Durchleuchten

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 02.03.2008, 22:37

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Glück braucht Kontrastmittel, das ist das Pech.


© 2004



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glück
gedeiht nur
auf dung
pech!



© 2008



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In der Dauerglücksmaschine weilend, wurde er langsam sauer.


© 2008



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Meine drei Zöglinge hoffen auf die Zusage des Gastwirts, im selben Zimmerlein übernachten zu dürfen. Na zdrovje.

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 05.03.2008, 11:32

Hallo!


Töne des Lebensklaviers sind Wohlbefinden und Schmerzen;
Erst wenn der Hammer sich hebt, kommen die Saiten zur Ruh.


Um mal meiner Distichon-Manie freien Lauf zu lassen ;-) So ganz überzeugt mich der Gedankengang allerdings nicht, schließlich klingen die Töne auch aus, wenn der Hammer liegenbleibt (Eigentlich sogar schneller?!)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 05.03.2008, 12:07

Ferdi, ich gebe Dir Recht, die Saiten klingen auch dann ab, wenn der Hammer liegen bleibt. Das müsste ich noch verbessern.

Primär will ich eigentlich nur zeigen, dass einmal angeschlagene Saiten allmählich leiser werden. Die Hammer-Mechanik an sich ist nebensächlich. Daher trifft Dein Distichon leider nicht so sehr meine Gedankenwelle.

Übrigens, was ich schon immer mal fragen wollte: Was ist eigentlich der Vorteil, wenn man Texte für eine bestimmte Schablone, wie etwa für Distichon oder Sonett etc., komponiert (von Musiktexten mal abgesehen, da ist es klar)? Sind das bestimmte ästhetische Überlegungen, die sich als Erfolgsrezept beim Publikum bewährt haben, so wie etwa der Goldene Schnitt im Grafik Design, oder der Parmesan auf den Spagh? Ich frage, weil ich mich für Ästhetik interessiere. Unter Ästhetik verstehe ich übrigens nicht Schönheit, sondern die Untersuchung des Schönen. (So wie ich unter Ethik nicht Moral verstehe, sondern die Untersuchung von Moral).


Cheers

Pjotr

Mucki
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Beitragvon Mucki » 05.03.2008, 12:54

Hi Pjotr,

Schmerz und Wohl sind wie Klavierklänge. Sie klingen aus, wenn der Hammer die Saite verlässt.

Das sitzt nicht so recht, weicht mir zu sehr vom Kernpunkt ab.
Warum nicht ganz knapp und prägnant:

Glück braucht Kontrast, Pech.

Wobei mir deine 2. Fassung immer noch als die beste erscheint.

glück
gedeiht nur
auf dung
pech!
Evtl. könnte man hier das 'nur' streichen, um das Absolute rauszunehmen?

Saludos
Mucki

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 05.03.2008, 14:51

Hi Mucki,

ja, das mit dem Klavier flutscht noch nicht richtig.

Deine prägnante Version finde ich nicht schlecht, andererseits fehlt dann die Atmo der Röntgen-Abteilung, was ja der Witz war. So knapp gesprochen, hat das an sich hässliche Wort "Kontrast" ohnehin gar keine dramaturgische Substanz mehr und könnte durch ein originelleres Synonym ersetzt werden.

"gedeiht nur" – das "nur" kann nicht raus, weil die absolute Exklusivität meine Kernaussage ist. Auf etwas anderem als Mist gedeiht kein Glück – so meine These.

Danke für Deine Überlegungen.


Saludos

Pjotr

Sam

Beitragvon Sam » 06.03.2008, 05:23

Hallo Pjotr,

Du scheinst mir von Fadenbeginn an auf der Ethik-Ebene zu sitzen.


Gut möglich. Und vielleicht "sitze" ich damit auf dem falschen Pferd, was deine Intension diese Aphorismen betreffend angeht. Aber sowas passiert mir oft.

Mir hat es jedenfalls Spaß gemacht, über deine Aphorismen nachzudenken. Und egal was du schreibst, es gibt bei dir immer etwas zu entdecken, worüber man nachgrübeln kann. Das gefällt mir sehr.

Liebe Grüße

Sam

Gast

Beitragvon Gast » 06.03.2008, 08:59

... ein Einwurf:

statt der taubheit
schmerz spüren
ist glück


Das könnte zum Beispiel so meine ich, in jene Richtung weisen, die Sethe anspricht ...


Liebe Grüße an Alle
Gerda

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 06.03.2008, 09:23

Sam. Cheers! Bild

Hi Gerda, in Deinem Entwurf sehe ich eine Gleichsetzung: Schmerz=Glück. Die "ist"-Form finde ich wiederum zu undifferenziert, zu "zeitgleich", und damit auch zu abstrakt. Muskelkater zu massieren, beispielsweise, ist so etwas wie "zeitgleicher" Glücksschmerz (herrlich!), oder an einem harten Boxkampf oder sonstigen masochistischen Aktionen teilzunehmen. Dennoch meine ich, Wohl und Schmerz stehen nebeneinander, nicht ineinander. Empirisch gesagt: Wenn das schmerzgetriggerte Endorphin ausgeschüttet ist, ist der Schmerz vorbei und die Freude groß. Ich möchte nicht die Statik, sondern den Prozess ausdrücken, das Wechselhafte, den Effekt während des Wechsels, der auch nur während des Wechsels Bewegung macht. Wir sind bewegliche Wesen. Wir sind keine einförmigen Ist-Zustände. Wir sind Paletten. Mosaike. Dynamiken. Diese Schmerz-Freude-Wechsel sind unsere Motoren. So vermute ich.

Vielleicht meintest Du dasselbe?


Salute

Pjotr

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 06.03.2008, 09:44

Hallo Pjotr!

Dachte ich mir schon, dass das Distichon nicht die von dir angedachten Feinheiten abdeckt. Aber ich stecke ja auch nicht in dir drin ;-)

Über Schablone, Ästhetik und Erfolgsrezept im Zusammenhang mit historisch gewachsenen Formen sich zu unterhalten könnte eine lohnende Beschäftigung sein - aber das sollten wir dann doch in einem anderem Faden als diesem tun?!

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Gast

Beitragvon Gast » 06.03.2008, 18:36

Hallo Pjotr,

ich hatte folgendes Beispiel im Sinn: Wenn jemand durch einen Unfall eine Lähmung erleidet, so ist der gelähmte Körperteil gefühllos (taub) - so viel ich weiß -.
Stellt sich während der Therapie ein Schmerz ein, so ist das ein Hinweis darauf, dass die Lähmung möglicherweise vorübergehender Natur ist und somit ist der Schmerz ein Grund zur Freude, deshalb, hier: Schmerz=Glück.
Ich glaube schon, dass diese wenigen Worte umfassend sind, ohne dass hier eine allgemeingültige starre Aussage entsteht.

Liebe Grüße
Gerda

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 07.03.2008, 05:34

Schönen guten Morgen an die letzten beiden. Ferdi, einverstanden, neuer Faden. Gerda, gut, verstanden und einverstanden. Salute.


Edit: Halt, Moment ..., in jenem Kontext ist ja Taubheit etwas schmerzliches; zwar nicht schmerzlich für den tauben Körper, aber schmerzlich für den Körperbesitzer (deprimierend für ihn). Es läuft immer auf dasselbe Kontrastverhältnis hinaus: ein abgebrochener Fingernagel wiederherzustellen macht ein bisschen froh; eine gelähmte Körperhälfte wiederherzustellen macht sehr froh.


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