Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

Bild
Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

Hakuin

Beitragvon Hakuin » 18.06.2008, 22:31

roter mohn
wollte
von
hause aus
nicht
dich betören

Mucki
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Beitragvon Mucki » 19.06.2008, 01:38

sie betört meine sinne
sinke in glasklare gründe
immer tiefer und tiefer

atme mich durch algen
necke ein seepferdchen
tauche unter dem rochen
ins reich der korallen
geselle mich zu ihnen

bis die gründe ihre klarheit
an der oberfläche
verlieren

Max

Beitragvon Max » 22.06.2008, 18:43

Glasklar

Das klarste Glas
flunkerte

Damals
in der Taufkapelle von St. Michael
wo hinter 200 gläsernen Lidern
die Sonne aufzugehen schien
(und doch war der Tag trüb)

Vielleicht irrte
aber auch die Sonne
als sie sich entschloss
an jenem Tag nicht
über Coventry Cathedrale
zu scheinen


hier der Bezug: http://img.groundspeak.com/waymarking/display/d57d0ce2-850c-4b9d-a8bd-f9d363085334.jpg

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 26.06.2008, 12:35

Dass die Sonne sich irrt
ist überhaupt die Erklärung,
nicht nur für das trockene Herz,
dass sich in die Kirche verirrt.

Sie schaut durch Glas, man schaut durch Glas,
jede Menge Glas..
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 26.06.2008, 15:17

Glas
Scherben
der gläserne Mensch

Jetz weiß ich
warum mein Haus
aus Panzerglas besteht.

Mit Scherben male ich es an.
Echelon sieht rot
und ich werfe
nicht mit Steinen

Max

Beitragvon Max » 28.06.2008, 22:21

Mondmenschen

Gehen auf
und gehen unter
nicht
.......weg
..............zu
.................denken
aus dem Tag
ihr Glanz

Doch ohne eigene Wärme
nichts

gedeiht in ihrem Licht

Nifl
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Beitragvon Nifl » 29.06.2008, 11:39

Bild


Rotlicht breitbeinig
Sonne Mond und Scherben

schlucken

stöhnen
im Tagesuntergang
Ganzton

entfärben werden wir

süßlich unsere Haut

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.07.2008, 23:22

sie beißt sich am Glas fest
es ist nicht ihres
es ist der Lippenstift

Herby

Beitragvon Herby » 04.07.2008, 00:11

Die Lippenstiftbuchstaben
sind schneidender
als die Splitter des Spiegels

Max

Beitragvon Max » 06.07.2008, 18:41

Abend

Der Lärm verstummt
(zumindest aber der ewige Nachbar)

Farbschichtiger Himmel
wo die Sonne sinkt

Im Osten schneidet die Scherbe
des Mondes die Zeit in Streifen
Tag und Nacht

Den Grashalmen
wachsen Früchte aus Tau
meine Füße trinken begierig

Irgendwo spielt Keith Jarrett
Ich singe mit

Der Tag verklingt
in gebrochenem Dur

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.07.2008, 01:51

Pustekuchen

Der Streifenmond zieht seine Leuchtbahnen
und mir den Tag in die Nacht.
Verdeckt sich sein Rund
durch Fadenwolken,
puste ich sie fort
und Morpheus gleich mit.

Max

Beitragvon Max » 16.07.2008, 21:23

In der Nacht dachte ich
einen Kometen zu sehen
Eine helle Leuchtspur im Schwarz

Später las ich
es war die Raumstation

Da oben kreisten drei Männer
und eine Frau um die Erde

Ich dachte an Umweltverschmutzung
und doch
machte der Gedanke
dass Sokrates das nicht sehen konnte
mich traurig

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.07.2008, 01:54

Warum kommt mir

bei

Sokrates der Schierlingsbecher
van Gogh die Kugel
Nietzsche der Wahn
Toulouse-Lautrec das Delirium tremens
Celan der Suizid an der Seine
Bachmann die brennende Zigarette

in den Sinn?

Warum
ist das Sterben
meine erste Erinnerung?

Warum
verblasst das Leben
wie eine schwarze
nur kurz flackernde Leuchtspur?

Warum
frage ich mich das?
Ich kenne doch die Antwort
und sie ergibt durchaus
einen Sinn.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 04.08.2008, 19:22

Bild


Ein Auseinanderfallen
träumt sich
Welle im Schattenraum
bis das Raster beugt
endlich beugt

Du liegst im Bilderbogen
selbst deine Stimme
selbst deine Dornenhaut
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)


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