Heute Nacht _ Neu

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 16.05.2006, 22:44

Heute Nacht,
als in der Ferne
der Zug fuhr,
hab' ich an Dich
gedacht,
Stella,
und an die
Nacht,
als du sagtest,
wir würden uns
früher oder später
vergessen.

Erstfassung
Heute Nacht,
als in der Ferne
der Zug fuhr,
hab' ich an Dich
gedacht,
Stella,
und an die
Nacht,
als du sagtest, dass
wir uns früher
oder später
vergessen würden.
Zuletzt geändert von Paul Ost am 17.05.2006, 18:44, insgesamt 1-mal geändert.

carl
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Beitragvon carl » 17.05.2006, 06:25

Hallo Paul,

gefällt mir!
Überleg, ob du das "würden" am Schluss überhaupt brauchst.
Ebenso, ob "ein Zug fuhr", damit der bestimmte Artikel "der" Nacht vorbehalten bleibt...

Liebe Grüsse, Carl

Gast

Beitragvon Gast » 17.05.2006, 08:09

Hallo Paul, mir gefällt dein Gedicht auch.
Die Idee dahinter kommt gut zum Tragen.
Mich stört nur eine Kleinigkeit: Der Name.
Er hat keine Funktion, außer, das ich als Leserin weiß, dass jene von dir Angebetete "Stella" heißt, eine Anspielung auf eine aus der Literatur (Goethe) bekannte Stella zieh ich jetzt hier nicht in Betracht.
Auch finde ich Carls Anmerkungen durchaus überlegenswert.

Liebe Grüße
Gerda

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leonie
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Beitragvon leonie » 17.05.2006, 11:33

Hallo Paul Ost,

da war er treuer als sie gedacht hatte und hört mit dem fahrenden Zug in der Ferne zugleich die abgefahrenen. Stella-vielleicht ein Stern in seiner von einer leichten Sehnsucht angehauchten Erinnerung? Oder ist das zu platt gedacht? Für mich stimmt das Gedicht so,wie es ist und es gefällt mir sehr.

Viele Grüße

leonie

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 17.05.2006, 12:01

Hallo,
ich bin gar nicht sicher, ob sie in diesem einen Zug saß. Der "Zug könnte ja auch einfach nur abgefahren sein", während die beiden eine ihrer Nächte verbringen und er feststellt, dass das, was sie über das Vergessen sagte, schon längst eingetroffen ist. Gut, dass ist eine mögliche lesart, aber wohl nicht die beabsichtigte.

Ich glaube zwar auch, dass die beschriebene Beziehung "offiziell" schon zuende ist, meine aber, dass der Zug nur irgendeiner ist, und weil sie ihm einfällt, stellt er fest, dass eingetroffen ist, was sie sagte (denn damit einem jemand einfällt, muss man ihn vergessen haben)...

Mir gefällt der kleine Wohnzimmerblick durch die Gardinen.

Herby

Beitragvon Herby » 17.05.2006, 12:11

Hallo Paul,

es geht mir mit deinem Text wie leonie: Mir gefällt er so, wie du ihn geschrieben hast, ausnehmend gut! Und auch der Name stört mich nicht, im Gegenteil. Die Zeit deines Textes ist die Nacht, Stella - Name ( und Stern in der Nacht? )

Wie auch immer, sehr gerne gelesen!

LG Herby

Perry

Beitragvon Perry » 17.05.2006, 12:34

Hallo Paul,
Abschiedsstimmung verbunden in einem äußeren (Zug) und einem inneren (vergessen) Bild lese ich in deinen Zeilen.
Formal ist mir die Wiederholung von "Nacht" und "als ..." (gewollt?) aufgefallen.
Insgesamt ein gutes Stimmungsbild, an dem man aber noch feilen könnte.
LG
Manfred

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 17.05.2006, 14:50

Hallo zusammen,

zunächst einmal vielen Dank für die zahlreichen Reaktionen. Die Wiederholung von "Nacht" und "als" ist gewollt. Der Satz zerfällt dadurch in zwei Teile, die jeweils eine zeitliche Dimension einnehmen. Der Name Stella teilt das Gedicht in zwei Hälften, in das Heute und das Gestern.

Der Name trägt daher sehr wohl eine Bedeutung. Ich finde die Erklärung von Herby schön. Für einen Altsprachler wie mich ist es unmöglich, nicht auch die lateinische Bedeutung mitzulesen. An Goethe habe ich ausnahmsweise einmal nicht gedacht.

Carls Einwand erscheint zunächst sinnvoll. Aber es gilt zu bedenken, dass ich hier mit Absicht den Konjunktiv II gewählt habe. Das lyrische Ich hat - nach meiner eigenen Lesart - Stella nicht vergessen. Daher ist es ein Irrealis.

Lisas Lesart war für mich deshalb eine (schöne) Überraschung. Du hast den Satz gewissermaßen gegen den Strich gebürstet. Dadurch erscheint er mir jetzt anders als vorher.

Der Zug erfüllt meiner Ansicht nach mehrere Funktionen. Zunächst einmal geht es um ein akustisches Erlebnis, dass eine Erinnerung auslöst. In Berlin wohnte ich eine Weile in einer Wohnung, die regelmäßig von vorbeifahrenden Straßenbahnen erschüttert wurde. Daran habe ich mich schnell gewöhnt. Ebenso gibt es andere Räume, von denen aus man Züge fahren hört. Stellas Zimmer ist so ein Ort. Der Zug in der Ferne hat für mich also eine ähnliche Funktion wie für Eichendorff das "Posthorn". (Hier ist die intertextuelle Anspielung gewollt). Das Geräusch eines fahrenden Zuges lässt mich an Fernweh, Sehnsucht, Glück und Freiheit denken. Ich habe sehr positive Erinnerungen an Zugfahrten.

Das klingt jetzt so, als würde ich alle Verbesserungsvorschläge ablehnen. Ich will aber keinesfalls undankbar erscheinen. Erst durch Eure Kommentare kann ich erkennen, welche unterschiedlichen Reaktionen auf den Text es gibt. Deshalb noch einmal vielen Dank für das Feedback.

Es grüßt

Paul Ost

carl
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Beitragvon carl » 17.05.2006, 16:43

Hallo Paul!

Wenn Du den Irrealis behalten willst:
"als du sagtest, wir
würden uns früher
oder später
vergessen."

Fil mir spontan dazu ein....
GL Carl

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 17.05.2006, 18:45

Lieber Carl,

ich habe Deinen Vorschlag übernommen. Bedankt.

Paul Ost


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