Betrachtung

Herby

Beitragvon Herby » 19.11.2008, 22:47

Betrachtung

November spielt mit meinen Träumen
und jagt sie wirbelnd vor mir her,
den Blättern gleich, die von den Bäumen
gesunken sind, im Abschied schwer.

Das Laub, es hatte seine Zeit,
erfüllend sich im Gleichlauf der Natur.
Auch meine Träume hatten ihren Sommer. Nur
riss sie der Wind der Unerfüllbarkeit.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 20.11.2008, 01:04

Lieber Herby,

die erste Strophe liest sich so schön leicht-melancholisch und sehr melodisch.
Bei der zweiten Strophe scheinen mir beim Lautlesen Zeile 2 und 3 zu lang, springen aus der Melodie heraus, 1 und 4 hingegen sind wieder sehr stimmig.
Mir gefällt auch, dass du die Träume aus der ersten Strophe in der zweiten wieder aufnimmst, nur diesmal schwermütiger.
Dein Gedicht passt wunderbar zum Monatsthema.
Sehr gern gelesen!
Saludos
Mucki

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 20.11.2008, 09:20

Hallo Herby

Die ersten zwei Zeilen gefallen mir sehr, auch das Bild der Blätter für die Träume mag ich. Was mich in der ersten Strophe irritiert, ist dass ich das gesunken und das schwer zusammen lese und sie dadurch nicht mehr zum wirbeln und spielen der ersten Zeilen passen. Auch weiß ich nicht, ob der Abschied auf die Blätter bezogen so stimmig ist, ob er sich nicht eher auf die Träume oder etwas Ungesagtes bezieht? Vielleicht ist diese Unstimmigkeit aber für dich auch wichtig, in Bezug auf das Monatsthema, die Illusion des Spiels?

November spielt mit meinen Träumen
und jagt sie wirbelnd vor mir her,
den Blättern gleich, die von den Bäumen
taumelten, ein Abschied fällt schwer.


In der zweiten Strophe wird es mir glaube ich zu erklärend, vor allem der „Wind der Unerfüllbarkeit“, das fände ich schöner, wenn es sich durch die Blätter quasi selbst erklären könnte. „Meine Träume hatten ihren Sommer. Nur“ find ich klasse. „Der Gleichlauf der Natur“ hingegen, ist das nicht etwas, was man sich sowieso denkt, bei diesem Bild, was als Gedanke schon da ist und man nicht erklärt bekommen muss? Auch das „erfüllend“ versus „Unerfüllbarkeit“ ist mir zu explizit, ich hätte da gerne mehr Raum für meine Assoziationen.
Ich weiß, das ist jetzt sehr gekürzt, aber wäre darin nicht schon alles enthalten?

Auch meine Träume hatten ihren Sommer. Nur
riss sie ein Sturm vor ihrer Zeit.


edit: Das hab ich sehr gern gelesen und das klingt jetzt vielleicht seltsam, aber es ist überaus angenehm "unoriginell" und dadurch irgendwie geerdet, vertraut. (Sind wie immer nur Anregungen .-), vielleicht ist ein Gedanke für dich dabei.)

Liebe Grüße
smile

Herby

Beitragvon Herby » 20.11.2008, 20:12

Liebe Mucki,

ja, du hast Recht, was den Rhythmus der zweiten Strophe betrifft. Bisher habe ich bei Reimtexten immer versucht, die Anzahl der Hebungen und Senkungen einheitlich zu halten. Dieser Text ist ein Versuch, mich von diesem zwar mitunter hilfreichen, aber doch starren "Korsett" zu lösen. Inwieweit er gelungen ist, vermag ich nicht zu sagen. Da ich zumindest das Versmaß über die beiden Strophen beibehalten habe, kam mir selbst die erhöhte Anzahl an Hebungen in S2 nicht so störend vor. Aber auch das will nicht viel bedeuten, empfindet man als Autor durch die geringe Distanz oft anders als der Leser. Da fände ich interessant, was z.B. Ferdi als ausgewiesener Experte für Reime und Metrik zu diesem Thema sagt. Vielleicht schaut er ja mal rein in meinen Text.

Liebe Smile,

der Gegensatz (wenn es denn einer ist - mir erscheint er gar nicht als solcher) zwischen "gesunken" und "schwer" ist durchaus so gewollt, allerdings nicht wegen des Monatsthemas, von dem ich noch gar keine Kenntnis hatte, als ich den Text schrieb. Dass er dazu passte, ist reiner Zufall.
Über das, was du zur zweiten Strophe schreibst, muss ich nachdenken. Ich verstehe, was du meinst, ja. Vielleicht ist mir hier der Spagat zwischen "zu offen" und "zu erklärend" nicht gelungen.

Und zum Schuss noch eine Anmerkung: ja, mein Gedicht und seine Thematik sind tatsächlich nicht originell im Sinne von "neu" oder "anders". Dass du dies als angenehm empfindest, freut mich natürlich. Aber wenn mir eine Idee zu einem Text kommt und sie sich dann eventuell sogar verfestigt, ist es mir herzlich egal, ob er am Ende originell ist oder nicht. Was nicht heißt, dass ich nicht auch experimentiere. Doch die Ergebnisse dieser Versuche bleiben noch einige Zeit unter Verschluss, nicht zuletzt aus Respekt vor dem Leser ;-)

Euch beiden herzlichen Dank für die Beschäftigung mit meinem Text und eure Rückmeldungen!

Lieben Gruß,
Herby

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 20.11.2008, 23:15

Lieber Herby,

Mir gefällt der Vergleich von Laub/Abschied/Träumen und der Unterschied zwischen erfüllbar/unerfüllbar.

Komisch, die 1. Str. ist ganz perfekt in ihrer Form und liest sich wie Butter, wohingegen Str. 2 überaus spröde daherkommt, scheinbar Metrik und Reim bricht, ich musst es tatsächlich laut lesen, um erkennen zu können, dass es eben doch passt! Das nur zur Technik.

Spannende und liebe Grüße aus der Sturmwarnung in Wien,
ELsa
Schreiben ist atmen

Trixie

Beitragvon Trixie » 21.11.2008, 10:54

Hi Herby,

- und ich dachte, es wäre Absicht ;-), dass es in der zweite Strophe holpert, denn das passt zu der Stimmung. Wenn etwas inhaltich wirbelt und daher leicht und schwingend daher kommt, dann ein perfekt konstruiertes "Reimgedicht". Wenn etwas dann schwermütig, besinnlich, etc. daher kommen soll, dann ein Gedicht, das auch ein bisschen "holpert", wo man stehen bleiben muss, genauer hinschauen, vielleicht zweimal lesen. Deshalb hat es mir gerade deswegen sehr sehr gut gefallen da am Ende in der zweiten Strophe.

Ich kann nur sagen, mich berührt der Inhalt und ich kann es spüren, was du da geschrieben hast. Daher ist es für mich gelungen.

Liebe Grüße
Trix

ecb

Beitragvon ecb » 21.11.2008, 18:29

lieber herby,
seit tagen schleiche ich um dein gedicht herum, weil es mir trotz seiner offensichtlichen holperigkeiten so gefällt.
ich habe nach alternativen gesucht, aber die möglichkeiten dafür sind natürlich durch das gegebene reimschema begrenzt. wenn ich mich auch selbst nicht gern solchen zwängen unterwerfe, so hat dein gedicht für mich gerade hierdurch wiederum einen besonderen reiz und eine besondere schönheit. und vielleicht sind es am ende gerade seine unvollkommenheiten, die dazu beitragen.

also belasse ich es einfach dabei, daß ich dein gedicht mag. :blumen:
lg eva

Herby

Beitragvon Herby » 21.11.2008, 19:58

Liebe Elsa, Trixie und Eva,

habt erst einmal herzlichen Dank für Euer Lesen und Eure Auseinandersetzung mit meinem Text. Ihr sprecht alle drei die Holprigkeit der zweiten Strophe an. Nein, Trixie, intendiert war sie von mir nicht, sie ist eher eine Art "lyrischer Kollateralschaden" ;-), wenn sie dennoch für dich einen Sinn ergibt, ist es umso besser.
Vielleicht liegt es ja an den Scheuklappen des Autors, dass der Text mir selbst gar nicht holprig vorkommt. Das wäre, glaube ich, viel eher der Fall, wäre das Versmaß innerhalb des Textes oder gar einer Strophe unregelmäßig oder nicht existent. Zudem habe ich auch schon eine ähnliche Erfahrung gemacht, wie Du, liebe Elsa, sie beschreibst, nämlich dass sich beim lauten Lesen manche metrischen Schlaglöcher füllen.
Liebe Eva, Geschlichene, dass du dann sogar einen gewissen Reiz in der Unregelmäigkeit zu entdecken vermochtest, freut mich sehr. :engel:

Einen Nachtrag noch zu Smile: Die von dir vorgschlagene Alternative zum Schluss ist mir doch etwas zu sehr verdichtet, aber sie hat mich immerhin auf eine Idee gebracht. Mal sehen, was daraus wird.

Euch allen nochmals Dank für Eure Gedanken, Euer Lob und herzliche Grüße ins Wochenende.

Herby

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 21.11.2008, 21:09

Lieber Herby,

mir geht es wie den anderen, irgendetwas an dem Text reißt mich hin, hat eine sehr gelungene und offene Bewegung. Den Versuch Strophe 2 offener zu gestalten, finde ich sehr schön als Schritt, mir scheint das aber auch noch nicht ganz gelungen.

Man könnte natülich überlegen, eine kürzere Fassung daraus zu machen, etwa:

Auch meine Träume hatten ihren Sommer

November spielt mit meinen Träumen
jagt sie wirbelnd vor mir her,
den Blättern gleich, die von den Bäumen
gesunken sind, im Abschied schwer.


Aber dann fehlt auch ein Abschwung des Wirbels, den du aufzeigst. Außerdem konstrastierst du ja zusätzlich Kreislauf vs. Einmaligkeit bezüglich der Vergänglichkeit.

Mich stören eigentlich nur die Formulierungen "Gleichlauf der Natur", das klingt so biologisch im Vergleich, und "Unerfüllbarkeit" - beides ist sehr explizit. Es würde wohl wenig nützen (und ich könnte es auch gar nicht), wenn ich mir eine zweite neue Strophe ausdächte, aber mein Tipp wäre: Versuch die zweite Strophe bis auf die Sommerzeile nochmal sprachlich neu zu schreiben und nicht auszubessern - ich glaube, anders gelingt es nicht, da man zu sehr an der urprungsversion klebt und nicht frei genug neu die Feder schwingen kann :-)


Wie schön dich zu lesen!


liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 22.11.2008, 23:33

Hallo Herby!

Die zweite Strophe erscheint mir gegenüber der ersten sehr... aufgeraut. Möglicherweise zu sehr?! In S1 benutzt du eine der gängigsten Strophen der deutschen Dichtung und noch dazu einen absoluten Standardreim wie "Träume - Bäume"; insgesamt wirkt alles sehr glatt. In S2 wechselst du dann ja nicht nur die Verslänge, sondern greifst auch zu so sperrigen Ausdrücken wie "erfüllend sich", wählst ein fünfsilbiges Wort wie "Unerfüllbarkeit" (wobei vier Silben "Grammatiksilben sind), reimst dazu "-zeit" auf -"keit"und benutzt die Wendung X reißt Y in etwas fremder Weise (Fallschirmspringer / Leine, Raubtier / Beute, Hochspringer / Latte ... Wind / Träume?!). Ich bin mir nicht sicher, ob der stilistische Abstand von der einen zur anderen Strophe nicht zu groß ist?!

An sich funktioniert die zweite Strophe aber schon, denke ich; und das Gedicht als ganzes weiß zu berühren. Also kannst du ja an sich nur alles richtig gemacht haben :-)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

DonKju

Beitragvon DonKju » 23.11.2008, 08:58

Hallo Herby,

heut' les ich Dein Gedicht zum zweiten Mal und wie den meisten Vorkommentatoren macht mir die zweite Strophe Schwierigkeiten, vielleicht weil sie sich von der so eingängig runden ersten so abhebt ...

Das Laub, es hatte seine Zeit,
erfüllend sich im Gleichlauf der Natur.
Auch meine Träume hatten ihren Sommer. Nur
riss sie der Wind der Unerfüllbarkeit.

"Gleichlauf" - das scheint mir irgendwie etwas willkürlich ausgewählt, weil das Wort "Kreislauf" in diesem Zusammenhang sehr wohl passt, aber natürlich eingängig und wohlbekannt ist, also "abgenutzt" wirken könnte

und dieses "riss sie der Wind" das müsste ja wohl "riss fort sie der Wind" heissen, aber das passt dann wieder nicht vom Zeilenmass ...

Also schließ' ich mich Lisa an, sicher lohnt ein Neuversuch für Strophe 2 ...

mit Hobbitgrüßen von Bilbo

Herby

Beitragvon Herby » 23.11.2008, 22:51

LiLi, lieber Ferdi, lieber Bilbo,

auch euch danke ich herzlich für eure Ausführungen und Anregungen. Da der Knackpunkt für euch und eure Vorkommentatoren die zweite Strophe ist, werde ich sie mir noch einmal vornehmen. Eure Gedanken können mir dabei durchaus hilfreich sein. Ich bin zwar ab morgen wieder für mindestens eine Woche unterwegs und werde keinen Internetzugang haben, aber ich drucke mir die Kommentare aus und nehme sie mit. Auch wenn die kommenden Tage stressig zu werden versprechen, finde ich vielleicht doch die Muße, mich an eine Überarbeitung zu machen.

Lisa, du schreibst:

Aber dann fehlt auch ein Abschwung des Wirbels, den du aufzeigst. Außerdem konstrastierst du ja zusätzlich Kreislauf vs. Einmaligkeit bezüglich der Vergänglichkeit.


Genau darin liegt für mich die Schwierigkeit, den Text zu kürzen, ja.

Und Ferdi, ich glaube schon das du Recht hast, wenn du schreibst:

Ich bin mir nicht sicher, ob der stilistische Abstand von der einen zur anderen Strophe nicht zu groß ist?!


Du hast mir in deiner differenzierten Antwort ja einige Beispiele gegeben, die ich mir noch einmal durch den Kopf gehen lassen werde.

Lieber Hobbilbo, in dem Vers mit "riss sie..." würde "fort" tatsächlich das Maß sprengen; aber davon ab finde ich diese Ergänzung entbehrlich, weil auch ohne sie der Sinn deutlich bleibt.

Jedenfalls hab ich mich über euren Zuspruch gefreut und grüße euch herzlich.

Eine gute Woche euch allen,
Herby

scarlett

Beitragvon scarlett » 25.11.2008, 10:08

Lieber Herby,

ich habe die Vorkommentare nur überflogen.

Was ich dir sagen will, ist, dass ich keine Holprigkeit feststellen kann. Wenn ich mich in die Zeilen hineinlege beim Lesen, stimmlich, gestützt durch Satzzeichen und vertrauend auf meine Betonung, dann funktioniert alles wunderbar.

Dass die S2 anders daherkommt als die erste, ist m E inhaltlich gut zu begründen: das "riss" spiegelt sich im gesamten Duktus der Strophe wider.

Nur: riss der Wind die Träume des Ich aus der Unerfüllbarkeit?
Du willst doch sichelrich sagen, dass die Träume nicht erfüllt werden konnten, weil der Wind sie .... oder??? Dann müsste es doch heißen, er riss sie aus der Erfüllbarkeit, er nahm ihnen die Erfüllbarkeit, sie konnten nicht erfüllt werden, oder steh ich jetzt vollkommen auf dem Schlauch? *kopfkratz*

Ein sehr schönes Gedicht, Herby, leise, unspektakulär und deshalb - für mich - sehr wirkungsvoll.

Liebe Grüße,
scarlett

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 25.11.2008, 10:29

Hallo Scarlett!

Ob der Wind die Trüme heraus-, aus-, ab-, fort- oder ganz wie anders riss, verraten uns Text und Autor ja nicht - mit letzeren macht "Unerfüllbarkeit" durchaus Sinn ;-)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)


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