Merle wirft zurück
Es ist höchste Zeit, denkt Merle. Es gibt zu viele Einäugige und Blinde in diesem Ort. Nur wie stelle ich es an? Sie legt alle fein säuberlich vor sich, einige kugeln zur Seite. Merle fühlt sich beobachtet. Es sind Hunderte. Angewidert steckt sie alle in einen Beutel. Merkwürdig fühlen sie sich an. Wie hart gekochte Eier. Merle beschließt, es am späten Abend zu tun. Da ist sie unsichtbar. Als es endlich dunkel ist, zieht sie einen schwarzen Mantel mit Kapuze an, nimmt den prall gefüllten Beutel und verlässt das Haus.
Auf der Straße nimmt sie eines aus dem Sack, hält es so, dass es von ihr weg Richtung Stadt sieht.
"Führe mich zu deinem Besitzer, du musst ja schließlich wissen, wem du gehörst!"
Tatsächlich zieht es sie in ein Seitengässchen. An einem kleinen Haus brennt im Erdgeschoss noch Licht. Ein Mann sitzt am Tisch und isst ein Käsebrot. Über dem linken Auge trägt er eine schwarze Binde. Merle klingelt an der Tür. Der Einäugige steht auf. Als er die Tür einen Spalt geöffnet hat, ruft Merle:
"Halt, nicht weiter! Öffnen Sie Ihre Hände und fangen Sie auf, was Ihnen gehört!"
Verblüfft gehorcht der Mann. Noch erstaunter guckt er, als ihn sein linkes Auge anstarrt. Er nimmt die Augenklappe ab, setzt sich sein Auge ein und ruft glücklich: "Danke!" Er will die Türe nun ganz öffnen, doch Merle ist schnell weggelaufen.
Beim Nächsten wird es schon schwieriger. Merle hat zwei gleiche in der Hand.
"Los! Zeig mir den Blinden!" Sie geht durch die halbe Stadt, bis sie schließlich unter einer Brücke einen Mann sitzen sieht mit einer Blechbüchse vor sich. Völlig verwahrlost sieht er aus. In der Büchse ist auch nicht viel drin. Merle beugt sich hinunter.
"Ich habe eine besondere Spende für Sie, möchte sie aber nicht in die dreckige Dose werfen. Strecken Sie mir eine Hand entgegen!"
Der Blinde tut dies. Als sie das Augenpaar in seine Hand gelegt hat, versteckt sich Merle hinter einer Mülltonne. Der Blinde setzt sich seine Augen ein.
"Ich kann wieder sehen! Ein Wunder! Ich kann wieder sehen!"
Die ganze Nacht braucht Merle, bis sie alle Besitzer gefunden hat.
Auf dem Rückweg spürt sie einen sanften Stupser auf ihrem Rücken.
Verdammt, so ein Idiot!
Sie nimmt das Auge und wirft es einem streunenden Hund zu, der es sofort auffrisst.
Selber schuld, denkt Merle und geht nach Hause.
Merle wirft zurück
Die ganze Nacht braucht Merle, bis sie alle Besitzer gefunden hat.
Auf dem Rückweg spürt sie einen sanften Stupser auf ihrem Rücken.
Verdammt, so ein Idiot!
Sie nimmt das Auge und wirft es einem streunenden Hund zu, der es sofort auffrisst.
Selber schuld, denkt Merle und geht nach Hause.
Der letzte Teil will sich mir nicht erschließen.
Wenn sie doch alles Besitzer gefunden hat, sollte kein Auge mehr übrig bleiben.
Welches Auge also wirft sie dem streunenden Hund zu und wer ist selber schuld und warum?
Ich habe eine besondere Spende für Sie, möchte sie aber nicht in die dreckige Dose werfen. Strecken Sie mir eine Hand entgegen!"
Der Blinde tut dies. Als sie das Augenpaar in seine Hand gelegt hat, versteckt sich Merle hinter einer Mülltonne. Der Blinde setzt sich seine Augen ein.
Warum sind seinen eigenen Augen für ihn eine Spende?
Leider sehe ich die "Botschaft" dieses Textes nicht, er kommt mir in seiner Schreibweise eher wie eine Kindergeschiche vor, doch auch diese muss doch eine "Moral" haben.
lg
Uwe
Na, ich hoffe doch, dass sich der letzte Teil einem anderen Mitglied erschließt und auch, warum ich hier "Spende" geschrieben habe.
Diesen Text hab ich zum Monatsthema geschrieben und die darin verarbeitete Redewendung wortwörtlich genommen.
Warum der Text eine "Moral" enthalten soll, erschließt sich mir nicht.
Bez. "Kindergeschichte": du warst lange nicht hier, so dass dir die "Figur Merle" wahrscheinlich nicht vertraut ist.
Diesen Text hab ich zum Monatsthema geschrieben und die darin verarbeitete Redewendung wortwörtlich genommen.
Warum der Text eine "Moral" enthalten soll, erschließt sich mir nicht.
Bez. "Kindergeschichte": du warst lange nicht hier, so dass dir die "Figur Merle" wahrscheinlich nicht vertraut ist.
Warum der Text eine "Moral" enthalten soll, erschließt sich mir nicht.
Ich habe das Wort mit Bedacht so ("Moral") geschrieben und meint damit so etwas wie Botschaft, Erkenntnis, Fazit.
Bez. "Kindergeschichte": du warst lange nicht hier, so dass dir die "Figur Merle" wahrscheinlich nicht vertraut ist.
Dann mach mich doch schlau. Soll denn den Text nur jemand verstehen, der die Figur Merle kennt?
Vielleicht wäre eine kurze Erklärung zur Figur vor oder nach dem Text angebracht.
lg
Uwe
Hi Gabi,
ich kenne die Figur auch nicht, finde das aber nicht störend, ich stellte mir auch eine recht junge Frau vor. Der Text ist in seiner fabelhaften Struktur ganz klassisch und durchgängig komponiert, Kompliment.
Die Geschichte ist allegorisch, würde ich mal raten, erinnert mich an den (sympathisch gemachten) Film 'der Name der Leute', in der eine chaotische junge Frau mit allen möglichen Rechtsradikalen schläft, um ihnen bei der Gelegenheit die richtige Sicht der Dinge zu vermitteln.
Sehr gelungen!
Grüße
Franz
ich kenne die Figur auch nicht, finde das aber nicht störend, ich stellte mir auch eine recht junge Frau vor. Der Text ist in seiner fabelhaften Struktur ganz klassisch und durchgängig komponiert, Kompliment.
Die Geschichte ist allegorisch, würde ich mal raten, erinnert mich an den (sympathisch gemachten) Film 'der Name der Leute', in der eine chaotische junge Frau mit allen möglichen Rechtsradikalen schläft, um ihnen bei der Gelegenheit die richtige Sicht der Dinge zu vermitteln.
Sehr gelungen!
Grüße
Franz
Ja, ja. Das hatte ich mir auch schon so bebildert. Die Allegorie hat sich mir schon erschlossen.
Leider hilft es mir nicht bei letzten Teil.
Ich kann nicht wechseln.
lg
Uwe
Leider hilft es mir nicht bei letzten Teil.
Die ganze Nacht braucht Merle, bis sie alle Besitzer gefunden hat.
Auf dem Rückweg spürt sie einen sanften Stupser auf ihrem Rücken.
Verdammt, so ein Idiot!
Sie nimmt das Auge und wirft es einem streunenden Hund zu, der es sofort auffrisst.
Selber schuld, denkt Merle und geht nach Hause.
Ich kann nicht wechseln.
lg
Uwe
Zuletzt geändert von Oldy am 21.07.2011, 23:21, insgesamt 2-mal geändert.
Liebe Gabi.
ich habe mir schon lange überlegt, wie ich genau auf diese Geschichte reagieren soll. Ich finde sie einerseits sehr gelungen, sehr gut durchkomponiert und mich stört "Merle" als eine deiner Figuren gar nicht, obwohl ich mich erinnere schon von ihr gelesen zu haben - ohne sie irgendwie orten zu können. Das Auge, das einst geworfen wurde, wird dem Werfer zurück ge geben, sogar einem Hund --- wenn ich den Schluss richtig verstanden habe, ich bin mir dessen aber nicht sicher.
Ich habe Probleme mir der Moral, denn ich finde es gibt eine. Den Blinden und EInäugigen das Sehen wieder beizubringen, das ist mir eine Spur zu moralisierend. Mir fehlt wahrscheinlich das Missionionarische, der Fortschrittsglaube, der solche Handlungen, auch wenn sie nicht als real beschrieben werden, valorisiert. Was mir an der Geschichte am besten gefällt, ist die Beschreibung der Augen, die Gegenwart dieser Augen. Erinnert mich an den frühen Bunuel.
Dieser Aspekt ist sehr beeindruckend und gelungen
liebe Grüße
Renée
ich habe mir schon lange überlegt, wie ich genau auf diese Geschichte reagieren soll. Ich finde sie einerseits sehr gelungen, sehr gut durchkomponiert und mich stört "Merle" als eine deiner Figuren gar nicht, obwohl ich mich erinnere schon von ihr gelesen zu haben - ohne sie irgendwie orten zu können. Das Auge, das einst geworfen wurde, wird dem Werfer zurück ge geben, sogar einem Hund --- wenn ich den Schluss richtig verstanden habe, ich bin mir dessen aber nicht sicher.
Ich habe Probleme mir der Moral, denn ich finde es gibt eine. Den Blinden und EInäugigen das Sehen wieder beizubringen, das ist mir eine Spur zu moralisierend. Mir fehlt wahrscheinlich das Missionionarische, der Fortschrittsglaube, der solche Handlungen, auch wenn sie nicht als real beschrieben werden, valorisiert. Was mir an der Geschichte am besten gefällt, ist die Beschreibung der Augen, die Gegenwart dieser Augen. Erinnert mich an den frühen Bunuel.
Dieser Aspekt ist sehr beeindruckend und gelungen
liebe Grüße
Renée
Das Ende ist doch logisch. Gabi hat hier die Metapher "ein Auge auf jemanden werfen" wörtlich genommen. Deswegen will Merle ja auch nicht von denen gesehen werden, denen sie die Augen zurückgibt. Sonst hätte sie die ja gleich wieder. Am Ende wirft ein Hund eine Auge auf sie. Merle gibt es ihm sofort zurück aber der dumme Köter frisst es auf. Eine Moral hat der Text nicht, nur eine witzige Idee.
Gruß
Sam
Gruß
Sam
Sam hat geschrieben:Das Ende ist doch logisch. Gabi hat hier die Metapher "ein Auge auf jemanden werfen" wörtlich genommen. Deswegen will Merle ja auch nicht von denen gesehen werden, denen sie die Augen zurückgibt. Sonst hätte sie die ja gleich wieder. Am Ende wirft ein Hund eine Auge auf sie. Merle gibt es ihm sofort zurück aber der dumme Köter frisst es auf. Eine Moral hat der Text nicht, nur eine witzige Idee.
Gruß
Sam
Jo, manchmal stehe ich mir selbst im Weg.
Das "Wörtlichnehmen" der Methaper hatte ich nicht berücksichtigt. So wird ein Schuh draus und er gefällt mir gut.
Danke für die Aufklärung.
lg
Uwe
Daaaaanke, Sam!
Ich war schon total ratlos über die Kommentare und die Fragen in den Kommentaren. Du hast es genau auf den Punkt gebracht.
Im übrigen hatte ich bereits in meinem ersten posting vom 19.7. geschrieben:
Saludos
Gabriella
Ich war schon total ratlos über die Kommentare und die Fragen in den Kommentaren. Du hast es genau auf den Punkt gebracht.
Im übrigen hatte ich bereits in meinem ersten posting vom 19.7. geschrieben:
Gabriella hat geschrieben:Diesen Text hab ich zum Monatsthema geschrieben und die darin verarbeitete Redewendung wortwörtlich genommen.
Saludos
Gabriella
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