriff meine Chance, als Vorkehrungen für eine bevorstehende Premiere einer Oper getroffen wurden. Das Haus des Wiener Opernbesitzers befand sich nahe des Opernhauses und da er mich ebenfalls geladen hatte um mir die Möglichkeit zu geben, neue Aufträge zu erhalten, wurde mir in seinem Haus ein Zimmer bereitgestellt. So hatte ich genug Möglichkeit durch schmeichelnde Gespräche mit dem Zimmermädchen einen Schlüssel zu dem Zimmer seiner Tochter zu erhalten. Der Plan war denkbar einfach. In der kommenden Nacht würde es ein gemeinsames Mahl geben. Ich zögerte nicht, das Dienstpersonal ein zweites Mal in mein Vorhaben mit einzubeziehen, weil ich nicht fürchtete nach jener Nacht aufzufliegen. Ein Danach gab es für mich nicht, war unvorstellbar. Nicht einmal Reue würde ich mir erlauben können. Eine Gewehrkugel würde ihr Übriges tun. Das Dienstmädchen war von mir dazu angehalten bei diesem Mahl ein leichtes Schlafmittel, mehr würde nicht nötig sein, in ihr (wessen) Glas zu geben. Später schliche ich mich dann auf ihr Zimmer. Sie schliefe längst und so bliebe das Äthertuch unbenutzt in meiner Tasche. Alles geschähe wie aus freien Stücken. Ich legte (Modus – Zeit) mich zu ihr und dann, ja dann endlich –.“
Die Worte des Malers verebbten in sein Inneres (in seinem Inneren), doch man sah seine Gedanken in der Dunkelheit der Hütte glimmen. Er blickte nur einmal auf, sah (Wd) mich an, ich schluckte und der Maler fuhr mit seiner Erzählung fort.
„Der Abend kam und alle Vorhaben klappten reibungslos. Als sie aus dem Glas mit dem Schlafmittel trank, prostete ihr Vater ihr aufmunternd zu. Schon im Salon befiel sie die Müdigkeit und sie entschuldigte sich damit, dass morgen solch ein aufregender Tag sei, dass sie unbedingt ausgeschlafen sein wolle, wenn das neue Werk des Hofkompositeurs zu hören sei. Ihr Gang war trunken. Ich blieb noch eine Weile im Salon, mein Mund führte Unterhaltungen, doch mein Herz malte beständig, so wie es dies all die letzten Wochen getan hatte. Schließlich schlug die Uhr eine Stunde, die keinen Verdacht schöpfen ließ. Ich empfahl mich mit einer Verbeugung(,) und auch als ich die Salontüren hinter mir geschlossen hatte, wurden meine Schritte nicht schneller. Auf meinem Zimmer angekommen entkleidete und wusch ich mich. Anschließend zog ich mich gut an. Ich legte keinen Duft auf.
Ihre Zimmertür öffnete sich ohne Ton (lautlos). Ich schlich in die Dunkelheit hinein. Der Mond spendete nur spärliches Licht durch die Fenster, vor welche ich die Vorhänge zog, bevor ich eine kleine Kerze auf den Sekretär stellte und anzündete. Noch zum Tisch gewandt schloss ich die Augen und drehte mich so, dass mein Blick auf das Bett fiele, wenn ich die Augen öffnete (Modus – Zeit). Nun endlich ließ ich meine Hände zittern. Ich stellte mich aufrecht hin, die Augen immer noch geschlossen. In der Stille konnte ich ihren tiefen, ruhigen Atem hören. Gleich würde für einen einzigen warmen Augenblick kein ‚Niemals’ gelten. Dieses ‚Niemals’, das mich mein ganzes verfluchtes Leben hatte leiden lassen. Mit dem ich mich selbst beschämte, indem ich es akzeptierte und das meine Seelenkräfte unterdrückte – bis ich sie sah und mich ein letztes Mal aufbäumte – nach all den Jahren. Und nun, im nächsten Augenblick, mit dem Öffnen meiner Lider, gälten für einen trügerisch wahren Augenblick andere Weltgesetze. Ohne Schwerkraft, die Anmut in meinen Armen, wäre ich nicht länger umgetrieben, nicht länger unter Schmerz. Meine Pein hätte ein Ende. Doch als ich endlich die Augen öffnen wollte, krampften sich meine Hände zusammen und meine Nägel bohrten sich tief in die Innenflächen. Die Muskeln meiner Oberschenkel zuckten, doch die Füße standen stahlfest am Boden und rührten sich nicht. Ich weiß nicht wie lange ich dort stand und meinen lächerlichen Kampf führte. Mit einem Mal ließen die Krämpfe nach und ich wurde für einen Moment ganz ruhig. Ich hatte begriffen. Ich vermochte es nicht. Ich würde es niemals vermögen. ‚Niemals’ – das Gesetz hatte mich zurück. Ich wandte mich wieder zum Sekretär, öffnete die Augen, blies das Kerzenlicht aus und zog die Vorhänge wieder zurück. Ich trat an ihr Bett. Schemenhaft konnte ich erkennen, wie sie dalag. Sie lag wie in meinen Träumen. Im Dämmerlicht. Auf der Seite, dem Zimmer zugewandt, Kopf und Knie einander leicht angenähert, der Rücken daher kaum gebeugt. Weiß und bloß lagen sie dort, ihr Schlaf und sie. Meinen Namen auf ihren lieblichen Lippen. Ich spürte Schreie in mir aufsteigen und rannte aus dem Zimmer, hetzte den Flur entlang, stürmte durch die Pforten ins Freie, schrie und rannte bis mir die Muskeln brannten. Ich weiß nicht wie geriet ich auf einen Berg. Ohne zu zögern suchte ich in der Dunkelheit einen Abgrund, stellte mich dicht an die Erdgrenze, zog das Äthertuch hervor, schloss die Augen, beugte mich leicht nach vorn und hielt mir das Tuch vor den Mund. Es raubte mir die Sinne und ich stürzte hinab. Ich weiß nicht wie tief es war, im Fall sah ich nur sie, wie sie dalag, weiß und bloß.
Es war nicht tief genug. Ich starb nicht. Keiner fand mich, ich erwachte an irgendeinem Morgen, schleppte mich hier an diesen Ort und verdinge mich um hier leben zu dürfen seit dem Abheilen meiner Wunden als Rattenfänger.“
Der Maler schaute mich an. Mir war heiß und kalt, doch ich fragte bloß: „Wo ist dieses Mädchen jetzt?“
Der Maler lachte dunkel. „Ich weiß es nicht. Aber sehen Sie mich an, Ihre Augen werden sich doch inzwischen etwas an die Dunkelheit gewöhnt haben. Ich bin, ich weiß gar nicht wie alt, so alt wie Sie vielleicht. Demnach zählt das Mädchen mindestens 40 Jahre.“
Mein Gesicht verzog sich. „Da machen die Jahre Ihnen wohl einen Strich durch die Rechnung“, grinste der Maler.
Ich stand auf: „Und das Bild? Wo ist es? Kann ich sie darauf sehen?“
„Das Bild! Das Bild, das ich gemalt habe. Wo es ist? Dort, wo es immer sein wird. Dort, wo kein Bild zerrissen werden kann. In meinem verdammten Kopf, in meinem verdammten Körper, meinem verdammten Herzen. Hier drin ist es!“ Der Maler schlug sich an den Kopf und vor die Brust.
„Leben Sie wohl“, sagte ich.
„Leben Sie wohl“, gab der Maler zurück. „Nun haben Sie das Bild gesehen, dass mich Tag und Nacht verfolgt. Und da ich Ihre Natur kenne, wir uns ähneln, brauche ich Ihnen nicht zu sagen, wie teuer ich dafür bezahlt habe, und dass ich es noch immer tun würde, wenn ich es nur vermöchte. Mein Leben werde ich nun damit zubringen, es nicht getan zu haben. Verstehen Sie, ich bin kein guter Mensch, ich bin nur nicht schlecht genug für mein Glück.“
„Meine Natur hätte es im Gegensatz zu der Ihrigen vollbracht“, war das einzige, was ich ihm entgegenschmetterte, während ich wankend den Verschlag verließ und dachte: Du Narr! Nicht einmal, dass ich das Bild nicht sehen konnte, niemals werde sehen können, hast du bemerkt. Nicht schlecht genug für dein Glück, dass ich nicht lache. Und ich dachte an all den angehäuften Tand in meinem Hause und daran, dass ich niemals geliebt hatte, und in dem Moment war es mir, als erginge es mir wie der Katze, als sie vom Hofhund in Stücke gerissen wurde. ... und in diesem Moment fühlte ich mich wie die Katze, als der Hofhund sie in Stücke riss.
Hallo Paul,könntest du mir den Text zumailen? Die Klammern zu suchen, verschafft mir bestimmt eine Brille :grin:
(E-Mail-Adresse per PN)
PS: was das "habe" in diesem Satz auch immer bedeutet :grin: :
Wie schlimm, dass noch immer so viele Fehler drin sind. ich melde mich nach der Korrektur...wieder, damke fürs Lesen,
Lisa
(E-Mail-Adresse per PN)
PS: was das "habe" in diesem Satz auch immer bedeutet :grin: :
Auch ich habe solche Romane und Erzählungen gerne gelesen
Wie schlimm, dass noch immer so viele Fehler drin sind. ich melde mich nach der Korrektur...wieder, damke fürs Lesen,
Lisa
Liebe Lisa,
auf die Idee auf die eine Zwischeneben zu verzichten, bich ich gar nicht gekommen, aber sie macht den Text viel stromlinienförmiger 8das ist nicht imemr gut, aber manchmal eben doch) und vermeidet den von mir so kritisierten, sperrigen Konjunktiv der indirekten Rede ein wenig.
Liebe Güße
Max
auf die Idee auf die eine Zwischeneben zu verzichten, bich ich gar nicht gekommen, aber sie macht den Text viel stromlinienförmiger 8das ist nicht imemr gut, aber manchmal eben doch) und vermeidet den von mir so kritisierten, sperrigen Konjunktiv der indirekten Rede ein wenig.
Liebe Güße
Max
Hallo Paul,
ich habe viele deiner Anmerkungen umgesetzt, den Text hier aber noch nicht aktualisier, weil sich noch einige Fragen ergaben:
- Stich seiner Haut zu erkennen, welchen die Art Menschen aufweisen, bei denen die Haut durch das ganze Jahr eine rötliche Färbung hat (Das scheint mir eine Wiederholung zu sein) was wiederholt sich denn?- wie Feuerjäger (was sind Feuerjäger?) – die sind erfunden...es sind heißblütige Jäger
- grauste es einen (einem), es muss wirklich einem heißen??- sonnenlichtiges (?) – bildlich...wenn man von unten durch die Bäume schaut und es geht ein leichter Wind, dann zittert das Licht hindurch...- die Anmut in meiner Pupille (da ist die Anmut nicht zu finden), doch genau da (für mich)(siehe Anfang der Geschichte, Freskenstelle, bildlich als Spiegelung in der Pupille (wenn sie ganz groß ist))
- entgegen schmiege (Zeit) – Konjunktiv?- in ihr (wessen) – ich kann hier keinen Namen einsetzen und „sie“ als Tochter des Opernbesitzers zu umschreiben wäre auch komisch...
- in ihr (wessen) Glas zu geben. Später schliche ich mich dann auf ihr Zimmer. Sie schliefe längst und so bliebe das Äthertuch unbenutzt in meiner Tasche. Alles geschähe wie aus freien Stücken. Ich legte (Modus – Zeit) mich zu ihr und dann, ja dann endlich –.“ – durchgängig Konjunktiv? (irgendwas mache ich falsch :grin: )
- Die Worte des Malers verebbten in sein Inneres (in seinem Inneren) – das ist etwas unterschiedliches...aber gut, du hast recht, es scheint sprachlich ungewollt.
- mich so, dass mein Blick auf das Bett fiele, wenn ich die Augen öffnete (Modus – Zeit) – und wieder ist Konjunktiv gemeint?
- Stahlfest – extra gewählt
- Du Narr! – du klein,oder? Ist doch kein vollständiger satz...
Inhaltlich: Berührt die Geschichte in ihrer Art und Weise eigentlich? Ich bin mit ihr immer noch höchst unzufrieden und überlege sie für die Integration in die höhere Erzählung völlig umzustrukturieren, sie erscheint mir immer noch extrem unnatürlich...
Danke für die ganze Mühe!
Lisa
ich habe viele deiner Anmerkungen umgesetzt, den Text hier aber noch nicht aktualisier, weil sich noch einige Fragen ergaben:
- Stich seiner Haut zu erkennen, welchen die Art Menschen aufweisen, bei denen die Haut durch das ganze Jahr eine rötliche Färbung hat (Das scheint mir eine Wiederholung zu sein) was wiederholt sich denn?- wie Feuerjäger (was sind Feuerjäger?) – die sind erfunden...es sind heißblütige Jäger
- grauste es einen (einem), es muss wirklich einem heißen??- sonnenlichtiges (?) – bildlich...wenn man von unten durch die Bäume schaut und es geht ein leichter Wind, dann zittert das Licht hindurch...- die Anmut in meiner Pupille (da ist die Anmut nicht zu finden), doch genau da (für mich)(siehe Anfang der Geschichte, Freskenstelle, bildlich als Spiegelung in der Pupille (wenn sie ganz groß ist))
- entgegen schmiege (Zeit) – Konjunktiv?- in ihr (wessen) – ich kann hier keinen Namen einsetzen und „sie“ als Tochter des Opernbesitzers zu umschreiben wäre auch komisch...
- in ihr (wessen) Glas zu geben. Später schliche ich mich dann auf ihr Zimmer. Sie schliefe längst und so bliebe das Äthertuch unbenutzt in meiner Tasche. Alles geschähe wie aus freien Stücken. Ich legte (Modus – Zeit) mich zu ihr und dann, ja dann endlich –.“ – durchgängig Konjunktiv? (irgendwas mache ich falsch :grin: )
- Die Worte des Malers verebbten in sein Inneres (in seinem Inneren) – das ist etwas unterschiedliches...aber gut, du hast recht, es scheint sprachlich ungewollt.
- mich so, dass mein Blick auf das Bett fiele, wenn ich die Augen öffnete (Modus – Zeit) – und wieder ist Konjunktiv gemeint?
- Stahlfest – extra gewählt
- Du Narr! – du klein,oder? Ist doch kein vollständiger satz...
Inhaltlich: Berührt die Geschichte in ihrer Art und Weise eigentlich? Ich bin mit ihr immer noch höchst unzufrieden und überlege sie für die Integration in die höhere Erzählung völlig umzustrukturieren, sie erscheint mir immer noch extrem unnatürlich...
Danke für die ganze Mühe!
Lisa
Hallo Lisa,
ich habe mich in Deiner Geschichte zu Hause gefühl, weil sie mich eben an (ästhetizistische) Künstlernovellen usw. erinnerte.
Zu meinen Vorschlägen:
ad 1) rötlichen Stich seiner Haut zu erkennen, welchen die Art Menschen aufweisen, bei denen die Haut durch das ganze Jahr eine rötliche Färbung hat
ad 2) Ich habe nachgeschaut. Es graust mir oder mich. Offensichtlich geht beides. Unsere Sprache ist so liberal.
ad 3) Den Begriff "sonnenlichtig" habe ich auch so verstanden. Er war mir nur zu viel des Guten, zu gewollt poetisch. Ähnliches gilt für "Feuerjäger". Aber wenn Du das willst...
ad 4) Wie sie daläge, wenn ich mich zu ihr und ihrem Schlaf gesellte, beide weiß und bloß, mich ihrem Rücken näherte, mich ihrer Beugung entgegen schmiegte.
ad 5) Das Dienstmädchen war von mir dazu angehalten bei diesem Mahl ein leichtes Schlafmittel, mehr würde nicht nötig sein, in das Glas der Tochter zu geben. Was auch immer Du schreibst, es würe schön, wenn man wüsste, auf wen sich das "ihr" bezieht.
ad 6) Die Konjunktive klingen meiner Meinung nach etwas unbeholfen. Teilweise sind sie auch mit dem Präteritum identisch. Dann sollte man den Konjunktiv II benutzen:
Später schliche ich mich dann auf ihr Zimmer. Sie schliefe längst und so bliebe das Äthertuch unbenutzt in meiner Tasche. Alles geschähe wie aus freien Stücken. Ich würde mich zu ihr legen und dann, ja dann endlich -."
ad 7) Noch zum Tisch gewandt schloss ich die Augen und drehte mich so, dass mein Blick auf das Bett fiele, sobald ich sie öffnen würde. Nun endlich ließ ich meine Hände zittern. (Aber ob das besser ist? Entscheide selbst).
ad 8) Mir gefällt "stahlfest" einfach nicht. Aber das ist Geschmackssache.
ad 9) Für mich ist "Du Narr" ein vollständiger Satz, zwar eine Ellipse, aber trozdem. Irgendwie würde ich da groß weiterschreiben. Mit der Regel kannst Du aber sicher argumentieren. Übrigens dürfen wir das Du in der Anrede ja wieder groß schreiben. Insofern...
Das waren nun wohl genug Verschlimmbesserungen. Wenn Du diesen Text umstellen willst, dann speichere zumindest diese Version. Sie sollte nicht verloren gehen.
Grüße
Paul Ost
ich habe mich in Deiner Geschichte zu Hause gefühl, weil sie mich eben an (ästhetizistische) Künstlernovellen usw. erinnerte.
Zu meinen Vorschlägen:
ad 1) rötlichen Stich seiner Haut zu erkennen, welchen die Art Menschen aufweisen, bei denen die Haut durch das ganze Jahr eine rötliche Färbung hat
ad 2) Ich habe nachgeschaut. Es graust mir oder mich. Offensichtlich geht beides. Unsere Sprache ist so liberal.
ad 3) Den Begriff "sonnenlichtig" habe ich auch so verstanden. Er war mir nur zu viel des Guten, zu gewollt poetisch. Ähnliches gilt für "Feuerjäger". Aber wenn Du das willst...
ad 4) Wie sie daläge, wenn ich mich zu ihr und ihrem Schlaf gesellte, beide weiß und bloß, mich ihrem Rücken näherte, mich ihrer Beugung entgegen schmiegte.
ad 5) Das Dienstmädchen war von mir dazu angehalten bei diesem Mahl ein leichtes Schlafmittel, mehr würde nicht nötig sein, in das Glas der Tochter zu geben. Was auch immer Du schreibst, es würe schön, wenn man wüsste, auf wen sich das "ihr" bezieht.
ad 6) Die Konjunktive klingen meiner Meinung nach etwas unbeholfen. Teilweise sind sie auch mit dem Präteritum identisch. Dann sollte man den Konjunktiv II benutzen:
Später schliche ich mich dann auf ihr Zimmer. Sie schliefe längst und so bliebe das Äthertuch unbenutzt in meiner Tasche. Alles geschähe wie aus freien Stücken. Ich würde mich zu ihr legen und dann, ja dann endlich -."
ad 7) Noch zum Tisch gewandt schloss ich die Augen und drehte mich so, dass mein Blick auf das Bett fiele, sobald ich sie öffnen würde. Nun endlich ließ ich meine Hände zittern. (Aber ob das besser ist? Entscheide selbst).
ad 8) Mir gefällt "stahlfest" einfach nicht. Aber das ist Geschmackssache.
ad 9) Für mich ist "Du Narr" ein vollständiger Satz, zwar eine Ellipse, aber trozdem. Irgendwie würde ich da groß weiterschreiben. Mit der Regel kannst Du aber sicher argumentieren. Übrigens dürfen wir das Du in der Anrede ja wieder groß schreiben. Insofern...
Das waren nun wohl genug Verschlimmbesserungen. Wenn Du diesen Text umstellen willst, dann speichere zumindest diese Version. Sie sollte nicht verloren gehen.
Grüße
Paul Ost
Hallo Paul,
danke für deine Zeit.
Die neue Version steht nun online (oben).
- sonnlichtig ist mir zu wahr, das bleibt. Aber beim Feuerjäger hast du recht. Er ist getrichen.
- stahlfest ist jetzt zu versteinert geworden, auch wenn das unorigineller ist, das andere Wort klang sprachlich seltsam, stimmt schon.
- ich mag die reine Form des Konjunktivs, auch wenn’s nachteilig klingt. Daher bleibt die vorerst
Du ist groß...
Klar behalte ich diese Version der Geschichte. Die andere wird ja eine neue :grin:
Lisa
danke für deine Zeit.
Die neue Version steht nun online (oben).
- sonnlichtig ist mir zu wahr, das bleibt. Aber beim Feuerjäger hast du recht. Er ist getrichen.
- stahlfest ist jetzt zu versteinert geworden, auch wenn das unorigineller ist, das andere Wort klang sprachlich seltsam, stimmt schon.
- ich mag die reine Form des Konjunktivs, auch wenn’s nachteilig klingt. Daher bleibt die vorerst
Du ist groß...
Klar behalte ich diese Version der Geschichte. Die andere wird ja eine neue :grin:
Lisa
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