Alice und die Avatare

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 31.08.2010, 22:14

Alice und die Avatare


„Du musst beweisen, dass unsere lebendige Energie stärker ist als ihre.“ sagte die Königin und spann weiter an ihrem Netz. Alice sah zu, wie der Faden aus einer Körperöffnung herausquoll, die wie ein Rectum aussah. Die Königin räusperte sich: „Mein Faden, den du so verächtlich anstierst, ist stärker als ihre künstlichen Seile.“

„Das weiß ich,“ brummte Alice, wenn bei ihrer hohen Stimmlage von Brummen gesprochen werden kann.

„Mit denen wirst auch du nicht so schnell fertig!“ warnte die Herrscherin.

„Wie lange das dauert, spielt für mich keine Rolle!“ sagte Alice zur Königin. Alice hätte gerne hinzugefügt, dass sie mutig und unerschrocken kämpfen würde, egal wievielen Gegnern sie sich stellen müsste.

Doch diese hörte schon nicht mehr hin, denn vor ihr paradierten wunderschöne Avatare, einer aufregender als der andere. Alice kaute weiter an einem Kaugummi, den ein Avatar im Chatraum vergessen hatte und fragte sich, wie sie wieder aus dem Netz herauskriechen könnte, ohne diesen lächerlichen Wettstreit bestehen zu müssen. Seitdem ihr Herzenshase verschwunden war, irrte sie allein im Netz der Königin, von Chatroom zu Chatroom, von Avatar zu Avatar.

Die Königin, eine dicke fette Spinne mit langen dürren Beinen, hatte sich diesen Wettkampf ausgedacht, weil sie Alice auf die Probe stellen wollte. Er bestand darin, in möglichst kurzer Zeit Emoticons herunterzuladen und im Kommunikationskampf einzusetzen. *Lach* *grins* und *heul* waren verboten, von allen anderen Emoticalwaffen konnte Gebrauch gemacht werden. Zu Alicens Leidwesen standen sich zwei ungleiche feindliche Gruppen gegenüber.


Einmal waren da die Avatare, Wesen der dritten Generation, Papiergeburten und Pixelgestalten, zwei- oder dreidimensional, deren Programme so vollständige Reaktionsabläufe speicherten, dass sie selten in ihren verbalen und sonstigen Attacken gehemmt wurden. Sie waren die Wort- und Darstellungskampfelite, mit denen sich nur wenige Naturwesen, zu denen auch die Königin zählte, zu messen verstanden.

Zum andern jene Naturwesen, man nannte sie schon damals "den Rest", oder weniger aggressiv, die "Restkategorie": Wenige Tiere und noch weniger Menschen hatten einige Sondereigenschaften entwickelt, die sie unwiderbringlich zu Geschöpfen einer neuen Art machten. So waren die Naturwesen entstanden, hybride Geschöpfe, die sich ihrer natürlichen Umwelt kaum entsannen. Unter ihnen war Alice ein absoluter Einzelfall. Sie war das älteste Exemplar der Menschheit. Das Überbleibsel einer Zivilisation, die sich zum Ziel gemacht hatte, dem Veränderlichen, dem Endlichen und dem Unvollkommenen am Menschen den Garaus zu machen, So hatte sie den Menschen selbst vernichtet.

Alice bereitete sich vor dem Spiegel auf den Kampf vor. Kleidete sich sorgfältig und wie einst Marlene kümmerte sie sich selbst um das Licht, das sie bescheinen sollte. Sie drehte sich hin- und her, wirbelte mit ihren Rockschößen. Wie schön sie war, staunte sie. Wie ihre Haut leuchtete, sanft und samtig. Nun ging sie die Rampe hinunter, prüfte die Leuchtröhren, von denen einige, das hatte sie vorher ausprobiert, Rotlicht verströmten. Die Avatare, mit ihren Motorradhelmen, Indianerkämmen, stachelig, behaart, glattrasiert! Jeder Avator seinen Fetisch vor sich hertragend, wie die Heiligen einer mittelalterlichen Prozession. Schwerfällig, unbeholfen hielten sie ihre Banner und sahen zu ihr hin, als habe sie Gift auf ihre Köcher geschmiert. Alice, ihrerseits, leuchtete im Scheinwerferlicht wie ein Stern. Sie trug nur ein riesiges Emoticon auf der Stirn: scharlachrot leuchtete ein pulsierender Schriftzug: love, love, love.

Sofort waren alle Avatare hungrig nach ihr. Sie öffnete die kirschrote Satinweste. Vorn. Ein Knopf und noch einer. Den letzten ließ sie aufspringen - und dann ließ sie ihre Brüste, die soviel Schwerkraft noch vertrugen, frei schwingen: Den Avataren ging sofort die Puste aus. Was sollten sie gegen eine solche erotische Attacke machen? Nichts. Nur ein einziger, von dem sie immer vermutet hatte, dass er ein falscher Avatar war, blieb standfest, verfiel nicht in Trance oder sonstwie unter ihren Charme. Doch er, der Mutigste, verglühte als erster, als er sich ihrer Haut näherte, und so ging es langsam allen.


Sie wurde begrüßt mit einer Fülle von Liebeserklärungen in Form von aufgeregt schlagenden Herzen, oder der wunderlichen Abbildung eines vögelnden Pärchens, oder diverser Varianten von Sektschalen oder Kelchen, oder sonst Abbildungen mit Schleifchen. Alice fragte sich: warum immer diese perlmuttschimmernden Schleifchen? Als alle Avatare ihre Emoticonschleuder leer geschossen hatte, zog sich Alice zurück. Sie betrat leise das Gemach der Königin:

„Das hast du schön gemacht!“ sagte diese; „Darf ich?“
Alice nickte und ließ es geschehen, dass die mageren Spinnenbeine sie umschlossen, um Weichheit und Wärme zu spüren.

Sie sagten lange nichts.

Dann kroch die Königin wieder in eine ihrer furchtbaren Ecken, von denen Alice nichts wissen wollte: Sie kehrte in ihr Bett zurück und legte sich zu den drei Eulen. Zuvor hatte sie noch die Kuckucksuhr an ihren Tannenzapfen aufgezogen. Als die volle Stunde schlug, lauschte sie dem kleinen Vogel, der sich die Seele aus dem Leib rief:

„Auch ein Avatar“ sagte Alice, doch niemand hörte ihr zu.





Da ich immer noch Tippfehler entdeckt habe, und dazu stilistische Unebenheiten, habe ich obige Fassung von Fehlern bereinigt stehen lassen.

Alice und die Avatare


„Du musst beweisen, dass unsere lebendige Energie stärker ist als ihre.“ sagte die Königin und spann weiter an ihrem Netz. Alice sah zu, wie der Faden aus einer Körperöffnung herausquoll, die wie ein Rectum aussah. Die Königin räusperte sich: „Mein Faden, den du so verächtlich anstierst, ista stärker als ihre künstlichen Seile.“

„Das weiß ich,“ brummte Alice, wenn bei ihrer hohen Stimmlage von Brummen gesprochen werden kann.

„Mit denen wirst auch du nicht so schnell fertig!“ warnte die Herrscherin.

„Wie lange das dauert, spielt für mich keine Rolle!“ sagte Alice zur Königin. Alice hätte gerne hinzugefügt, dass sie mutig und unerschrocken kämpfen würde, egal wievielen Gegnern sie sich stellen müsste.

Doch diese hörte schon nicht mehr hin, denn vor ihr paradierten wunderschöne Avatare, einer aufregender als der andere. Alice kaute weiter an einem Kaugummi, den ein Avatar im Chatraum vergessen hatte und fragte sich, wie sie wieder aus dem Netz herauskriechen könnte, ohne diesen lächerlichen Wettstreit bestehen zu müssen. Seitdem ihr Herzenshase verschwunden war, irrte sie allein im Netz der Königin, von Chatroom zu Chatroom, von Avatar zu Avatar.

Die Königin, eine dicke fette Spinne mit langen dürren Beinen, hatte sich diesen Wettkampf ausgedacht, weil sie Alice auf die Probe stellen wollte. Er bestand darin, in möglichst kurzer Zeit Emoticons herunterzuladen und im Kommunikationskampf einzusetzen. *Lach* *grins* und *heul* waren verboten, von allen anderen Emoticalwaffen konnte Gebrauch gemacht werden. Zu Alicens Leidwesen standen sich zwei ungleiche feindliche Gruppen gegenüberdkn Satz gestrichen:

Einmal waren da die Avatare, Wesen der dritten Generation, Papiergestalten, zwei- oder dreidimensional, deren Programme so vollständige Reaktionsabläufe speicherten, dass sie selten in ihren verbalen und sonstigen Attacken gehemmt wurden. Sie waren die Wort- und Darstellungskampfelite, denen nur noch wenige Naturwesen gegenüber standen, zu denen auch die Königin zählte.

Zum andern jene wenige Naturwesen, man nannte sie schon damals zu jener Zeit"den Rest", oder weniger aggressiv, die "Restkategorie": Wenige Tiere und noch weniger Menschen hatten einige Sondereigenschaften entwickelt, die sie unwiderbringlich zu Geschöpfen einer neuen Art machten. So waren die Naturwesen entstanden, hybride Geschöpfe, die sich ihrer natürlichen Umwelt kaum entsannen. Unter ihnen war Alice ein absoluter Einzelfall, wae siz doch sie war das älteste Exemplar der Menschheit. Das Überbleibsel einer Zivilisation, die sich zum Ziel gemacht hatte, dem Veränderlichen, dem Endlichen und dem Unvollkommenen am Menschen den Garaus zu machen, und so den Menschen selbst vernichtete.

Alice bereitete sich vor dem Spiegel auf den Kampf vor. Kleidete sich sorgfältig und wie einst Marlene kümmerte sie sich selbst um das Licht, das sie bescheinen sollte. Sie drehte sich hin- und her, wirbelte mit ihren Rockschößen. Wie schön sie war, staunte sie. Wie ihre Haut leuchtete, sanft und samtig. Nun ging sie die Rampe hinunter, prüfte die Leuchtröhren, von denen einige, das hatte sie vorher ausprobiert, Rotlicht verströmten. Die Avatare, mit ihren Motorradhelmen, Indianerkämmen, stachelig, behaart, glattrasiert! Jeder Avator seinen Fetisch vor sich hertragend, wie die Heiligen einer mittelalterlichen Prozession. Schwerfällig, unbeholfen hielten sie ihre Banner und sahen zu ihr hin, als habe sie Gift auf ihre Köcher geschmiert. Alice, ihrerseits, leuchtete im Scheinwerferlicht wie ein Stern. Sie trug nur ein riesiges Emoticon auf der Stirn: scharlachrot leuchtete ein pulsierender Schriftzug: love, love, love.

Sofort waren alle Avatare hungrig nach ihr. Sie öffnete die kirschrote Satinweste. Vorn. Ein Knopf und noch einer. Den letzten ließ sie aufspringen - und dann ließ sie ihre Brüste, die soviel Schwerkraft noch vertrugen, frei schwingen: Den Avataren ging sofort die Puste aus. Was sollten sie gegen eine solche erotische Attacke machen? Nichts. Nur ein einziger, von dem sie immer vermutet hatte, dass er ein falscher Avatar war, blieb standfest, verfiel nicht in Trance oder sonstwie unter ihren Charme. Doch er, der Mutigste, verglühte als erster, als er sich ihrer Haut näherte, und so ging es langsam allen.


Sie wurde begrüßt mit einer Fülle von Liebeserklärungen in Form von aufgeregt schlagenden Herzen, oder der wunderlichen Abbildung eines vögelnden Pärchens, oder diverser Varianten von Sektschalen oder Kelchen, oder sonst Abbildungen mit Schleifchen. Alice fragte sich immer: warum immer diese perlmuttschimmernden Schleifchen? Als alle Avatare ihre Emoticonschleuder leer geschossen hatte, zog sich Alice zurück. Sie betrat leise das Gemach der Königin:

„Das hast du schön gemacht!“ sagte diese; „Darf ich?“
Alice nickte und ließ es geschehen, dass die mageren Spinnenbeine sie umschlossen, um Weichheit und Wärme zu spüren.

Sie sagten lange nichts.

Dann kroch die Königin wieder in eine ihrer furchtbaren Ecken, von denen Alice nichts wissen wollte: Sie kehrte in ihr Bett zurück und legte sich zu den drei Eulen. Zuvor hatte sie noch die Kuckucksuhr an ihren Tanntenzapfen aufgezogen. Als die volle Stunde schlug, lauschte sie dem kleinen Vogel, der sich die Seele aus dem Leib rief:

„Auch ein Avatar“ sagte Alice, doch niemand hörte ihr zu.
Zuletzt geändert von Renée Lomris am 11.09.2010, 06:52, insgesamt 5-mal geändert.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 01.09.2010, 10:41

Liebe Renée,

ein schneller erster EIndruck: Superidee, ich war ganz begeistert davon und finde es gut geschrieben, schräge Sache!

Eine Kleinigkeit: Dann kroch die Königin zurück in eine ihrer furchtbaren Ecken

Liebe Grüße
ELsa
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Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 02.09.2010, 06:33

Danke Elsa, ich wollte unbedingt für August noch etwas geschrieben haben. Alice drängte sich als einer meiner Avatare auf. Ich musste viele Tippfehler verbessern. Ob die interne Logik verständlich ist, zumindest ohne Befremden gelesen werden kann, ist mir auch nicht klar. Bin sehr unsicher. Ich schreibe solch schräge Texte jedoch gern.

Sam

Beitragvon Sam » 04.09.2010, 10:30

Hallo Renée,

du fragst, ob die interne Logik des Textes verständlich ist, bzw. ohne Befremden gelesen werden kann. Ich denke, das ist schon der Fall.
Die Bezüge zu Alice im Wunderland sind natürlich nicht zu übersehen. Leider kenne ich diese Geschichte nur in ganz groben Umrissen und deswegen entgehen mir bestimmt auch gewisse Bezugnahmen. Dennoch scheint mir klar, dass hier eine Alice eben nicht durch einen Spiegel in ein Wunderland geraten ist, sondern durch was auch immer in eine virtuelle Welt, die von einer Spinne (wie passend!) regiert wird. In dieser Welt ist die Wirklichkeit etwas, dass sich schon ganz aufgelöst hat, Alice die letzte Überlebende der Spezies Mensch. Der Rest sind hybride Naturwesen und Avatare.

Der Emoticon-Wettstreit thematisiert eine Frage, die schon immer Teil der Zukunftsliteratur war, nämlich die Frage nach der Empfindungsfähigkeit künstlicher Intelligenz. Anfangs Maschinen und Roboter, mittlerweile auch Computer bzw. Programme. Alice gewinnt den Wettstreit, indem sie selbst zum Emoticon wird. Während die anderen Gefühle nur bebildern oder beflaggen können, ist sie in der Lage durch sich selbst und aus sich selbst heraus Emotionen zu zeigen und zu erzeugen. Und so vergehen Avatare und auch Hybridwesen bei der Berührung ihrer Haut. Selbst die grausame Spinnenkönigin wird für einen Moment weich und umarmt Alice.

Der Text ist witzig und spielerisch, wirft aber ganz ernsthafte Fragen auf im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Menschen, der immer mehr aus der gegebenen Wirklichkeit in eine geschaffene hinüber zu gleiten droht. Und wie wirklich sind diese geschaffenen Wirklichkeiten, wie sehr werden sie sich mit der Realität verzahnen, gar mit ihr verschmelzen, sodass man von einer bestimmten Realität gar nicht mehr sprechen kann. Wird der Mensch dabei Mensch bleiben oder vielleicht über diesen Prozess sogar aussterben, weil er überflüssig geworden ist?

Vielleicht aber kommt es auch ganz anders (und damit bewege ich mich weg vom Text), und Energieknappheit, Kriege und Katastrophen schwemmen sämtliche virtuellen Welten davon, und der Mensch sitzt irgendwann wieder in einer Höhle und versucht mit zwei Holzstücken Feuer zu machen.

Gruß

Sam

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 09.09.2010, 15:43

Liebe Renee,

Sam hat einen tollen Kommentar zu diesem Text geschrieben - ich habe das alles sehr ähnlich in diesem Text gefunden, hätte es aber nicht so gut sammeln und kommentieren können - was ich toll finde, ist dass der Text mit seinen Visionen nicht ins Eindeutige fällt und auch nicht ins Flache. Da ist Sinnlichkeit, da ist "Welt" (voller Dinge und Wesen), auch anstelle von "Moral" oder dergleichen baut der Text Welt auf. Könnte ich nur mit Kamera und Schnittprogrammen schnell und gut umgehen, sofort hätte ich Lust, dass alles in Bildern darzustellen.

Ich finde diesen Text ganz außerordentlich (fein)!

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 10.09.2010, 11:08

Liebe Leser und Kritiker,

Für mich wird dieser Text immer mehr zu einem programmatischen Text, der widerspiegelt, bzw, widerspiegeln soll, was mir - letzten Endes - am wichtigsten scheint: das Vermögen, den anderen, das Lebewesen in seiner Körperlichkeit wahr nehmen zu können. Die Avatare sind nicht nur kleine oder große Ersatzwesen, sie sind auch die Spiegelgestalten, die in uns stecken und die wir den andern aus Gründen der Bequemlichkeit oder des Selbstschutzes (der natürlich auch seine Berechtigung hat, wie überhaupt das Avatarische als Mitttel legitim ist) vorsetzen. Doch eine immer wieder zu übende Großzügigkeit, im Sinne des Grandseigneur, leider gibt es keine feminie Form, die nicht lächerlich klänge, bestünde für mich darin, den Avatar in der Garderobe abzulegen.

Dazu gehört auch das Anerkennen der uns fremden, befremdenden Erscheinungen: des NatÜrlichen, Ungeschliffenen, des Rohen, des Unausgegorenen ...

Vielen Dank für eure Kommentare ...

liebe Grüße
Renée

Quoth
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Beitragvon Quoth » 12.09.2010, 18:40

Für mich sind Avatare einfach Masken, und so wie die Maske auf der klassischen Bühne durchaus durchlässig war für die dahinter steckende Individualität des Darstellers, so sind das auch unsere Avatare hier, falls wir denn welche benutzen.
Von daher sehe ich keinen prinzipiellen Gegensatz zwischen lebendigem Fleisch und Avatar, die Erzählung von Alice, die die Avatare mit dem Anblick ihrer Brüste zur Strecke bringt, erscheint mir ein wenig konstruiert. Allerdings ist "Alice in Wonderland" ja eine Erzählung voller Konstrukte, und so ist es sicherlich legitim, ein neues hinzuzufügen!
Mit Gruß
Quoth
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 26.09.2010, 22:48

Lieber Quoth,

hier wollte ich nochmal widersprechen - für mich sind Avatare eben genau etwas anderes als die Teilung in Maske & Dahinter, was für mich im Vergleich eben gerade ein banales, romantisches Polarisieren in Bezug auf die "Person(a)" - bleiben wir beim Theaterursprung - bedeutet. Gerade deshalb empfinde ich den Titel und das ganze Umkreisen des Begriffes "Avatar" hier so lebendig, sinnlich, versuchsberstend:

Als die volle Stunde schlug, lauschte sie dem kleinen Vogel, der sich die Seele aus dem Leib rief:

„Auch ein Avatar“ sagte Alice, doch niemand hörte ihr zu.


liebe Grüße,
Lisa
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Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Quoth
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Beitragvon Quoth » 27.09.2010, 22:18

Hallo, Lisa,
ja, man kann das so sehen, aber man muss es nicht. Den schönsten Satz in diesem Diskurs finde ich den von Sam:
Vielleicht aber kommt es auch ganz anders (und damit bewege ich mich weg vom Text), und Energieknappheit, Kriege und Katastrophen schwemmen sämtliche virtuellen Welten davon, und der Mensch sitzt irgendwann wieder in einer Höhle und versucht mit zwei Holzstücken Feuer zu machen.

So oder ähnlich wird es kommen, denke ich, und die Mystifikationen, die jetzt das Internet begleiten, weil es ein neues Medium ist, werden sich in nichts auflösen. Aber vielleicht ist es gerade das, was Renée mit ihrer Geschichte ausdrücken will.
Ich glaube, das Internet ist durch "stuxnet" in eine neue Phase getreten: Ein Supertrojaner, der wirkliche Industrieanlagen angreift und dereguliert. Das bedeutet Krieg im Internet, Kampf nicht um virtuelle Macht wie in Second World oder Computerspielen, sondern um reale Macht, reale Industrieanlagen usw. - das Internet erweist sich als das, was es immer nur war: Ein neues Medium, ein neues Mittel, das denselben alten Mächten und Kräften dient, die hier maskiert auftreten und sich nur scheinbar zu etwas Eigenem verselbständigen.
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 27.09.2010, 23:07

Lieber Quoth,
es ist gerade das, was ich mit meiner Geschichte ausdrücken wollte, das Fortbestehen von Kräften, die dort siedelln, wo man eigentlich Schwäche nicht nur vermutet sondern durchaus findet. Ich denke dabei - und dass ich das tue, wundert mich, so widersprüchlich kommt mir das vor - an die Stärke des Weiblichen, des Sanften, des Zurückhaltenden (1). Hier kommt noch hinzu, aber das ist nur angedeutet, die Stärke des Alten Vergänglichen ... Und sollte die Welt zu Grunde gehen (was sie unweigerlich tun wird) so wird das Vergangene zwar endgültig erlöschen, aber uns, die wir gelebt haben werden, ficht das nicht an ...
entschuldige wenn ich so vitalistisch werde ...
ich freue mich, dass doch diese Absicht so halbswegs vermutet werden konnte ...

liebe Grüße ... und danke für deine MÜhe mit einem Text, der dir eher nicht gefallen hat. - denke ich mal ... ;)

Renée
(1) ich hatte immer Probleme mit der Fraktion des Feminismus, der sich im Weiblichkeitswahn bestätigt fühlte und habe deshalb die gesamte "Weiblichkeit" gerne auf den Mond geschossen. Aber es blieb und bleibt immer ein Rest, der sich in der Identität ausdrückt ...


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