Am See

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
wolpertinger

Beitragvon wolpertinger » 30.10.2013, 08:21

Am See


In den windkühlen
Flimmerspiegel,
die grünlich klare Tiefe,
zu den Steinen,
den runden,
in die Stille tauchen,
traumrauschend mein Blick,
wie vertraut mit tausend Taufen.

Ach hätten sie,
die Steine,
wie Bäume Jahresringe,
ich könnt sie
fürs Erkunden brauchen,
mir ist, als sei ich mir
vor Jahren
selbst entlaufen.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 30.10.2013, 09:44

Ein herrlisches Gedicht! Spricht direkt die Seele an.

Ob beim Weglassen von Versen zwölf und dreizehn es noch an Aussagekraft, an Mysterium gewänne?

wolpertinger

Beitragvon wolpertinger » 30.10.2013, 12:34

Hallo Klimperer,
danke sehr,
zu Deiner aufgeworfenen Frage:Dann wäre aber der Zusammenhang zu den letzten 3 Versen nicht nur zu abrupt, sondern auch nicht mehr ganz so schlüssig.
Grüße
Wolf

Mucki
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Beitragvon Mucki » 30.10.2013, 17:45

Sehr schön, Wolf. Atmosphärisch dicht, meditativ und friedlich mit interessanten Wortschöpfungen. Die von Carlos genannten Zeilen würde ich auch nicht streichen, zumal dann "Jahre" zu dicht aufeinanderfolgt.

Saludos
Gabriella

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 30.10.2013, 18:20

Hallo, Wolf,

ich kann mich den anderen Kommentoren nur bedingt anschließen, mir ist das in der 1. Strophe einfach zu viel: windkühler Flimmer, grünlich klar, traumrauschend - das ergibt für mich ein grünliches Glitzer-Abziehbildchen aus einem Poesiealbum.

In der zweiten Strophe ist das schon anders, Steine, denen man Jahresringe wünscht, das ist ein originelles Bild, das zum Nachdenken anregt. Und übrigens haben manche Steine tatsächlich Ringe, vielleicht findet das lyrische Ich so einen am Grund des Sees? Oder es wirft einen ringlosen Stein ins Wasser und siehe - da sind schon die Ringe! Solcherart könnte ich mir vorstellen, dass man das Motiv weiter entwickeln kann.

Viele Grüße
fenestra

wolpertinger

Beitragvon wolpertinger » 30.10.2013, 21:07

Hallo Gabriella,
danke sehr,

Hallo fenestra,
das ist ja in Ordnung, dass Du das so siehst, so soll es ja meist auch sein, dass jeder ein Gedicht anders sieht.
Danke, dass Du Dich damit befasst hast.
Grüße
Wolf

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 31.10.2013, 08:44

Hallo Wolf, ich würde auch "abspecken". Ich gehöre nicht zu denen, die sofort adjektivallergisch reagieren, aber hier sinds mir auch zu viele.





In den windkühlen
Flimmerspiegel,
die klare Tiefe,
zu den Steinen
in die Stille tauchen


in diese Richtung würde ich wohl gehen.



wie vertraut mit tausend Taufen. - das klingt für mich zu konstruiert, in Deinem Zusammenhang jedenfalls.

Die zweite Strophe finde ich auch besser; sie könnte eigentlich für sich allein stehen, braucht die erste gar nicht unbedingt?

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 31.10.2013, 09:41

Der Dichter spricht nicht von irgendwelchen Steinen, sondern von den runden Steinen unter der Oberfläche des Meeres ... Zu denen will er tauchen, und davor will er in den "windkühlen Flimmerspiegel" und in die klare Tiefe tauchen.

Was spricht dagegen?

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 31.10.2013, 10:51

Was spricht dagegen?


Dass die Tiefe auch noch "grünlich" ist und "traumrauschend" dorthin getaucht wird. Wo bleibt da noch Raum für das eigene Bild?

Mucki
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Beitragvon Mucki » 31.10.2013, 11:01

Amanita hat geschrieben:Die zweite Strophe finde ich auch besser; sie könnte eigentlich für sich allein stehen, braucht die erste gar nicht unbedingt?

Die erste Strophe braucht es schon, finde ich. Sie enthält doch gerade dieses Meditative. Ok, man könnte vllt. bissken abspecken, aber entfallen kann sie m.E. nicht.

wolpertinger

Beitragvon wolpertinger » 31.10.2013, 14:02

Hallo,
Hallo,
was ich nachvollziehen und akzeptieren kann, ist "grünliche" wegzulassen, weil das tatsächlich nicht von Bedeutung ist.
Aber das wäre dann für mich die einzige mögliche Änderung.
Danke sehr Euch allen.
Grüße
Wolf

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 31.10.2013, 15:22

Hallo Wolf,
mich stört das grünlich nicht; eher kommt mir das Ende der ersten Strophe ein bißchen zu t-lastig daher mit tauchen, traumrauschend vertraut tausend Taufen, diese Stelle klingt für mich ein bißchen Rilkisch antiquiert. Die auseinandergezogenen Reime finde ich reizvoll eingesetzt, insofern würde ich das - obwohl es inhaltlich wenig angebunden ist - 'Taufen' als gesetzt annehmen und vermutlich über Alternativen zu traumrauschend nachdenken. Aber auch so, ein schöner Text.
Grüße
Räuber

wolpertinger

Beitragvon wolpertinger » 31.10.2013, 16:26

Hallo Räuber,
danke sehr,
aber die Fassung ist für mich (ohne grünlich) in Ordnung.
Ich finde an:
traumrauschend mein Blick
wie vertraut mit tausend Taufen

eigentlich nichts antiquiert, und außerdem bildet es auch irgendwie eine Einheit mit den letzte 3 Versen.
Grüße
Wolf


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