Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.07.2012, 16:57


krötentag

nicht der frosch
hockt im topf
die kröte ist es
das tageswasser hitzt sich auf
die kröte hockt blöd vor sich hin
und merkt nichts

ich dumme kröte
zu brodeln beginnt's
warum spring ich nicht raus
und such mir einen prinzen
beiß in ihn hinein
wie in einen keks
knusprig und süß

das krötenwasser
kann mich mal
der keks ist mir ansporn
ich roll mich raus
und mach mir
einen prinzentag

Herby

Beitragvon Herby » 28.07.2012, 18:48

Ich hatte eine Prinzessin,
die besaß einen starken und hohen Thron.
Eines Tages brach er zusammen
unter ihrem Gewicht.

Niko

Beitragvon Niko » 28.07.2012, 20:17

von thron zu thron

sie saß erhoben und erhaben
und herrschend weise auf dem thron
dort sah man sie an macht sich laben
und richten über frei und frohn

nur ab und an, wenn´s bläslein zwickelt
entflieht sie dem regierungssitz
den königsrock graziös gewickelt
eilt sie dem klo zu wie ein blitz

wie gerne würd sie hier jetzt bleiben
ganz ohne zepter oder krone
und und möchte länger noch verweilen
doch los muss sie zum andren throne

Gerda

Beitragvon Gerda » 29.07.2012, 08:15

Ach hätte ich nur genügend Kröten
ich machte mir einen schönen Tag,
ganz ohne Prinz, das ist keine Frag'!
Doch leider gingen die Kröten flöten
und der Prinz ist eben doch vonnöten.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 02.08.2012, 20:48

Ach, hätten sie nur nicht genügend Kostüme;
der dunkle Schrank steht unbekümmert
in der Mitte des Zimmers
und wird für einen Mann gehalten

(Zeug für die Hände).
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.08.2012, 23:19


die mitte des zimmers
muss immer frei sein
unbedingt frei von allem
damit sie vor ihr
um sie mit ihr
tanzen kann

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 02.08.2012, 23:34

Tanzen, tanzen
durch die Mitte des Zimmers.
Die Schränke schweben
im Kreis, meine Welt
bin ich -
der Seidenschal über mir
immer länger,
so lebensleicht.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 04.08.2012, 13:01


[M]

immer einen im rücken haben
(setz schnecken aus
dass sie grasen)



der leuchtende pfeil
das rennende männchen
(geschlechtslos)
die weiße tür

wenn die fische über seine haut
glitschen, ihre mäuler sich auftun
dieser kleine sog

bastian f. wird kalt
du verzärteltes ding
muttersöhnchen warmduscher
(phantasielos) zieht der vater (ein schrank)
ihn auf klopft ihm auf die schulter
die jeans so eng, dass die knöpfe
spannen

am anderen ende fächert
die grüne haarnixe sich
im strom (künstlich) auf tanzt
in seine richtung - bastian
stolpert rückwärts über steine
(bayerisch runde) rutschig
ist der boden wie zur sperrstunde
auf dem männerklo

er denkt sich
blasen über die köpfe
buchstabenwürmer
einen comic
hinter veralgtem glas

seine hand stottert
der mund
eine verrutschte linie

schall dringt
in zeitlupe
verzerrt
ein
in seine muschelöhrchen
die knöpfe reißen
in seinem kopf

er löst die alarmanlage aus
im büro im dritten stock
(und direkt unter der schädeldecke)
heult ein rotes licht
das keiner sieht und hört draußen
erbricht bastian f. sich
an einer ecke
unter den sternen

(setz schnecken aus
dass sie grasen)


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 05.08.2012, 00:23


stock für stock

du stehst im 20. stock
fenster aus glas
von der decke bis zum boden
du schaust hinunter
dir wird schwindelig
du darfst dich nicht erbrechen
nicht hier nicht jetzt
alles schwankt

~ ~ ~ ~

dein kopf kreist
denkt sich parterre
fest
| ganz fest ||||
du ~ taumelst ~ zur tür
dein geist
gehorsam und flucht

|||| und ~ ~ ~ ~

das metallgeländer
dein freund dein halt
fest
| ganz fest ||||
stufen viele stufen
und freund ganz viel freund

du siehst nicht nach oben
nicht nach unten
deine augen darfst du nicht schließen
aber ein bisschen zukneifen
nur ein bisschen

du denkst dich parterre
fest
| ganz fest ||||
noch vier stufen
du kommst an
du siehst nach oben
zum 20. stock
du fühlst dich

______

Niko

Beitragvon Niko » 09.08.2012, 21:24

gedanken bis ins mark
der ton macht keine musik mehr
die federlippen flügellahm

zwischen den zähnen
knirscht die meinung
etwas könnte anders sein
etwas könnte überleben

am anfang fand ich verse noch nützlich
dann waren sie schön
jetzt sind sie einfach nur
noch

ein unverbrauchter freund
dem ich nichts anvertrauen muss
weil er weiß
und kennt und
mir zusagt was ich nicht sehe

Gerda

Beitragvon Gerda » 10.08.2012, 01:06

nach all den jahren sind
angst und bedenken verflossen
im reinen und klaren gelingt es
zuneigung erneut zu wecken
sie brandet stürmisch. doch
ruhig schließt sich der kreis
ohne dass alte wunden
zu lecken wären
Zuletzt geändert von Gerda am 10.08.2012, 17:41, insgesamt 1-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 10.08.2012, 05:03

was sind schon jahre
täglich das leben auf null stellen
im nacken die wiederholungen
und wiederholungen in aussicht

einmal vergessen
dauerwunden kurzlebigkeiten
und über sich selbst hinweg sehen

aber in uns malt sich aus
was uns zu bunt wird

Gerda

Beitragvon Gerda » 10.08.2012, 08:07

Selbst ist die Frau

Du kipptest Farben in mein Leben,
darin zu baden, war mir nicht genug.
Ich tauchte tief und traute Trug und Lug,
glaubte an das, was du mir schienst zu geben.

Die Töne heiter, ach, wie wohlig mich dies trug,
obwohl zu laut. Die Lüge nun zu heben,
um selbst zu malen ward mein Streben,
weg mit der Tünche Zug um Zug.

Nun misch ich mir den Alltag selber bunt.
Grundiere erst die Wände in dem Haus,
bestimme die Schattierung satt und rund,

ich pinsle, spachtle, färbe, bessre aus.
Hab ich vor Arbeit auch die Finger wund,
nur so komm ich darüber hinweg

©GJ20110426

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 10.08.2012, 11:33


pustekuchen
eine schwäche (tausenderlei) und das meer
halt mal kurz



manchmal weißt du
aus heiterem himmel
werden auch mir
der hochhalterin
die arme schwer

dann möchte ich sie
einfach fallen lassen
und ohne worte
bei dir stehn



(dann schauen wir den zellen zu
wie sie über unsere köpfe ziehen
und lassen den regen auf der haut
in allen schattierungen reden
können wir noch bis wir tattern
warten auf einen blick aufs meer

und schon wieder plappere ich
wie ein neuseelandpapagei
von plänen und pustekuchen
picke die krümel aus den fugen
zieh dir die schnürsenkel raus
und du rufst kea! als lösten wir
ein kreuzworträtsel und schwupps
landen wir bei den schwedischen möbeln
und immer so weiter und immer so weiter

ja pustekuchen lachst du
sand knirscht halt
zwischen den zähnen)



vielleicht war es ein bild
das mich verfing eine welle
die sich auftürmt und nicht bricht


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)


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