von fallhöhen und sekunden wie diesen (aus dem WdW)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 30.06.2011, 15:54



von fallhöhen und sekunden wie diesen


ist es vermessen
von worten auf körper zu schließen
schießen wir vögel ab
wenn wir es überprüfen
und doch (mit geneigtem kopf)
wie könnten wir schreiben ohne
von worten auf körper zu schließen

-

ein traum unter vielen:
ein kiebitz fiel vor meine füße
in seinen augen geronnene milch

-

doch wie der wind - jetzt
über meine lippen streicht
es muss wohl dein atem sein

-

siehst du die schwarzen punkte am himmel
sie fliegen


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

pjesma

Beitragvon pjesma » 30.06.2011, 18:33

liebe flora, ich dreh mich um das gedicht jetzt eine weile. die sprache ist eine poetische, zieht mich sehr an. aber in moment erschließt es sich mir noch nicht...bzw. ich grübele, suche die brücke wort-körper, die mir eindeutig erschienen würde...kleine hilfeleistung, vielleicht?
lg

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 01.07.2011, 16:17

Hallo Pjesma,

danke für die Rückmeldung! Ich möchte mich ganz gerne inhaltlich noch ein wenig raushalten, ich hoffe das ist in Ordnung für dich. Vielleicht geht es ja vielen wie dir, das könnte ich mir bei diesem Text gut vorstellen.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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noel
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Beitragvon noel » 01.07.2011, 17:12

moin, ich schleiche auch schon eine weile um den text...

Flora hat geschrieben:
von fallhöhen und sekunden wie diesen


ist es vermessen
von worten auf körper zu schließen
schießen wir vögel ab


schöner klang "ve... vo... wo.."
auch schließen & schießen...
hier geht es darum, ob wOrte körper (? = mensch=geist= seele??????, oder ist hier nur der körper, das verLangen gemEint, dass sich scheinbar äuszert & doch ist da die genants... kann's so gemEint sein?)

aber es schießt nicht nur das lyri den vogel ab= hier steht das persPro WIR.. demnach sind wenn BEIDE im tRaum verfangen, die die wOrte zeugten.



Flora hat geschrieben:wenn wir es überprüfen


hier kommt der zweifel erneut, aber dieses mal ist es definitiv der zweifel,
ob eine überprüfung der wortgezeugten lust zugunsten des wirs ausfallen kann... & immer wieder dieses vermessen/ vogel abschießen... denn gleich darauf...

Flora hat geschrieben:und doch (mit geneigtem kopf)
siegt die genants
um doch wieder dem hoffenden wissen


Flora hat geschrieben: wie könnten wir schreiben ohne
von worten auf körper zu schließen



jetzt erFolgt eine geSchickte wendung.. denn der unten erwähnte traum, lässt sich auf die hoffnung von oben reflektieren & steht alleine, im bild des kiebitz, des lauervogels, der beobachtet, ausspäht... & doch fällt er mit der geronnenen milch(meint dies [geronnene milch], dass er bevor er allEs hätte erspähen können verstarb / meint es, das was er beobachtet hat, in seinen natürlichen anfängen --> bezug zu den oberen absätzen)
-



Flora hat geschrieben:ein traum unter vielen:
ein kiebitz fiel vor meine füße
in seinen augen geronnene milch


-
& dann wird man wieder ins jetzt gerissen...
lauscht dem fragEnden LyrI



Flora hat geschrieben:doch wie der wind - jetzt
über meine lippen streicht
es muss wohl dein atem sein

-

siehst du die schwarzen punkte am himmel
sie fliegen


& in der absurden wendung der "schwarzen punkte", nicht die weiszen sternengleichen....
die am himmel fliegen...
gibt , sagt & hofft das Lyri die zweisamkeiit herbei(?)
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 01.07.2011, 22:09

Änderung am 2.7. morgens --- . zu meiner großen Schande muss ich gestehen, dass ich dem WDW eine sehr sinnlose Bedeutung verliehen habe .... (knirsch)



Hallo Flora,

Ich habe große Schwierigkeiten, zu verstehen, worum es dir geht und welchen Zusammenhang du mit der WDW herstellen willst.

Dennoch erzeugen die Worte, die du aufeinander, miteinander und nebeneinander klingen lässt, ein poetisches Klima, eine Assoziationsebene, die ich nicht uninteressant finde.

Diese Worte : Fallhöhe, vermessen, schließen auf, schießen, geneigter Kopf,
und die Wiederholung: von Worten auf Körper schließen finde ich ebenfalls "vielversprechend":


Flora hat geschrieben:

[font=Courier New]von fallhöhen und sekunden wie diesen

ist es vermessen
von worten auf körper zu schließen
schießen wir vögel ab
wenn wir es überprüfen
und doch (mit geneigtem kopf)
wie könnten wir schreiben ohne
von worten auf körper zu schließen


Die zweite Strophe:

ein traum unter vielen:
ein kiebitz fiel vor meine füße
in seinen augen geronnene milch


nistet sich in die vorhandenen, die bereits viel imaginären Raum einnehmen, ohne dem Leser helfend beizustehn. Wenn diese Haltung, die den Leser in seine Beschränktheit, seine Grenzen und seine eventuelle Fehlinterpretation zurückweist, gewollt ist, dann verlangt sie vom Leser viel. Ist der Kiebitz der Fussball - warum gerade Kiebitz?

die dritte Strophe:

doch wie der wind - jetzt
über meine lippen streicht
es muss wohl dein atem sein



Unvermittelt das lyrische Du

und schließlich am Schluß:

siehst du die schwarzen punkte am himmel
sie fliegen


ein Verweis aufs Fliegen - wohin warum weshalb
die schwarzen Punkte am Himmel? Die Mannschaften die sich im Kleinen gegenüber sitzen?

Ich habe originelle Wortzusammensetzungen, Wortkonfrontationen und Klangspiele gefunden, ohne jedoch eine Zusammenführung erleben zu können. Das Gedicht schafft in mir keine dichterische Welt, mir scheint, eine Liste vor mir zu haben, die mit diversen Emotionen gefüllt werden kann. Mehr will mir nicht gelingen, ich bin blockiert und hätte so gern einen Schlüsssel um diesem Labyrinth sein Geheimnis zu entreißen. Ich würde nun ganz ehrlich verstehen können, was an Material hinter mir liegt - welche Stoffteile von Belang sind ,,,


Fallhöhe ... ich sehe nur dieses Wort als Basis eines mir entgehenden Sinns.

Es hat mich sehr interessiert, diesem Text ein wenig nach zu gehen. Ich warte geduldig auf deine Erklärungen.

liebe Grüße
Renate.

pjesma

Beitragvon pjesma » 02.07.2011, 09:56

ich rätsele auch weiter
religion...? "das wort ist fleisch geworden"
oder geht es um körpersprache? vergleich dessen was die worte sagen- mit körperworten?
neugierig bin ich!

lg

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Eule
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Beitragvon Eule » 02.07.2011, 10:39

Hallo Flora, der Text besteht aus mehreren, thematisch und stilistisch unterschiedlichen Teilen. Die erste Strophe liest sich für mich als eine Art Selbstreflektion über Worte und deren sinnlichen Inhalt, das Erzählbare wurde ja immer körperlich erlebt, sei es auch "nur" in der Fantasie.

Das Kiebitzbild handelt vom Tod und den Schwierigkeiten, diesen zu verstehen. Geronnene Milch, ein Ekel- und Gruselbild aus der Kindheit. Der Grusel vor dem Fremden, Anderen.

Dann die Versöhnung in der Vorstellung, dass nicht alles verschwunden, bedeutungslos geworden ist.

Strophe vier ist eine weitere Umschreibung, die schwarzen Vögel, der/die Tote nun schon weiter weg am Horizont, unter seinesgleichen.

Die Fallhöhen der Sekunden können gigantisch sein, wenn sie zwischen verschiedenen Universen stattfinden. Wurmlöcher mit ungeheurer Energie.
Ein Klang zum Sprachspiel.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 03.07.2011, 13:37

Huhu ihr Lieben,

erst mal danke für eure Rückmeldungen, ganz fein, zu sehen, was für euch aufgeht und wo Fragen auftauchen. noel und arne haben viele Bezüge hergestellt, die ich auch so lesen kann, das hat mich sehr gefreut. Ein Rätselraten sollte es natürlich nicht sein, aber es ist schon einer meiner Texte, bei dem ich sehr offen bin für viele Leseweisen und gespannt war. Die Hoffnung war natürlich, dass sich am Ende durch die Zusammenstellung und die inneren Bezüge zwischen den einzelnen Abschnitten ein stimmiges "Bild" ergibt.

Ein Ausgangspunkt ist sicher aus unserem Austausch im Bilderfaden entstanden, den Metapherfragen, der Visualisierung, dem Gedanken, was es bedeutet, wenn man schreibt, ein Text/Gedicht habe einen berührt ... (Pjesma, falls du reinlesen möchtest viewtopic.php?f=38&t=12073)

Ich sehe auch diesen Zweifel, den noel aufgreift, das immer wieder ins Schwanken geraten darin, auch die Frage nach Vertrauen und Misstrauen ... Eine gedankliche Schleife entsteht, die Fragen bleiben offen, nur im "geneigten Kopf" vielleicht ein ((unbewusster?) körpersprachlicher) Hinweis, wohin es LIch zieht, welche "Antwort" es gerne hören, bzw. sich geben würde.

Der Bezug zum Monatsthema entsteht für mich durch die Redewendung: Den Vogel abschießen. Was meint, dass man den größten Erfolg oder eben Misserfolg hatte. Das wollte ich auch in seinem Schwanken bildlich aufgreifen, der Unsicherheit. Den Vogel/Kiebitz tatsächlich vom Himmel holen. Wobei ich den Tod hier weiter fassen würde, als Ende von Etwas, aber schon in dieser Angst, wie Eule schreibt, diesem Befremden und Erschrecken, das LIch sich hier im Traum vor Augen führt, der Endgültigkeit. Für mich stellt sich hier auch die Frage nach Schuld und einer "Gewalt".
Es ist aber ein Traum unter vielen, vielleicht könnten die anderen Träume andere Möglichkeiten aufscheinen lassen.
doch wie der wind - jetzt
über meine lippen streicht
es muss wohl dein atem sein

Bei dieser Strophe, war/bin ich mir am unsichersten, weil ich nicht weiß, ob es im Sinne eines erlebbaren, berührenden "Beispieles" (also der Umsetzung des Gedankens) gelingt, den Grundgedanken der ersten Strophe, nicht zu übermalen, sondern zu stützten. Sie war als Schlüssel gedacht, denn mir schien diese Strophe inhaltlich sehr klar und "unverschleiert". Das scheint zumindest für Pjesma und Renée allerdings nicht zu funktionieren.
Wichtig war mir (das muss man aber sicher nicht lesen) hier auch die andere Leseweise, dass das "Jetzt" über die Lippen gestrichen wird. Darin auch das Aufgreifen des Titels. In diesem "Jetzt", der "Nähe" scheinen die Fragen, das Schwanken aufgehoben.

Den Kiebitz habe ich gewählt, weil er, wie noel schon schrieb mit dem Schauen, Beobachten, Kontrollieren, Überprüfen, Neugierde etc. verbunden ist. Da das Wort "kiebitzen" denke ich geläufig ist, schien mir die Bedeutung hier nicht zu "versteckt", oder zu rätselhaft?

Am Ende auch wieder der Bezug zu den Vögeln durch die schwarzen Punkte am Himmel. Sie fliegen, der Traum ist nicht real geworden, sie haben den Vogel nicht abgeschossen. Es scheint eine Beruhigung darin zu sein, aber zugleich auch eine Entfernung, eine Sehnsucht.

Ich hoffe, ich habe jetzt nicht zu viel erklärt, aber auch die Fragenden nicht zu sehr im Regen stehen lassen? Ist immer schwierig für mich.

Renée, dein Kommentar verwirrt mich ein wenig. Als was hast du denn "WDW" gelesen? Und wie kommst du auf Fussball??? Wurde denn durch die anderen Kommentare und meine Antwort der Weg ins Gedicht irgendwie leichter? Auch wenn ich denke, dass ein Text das immer alleine leisten können muss, scheint mir bei dir auch etwas, das außerhalb des Gedichtes liegt, den Weg zu versperren, um überhaupt einen Ansatz finden zu können? Dank dir, dass du trotzdem geschrieben hast!

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 03.07.2011, 14:29

:blink1: :blink2: :confused: :-) :cool: :blink2: :confused: :blink1:

Liebe Flora, diesmal gibt es bestimmt etwas zum Lächeln, wenn nicht gar zum Lachen. Seit kurzem lebe ich wieder in Deutschland und habe das Gefühl in ein fremdes Land (unendlich bekanntes - auch - ) zu kommen. Ich beobachte gern die Menschen und ihren Bezug zu den Medien etc etc - hast du es schon erraten? - ich schäme mich ein wenig ... Weltmeisterschaft des Weiberfussballs .... hmhmhmh doch doch, ich war auch sehr verwirrt ob der Weiber, ob Flora und Fussball ... ob der Fallhöhe ... wie hoch waren die Erwartungen an das Spiel mit Nigeria und welche der schön sportlichen Damen hatte es mit einer Fallhöhe zu tun ... du siehst, ich war so daneben, danebener ging es nicht .. Aber ehrlich wie ich nun mal bin, habe ich das als Dokument der Kontextbezogenheit stehen lassen. Man könnte es auch ein Dokument der Kontexterfindung durch den Leser nennen ...

lG
Renée

:blink1: :blink2: :confused: :-) :cool: :blink2: :confused: :blink1:

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 03.07.2011, 19:31

Hallo Renée,

*lach* Ne, auf "Weltmeisterschaft des Weiberfussballs" wäre ich sicher nicht gekommen. Dann hätte ich vielleicht eher schreiben müssen von Fallrückziehern ;-) .... eigentlich auch ein spannendes Wort, wenn ich es mir so anschaue.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)


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