täterätätt (tatsächlicher titel?)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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fenestra
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Beitragvon fenestra » 12.02.2014, 18:31

täterätätt (tatsächlicher titel? vorschläge werden entgegen genommen)


manchmal denke ich mir eine grotte
wo ich wie ein don quichote diese welt verspotte
und mich abschotte gegen die verrottete
realität

da schriebe ich elegien als ob die medien
mir nicht tagtäglich von der kläglichkeit der welt
berichteten und immer nur das schlechteste
verdichteten das schlichteste gewichteten
als ob der dichter nicht viel höherem
verpflichtet wäre namentlich der
virtuosität

ich würde lächelnd vor mich hin spazieren
und sinnieren über alles rauschen in die wipfel
steigen auf den gipfel meiner _ _ _ affenskraft
sprudelnde worte übers meer abspulen
ohne ölgesudel plastikstrudel all das störende
geschmuddel reime reinigen von peinigender
aktualität

ja ich denke manchmal eine grotte
wo ich die erinnerung verschrotte
all die scherbenhaufen zwischen guten
tagen und dass meine freunde sterben ohne
was zu sagen diese grotte wird verschüttet
mit gebeinen steinen und ganz allgemeinem
zum beweinen ist das
religiosität

Wolfgang

Beitragvon Wolfgang » 13.02.2014, 09:08

Hallo fenestra,

Titel bereiten mir auch Probleme. Wie wäre es mit: Don Quiotte in der Grotte.

Ölgesudel - Plastikstrudel hat mir gut gefallen.

Gruß

Wolfgang

Quoth
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Beitragvon Quoth » 13.02.2014, 09:52

Liebe fenestra,

Wolfgangs Titelvorschlag gefällt mir.

Das ist wirklich ein lustiger, stellenweise fast gerappter Gesang am Rande des Abgrunds.

Damit lässt sich's leben!

Die Verwandlung von Schaffens- in Affenskraft finde ich etwas zu witzig-sein-sollend. Oder ein bloßer Schreibfehler?

Die vierfachen Abstrakta betonen die Strophenhaftigkeit, die aber auch wie versucht und gescheitert wirkt.

Ja, das Scheitern ist der Kern allen Bemühens, nicht das Gelingen. Siehe Don Quichotte.

Gruß

Don Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 14.02.2014, 17:46

Lieber Wolfgang - ich glaube wir sind uns hier noch gar nicht begegnet! Danke für deinen Titelvorschlag. Das ist mir allerdings noch ein bisschen zu klassisch für diesen Text. Ich könnte mir eher was in Richtung "grottenschrott" vorstellen, aber ich grübele noch.

Lieber Quoth, findest du den Text wirklich "lustig"?

Du schreibst, es ist ein fast gerappter Text. Ja, es ist ein Slam-Text, explizit auf den Vortrag hin geschrieben. Daher benötige ich auch das vierfache "tät" an den Strophenenden - als Atempause, als Endpunkt. Außerdem bezeichnen diese Abstracta ja das Verdrängte bzw. wie - zum Scheitern verurteilten - Strategien der Verdrängung.

Was die Affenskraft betrifft: Auch diese fügt sich für mich da sehr gut ein. Ich würde sie im Vortrag nicht betonen, sondern einfach darüber wegsprechen. Dann passt sie wie selbstverständlich hinter Gipfel und steigen - nur eben in Verhöhnung der eigentlich erwarteten Schaffenskraft. Ein Effekt? Na klar, aber so etwas finde ich durchaus erwünscht in einem solchen Text.

Viele Grüße
fenestra

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.02.2014, 18:02

Hallo fenestra,

deine sehr kritischen, gerappten Zeilen finde ich richtig klasse. Und als Titel "grottenschrott" zu nehmen, halte ich für eine gute Idee. Kannst du das büdde lesen für uns? ,-)

Liebe Grüße
Gabi

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 14.02.2014, 18:25

Kannst du das büdde lesen für uns? ,-)


Das musste jetzt natürlich kommen. :mrgreen:

Ich werds versuchen, aber es wird etwas dauern, da ich einen neuen PC habe und erstmal schauen muss, wie das jetzt funktionniert.

Danke für deine Rückmeldung und viele Grüße
fenestra

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.02.2014, 18:31

fenestra hat geschrieben:Das musste jetzt natürlich kommen. :mrgreen:

Na klar! Bei diesem Text schreit's nach einer Vertonung. *g*

Oki, ich werde geduldig warten.

Liebe Grüße
Gabi

Quoth
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Beitragvon Quoth » 15.02.2014, 21:19

Ja, finde ich schrecklicherweise, das ist die Fülle der Assonanzen, die mir ein Grinsen ins Gesicht zaubert, weil Du Deine Trauerbotschaft so perfekt aus der Sprache und ihren Ähnlichkeiten herausquetschst.

Du hast die Abstrakta immer als Satzbestandteile nachklappen lassen, nur die religiosität steht unverbunden da. Da fehlt mir ein Bindeglied!

Gruß

Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 16.02.2014, 11:42

Du hast Recht, der Text soll natürlich auch unterhalten durch seine Form. Sonst wäre der Inhalt zu moralisierend und schwer verdaulich.

Der Schluss hieß erst:

diese grotte wird verschüttet
mit gebeinen steinen und ganz allgemeinem
zum beweinen
das ist religiosität

Das war mir dann aber zu platt und eindimensional. Daher habe ich es als Frage umgestellt: ist das religiosität (mit gleichzeitiger Anbindung an das vorherige: zum beweinen ist das).

Viele Grüße
fenestra

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nera
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Beitragvon nera » 16.02.2014, 14:18

die "religiosität" kommt mir auch etwas zu einsam daher, obwohl es wohl tatsächlich eine verbindung von religion und grotten gibt, wie ich beim googeln zu "blaue grotte" zu quoths sonett gefunden habe. einerseits als nymphenheiligtum/tümern, aber auch sehr oft für marienerscheinungen.
lg

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 16.02.2014, 23:19

Und die Grotte mit den Gebeinen zum Beweinen ist auch eine Bestattungsgrotte. Für mich passt es als Schlusswort immer noch ganz gut. Beim Vorlesen wird sich dann zeigen, ob es trägt. Danke, nera, für den Hinweis auf die Mariengrotten! An die hatte ich gar nicht gedacht, obwohl es sie hier zuhauf gibt.


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