Prosalog

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Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.07.2007, 18:09

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Foto A.P. Sandor et moi


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Hier handelt es sich um einen Faden, in dem ihr euch prosaisch zurücklehnen könnt. Lasst euren Gedanken freien Lauf. Erzählt von euren Träumen, eurem Ärger, euren Problemen, euren Sehnsüchten, euren Beobachtungen, euren Wünschen, euren Phantasien, euren Ideen, eurem Kummer, eurer Wut, eurem Tag, euren Spinnereien … "Die Wahrheit" spielt dabei selbstverständlich keine Rolle.
Fühlt euch frei.

Lasst euch von bereits verfassten Texten inspirieren, greift das Thema auf, oder schreibt einfach "frei Schnauze"… alles ist erlaubt.

Ich bin gespannt!




Kleingedrucktes:

Damit eure Kostbarkeiten behütet bleiben, müssen folgende Regeln beachtet werden:

Bitte keine Kommentare
Keine direkten Antworten (zB. Gratulationen, Beileidsbekundungen, Nachfragen etc.)
Keine Diskussionen
Kein Smalltalk oder Talk überhaupt

Geht immer davon aus, dass alle Texte Fiktion sind.



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Zuletzt geändert von Nifl am 04.08.2007, 09:08, insgesamt 1-mal geändert.
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 09.05.2012, 23:34

Ein weltberühmter Komponist, Sänger und Schlagzeuger – einer von denen, die früher mal interessant waren und jetzt nur noch Filmmusik machen – hat dafür gesorgt, dass ich mich in meinem eigenen Heimatort furchtbar blamiert habe. Diese Geschichte ist ein Beweis dafür, wie sich das Gehirn manchmal in einer Art Denkschlaufe verhakt und viele, viele Jahre, manchmal ein Leben lang, aus diesem Fahrwasser nicht mehr herauskommt.

Vor dreißig Jahren habe ich ein Konzert dieses weltberühmten Komponisten, Sängers und Schlagzeugers besucht. (Würde ich heute nicht mehr machen, aber damals war er ein interessanter Musiker.) Es war in Frankfurt. Der Mann sprach erstaunlich gut Deutsch. Er stellte seine Kollegen auf deutsch vor und sagte auch seine Stücke jeweils auf deutsch an. Darunter war ein ziemlich tranig-trauriger Blues, einer von der Sorte, bei der man sich einen einsamen Mann an einem Bartresen vorstellen soll, der in sein Bier weint. Der Sänger führte das auch bildlich vor. Er nahm sich einen Barhocker, setzte sich drauf und arrangierte seine Requisiten vor sich. Es waren zwei Requisiten. Das eine war ein großes Glas (eines von der Sorte, wo man einen vierstöckigen Whisky reingießt), das andere war ein weißer Damenschlüpfer, mindestens Größe 48, damit er auch richtig gut im Publikum zu sehen war.

Ich erinnere mich über den Zeitraum von 30 Jahren hinweg, wie er seine Requisiten vorzeigte, abwechselnd in die Höhe hob und erklärte: „Ein Glas … und ein Damenslip. Ein Glas, ein Damenslip. Glas, Damenslip …“, er hob abwechselnd die Hände, „Glas, Damenslip, Glas, Damenslip …“
Es war nicht wirklich komisch, trotzdem krümmten wir uns alle vor Lachen. Und wirklich bluesig kam der Blues danach auch nicht mehr rüber.
Danach ging alles seinen Gang, es gab ein paar Zugaben und den üblichen Rausschmeißer-Song am Schluss, wir fuhren nach Hause, am nächsten Tag hatte uns das Leben wieder. So auch das übliche Geflecht aus Pflichten und Routine. Ich ging zum Bäcker und musste Schlange stehen. Vor mir war eine ältere Frau dran, die eine lange Einkaufsliste abarbeitete. „Ein Roggenbrot … zwei Berliner … ein Sesambrötchen … ein Vierkornbrötchen …“

Ich murmelte vor mich hin: „Ein Glas … ein Damenslip …“

Es geschah ganz unbewusst. Entgeisterte Blicke ruhten auf mir. Es dauerte ein paar Tage, bis ich mich wieder in diesen Laden traute.

Inzwischen kann ich mich besser beherrschen. Aber heute, wie gesagt über dreißig Jahre später, geschieht es immer noch. Das Hirn kommt da nicht heraus. Wenn ich etwa zu Staples fahren will und mein Mann mir nachruft: „Denk dran, eine Patrone rot, eine Patrone schwarz!“, antworte ich noch immer automatisch: „Ein Glas, ein Damenslip!“ Aber ich habe gelernt, es sotto voce zu sagen.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 31.05.2012, 00:17

Auf dem Ausflugsdampfer.
Mann: „Der Junior, der Willi, hot das ganze Fundament neu setze müsse …“
Frau: „Hier, nemm emo de Hund …“
Mann: „Jo, gib en her … da setz dich … also was ich sage wollt, de Kramer ist ja pleite gegange, netwahr, also hat der Willi das dann alles übernomme … und der hat runderum das ganze Fundament abgemeißelt, netwahr, und de Stoi komplett rausgehobe …“
Frau: „Willst’n Kaffe, da kommt de Kellnerin?“
Mann: „Needanke, jetzt liewer kein Kaffe … man kann die Buchstawe ja nochemol nemme, wenn man se sauber abkriegt, aber das geht ganz leicht, de Willi hot mir des gezeigt … du musst nur die Buchstawe mitm Bunsebrenner warm mache, oder so was ähnlichem, also du musst de Kleweschicht erwärme, dann gehn die Buchstawe sauber ab … de Willi hat de Stoi schö abgewasche, jetzt sieht er jedenfalls ganz blank aus, wie neu …“
Dampfer fährt auf den Donaudurchbruch zu. Lautsprecherstimme erklärt den Donaudurchbruch.
Einwurf von links: „Un was soll jetzt nacher draufsteh?“
Mann: „Weeß ich noch net so genau … aber ich mach mir da schon mei Gedanke, netwahr, das will ja alles gut überlegt sei …“
Stimme von links: „Die Buchstawe nimmste also jetzt alle widder?“
Mann: „Jo, wenn se basse … e paar neue werd ich dazu nemme müsse, ich weeß ja noch net genau, was druffstehe soll …“
Stimme von links: „Un willste dann de Stoi selwer wieder setze?“
Mann: „Wos jetz? Ach so, Witz jetz …“ (lacht) „Nee, ich setz de Stoi net selwer, dazu kommts noch … awwer ich hab schon mal nachgeguckt, wie des geht, es kann ja net schade, wenn man’s weiß, netwahr, ich werd das dem Jung dann später noch genau erklärn, und de Sack Ferdichbedon gibt’s bei Hornbach schon um die ans neununneunzig …"
Dampfer fährt auf die Anlegestelle zu. Lautsprecherstimme verabschiedet sich.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Peter

Beitragvon Peter » 31.05.2012, 23:46

dublin oder ...

wenn man begreift, dass
alles aus einem puls besteht,
also auch du selbst,
du selbst also auch das
bist, was hundurchwill, ist
das allerlei anliegen, das dich
morgens umgibt oder gar bedrängt,
ganz leicht
einzusehen und auch zu verstehen.

nimm nur an, alles wäre nichts weiter,
als ein luftiger zusammenschluss aus puls,
jemand, der sehen könnte, sähe wohl nichts anderes.
wir selbst bleiben im dunklen, hören
wie durch wände hindurch,
wir sind ja der puls selbst, hören geräusch,
sind eingeschlossen, aber außen,
was wir nicht kennen, aber immer wollen,
wäre die luftige erscheinung des puls:
bahnen vielleicht, gar keine eigenen,
nicht deine oder überhaupt persönliche,
sondern nur wundervoll gleichgültige=
ewige bahnen.

Gerda

Beitragvon Gerda » 01.06.2012, 11:34

An jenen Tagen, an denen das Leben in Fluss ist, nehme ich den eigenen Herzschlag nicht wahr.
Die Wasser glitzern in der Sonne, werden von den Uferbäumen beschattet und fließen dahin, als wäre die Welt im Gleichgewicht. Ich muss vermeiden diesen Genuss zu stören. Wenigstens eine Zeit lang. Kein Internet, keine Zeitung. Ist das schon Flucht? Oder ist es notwendig? Darüber denke ich nur nach, wenn der Rhythmus aus dem Takt kommt. Dann gerate ich unter Druck, das Herz ruckt, stolpert und ich meine, die Welt retten zu müssen. Es gibt so viel zu tun, es gäbe für mich etwas zu tun, einiges was ich tun könnte, wenn ich es denn könnte und nicht schon vom Denken ermattet wäre.
Zuletzt geändert von Gerda am 01.06.2012, 23:24, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.06.2012, 19:12


Verbunden

Eine fremde Frau rief mich an und teilte mir mit, er sei für die nächsten Monate krank. Sie könne mir nicht sagen, wann er wiederkäme. Sie dürfe mir nicht sagen, was mit ihm sei.
Mir tat plötzlich das Herz weh. Es fing an zu stolpern, drückte von innen gegen die Brust. Beklemmende Angst stieg in mir hoch. Wochenlang dachte ich an ihn und spürte mein Herz.
Vier Monate später war er wieder da. Ich saß vor ihm und fragte ihn, was denn mit ihm los gewesen wäre.
"Ich hatte sehr starke Herzrhythmusstörungen", sagte er.

pjesma

Beitragvon pjesma » 04.06.2012, 00:44

(das erwarte ich in august richtig vorgelesen zu hören,zefira...aber rischtisch, gelle!? ich lieeeebe es wenn einer es gut kann!)

pjesma

Beitragvon pjesma » 04.06.2012, 00:45

hä...woissesjetzt...mich verblättert?

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Eule
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Beitragvon Eule » 04.06.2012, 18:50

Hm, dachte ich. Warum hatte er nichts gesagt, mich nicht angerufen. Da saß er und war nur noch eine Diagnose, ein Krankenbericht, eine Prognose für mich. Wollte ich überhaupt noch wissen, was er erlebt hatte, wie es ihm ging ? Er könnte sich verändert haben, unter Medikamenteneinfluß stehen, von mir genauso enttäuscht sein. Ich rang um Worte, er war für mich weiter als 10 000 Kilometer weg. Aber etwas in mir hatte verstanden. "Und wie geht es Dir jetzt ?", hörte ich eine fremde Stimme vorsichtig fragen. Da waren wir also, verreist, auf Urlaub. Wie lang würde es wohl diesmal dauern, gleich würde ich es wissen, ich hatte einen Atlas mitgebracht und legte ihn vor uns auf den Tisch. Er öffnete ihn nicht.
Ein Klang zum Sprachspiel.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 05.06.2012, 16:42


Das Leben ist ein Lehrer. Immer ein ungewollter. Ich will seine Lehre nicht hören oder ich verstehe sie nicht.
Wenn ich ahne, was er sagen will, nehme ich die Beine in die Hand. Hätte ich zugehört, so richtig, zwischen den Zeilen gelesen (die Botschaft ist immer verschlüsselt), wäre ich stehengeblieben und würde heute nicht zurückblicken auf Jahre des Davonlaufens. Ob ich ihm in Zukunft zuhören werde, bezweifle ich. Lehrer, gib auf. Ich bin ein schlechter Schüler.

Gerda

Beitragvon Gerda » 20.06.2012, 20:15

An einem jener sogenannten Sommertage ...
Es wird nicht hell. Deprimierend, wenn ich mich damit aufhalte, wie es sein könnte, sollte. Kurz vor dem kalendarischen Sommerbeginn. Ein Wetter, an dem jedes einzelne meiner Kopfhaare geradezu süchtig die feinen Tröpfchen des Nieselregens an sich bindet. Die Frisur erlahmt, ergibt sich, spiegelt mein Ich. Die Feuchte dringt in jede Pore, legt einen Film auf die Haut. Ihr fehlt freies Atmen, nach dem Schwitzen: Trocknen. Duschen und Frottieren erfrischen mäßig. Das T-Shirt aus dem Schrank ist klamm. Es lässt sich nur schwer überstreifen, am Körper glattziehen.
Die Brötchen, die ich hole sind nach zehn Minuten Fußweg, obwohl gut verpackt nicht mehr knusprig. Alles scheint aufzuweichen zu ermatten.

Ich lebe nicht am Meer. Doch bilde ich mir bei einem solchen Wetter gern ein, dass es der Fall ist.
Ein Trick, der allerdings scheitern muss, denn es fehlt der Wind und der Salzgehalt der Luft. Auch ist Nieselregen am Meer selten. Meist kommen dicke Wolken, die sich ergießen und gewaschenes Himmelsblau im Schlepp haben. Jedenfalls in meiner Erinnerung an die im Norden verbrachten Ferien.
Ich halte Ausschau.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 23.06.2012, 22:26


Endlich Urlaub

Ich bin total erschöpft. Brauche dringend Urlaub. Es ist diese verfluchte Handbremse, die bis zum Anschlag angezogen ist, als ob sie festgefroren wäre. Passt. Den Winter habe ich in vielen Jahren geschaffen. Die Frage ist nur, wie ich diese Handbremse lösen kann. Da hat sich so viel zusammengeschraubt, hochgeschraubt und richtig festgefressen. Durch die vielen "hätte", "könnte", "wäre" hat sich das Chaoseis zum ewigen Eis geformt, eine Bremse, wie sie fester nicht sein könnte. Da hilft mir auch mein Mantra, das die Schatten verjagt, nicht mehr. Ich halte zu viel fest. Gefangen in Ritualen, gebunden an grotesken, unwichtigen Kleinigkeiten und vor allem erwürgt durch zu viele Fragen und Zweifel.
Wie kann es sein, dass Gedanken so real werden, dass sie mich würgen, mir die Luft zum Atmen nehmen? Die Frage stellt sich nicht. Sie haben eine enorme Kraft.
Warum sonst zerdeppere ich jeden Tag mehrere Glühbirnen, wenn ich ihnen, vorm Anschalten, nicht gut zurede? Verrückt? Nein. Rede ich mit ihnen, bleiben sie ganz. So einfach ist das. Gedanken sind pure Energie. Das ist der Schlüssel! Nur verwende ich das falsche Schloss. Ich öffne nicht. Ich verschließe eines nach dem anderen, schlage mir selbst die Türen zu.
Also muss ich mich auseinandernehmen. Nein, nicht mich. Die angezogene Handbremse in mir.
Ich löse sie und werfe sie in die Blauäugigkeit, um den Schatten ein Stoppschild vor die Nase zu knallen. Gedacht, getan. Das Mantra fliegt gleich mit.
Ich nehme Urlaub von mir selbst.

pjesma

Beitragvon pjesma » 24.06.2012, 13:12

und was mit diesen jungen, zarten, hornhautlosen…die voller wind unter den flügeln kommen, mit schalen worten zu ersten gedichten gebündelt, und schreien: „ich habe soeben den nektar entdeckt“…was? zärtlich sein. wenn sie „liebe“ schreiben, haben sie soeben nichtgelogene schmerzen verspürt...beneidenswert.

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 26.06.2012, 08:38

Der Wind ist der größte Lüger von allen. Was hat er nicht alles versprochen. Wie stürmisch hat er von Liebe gesprochen. Und dann?
Ich habe den Wind gefangen, sagte die kleine Frau, und jetzt lässt er mich nicht mehr frei.

Niko

Beitragvon Niko » 26.06.2012, 10:15

gegenwind gespürt. gestern. am wannsee. in einem haus wo man vor einem wimpernschlag beschloss menschen mit gift und system im großen stil zu entsorgen. ich sah notizen, die im gleichen gestus geschrieben waren wie die unterhaltung mit meiner frau vor wochen, wie wir denn die ameisenplage am besten lösen.
die räume drückten. die luft drückte. über diese dielen gingen mörder. an diese wände gelehnt entwickelten sie die massenvernichtung.
ich wollte nicht im selben raum sein mit dem geist dieser schweine, der immer noch spürbar war. draußen noch rang ich nach luft.
im wind fand ich ein wenig trost.


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