Beitragvon Max » 05.07.2010, 23:20
Wie ein Gebet auf das Amen wartete die Familie am Ende des Tages auf den Vater. Die Mutter stimmte schon die Psalmen davor an, von der harten Arbeit des Familienoberhaupts, seinen langen Fahrten in ferne Bundesländer und vom Tempel der Reinlichkeit, das erst nach dem Abendbrot betreten werden durfte und in dem sich auch der einzige Fernseher der Familie befand. Sie decket den Tisch mit frischem Kastenbrot, Aufschnitt und den kleine Gürkchen, die ihr Mann so gerne aß. Dann harrten die Familie seiner Rückkehr. Diese erfolgte pünktlich um viertel vor sieben. Der Vater stellte den Musterkoffer vor der Tür ab, henkte das Jackett auf den Bügel und ließ sich von jedem seiner Söhne einen Kuss auf die nicht mehr ganz frisch rasierte Wange geben. Dann begab sich die Familie an den Tisch. Der jüngere Sohn, qualifiziert durch jahrelange Erfahrung als Messdiener, musste ein Tischgebet sprechen. Der Blick des Vaters eilte über den Tisch: "Mach mir doch bitte drei Scheiben mit Wurst und ein paar Gürkchen!", bat er. "Ich schau schon mal Nachrichten." Und entschwand im Wohnzimmer.