Freunde, drei Freunde, lebenslang.Brocken träfe es. Einer, der vor einem Zaun liegt, damit man drübersteigen kann. Der muss weg. Dort soll ein Tor hin. Eines mit Türgriff aus Kunststoff und drei Schlüsseln. Wer schließt ein Gartentor ab? Was sind das für Menschen, die Gartentore abschließen? Denkt er. Unter dem Brocken haust eine Blindschleiche. Zeigefingerdick und entsprechend lang. Als Kind dachte er immer, Gold ja, Silber ja, aber Bronze, was soll Bronze sein? Blindschleichen sind bronzen. Frische nicht oxidierte Bronze. Besonders ausgewachsene Männchen. Auch wenn ihm ein Weibchen lieber gewesen wäre. Warum weiß er nicht. Er hätte immer nur Bronze gewinnen wollen. Er bildet sich ein, Blindschleichen würden ihn mögen. Warum sonst lebten etliche auf seinem Grundstück? Einmal war sogar eine in seinem Keller. Aber er erzählt es nicht. Das wäre Verrat an seinen Freunden. Und die 4-5 streichholzgroßen unter einem anderen Brocken? Das sind Beweise für ihn.
Die Echse ist im Schock. Starrt ihn durch die kleinen schwarzen Augen an. Er macht sich seine Hände nass, weil er glaubt, Echsen seien ein bisschen wie Fische. Bevor er sie greift, sagt er sich noch mal, Bildschleichen würgen nicht und beißen nicht, als müsse er sich rückversichern. Nun züngelt sie. Auch die Zunge ist schwarz und vorne gespalten wie bei einer Schlange. Es scheint, als wolle sie schnappen. Sie windet sich. Bitte wirf deinen Schwanz nicht ab, ich tue dir nichts. Ich möchte dich nicht verstümmeln. Wir gehören zusammen. Sagt er. Dann legt er sie zu dem Brocken, unter dem die kleinen Schleichen leben, neben der Sandbienenkolonie. Wieder karrt er rote Brocken durch die Gegend. Wenn er einen auflädt, stöhnt er wie ein Gewichtheber. Er hebt auch aus den Knien heraus. Einen Teil des Hanges will er zum Felsenmeer umgestalten. Für seine Freunde. Eine Ratte läuft ihm entgegen. Knopfaugen. Hellbraun. Nicht grau. Hellbraun. Am Hals ein bisschen puscheliger. Sie läuft die Gartentreppe hoch, in ausgeglichenem Tempo, als seien da gar keine Stufen und als sähe sie ihn gar nicht. Er denkt an seine Kindheit. Wie er bei einem Freund, einem Bauernsohn, übernachtete. Sie schlichen sich nachts an, mit Forken bewaffnet. Dann rissen sie die Tür vom Stall auf, schalteten das Blendlicht ein, schlugen und stachen wild auf die Ratten ein. Manchmal machte auch sein Vater mit. Der erwischte die meisten. Sein Sohn war stolz auf ihn. Manche Ratten haben geschrien. Er könnte den Brocken, den er gerade gestemmt hat, auf sie werfen. Ich tue dir nichts, sagt er. Und als sähe sie ihn jetzt erst, läuft sie nach einem kurzen Gruß wieder zurück.
Von der Krähe, seiner dritten Freundin, mag er nicht erzählen, weil Krähen so Klischeebeladen sind. Jeder Schreiberling in einem Textchen oder Gedichtchen eine Krähe wohnen lässt. Sie ist schlank und glänzt. Manchmal jagt sie eine Taube davon. Böse krächzend. Das ist mein Freund, verschwinde! Bei allem was er tut, bewacht sie ihn, warnt, wenn er auf eine Leiter steigt. Die Leiter beim Hochsteigen schwingt wie beim Zirkus, wenn ein Artist drauf klettert. Ihr Lieblingsplatz sind die Bögen vom Pavillon, nahe der silbernen Kugel. Manchmal hüpft sie von Bogen zu Bogen, als könne sie sich nicht entscheiden, welcher der beste sei. Er findet, sie glänzt schöner als die Kugel. Sie ist die wahre Krone. Er glaubt, sie sei Jakobine, die er vor dreißig Jahren in seiner Kindheit aufgezogen hat, die immer neben ihm im Sandkasten hüpfte, wenn er Motorradstunts nachstellte und dann fotografierte. Manchmal schnappte sie sich das Matchboxmotorrad und ist weggehüpft, wie ein Hund, der zum Spielen auffordert. Seine Mutter meinte, sie hätte sich einem Krähenschwarm angeschlossen. Im Herbst, wenn es alle wegzöge. Das sagte sie leise, ohne zu blinzeln, durch die große Fensterfront in den Garten. Er glaubt, sein Vater hat Jakobine getötet, weil sie ihn nervte, wenn sie krächzte. Und weil sie ihm unheimlich war. Zu ihm sagte er immer, er solle aufpassen, sonst hacke sie ihm die Augen aus.
Jedes Reiskorn auf seinem Teller wird zur Made, wie man sie manchmal im Sommer auf dem Rand der Biotonne sehen kann.
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)