Stoffe

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Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 22.06.2012, 22:04

Schockweise
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Worte, die ich nicht kannte, beunruhigten mich und ich hatte Mühe, mein Nichtverstehen zu ertragen. Als ich neun Jahre alt war, holte ich bei der wöchentlichen Bücherverleihaktion mutig und gleichzeitig voller Furcht ein Buch für Dreizehnjährige. Dieses in keinerlei Hinsicht bemerkenswerte Werk hielt mich mit dem Ausdruck « schockweise » Strümpfe Wochen und Monate lang in Atem. Ich musste das Buch sogar nahezu ungelesen zurückgeben. Eine entsetzliche Niederlage. Irgendwann löste sich das Rätsel, die Protagonistin, ein Mädchen bekam dutzendweise (hoch zwei) Strümpfe zugeschickt und nicht etwa eine mir unbekannte Form weißer Kniestrümpfe.

Den Stoff beziehen wir immer aus allem, jedenfalls nicht nur aus unausgereiften Gespinsten.
Zuletzt geändert von Renée Lomris am 19.07.2012, 22:17, insgesamt 1-mal geändert.

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birke
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Beitragvon birke » 02.08.2012, 12:26

:daumen:
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

https://versspruenge.wordpress.com/

scarlett

Beitragvon scarlett » 02.08.2012, 16:28

:daumen: auch von mir, renée!
auf was für gedanken du kommst ... wahnsinn.

lg
mo

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.08.2012, 16:35

*lach* Renée, da hast du etwas in mir in Bewegung gesetzt! Ich bin heute so durch meinen Tag gegangen und immer, wenn ich etwas tat, was mich eigentlich einengt, mich eingrenzt, sprich, MIR TIERISCH AUF DEN WECKER GEHT!, weil ich es immer tue, sagte ich laut: Zwangsjacke!
Und das hab ich heute schon sicher mehr als 10 Mal gesagt. Und da sage noch einer: virtuelle Welt, ha!

Angeregte Grüße
Gabi

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 02.08.2012, 17:00

*schmunzel*

gabi, ich auch ... besonders heute

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.08.2012, 17:09

*kicher* So etwas nennt man Selbstsuggestion.
Hey, aber das ist echt gut, weil es einem tatsächlich bewusst macht, was man da eigentlich alles an Zwangsjacken mit sich herumträgt! Und der Tag hat noch viele Stunden ähem ... :pfeifen: :mrgreen:

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 30.08.2012, 04:34

oh, ich dachte der Text wäre gelöscht!!! Jetzt muss ich nochmal ran ...

(ein Versuch voller Fehler, den ich jetzt so stehen lasse.)

Ein Philosoph desspätem meunzehnten Jahrhunderts, als die Menschen von der Erde noch das Bild einer zunwandelbaren Kugelmasse besaß, sprach vom Stoff, aus dem der Mensch gemacht ist, als von einem Bestandteil seines Charakters.
Uns aber, die wir die Erde weder sehen noch spüren, wissen, dass wir den Stoff als Charakterkleid benutzen. Der Stoff aus dem wir gemacht sind und der Stoff der unsere Seele umhüllt, sind nur zwei Seiten jener Bemantelung, die uns nach Rang und Verdienst zugeteilt wird.
Ich selbst gehöre zu den künstlerisch wertvollen aber unbeständigen Stoffeverwalterinnen, und meine Aufgabe, von der angenommen wiersd, dass ich sie nicht gänzlich erfüllen werde, besteht darin, die täglich auf mich zufallenden Wort- und Gesprächsfetzen zu einem Gewebe zu verarbeiten, dessen Wahrscheinlichkeit einen möglichst hohen Grad erreichen soll.

Denn wir urteilen längst nicht mehr nach Wahnrheit und Lüge, sondern nach der Glaubwürdigkeit, die allein dem Stil innewohnt. Wir leben anicht mehr an der Oberfläche des Planeten We Erde, die längst den Sonnenstürmen eine Unwohnlichkeit der gesamten Oberfläche verdanktz, sondern in endlosen Stollen und Gängen,
Zuletzt geändert von Renée Lomris am 30.08.2012, 22:30, insgesamt 1-mal geändert.

ecb

Beitragvon ecb » 30.08.2012, 19:55

So erweisen wir uns vielleicht doch als der Stoff, aus dem die Träume sind? :stern:

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 04.09.2012, 02:47

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Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 09.09.2012, 22:59

Der Koffer enthielt einige Photoalben; alle schienen jemandem in die Hände gefallen zu sein, dem es Spaß machte, die schwarzen Seiten mit hellem Seidenpapier zur Schonung der Ablichtungen zu entleiben, sie an den feinen Stächen, die kunstvoll in die Seiten eingeschnitten waren, zu zerreißen. Nur ein gutes Dutzend Photographien waren dem Betrachter überlassen worden.

Diese Szene gibt es nicht. Sie wurde von irgendjemandem erfunden. Nicht von mir. Ich weiß nur, dass es so hätte sein können, dass es einen Koffer gab, dass ich glaube, ihn einmal in aller Eile, in aller Hast geöffnet zu haben, oder aber, ich glaube eher, dass er offen da lag, dass ich dem Vater half etwas zu verstauen und dass während der Räumarbeiten, für die ich geschickt war, meine Aufgabe darin bestand, schnell und geschickt und stumm und ohne Fragen zu stellen, etwas von unten heraufzuziehen, es dahin zu stellen, wo es künftig seinen Platz hatte und vielleicht habe ich das blaue Kleid gesehen und gefragt, ob ich es haben dürfte.

Ich durfte künftig damit spielen Es fiel lange über die Füße herab. Ich erinnere mich sehr gut, dass mich dieser Stoff umarmte und küsste. Ich sah die arme magere Brust der Frau, die das Kleid getragen hatte, die es mit einem Spitzenkragen versehen hatte, der die Frauen der Nachkriegszeit, die wahre Eisenherzinnen waren, so zierlich und delikat aussehen ließ.

Ich spüre noch den Stoff.

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 17.09.2012, 23:18

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Zuletzt geändert von Renée Lomris am 18.09.2012, 09:57, insgesamt 1-mal geändert.

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birke
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Beitragvon birke » 18.09.2012, 08:08

Liebe Renée,

ich lese nach wie vor gern in deinem Stoffe-Blog mit, auch wenn ich nicht immer kommentiere. :smile:

Dein letzter Eintrag gefällt mir wieder ganz besonders, dein kleiner Exkurs über eine Bettdecke, Tagesdecke, die vielleicht tatsächlich vieles über eine(n) verrät, sehr schön!
Klasse - die "textilen Eckpunkte", die sich nicht so fügen wollten - und letztendlich der ganzen Sache das Besondere verleihen. :daumen:

Liebe Grüße
diana
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

https://versspruenge.wordpress.com/

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 18.09.2012, 09:58

Liebe Diana, ein Kommentar, über den ich von Herzen gefreut habe ... hab ein paar Tippfehler verbessert..
Danke

scarlett

Beitragvon scarlett » 18.09.2012, 15:55

"meine textilen Eckpunkte in Form zu bringen" ...

ja ja, liebe renée, ich liebe deine stoff-texte, die reichlich stoff zum nachdenken, manchmal auch zum schmunzeln bieten.

ich bewundere die art, in der du deine ideen- auf die ich nie im leben kommen würde! - umsetzt.

hier, meine ich, könnte die "maschine" allein stehen, da ja klar ist, dass es sich um eine näh-maschine handlet:

"und der Hilfe einer eher schwachbrüstigen, ständig Nähmaschinenöl heischenden Näh Maschine"

sehr fein das, respekt!

glg,
mo

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 21.09.2012, 10:03

Hallo Renée,

deinen letzten Eintrag finde ich ganz wunderbar. Er liest sich losgelassen, freigeschrieben, ohne Druck auszuüben und hat für mich genau das richtige Maß an Augenzwinkern, Humor und Ernsthaftigkeit, die ineinanderspielen und den Blick freigeben für den Stoff und das, was er über sich hinaus erzählen kann. Das Bild trägt und greift und auch die erklärenden Passagen sind hier für mich stimmig eingebunden. Schön.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)


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