Ich beschließe, mich während unseres Aufenthalts in diesem Lande mit dem Leben des Gustav von Aschenbach, besser gesagt, mit den letzten Wochen seines Lebens, zu beschäftigen. Gustav von Aschenbach, nachdem er von einem frisch gekrönten Monarchen für seine literarischen Verdienste geadelt wurde. Eine faustische Tragödie, bei der der Teufel in dem Protagonisten selbst steckt. Meistens lese ich darüber auf der Sonnenterrasse des Hotels oder vor dem Einschlafen im Bett. Die Geschichte nimmt ihren Lauf während eines Besuchs des Helden auf einem Friedhof einer großen teutonischen Metropole, auf deren Nekropolis also. Er erblickt einen rothaarigen Fremden und dessen bösen Blick. Dann, während er auf ein öffentliches Verkehrsmittel wartet, "auf dessen Ankunft harrt", spürt er plötzlich den Wunsch, eine Reise ins Ausland zu unternehmen. Diese, ebenso wie die kurze Novelle, wird mit seinem Tod enden.
»Gibt es keine alten Männer in dieser Stadt?«, fragt Heike. In der Tat, hier scheinen nur junge Leute unterwegs zu sein. Und Soldaten, viele Soldaten beiderlei Geschlechts, alle jung, unheimlich jung. Sie bewegen sich aber nicht, wie es sonst Soldaten unter der Zivilbevölkerung zu tun pflegen, sondern genauso wie Zivilisten; die Uniform, die sie tragen, nicht einmal die Waffen, vermögen sie von dem Rest der Bevölkerung zu trennen.
In einer Wechselstube tauschen wir unsere Dollars in die hiesige Währung um. Diego hatte uns gezeigt, dass die Banknoten aus Plastik hergestellt sind, quasi unzerstörbar. Ich nehme an, so vermeidet man den schnellen Verfall solcher Scheine, bei dem hier herrschenden Klima. Er nahm einen Geldschein und führte eine reißende Geste vor, wobei ich nicht ganz sicher bin, ob, wenn man es ernsthaft versucht, sie nicht doch zu zerstören sind.
Mit diesem Geld bewaffnet, lassen wir uns in einem netten Café in der Dizengoffstraße nieder. Diego selbst wohnt in dieser Straße, in der Nummer 119, und unser Hotel liegt ganz in der Nähe, auf dem Dizengoff Square. Von der Sonnenterrasse aus können wir auf diesen Platz hinunterschauen, der wie eine riesige, breite Brücke über die Straße gebaut ist. Über breite, großzügige Stufen gelangt man dahin. Es gibt auch Rampen für die Behinderten. In der Mitte des Platzes erhebt sich ein großer, blauer Springbrunnen. Man hat das Gefühl, das Wasser fließt nicht, sondern tropft herunter ... Es gibt nicht viel Wasser in dieser Stadt, in diesem Land. Das im Hotel reichlich fließende Wasser muss also ein Zugeständnis an die Touristen sein.
Viele Tauben gibt es um den Brunnen herum. In der Mittagszeit, wenn es zu heiß wird, verschwinden sie in den umliegenden Bäumen. Eine Katze nähert sich vorsichtig und versucht, sich eine zu schnappen, die Tauben scheinen sie zu kennen, denn sie heben erst in letzter Sekunde ab, wenn die Katze sich schon am Ziel wähnt. Sie wagt sogar einen kläglichen, kurzen Sprung in die Höhe, vergleichbar mit den ersten menschlichen Flugversuchen.
Wir bestellen uns einen Cappuccino, der sehr gut schmeckt. Auch der Espresso schmeckt hier überall hervorragend. Ich weiß nicht, wie sie das hinkriegen. In zwei Wochen habe ich kein einziges Mal einen schlecht schmeckenden oder lau servierten Espresso erlebt. Ich bestellte ihn mir auch gleich doppelt, denn der Preisunterschied ist gering. Nach jedem Genuss dieses Getränks bin ich versucht, »todá« zu der Kellnerin zu sagen, das einzige Wort, das ich in dieser Sprache gelernt habe.
Gustav von Aschenbach muss schon Ende fünfzig gewesen sein, als er sich zu dieser Reise entschied, die seine letzte sein sollte. Das Ziel, das er erreicht hatte, verließ er aber schon nach wenigen Tagen, denn er merkte, dass das dort verkehrende Publikum absolut nicht zu seinem Lebensstil passte. Er reiste ab und fuhr mit einem Schiff, in der ersten Klasse, zu seinem neuen Ziel. Er beobachtete eine Gruppe von jungen Menschen, die sich auf dem Deck des Schiffes unter ihm köstlich und laut amüsierten. Er beobachtete sie genau und entdeckte unter ihnen einen falschen Jüngling, einen als Jugendlichen verkleideten Greis ...
Wie heißt die Novelle?
Hallo Eva,
wie du siehst, bin ich zu dieser späten Stunde noch wach.
Es freut mich unheimlich zu sehen, das meine Tagebuchgeschichten dir gefallen, das gibt mir Kraft, weiter zu schreiben.
Ich habe mich intensiv mit dieser Novelle beschäftigt, die Gedanken und Überlegungen stammen wirklich von mir, zu dreißig prozent Intelligenz, der Rest Intuition.
Du hast sicherlich auch die großartige Verfilmung von Luchino Visconti gesehen, mit der Musik von Gustav Mahler.
Wenn die Gondel auf dem Canale Grande fährt ...
Ich danke dir.
Carlos
wie du siehst, bin ich zu dieser späten Stunde noch wach.
Es freut mich unheimlich zu sehen, das meine Tagebuchgeschichten dir gefallen, das gibt mir Kraft, weiter zu schreiben.
Ich habe mich intensiv mit dieser Novelle beschäftigt, die Gedanken und Überlegungen stammen wirklich von mir, zu dreißig prozent Intelligenz, der Rest Intuition.
Du hast sicherlich auch die großartige Verfilmung von Luchino Visconti gesehen, mit der Musik von Gustav Mahler.
Wenn die Gondel auf dem Canale Grande fährt ...
Ich danke dir.
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