Krieger

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 22.08.2006, 09:26

thomas milser
21/VII/2004



krieger

der krieger
macht einen ausfallschritt nach links
und lässt das unglück ins leere straucheln

er blickt sich nicht um
weil er genau weiß
dass es noch hinter ihm ist

das
hat er euch
voraus
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 03.09.2006, 13:20, insgesamt 5-mal geändert.

steyk

Beitragvon steyk » 22.08.2006, 11:24

Hallo Tom,
ein Text, der mich anspricht.
Kurz und aussagekräftig.
Mir würde statt "straucheln"
eher "taumeln" gefallen,
und den Zeilenumbruch der
ersten Strophe würde ich so setzen:

der krieger
macht einen ausfallschritt
nach links
und lässt das unglück
ins leere straucheln (taumeln)

Ansonsten :daumen:

Gruß
Stefan

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 22.08.2006, 11:31

Hey Steyk.

Das Erste ist besser, das zweite nicht. Letzteres wegen meiner Leseversion und meiner inneren Rhythmik. Die Lesung ist zwar noch nicht online, was ja jetzt auch doof wäre, weil das erste ja stimmt und ich es ändere.

Thnx, Tom.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

steyk

Beitragvon steyk » 22.08.2006, 11:59

Hi Tom

zum zweiten: Das liegt daran, daß wir wahrscheinlich
verschieden lesen ;-)

LG Stefan

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 22.08.2006, 12:01

Weiß nicht. Hab dich noch nicht lesen gehört...

Tom.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Béla B

Beitragvon Béla B » 23.08.2006, 03:29

hi tom,
das muß ich mal einigen freunden zeigen, hat mich nämlich an einiges erinnert, was die jungs so gedanklich von ihren cons oder lans mitbringen.
gruß aus der landeshauptstadt
bb

ps: du bist innenarchitekt? tischler? und steinmetz? spielst schlagzeug und gitarre? magst led zepellin und tool? foto? und verbringst deine urlaube im sand? der mensch ist vielseitig! vielleicht begegnet man sich ja mal.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 23.08.2006, 10:21

Hi bela.

Wenn du mir jetzt noch sagst, was 'cons' und 'lans' sind (etwa diese komischen Gamer-Treffen?) , dann könnte ich mich glatt mitfreuen. (Wenn ja, dann nicht. Mein Krieger ist ohne Srom.)

p.s. alles, was in meiner Bio steht, stimmt. Das einzige, was leider nicht stimmt, ist die Sache mit den Urlauben, weil ich die seit geraumer Zeit gar nicht verbringe.

Gruß aus der Binnenhafenhauptstadt Europas. :o)
Tom
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 25.08.2006, 14:33

Hey Tom,

sehr schönes Bild, nur verstehe ich die Aussage nicht ganz, insbesondere die letzten beiden Zeilen. Ich glaube, das liegt daran, dass ich nicht genau weiß, worum es sich bei dem "Unglück" handelt. Denn es ist ja erstmal "kontraintuitiv" (das las ich gerade irgendwo), dass gerade ein Krieger sich wegduckt und dafür hütet, seinem Unglück gegenüberzustehen - und dass genau dies dann als ein Vorteil gegen über "euch" (also allen Nichtkriegern) dargestellt wird.

Ich habe das Gefühl, du meinst etwas ganz anderes, aber ich sehe es leider nicht. Da ich es aber sehen will: erklärst du es mir?

(Das Bild, die Metaphorik von dem heranstürzenden Unglück, dem man zwar ausweichen kann, das aber immer hinter einem bleibt - und dann eben nicht mehr offensichtlich, sondern fast "unterbewusst" sich im Hintergrund hält - das finde ich sehr plastisch und gut nachvollziehbar: das Bild entsteht leicht, ich kann es nur nicht begreifen).

Gruß,
l

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Beitragvon Thomas Milser » 25.08.2006, 14:43

Hi lichel,

eigentlich hast du es genau auf den Kopf getroffen. Das Unglück ist unkörperlich, nichts bestimmtes, und doch alles. Es kann Krebs sein, der Tod der Liebsten, ein Verlust...

Ich habe seinerzeit geschafft, so einiges an Unglück ins Leere - also an mir vorbei - straucheln zu lassen, wissend, dass es nicht ganz fort ist. Dass man es immer nur für eine gewisse Zeit schafft, sich die Scheiße (hallo Louisa, ich sags einfach, wie es heißt, so!) vom Leib zu halten. Was zur Lebensphilosophie wurde. Das Ende der Unbefangenheit. Erwachsen. Der Krieger bin ich. Es gibt keinen weiteren Sinn.

Danke Lichel, du bist ein sehr aufmerksamer Mensch.
Es ist einer meiner ernstesten Texte.

Hi Steyk, ich hatte es erst geändert, drehe es jetzt wieder zurück. Es muss 'straucheln' heißen. Im Straucheln ist Stolpern, kurz am Boden sein. Das fehlt im 'Taumeln'.
Tom.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 25.08.2006, 14:57

Ah! Okay, eine interessante Sichtweise, das dann als "kriegerisch" zu interpretieren, aber ich kann es nachvollziehen, ja.

Mit dieser Info ausgestattet gefällt mir der Text auch sinnmäßig richtig gut! Ein starkes Bild. Gibt es ein "euch" mit realem Hintergrund, oder sind das generell die Zerbrechlichen, die sich nicht ducken können?


Ich hätte zwischen Taumeln und Straucheln große Schwierigkeiten gehabt, zu wählen. "Theoretisch" finde ich "taumeln" vom Sprachgefühl besser, aber hier passt es doch. Straucheln ist für mich auch fundamentaler, es hat mehr Nachwirkungen, man fällt wirklich, es gibt Konsequenzen. Das Unglück wird in gewisser Weise überwunden (es beeinträchtigt nicht mehr "direkt") - und ist trotzdem da, wie ein verletztes Tier, sich für den einen, letzten Augenblick und Angriff bereit haltend.

Eine Frage, die mich Naivling noch bewegt. Gibt es Unglück, das man nur ausweichend ertragen kann... interessante Gedanken, ich danke!

l

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 25.08.2006, 16:25

Die 'euch' sind die, die das noch nicht erkannt haben. Oder so :o)))

Ja, 'straucheln' ist stärker und bleibt.

War mir ein Vergnügen.

Tom.
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lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 25.08.2006, 16:31

"Die 'euch' sind die, die das noch nicht erkannt haben." :mrgreen:

Mir auch! *verneigt sich* (doch noch ein guter Tag)

l

Gast

Beitragvon Gast » 25.08.2006, 18:13

Oh, jetzt brauch ich mal wieder nix zu sagen...
Zu mäkeln habe ich nichts und das "Straucheln" muss wirklich bleiben, hallo Stefan ;-)
Denn Straucheln ist nicht nur neagativ besetzt, sondern bezeichnet außerdem etwas, das mit Scheitern zu tun hat... während Taumeln eher versponnen ist, und auch durchaus positiv... ein Falter taumelt...z . B.
Gut gemacht Tom - nicht nur der Worte oben wegen- sondern auch die Philosophie, die du praktisch umgesetzt hast im Leben. :daumen:
LGG

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 25.08.2006, 18:46

Hey, Tom,

ein schöner Text aus der Tiefe deiner selbst geschrieben!

Wenn du die Ursprungsversion lassen könntest und die Veränderung/das Ergebnis deines eigenen Arbeitens mit dem Text hier als abgesetzt darstellen würdest, könnte ich etwas mehr noch von dir sehen.

Jaja, dank Thanatos gibt es Krieger, und die kämpfen und weichen aus, und sie wissen, nach einem Kampf ist es nicht zu Ende, und dies hast du anderen Voraus. Jaja.

Worum wird gekämpft? Wozu?

'Wenn man den Feind nicht besiegen kann, soll man ihm die Hand reichen' sagen die wirklichen Araber aus der Wüste.

Danke Tom, für dieses schöne Gedicht einer Momentaufnahme.

moshe,c


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