WORT DER WOCHE
- jede Woche ein neues Wort als Musenkuss -
Lyrik, Prosa, Polyphones, Spontanes, Fragmente, Schnipsel, Lockeres, Assoziatives, Experimentelles
- alles zu diesem Wort - keine Kommentare - alles in einem Faden - 7 Tage Zeit -
~ A T T R A K T I O N~
Wort der Woche ~ ATTRAKTION~
Er: Attraktion
Sie: Hast du mich noch lieb?
Er: (leicht irritiert) Ja natürlich, warum fragst du?
Sie: Du schaust anderen Frauen hinterher. Du findest mich nicht mehr attraktiv. (jammert)
Er: Unsinn, du bist sogar sehr attraktiv.
Sie: Also bin ich schön.
Er: Ja, absolut!
Sie: Also bedeutet das Wort 'Attraktion', dass ich schön bin.
Er: Ja. Nein. Ja, also ...
Sie: Warum nimmst du für unser Wort des Tages nicht immer so schöne Worte? Dann hätte dieses Lernprojekt für mich sehr viel mehr Anziehungskraft.
Attaka Tion
oder die Möglichkeit des Erstgeborenen
Attaka Tion war ein Bub, der nur deshalb so zu heißen schien, wie er hieß, damit man ihn auf eine Weise bei seinem Namen rief, die bestimmte, was er war: düster, finster, geradzu bösartig.
Ja, der Junge besaß einen dunklen Charakter, man traute ihm nicht. Er ging nicht zur Schule, er konnte nicht richtig sprechen und seine Beine und Arme waren zu dünn und zu schwach, um etwas gescheites damit anzufangen. Die meiste Zeit saß er beim Müller unter der zweistämmigen Eiche und stocherte im dorrigen Gras. Ging man an ihm vorbei, saßen seine Augen so fest in seinem winzigen Kopf wie der Punkt zwischen den Flügeln der Mühle schräg hinter ihm. Doch noch unheimlicher als die Augen erschien einem der Rücken des Jungen. Man fürchtete sich davor, dass er sich so schnell von einem abwenden könnte, dass man sich selbst nicht mehr abwenden können würde.
Vielleicht lag das daran, dass Attakas Vater ihn nicht auf die Augen, sondern auf den Rücken schlug.
Zwischen den Schulterblättern schien sich langsam, Jahr für Jahr, der voreilende Schatten eines Mörders aufzurichten. Noch reichte die Gestalt des Jungen, ihn zu verdecken, aber jeder im Dorf spürte, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis das Unheil über sie alle hereinbräche.
Attaka hatte eine kleine Schwester von etwa zwei Jahren. Er nahm sie nie mit unter die Eiche, aber das Zuhause der beiden lang etwas abschüssig ganz in der Nähe der Mühle. Er konnte sehen, wie seine Schwester im Hof zwischen den Katzen und Hühnern saß. So lang er sich erinnerte, hatte sie dort draußen zwischen dem Getier gesessen und mit ihrer Büchse gespielt. Es war immer dieselbe, eine alte, längst abgelaufene, inzwischen stark verbeulte Konserve und niemand war in der Lage, ihr diese Büchse abzuschwatzen oder fortzunehmen, ohne dass sie schrie, biss, kratze, außer sich war.
Sie schleppte sie umher wie ein eisernes Plüschtier, berieselte sie mit Sand, grub sie ein und wieder aus und wenn man sie versteckte, so fand sie sie stets wieder. Einmal hatte die Mutter die Büchse ihrem Vetter mitgegeben, der in ein gut zwei Tagesmärsche entferntes Dorf fuhr, um einige Schweine zu verkaufen. Er hatte die Anweisung, die Büchse kurz vor seinem Ziel irgendwo in ein Feld am Wegrand zu werfen. Nach einigen Tagen, der Vetter war noch nicht zurück, saß Attakas Schwester wieder im Hof, zwischen ihren schmutzigen Beinen die Büchse.
Der Vetter kam nicht zurück. Wie man sich später erzählte, war er auf dem Heimweg überfallen und getötet worden.
Wenn es dämmerte, schlurfte Attaka von der Eiche zurück in den Hof und setze sich noch ein wenig zu seiner Schwester. Er schien mit ihr zu sprechen und sie hörte ihm zu. Manchmal bewegte sie die Lippen, schien etwas nachsprechen zu wollen, aber man konnte es nicht verstehen. Irgendwann stand Attaka dann jeden Abend wieder auf, nahm seine Schwester mit hinein und die Dose blieb bis zum nächsten morgen draußen im Hof liegen. Im Haus dann war sie ein lebendiges, verständiges Mädchen, das immer schöne Träume hatte.
Eines Abends setzte sich Attaka wieder zu seiner Schwester und sprach mit ihr. Er hatte seine Arme ganz weich um seine Knie geschlungen, aber mit einem Mal sprang er auf, gab wilde, gellende Laute von sich, riss die Büchse an sich und rannte fort ins Dunkle. Seine Schwester schrie und ließ sich die ganze Nacht nicht beruhigen. Selbst als man sie tobend ins Haus gebracht hatte, beruhigte sie sich nicht, sie bekam Krämpfe und fiel schließlich völlig entkräftet zusammen und verlor das Bewusstsein.
Am nächsten morgen fand man Attaka leblos unter der Eiche, neben ihm lag die geöffnete Büchse. Seine Schwester schlief noch. Als sie erwachte, saß niemand an ihrem Bett. Sie stand auf und suchte die Mutter und fand sie in der Küche. Sie wusch den Leichnam ihres Bruders auf dem Küchentisch. Der Schwamm fuhr zwischen den Schulterblättern hindurch den Rücken hinab.
"Attaka Tion", sagte das Mädchen.
oder die Möglichkeit des Erstgeborenen
Attaka Tion war ein Bub, der nur deshalb so zu heißen schien, wie er hieß, damit man ihn auf eine Weise bei seinem Namen rief, die bestimmte, was er war: düster, finster, geradzu bösartig.
Ja, der Junge besaß einen dunklen Charakter, man traute ihm nicht. Er ging nicht zur Schule, er konnte nicht richtig sprechen und seine Beine und Arme waren zu dünn und zu schwach, um etwas gescheites damit anzufangen. Die meiste Zeit saß er beim Müller unter der zweistämmigen Eiche und stocherte im dorrigen Gras. Ging man an ihm vorbei, saßen seine Augen so fest in seinem winzigen Kopf wie der Punkt zwischen den Flügeln der Mühle schräg hinter ihm. Doch noch unheimlicher als die Augen erschien einem der Rücken des Jungen. Man fürchtete sich davor, dass er sich so schnell von einem abwenden könnte, dass man sich selbst nicht mehr abwenden können würde.
Vielleicht lag das daran, dass Attakas Vater ihn nicht auf die Augen, sondern auf den Rücken schlug.
Zwischen den Schulterblättern schien sich langsam, Jahr für Jahr, der voreilende Schatten eines Mörders aufzurichten. Noch reichte die Gestalt des Jungen, ihn zu verdecken, aber jeder im Dorf spürte, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis das Unheil über sie alle hereinbräche.
Attaka hatte eine kleine Schwester von etwa zwei Jahren. Er nahm sie nie mit unter die Eiche, aber das Zuhause der beiden lang etwas abschüssig ganz in der Nähe der Mühle. Er konnte sehen, wie seine Schwester im Hof zwischen den Katzen und Hühnern saß. So lang er sich erinnerte, hatte sie dort draußen zwischen dem Getier gesessen und mit ihrer Büchse gespielt. Es war immer dieselbe, eine alte, längst abgelaufene, inzwischen stark verbeulte Konserve und niemand war in der Lage, ihr diese Büchse abzuschwatzen oder fortzunehmen, ohne dass sie schrie, biss, kratze, außer sich war.
Sie schleppte sie umher wie ein eisernes Plüschtier, berieselte sie mit Sand, grub sie ein und wieder aus und wenn man sie versteckte, so fand sie sie stets wieder. Einmal hatte die Mutter die Büchse ihrem Vetter mitgegeben, der in ein gut zwei Tagesmärsche entferntes Dorf fuhr, um einige Schweine zu verkaufen. Er hatte die Anweisung, die Büchse kurz vor seinem Ziel irgendwo in ein Feld am Wegrand zu werfen. Nach einigen Tagen, der Vetter war noch nicht zurück, saß Attakas Schwester wieder im Hof, zwischen ihren schmutzigen Beinen die Büchse.
Der Vetter kam nicht zurück. Wie man sich später erzählte, war er auf dem Heimweg überfallen und getötet worden.
Wenn es dämmerte, schlurfte Attaka von der Eiche zurück in den Hof und setze sich noch ein wenig zu seiner Schwester. Er schien mit ihr zu sprechen und sie hörte ihm zu. Manchmal bewegte sie die Lippen, schien etwas nachsprechen zu wollen, aber man konnte es nicht verstehen. Irgendwann stand Attaka dann jeden Abend wieder auf, nahm seine Schwester mit hinein und die Dose blieb bis zum nächsten morgen draußen im Hof liegen. Im Haus dann war sie ein lebendiges, verständiges Mädchen, das immer schöne Träume hatte.
Eines Abends setzte sich Attaka wieder zu seiner Schwester und sprach mit ihr. Er hatte seine Arme ganz weich um seine Knie geschlungen, aber mit einem Mal sprang er auf, gab wilde, gellende Laute von sich, riss die Büchse an sich und rannte fort ins Dunkle. Seine Schwester schrie und ließ sich die ganze Nacht nicht beruhigen. Selbst als man sie tobend ins Haus gebracht hatte, beruhigte sie sich nicht, sie bekam Krämpfe und fiel schließlich völlig entkräftet zusammen und verlor das Bewusstsein.
Am nächsten morgen fand man Attaka leblos unter der Eiche, neben ihm lag die geöffnete Büchse. Seine Schwester schlief noch. Als sie erwachte, saß niemand an ihrem Bett. Sie stand auf und suchte die Mutter und fand sie in der Küche. Sie wusch den Leichnam ihres Bruders auf dem Küchentisch. Der Schwamm fuhr zwischen den Schulterblättern hindurch den Rücken hinab.
"Attaka Tion", sagte das Mädchen.
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