Ich belle nicht - Gesicht 1

Nicoleta

Beitragvon Nicoleta » 26.07.2010, 17:13

Ich male nicht, ich lebe einfach.
Ein Fach, wie Zeichenunterricht,
belege ich, grundsätzlich nicht.
Oh, nein, nicht ich! Ich lebe einfach.
Ich belle nicht. Ich? Was weiß ich,
ich weiß es nicht... Mal du mich einfach!
Einfach, aber. Male mich, ich selbst,
ich male einfach nicht. Weder mich
noch sonst jemanden. Ein Fach,
wie Zeichenunterricht, belege ich,
grundsätzlich nicht... Ich lebe einfach...

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 26.07.2010, 19:10

Hallo, Nicoleta,

ich finde das recht interessant! Leben ohne bellen, ohne malen. Ohne was noch alles? Man möchte da noch weiter spinnen, mehr lesen.

Was mir etwas unvermittelt kommt, ist die Aufforderung "Mal du mich einfach". Vielleicht mit einer Überleitung: 'Mal du doch was. Male mich!' würde es besser angebunden sein.

Der Kommata sind meiner Meinung nach ein paar zu viel, z.B. dieser Satz geht ganz ohne Komma:

Ein Fach wie Zeichenunterricht belege ich grundsätzlich nicht.

In der Lyrik ersetzt man oft die Kommata durch Zeilenumbrüche. Auch das wäre noch eine Möglichkeit der Kommareduzierung, falls du dir das vorstellen kannst.

Viele Grüße

fenestra

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 27.07.2010, 11:17

Hallo,

das Gedicht hat etwas sehr Eigenes, das es aber ganz selbstverständlich zeigt. Auch sprachlich, klanglich ist das für mich sehr gelungen.

fenestra hat geschrieben:Was mir etwas unvermittelt kommt, ist die Aufforderung "Mal du mich einfach". Vielleicht mit einer Überleitung: 'Mal du doch was. Male mich!' würde es besser angebunden sein.
Mir geht es anders, für mich entsteht gerade durch diese plötzliche Ansprache, das unvermittelte Hineingezogenwerden, eine innere Spannung.

fenestra hat geschrieben:Der Kommata sind meiner Meinung nach ein paar zu viel, z.B. dieser Satz geht ganz ohne Komma:
Die vielen Satzzeichen beschleunigen für mich den Text, unterteilen ihn wie eine Art Atemzeichen, Gedankenzeichen, was für mich sehr stimmig wirkt.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

scarlett

Beitragvon scarlett » 27.07.2010, 11:43

Also mich spricht das auch sehr an. Es hat etwas Urwüchsiges, sehr Ehrliches und entfaltet beim Lesen eine regelrechte Sogwirkung. Ich fühle mich förmlich da hineingezogen. M M nach unterstützen die Satzzeichen diese Wirkung zusätzlich, so wie die geschickt gesetzten Wiederholungen, die dennoch wie zufällig, der gesprochenen Sprache entnommen, wirken.

Nicht schlecht!

LG
scarlett

Nicoleta

Beitragvon Nicoleta » 27.07.2010, 12:48

Ich bedanke mich mit tiefem Respekt und Zuneigung! Vielen Dank!
Nicoleta Craita Teno

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.07.2010, 14:02

Hallo Nicoleta,

auch mich spricht dein Gedicht sehr an und dies auf vielfältige Weise.
Da ist - nach meiner Lesart - einmal dieser Wunsch des LI enthalten, dass jemand anderer sein Sprachrohr sein möge, da LI nicht "bellt", also nicht laut spricht. Dann der Wunsch des LI, ein anderer möge das Gesicht des LI "malen", also zeigen, da LI selbst es nicht kann.
Und dann diese Ambivalenz zwischen "grundsätzlich nicht", also einer apodiktischen Haltung und andererseits das "Ich lebe einfach", welches konträr dazu steht.
Insgesamt wirken die Zeilen auf mich wie ein Aufruf des LI.
Ein spannender Text.

Saludos
Gabriella

Max

Beitragvon Max » 27.07.2010, 17:12

Hallo Nicoleta,

interessant an diesem Text ist für mich vor allem zweierlei.

Zum einen scheint mir der Text über die reine Verarbeitung dees Bildes hinauszugehen, das Bild also nicht als Inspirationsequelle zu nehmen, sondern eben als das was es ist, ein Bild eben, das auch jemand geschaffen hat. Und dieser Schaffensprozess in seiner ganzen (gewollten) Unvollkommenheit wird gleich mit thematisiert:
Ein Fach, wie Zeichenunterricht,
belege ich, grundsätzlich nicht.


Ebenso auffällig ist für mich wie stark dieses Gedicht um das "ich" kreist. Allein "ich" kommt 13 Mal vor, seine Deklinationsformen auch noch etliche Male. Dieses "ich" ist ganz schier, es wird nicht in verschieden Persönlichkeitsaspekte gespalten, nicht varriiert, es ist gewissermaßen nur der Kern der Person. Und so lebt dieses "ich" konsequenterweise nur - alles, was zu seiner Erweiterung beitragen könnte, alle Tätigkeit, wird beinahe als ein Gegensatz zu diesem puren "Sein" verstanden.

Finde ich sehr spannend.

Liebe Grüße
Max

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 27.07.2010, 19:37

Sehr spannend, das finde ich auch, eine interessante Schreibform...inspiriert...

Viele Grüße
Fux


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