WORT DER WOCHE
- jede Woche ein neues Wort als Musenkuss -
Lyrik, Prosa, Polyphones, Spontanes, Fragmente, Schnipsel, Lockeres, Assoziatives, Experimentelles
- alles zu diesem Wort - keine Kommentare - alles in einem Faden - 7 Tage Zeit -
~ verwitwet ~
WORT DER WOCHE ~ verwitwet ~
Notizen aus dem Turm
Bevor ich geschieden wurde, hatte ich eine Schwiegermama. Wenn sie sich beklagte (was sie gern tat), egal ob über ihre Nebenkostenabrechnung, betrügerische Drücker an der Haustür oder lärmende Kinder im Hof, begann sie gern mit den Worten: „Also ich als Witfrau …“, es klang, als ob sie für sich persönliche Schonung einforderte. Obwohl ihr Mann sie zeit ihres Lebens tyrannisiert hatte und selbst derart untüchtig war, dass sie anlässlich eines dringenden Krankenhausaufenthalts eine Polin für ihn engagieren musste, sonst wäre er vor gefüllten Vorratsschränken verhungert.
Die Scheidung hat mir, neben so vielem anderen, auch diese charaktervolle Frau weggenommen. Als ich mich der Expedition anschloss, kam sie immerhin an den Bahnsteig, um mich zu verabschieden. Ich hatte meinen Haushalt aufgelöst und alles, was ich noch besaß, in drei Koffer verpackt. Die Koffer standen auf dem Bahnsteig. Zwei Freundinnen, eine davon noch aus Schulzeiten, umarmten mich theatralisch mit Luftküsschen; mein früherer Dekanatsleiter stand mit finsterer Miene dabei (er hatte mir mehrmals versichert, dass er mich ungern „verlöre“). Meine Exschwiegermama kam zuletzt. Sie beklopfte meine Koffer misstrauisch mit ihrem Gehstock. „Haste meinen Pelz mit?“, verlangte sie zu wissen. „Meinen Pelz?“
Der Pelz existierte längst nicht mehr. Sie hatte ihn mir abgetreten, weil er ihr nicht mehr passte; der Witwenstand hatte sie dick gemacht. Ich bin keine Pelzträgerin und habe ihn sofort versilbert. Es war Nutria. Ich versicherte, dass ich ihren Pelz im Koffer hätte, den könne ich bestimmt gut gebrauchen dort, wo ich hinginge, in die Einöde.
Ich bin mehr als verwitwet. Ich habe damals alles, was ich besaß, zu Geld gemacht, außer dem Nötigsten; und wo ich jetzt sitze, nährt und kleidet das Geld mich nicht, ermahnt mich nicht und tröstet mich nicht. Die Nutria, die ich leichtfertig weggegeben habe, hätte mir jetzt ein Halt sein können, ein Funke im einförmigen Dunkel.
Bevor ich geschieden wurde, hatte ich eine Schwiegermama. Wenn sie sich beklagte (was sie gern tat), egal ob über ihre Nebenkostenabrechnung, betrügerische Drücker an der Haustür oder lärmende Kinder im Hof, begann sie gern mit den Worten: „Also ich als Witfrau …“, es klang, als ob sie für sich persönliche Schonung einforderte. Obwohl ihr Mann sie zeit ihres Lebens tyrannisiert hatte und selbst derart untüchtig war, dass sie anlässlich eines dringenden Krankenhausaufenthalts eine Polin für ihn engagieren musste, sonst wäre er vor gefüllten Vorratsschränken verhungert.
Die Scheidung hat mir, neben so vielem anderen, auch diese charaktervolle Frau weggenommen. Als ich mich der Expedition anschloss, kam sie immerhin an den Bahnsteig, um mich zu verabschieden. Ich hatte meinen Haushalt aufgelöst und alles, was ich noch besaß, in drei Koffer verpackt. Die Koffer standen auf dem Bahnsteig. Zwei Freundinnen, eine davon noch aus Schulzeiten, umarmten mich theatralisch mit Luftküsschen; mein früherer Dekanatsleiter stand mit finsterer Miene dabei (er hatte mir mehrmals versichert, dass er mich ungern „verlöre“). Meine Exschwiegermama kam zuletzt. Sie beklopfte meine Koffer misstrauisch mit ihrem Gehstock. „Haste meinen Pelz mit?“, verlangte sie zu wissen. „Meinen Pelz?“
Der Pelz existierte längst nicht mehr. Sie hatte ihn mir abgetreten, weil er ihr nicht mehr passte; der Witwenstand hatte sie dick gemacht. Ich bin keine Pelzträgerin und habe ihn sofort versilbert. Es war Nutria. Ich versicherte, dass ich ihren Pelz im Koffer hätte, den könne ich bestimmt gut gebrauchen dort, wo ich hinginge, in die Einöde.
Ich bin mehr als verwitwet. Ich habe damals alles, was ich besaß, zu Geld gemacht, außer dem Nötigsten; und wo ich jetzt sitze, nährt und kleidet das Geld mich nicht, ermahnt mich nicht und tröstet mich nicht. Die Nutria, die ich leichtfertig weggegeben habe, hätte mir jetzt ein Halt sein können, ein Funke im einförmigen Dunkel.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
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