WORT DER WOCHE
- jede Woche ein neues Wort als Musenkuss -
Lyrik, Prosa, Polyphones, Spontanes, Fragmente, Schnipsel, Lockeres, Assoziatives, Experimentelles
- alles zu diesem Wort - keine Kommentare - alles in einem Faden - 7 Tage Zeit -
~ zweifeln ~
WORT DER WOCHE ~ zweifeln ~
Klugscheißermodus
Ich schaue mir sehr gerne die Quizsendung "Wer wird Millionär" an. Beim Anschalten der Sendung, die ich grundsätzlich zeitversetzt anschaue, um die ätzende Werbung vorspulen zu können, schalte ich automatisch auf Klugscheißermodus. Bisher habe ich bereits vier Mal die Millionen-Frage beantworten können, bevor ich überhaupt die vier Antwortmöglichkeiten sah. Aber die meisten Kandidaten kommen ja gar nicht dorthin. Die meisten scheitern bei 16.000 € oder 32.000 €. Weil sie keine Ahnung hatten, ihrem Instinkt nicht folgten oder weil Jauch ihnen Joker abgequatscht hat. Das kann der gut. Oder sie verzweifeln bei diesen besonders fiesen Fragen, bei denen vier Mal das gleiche Wort, nur anders geschrieben, da steht. Da hift nur eines: sofort die Augen schließen und sich überlegen: wie schreibe ich das. Alles andere verunsichert einen nur. Ja, die Cappuccino-Frage. Von der Couch aus ist das alles viel leichter, keine Frage. Das Adrenalin fehlt. Und die Nervosität. An der würde ich z.B. scheitern. Das ist mir sowas von klar. Es ist zum Verzweifeln. Ich würde gerne mal dort mitmachen, aber diese Nervositätshürde kann ich nicht überwinden. Und vollgepumpt mit Tranquilizern lässt sich schlecht denken und der Instinkt dämmert im Nebel dahin.
Bei einer der letzten Sendungen konnte ich die 300 €-Frage nicht beantworten. Diese "Ulk-Fragen" sind echt sehr schlau ausgetüftelt. Als ich da saß im Tal der völligen Ahnungslosigkeit, kamen mir endgültig die Zweifel, mich da jemals zu bewerben.
Ich schaue mir sehr gerne die Quizsendung "Wer wird Millionär" an. Beim Anschalten der Sendung, die ich grundsätzlich zeitversetzt anschaue, um die ätzende Werbung vorspulen zu können, schalte ich automatisch auf Klugscheißermodus. Bisher habe ich bereits vier Mal die Millionen-Frage beantworten können, bevor ich überhaupt die vier Antwortmöglichkeiten sah. Aber die meisten Kandidaten kommen ja gar nicht dorthin. Die meisten scheitern bei 16.000 € oder 32.000 €. Weil sie keine Ahnung hatten, ihrem Instinkt nicht folgten oder weil Jauch ihnen Joker abgequatscht hat. Das kann der gut. Oder sie verzweifeln bei diesen besonders fiesen Fragen, bei denen vier Mal das gleiche Wort, nur anders geschrieben, da steht. Da hift nur eines: sofort die Augen schließen und sich überlegen: wie schreibe ich das. Alles andere verunsichert einen nur. Ja, die Cappuccino-Frage. Von der Couch aus ist das alles viel leichter, keine Frage. Das Adrenalin fehlt. Und die Nervosität. An der würde ich z.B. scheitern. Das ist mir sowas von klar. Es ist zum Verzweifeln. Ich würde gerne mal dort mitmachen, aber diese Nervositätshürde kann ich nicht überwinden. Und vollgepumpt mit Tranquilizern lässt sich schlecht denken und der Instinkt dämmert im Nebel dahin.
Bei einer der letzten Sendungen konnte ich die 300 €-Frage nicht beantworten. Diese "Ulk-Fragen" sind echt sehr schlau ausgetüftelt. Als ich da saß im Tal der völligen Ahnungslosigkeit, kamen mir endgültig die Zweifel, mich da jemals zu bewerben.
Ich hatte begonnen, einen Krimi zu schreiben, der von der Ermittlung in einem Mordfall handelte. Ein Polizeikrimi. Ich hatte dafür einen knuffigen Kommissar und einen leicht verrückten Gerichtsmediziner erfunden. Der Kommissar tappte im Dunkeln, wie das alle Kommissare tun. Ein Lichtblick war, nach endlosen Spurensicherungen, Zeugenvernehmungen, internen Dienstbesprechungen und weiterem Herumgeeiere, eine Zeugin, die den Ermordeten ein paar Wochen vor seinem Tod in einer Fernsehsendung gesehen hatte. Es war „Wer wird Millionär“.
Der Kommissar beschaffte sich eine Aufzeichnung der Sendung. Der Kandidat, ein leptosomer, farbloser Typ mit schulterlangen Haarfransen („Typ Veganer“ konstatierte der Kommissar bei sich), versagte bei einer hoch dotierten Frage zum Thema Kochen. Es ging um ein ausgefallenes Gewürz für eine bretonische Spezialität. Der Kandidat wählte den Publikumsjoker. Ein Mann im Publikum stand auf und stellte sich als Profikoch vor. Er wusste die Antwort. Das ausgefallene Gewürz war Zucker, die bretonische Spezialität ein karamellisierter Saumagen. Er sei sicher. Ohne jeden Zweifel. Der Kandidat loggte die Antwort ein und verlor alles. Das Publikum applaudierte höflich.
Der Mann, der die Frage beantwortet hatte, kam noch einmal ganz kurz ins Bild. Er hatte sich wieder gesetzt und grinste. Als er die Kamera auf sich gerichtet sah, fuhr er mit einem Zeigefinger quer über seine Kehle.
Zwei Wochen später wurde er ermordet. Erstochen.
Ich habe den Krimi nie in dieser Form zu Ende geschrieben, weil ich feststellen musste, dass die Schilderung einer Fernsehsendung in einem Stück Prosa entsetzlich langweilig ist. Den leptosomen Mörder vom Typ Veganer habe ich beibehalten, aber das Motiv musste ich ändern, und den karamellisierten Saumagen habe ich auch verworfen. Außerdem habe ich beschlossen, weniger Adjektive zu verwenden.
Der Kommissar beschaffte sich eine Aufzeichnung der Sendung. Der Kandidat, ein leptosomer, farbloser Typ mit schulterlangen Haarfransen („Typ Veganer“ konstatierte der Kommissar bei sich), versagte bei einer hoch dotierten Frage zum Thema Kochen. Es ging um ein ausgefallenes Gewürz für eine bretonische Spezialität. Der Kandidat wählte den Publikumsjoker. Ein Mann im Publikum stand auf und stellte sich als Profikoch vor. Er wusste die Antwort. Das ausgefallene Gewürz war Zucker, die bretonische Spezialität ein karamellisierter Saumagen. Er sei sicher. Ohne jeden Zweifel. Der Kandidat loggte die Antwort ein und verlor alles. Das Publikum applaudierte höflich.
Der Mann, der die Frage beantwortet hatte, kam noch einmal ganz kurz ins Bild. Er hatte sich wieder gesetzt und grinste. Als er die Kamera auf sich gerichtet sah, fuhr er mit einem Zeigefinger quer über seine Kehle.
Zwei Wochen später wurde er ermordet. Erstochen.
Ich habe den Krimi nie in dieser Form zu Ende geschrieben, weil ich feststellen musste, dass die Schilderung einer Fernsehsendung in einem Stück Prosa entsetzlich langweilig ist. Den leptosomen Mörder vom Typ Veganer habe ich beibehalten, aber das Motiv musste ich ändern, und den karamellisierten Saumagen habe ich auch verworfen. Außerdem habe ich beschlossen, weniger Adjektive zu verwenden.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
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