augustwünsche

pandora

Beitragvon pandora » 12.08.2006, 13:20

I

die schimmernden
lettern des sommers
aus dem gewirr
der blattadern lesen
und eilig
hinter die lider kritzeln
bevor sie vergilben
auf grätenpergament

II

um eine einzige schnuppe
bitte ich
als ich in den nächtlichen himmel schaue

dann wird alles gut

kalt glänzen die sterne
die zeit des wünschens ist vorüber

ein porzellanmond
entgleitet meinen händen

Nifl
Beiträge: 3900
Registriert: 28.07.2006
Geschlecht:

Beitragvon Nifl » 12.08.2006, 14:46

Pan!

I gefällt mir sehr gut.

II finde ich schwächer.

Für mich ist "als"eine temporale Konjunktion, die das Präteritum verlangt.
Bin da:

um eine einzige schnuppe
bitte ich
als ich in den nächtlichen himmel schaue

mit dem Präsens jedenfalls ins Stolpern gekommen.

Den Porzellanmond verstehe ich nicht.

I. und II. gehören aber nicht zusammen, oder ?

LG
Nifl

Max

Beitragvon Max » 12.08.2006, 17:42

Liebe Pandora,

ich könnte wirklich nicht so präzsie sagen, welches von beiden ich stärker finde. Das Bild in I ist für mein Gefühl dichter, die Blattadern als Schrift, die Lider der Augen als eigenes Heft, das finde ich stark und frisch. In II gefällt mir, dass man das Gefühl mitlesen kann, bswonders in

dann wird alles gut


und in


die zeit des wünschens ist vorüber


Da schwingt Wehmut mit, die ich nachempfinden kann. Was die von Nifl angenifelte Konjunktion angeht, könnte ich mir ein "wenn" dort ebenso vorstellen.

Den Porzellanmond lese ich als Metapher für Wünsche, wenn erentgleitet, zerbricht er .. außerdem passt er in meinem Gefühl für Porzellan (Max's Gespür für Porzellan ;-) ) zu dem klaten Glanz der Sterne.

Liebe Grüße
max

PS: Gut, dich wiederzulesen.

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 16.08.2006, 15:16

Liebe pandora,

mir gefallen beide Texte auf ihre Art, ich habe auch erst versucht sie zu sehr zusammen zu lesen, aber das, was sie verbindet, sagt ja der Titel: es sind beides Augustwünsche. Für mich ist zwar in beiden von ähnlichen Versuchen die rede...aber die Stimmung, in der versucht/abgebrochen wird ist doch serh verschieden...zum Beispiel tauchen ganz unterschiedliche farbassioziationen zu den beiden Text(-teilen) auf: zum ersten ein braungold....zum letzten einblauschwarz mit weiß...(was durchaus insgesamt ineinander stimmt).

Interessant wäre doch auch die beiden texte andersherum anzuordnen - das ergäbe für mich eine ganz andere "Hoffnungskonklusion" - aber da es um Zeit geht, ist es wohl unmöglich (soll heißen, nach meinem Empfindungen würde ich es wohl auch so herum setzen...).

Dichterisch bin ich auch am ersten Text näher dran, allerdings muss ich sagen, dass es stimmt, was max schreibt:

In II gefällt mir, dass man das Gefühl mitlesen kann


Besonders stark in I finde ich wiederum das Grätenpergament, weil es sowohl als Wortschöpfung als auch in Bezug auf das Erzählte klar dasteht...und schön dazu! Blätter die bald vergangen sind und deren Inhalt mit ihrem vergehen verschwindet...jaa...


nifl: Bist du mit dem als sicher? Für mich ist es auch mit Präsens verbindbar: Und als ich in die Straße einbiege, sehe ich dich....ich glaube es stockt vielleicht, weil meist das Als den gesamtsatz einleitet und nicht als zweites folgt? Interessant aber deine Frage, wo kann man SOWAS nachlesen ;-). Ich bin mir jetzt übrigens nicht mehr ganz sicher...es klingt doch ein wenig komisch...

Begeisterte grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 16.08.2006, 16:39

Liebe Pandora,

ein wunderschönes Gedicht zum August. Mir geht es auch immer so, dass ich kurz vor meinem Geburtstag das Gefühl habe, der Sommer sei schon vorbei, weil die ersten Blätter von den Bäumen fallen.

Was die Grammatik betrifft, muss ich Nifl zustimmen. "Als" ist in diesem Falle eine temporale Subjunktion und steht nur mit dem Präteritum, es sei denn man möchte ein "historisches Präsens" benutzen. Das wäre möglich.

In jedem Falle muss bei einer temporalen Subjunktion die Gleichzeitigkeit zwischen Haupt- und Nebensatz gewährt werden. Du könntest also schreiben:

um eine einzige Schnuppe
bat ich
als ich in den nächtlichen Himmel schaute

dann würde alles gut werden

kalt glänzen die sterne
die zeit des wünschens ist vorüber

ein porzellanmond
entgleitet meinen händen

Aber das Gedicht ist sehr schön und erinnert mich an ein Gitarrenstück: A cold and fickle moon.

Beste Grüße

Paul Ost

steyk

Beitragvon steyk » 17.08.2006, 18:35

Liebe pandora,
der erste Teil ist einfach toll.
Beim zweiten Teil tendiere ich
zu Paul's Vorschlag.
Auch wenn du nichts änderst
ist es insgesamt ein wunderbares Werk.

Gruß Stefan

Louisa

Beitragvon Louisa » 24.08.2006, 21:45

Hallo Pandora!

das ist ein wunderschöner, berührender Text! Ich verstehe es so, dass I eine vergangene Zeit und II, die Jetztige zeigt. Ich finde das so gelungen und würde nichts an den Zeitformen ändern!

Die schönsten Wortschöpfungen wurden schon angepriesen, also belibt mir nur mich anzuschließen. Auch den Mond aus Porzellan finde ich perfekt!

Liebe Grüße, louisa

Florestan
Beiträge: 34
Registriert: 23.08.2006

Beitragvon Florestan » 26.08.2006, 01:55

Liebe Pandora,

mal wieder ein Gedichtepaar von Dir, wie ich es immer liebe! Einfach stimmungsvoll!

@Nifl: Erst mal hast Du recht mit dem „als“, dann aber:

@Paul: Ist „historisches Präsens“ ein Terminus technicus, oder stammt der Ausdruck von Dir? Finde ich jedenfalls gut.
So ähnlich empfinde ich auch diese Verse: Eine seltsame Vermischung von Gegenwart und Vergangenheit. Und gerade das gewisse „Stolpern“ bringt für mich eine zusätzliche Spannung herein, die mir sonst fehlen würde.
Ich denke, mit dem o.g. Begriff meinst Du, daß ein Satz grammatikalisch als Präsens ausgedrückt wird, der inhaltlich Vergangenes meint.
An dieser Stelle des Gedichts würde ich aber noch einen Schritt weiter gehen: Da der Rest dieser Strophe in klarem Präsens bzw. der Vers „dann wird alles gut“ sogar in „futurischem Präsens“ steht, oder wie immer man das auch nennen mag, habe ich das Gefühl, daß das historische Präsens wieder in die Gegenwart geholt wurde, ohne da jedoch richtig anzukommen. (Ich weiß: Das habe ich jetzt eher emotional als grammatikalisch ausgedrückt; aber wie soll ich es sonst sagen?) Dadurch entsteht auf der zeitlichen Ebene so ein seltsamer Schwebezustand.
Ich wüßte nicht, wie man diese Stelle abändern sollte, ohne daß gerade dieser spezielle Reiz verlorengehen würde.

Liebe Pandora, ich empfinde also auch die 2. Strophe als völlig stimmig.

Liebe Grüße,
Dein Florestan

pandora

Beitragvon pandora » 27.08.2006, 19:22

@ alle: danke fürs lesen und eure kommentare!
ich kann die einwände von nifl und paul gut nachvollziehen und würde daher den änderungsvorschlag als variante übernehmen.

@louisa: danke besonders auch für deine gedanken. beide gedichte enthalten augustwünsche, aber die situation die zu den wünschen führt, ist jeweils eine andere. ich hoffe, nächstes jahr ist das lyrICH erneut in der lage, einen spätsommerwunsch zu äußern. :pfeifen:

I

die schimmernden
lettern des sommers
aus dem gewirr
der blattadern lesen
und eilig
hinter die lider kritzeln
bevor sie vergilben
auf grätenpergament



II

um eine einzige Schnuppe
bat ich
als ich in den nächtlichen Himmel schaute

dann würde alles gut werden

kalt glänzen die sterne

die zeit des wünschens ist vorüber

ein porzellanmond
entgleitet meinen händen


p.


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste