Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

Klara
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Beitragvon Klara » 30.04.2015, 15:34

Der Einfachheit halber
ganz werden
wie künftig immer
gewesen
Ein "Bin"
Ein "Werde"
Ein Leben

Niko

Beitragvon Niko » 01.05.2015, 07:48

man ist
man wird
man lebt
nur einmal und

doch auch wiederum nicht

wir sind ganz anders
werden ganz anders
leben ganz anders
als wir sind

aber wer will das wissen
(nicht einmal wir selbst)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 01.05.2015, 14:57



geschnürt

man: ein konglomerat der wünsche
hielt sie fest im blick

wie schwierig ist das springen
von hier nach wohin

in der nacht irrte sie suchend
und fand keinen ort

was sie großgezogen wuchs
himmelwärts in ihrem kopf

verglühte der müll perseiden
mahnmalten über dem dach

und darunter surrten die menschen
wie drohnen gingen sie ihr nach

was ihr unter den fingern lag: heute
ist der kuss der steine alles was fehlt

und es trieb ihr die tränen ins erwachen
dass sie das nicht schreiben konnte

nicht einatmen bis der schmerz
auf seiner zunge vergeht



Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 01.05.2015, 23:16

Aufbrechen (klingt schon gewaltsam)
nach wohin
vielleicht mit dem Zug
um Zug
und auf dieser großen Tafel
sind wir Beschriebene
kreideweiße
im hinteren Abteil
verbleiben wir (sagst du)
der Frühling ist tot (sage ich)
und wir beugen uns ins Licht
einander fort
aber was macht das
Weil bleibt uns aus
und wenn es ruckelt fahren wir doch
werden Eingereiste
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Niko

Beitragvon Niko » 02.05.2015, 08:05

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Zuletzt geändert von Niko am 02.05.2015, 09:51, insgesamt 1-mal geändert.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 02.05.2015, 09:35



wir essen keine kreide zum frühstück
und gaukeln im schaukeln des zuges
ein lied und das meer zwischen uns
macht nichts aus

sparen wir uns den sanften schwung
des fragezeichens und das spiegeln zur acht
und vor allem diesen verfluchten rührenden punkt

du reckst dem kontrolleur
deine dauerkarte entgegen
und das smartphone leuchtet
im dunkeln des tunnels wie eine trophäe

mich fragt er nicht das wundert dich
für einen moment bin ich unsichtbar
du reibst dir die augen

lass uns aussteigen
hier ist es zu versifft
sagst du sag ich

ja, ja, der frühling ist tot siehst du
wie die vögel vom himmel fallen

und der wolf wartet noch immer
dass das märchen gut ausgeht

und irgendwo im netz hat sich
die kehrseite der geschichte verfahren

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 04.05.2015, 15:54



stummfilmaufstehen

ihr tausendfaches zwitschern
lässt mich nicht in den tag gehen
ganz sanft wie ich es gern hab
es katapultiert mich gleich einer schleuder
einfach hinein ob ich will oder nicht

manche tage muss ich ohne ton beginnen
nur mit ertasten und schwarzweißsehen
stummfilmaufstehen
diese tage sind die buntesten

warum dies so ist
frag die piepmätze
die wissen es nur zu gut

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 04.05.2015, 19:15

Manche Tage
beginne ich
ohne Sprache
nur in Schwarzweiß
untermalt
von Klavierimprovisationen
Stummfilmaufstehen

dann schreibe ich mir
die Momente
bunter
und sprachlicher
als sie sind

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birke
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Beitragvon birke » 04.05.2015, 23:07

am rand zum morgen
möcht ich verweilen
im zwielicht, im schatten
mich sprachlos (nicht schriftlos)
ergeben den zwischentönen
einer weichheit

der tag
mit seinen scharfen konturen
liegt mir nicht, mir liegt
an der nacht
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

jondoy
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Beitragvon jondoy » 04.05.2015, 23:12

tau
und
taifun

lieben es

das
dahin
dämmern

unterm
****
zelt

nichts
bewegt
sich

im
kelch
liegen

und
verdunsten

und danach

flieger
in
den
muff
stecken

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 04.05.2015, 23:26

Der Tag
mit seinen scharfen Konturen
brennt mir
alle Worte aus

nachts aber
weichen
alle Umrisse
Dunkel
schmiegt sich
mir an die Sprache

so schreibe ich
in Moll

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birke
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Beitragvon birke » 04.05.2015, 23:38

die nacht in moll
dunkel grün
schillert
dein wort
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 05.05.2015, 00:08

Deine Worte
irisieren
auf diesem Mitternachtsbalkon
bei einer Tasse Ostfriesentee
Gesprächen über Seneca
Interpunktion
und Traumata

windhauchartig
berühren wir uns
hier und da

meine Augen
dunkeln nach
dieser Nacht

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nera
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Beitragvon nera » 05.05.2015, 02:22

liebe mich
eine sekunde
zwischen dem gleisen
wenn der sommer uns
frühling gaukelt
mieten wir uns ein
in wäldern zwischen den flüssen
in den schweigepalästen in museen
ein bruchteil der zeit
vergeuden wir
mit silben
die wir stottern
stottern, mieten zeit
oder lichtungen tage
die uns nächte sind
oder das meer


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