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Klimperer

Beitragvon Klimperer » 02.07.2016, 14:31

Die Blätter
der Platane
winken dem Wind

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 04.07.2016, 01:26

Zefira hat geschrieben:... bei Feyerabend gelesen, der meinte, "wissenschaftliche" Meteorologie funktioniere genauso gut oder schlecht wie rituelle Regentänze.

Kommt auf den Vorhersagezeitraum an. Für die nächsten sechs Stunden funktioniert sie deutlich besser als Regentänze ...

pjesma

Beitragvon pjesma » 06.07.2016, 23:38

Vielleicht sinds auch eichhoernchen die mit den puscheln wackeln?

Klara
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Beitragvon Klara » 07.07.2016, 11:45

Wahrheit bedeutet Übereinstimmung zwischen Aussage und Tatsache.
Oha...

Ich würd mal denken, dass das eine sehr gewagte - und im Zweifel nicht vollständig wahre - Definition ist ;)
Allein schon wegen der Zweifelhaftigkeit des Begriffs "Tatsache".
Und weil eine Übereinstimmung von "Aussage" und "Tatsache" rein technisch nicht möglich ist: Das eine ist sprachlich, das andere nicht unbedingt.

herzlich
klara

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Beitragvon Pjotr » 07.07.2016, 19:46

Deshalb werden wir auch nie ganz sicher die Wahrheit wissen.

Ich weiß ja nicht mal sicher, ob ich bin und ob ich denke. Es könnte eine Illusion sein.

Das ändert aber nichts an der Definition des Wahrheitsbegriffs. Auch wenn wir außerhalb der philosophischen Erkenntnistheorie diskutieren und beispielsweise über historische Wahrheiten reden, so bezeichnet auch da der Begriff das Verhältnis zwischen Tatsache und Aussage, wie etwa in der unwahren Aussage "Es gab keinen Holocaust" und der wahren Aussage "Es gab den Holocaust". Es gibt unzählige empirische und rationale Erkenntnisse, die die Tatsachenvermutung erhärten. Mein ganzes Leben, das ganze Universum könnten zwar eine Illusion sein. Aber die Definition des Wahrheitsbegriffs muss das nicht beeinträchtigen.

Die Definition des Wahrheitsbegriffs ist ja menschengemacht. Die Definition selbst ist nicht naturgegeben oder gottgegeben oder so. Vielleicht denkst Du gerade an den Begriff "Wirklichkeit", Klara? Den meine ich nicht. Ich meine "Wahrheit", nicht "Wirklichkeit". Wahrheit ist ein Begriff aus der Aussagenlogik.

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Beitragvon Klara » 08.07.2016, 10:01

"Wahrheit" ist ein Begriff aus allen möglichen Bereichen - auch z.B. aus der Theologie ;)
Wenn du da kommst mit "Übereinstimmung von Aussage und Tatsache", wird es schwierig, weil die "Tatsache" beweglich und wandelbar ist.

Wahrheit in der Logik ist ja vergleichsweise simpel ;) - allerdings nicht immer logisch, wenn ich mich richtig an einige inhaltlich absurd anmutende,aber formal völlig logische Schlüsse erinnere, damals, im Philosophie-Studium, Logik... ist schon ne Weile her -

Wahrheit auf den Bereich der Logik einzugrenzen, würde ihr m. E. keinesfalls gerecht.

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Beitragvon Pjotr » 08.07.2016, 14:49

Wie ist er in der Theologie definiert?

Ich meine, wahr oder unwahr können nur Aussagen sein.

Vermutlich denkst Du, wenn ich den Wahrheitsbegriff definere, ich würde die Wahrheit definieren. Das tue ich nicht. Ich weiß die Wahrheit nicht. Ich weiß nicht, ob die Aussagen in der Bibel wahr oder unwahr sind. Ich behaupte nur, was die Begriffe "wahr" und "unwahr" bedeuten, und was "wahr" und "unwahr" sein kann, nämlich Aussagen. Also Beschreibungen. Befehle zum Beispiel können nicht wahr oder unwahr sein. Sie können vielleicht falsch oder richtig sein in Bezug auf einen Zweck. Aber nicht in Bezug auf einen Sachverhalt. "Gott ist groß" ist kein Befehl, sondern eine Aussage. Ob die Aussage wahr oder unwahr ist, weiß ich nicht. Der große Gott ist der Sachverhalt, und "Gott ist groß" ist die Beschreibung. Wenn der Sachverhalt mit der Beschreibung übereinstimmt, ist die Beschreibung wahr. Den Sachverhalt selbst muss das nicht kümmern.

Ich kenne mich mit Theologie nicht aus. Aber besteht nicht auch sie aus Sprache?

Mit Religion kenne ich mich auch nicht aus. Wenn eine Gläubige sagt, Gott spricht die Wahrheit, dann habe ich keinen Einwand. Ich selbst weiß die Wahrheit ja nicht. Ich weiß nur, was die Begriffe "Gott", "spricht", "Wahrheit" im Deutschen bedeuten. Ich definiere auch den Begriff "Nordpol". Ich selbst war aber noch nie am Nordpol.

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Beitragvon Klara » 08.07.2016, 21:15

Danke für deine ERläuterungen, aber ich hatte, denke ich, schon verstanden.
"Wahrheit" als Abstraktum kann man nicht definieren, so etwas würdest du oder jemand anders wohl nicht tun.
Aber du hast definiert, ich habe dich ja zitiert, ab wann etwas als wahr gelten kann.
Und ich habe dem nicht widersprochen, aber in Frage gestellt, ob nur das als wahr gelten kann, was du als solches definiert hast. Im Verfahren. Mir scheint, an dem Verfahren stimmt etwas nicht. Es mag ein notwendiger Behelf sein, aber es ist eben doch ein Behelf, wie jeder Begriff.

Was wahr ist, weiß, glaube ich, niemand.
Und vielleicht ist das auch ganz gut so - die große Chance, einander Irrtümer zu vergeben ;9

klara

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Beitragvon Pjotr » 08.07.2016, 21:36

Klara hat geschrieben:Danke für deine ERläuterungen, aber ich hatte, denke ich, schon verstanden.
Aber du hast definiert, ich habe dich ja zitiert, ab wann etwas als wahr gelten kann.
Und ich habe dem nicht widersprochen, aber in Frage gestellt, ob nur das als wahr gelten kann, was du als solches definiert hast.

Ich glaube, wir reden aneinander vorbei.

Ich sagte nicht, wann etwas als wahr gelten kann. So etwas wie Dinge, Sachen, Phänomene, Gegenstände, Befehle, Fragen können weder wahr noch unwahr sein. Sie können wirklich oder unwirklich sein. Aber nicht wahr oder unwahr.

Nur Beschreibungen (Aussagen) können wahr oder unwahr sein.

Eine Frage wie "Sind das Pommes?" kann weder wahr noch unwahr sein.

Ein Befehl wie "Gib mir Pommes!" kann weder wahr noch unwahr sein.

Eine Aussage wie "Das sind Pommes" ist entweder wahr oder unwahr.

Pommes an sich können nicht wahr oder unwahr sein. Sie sind keine Aussage. Pommes können wirklich oder unwirklich sein.

Ob die Aussage "Das sind Pommes" wahr ist, weiß ich nicht. Und ich definiere dieses Etwas auch nicht. Ich definere nur, dass der Wahrheitsbegriff auf zwei Seiten beruht: Auf der einen die sprachliche Beschreibung, auf der anderen die beschriebene Tatsache selbst. Die Überprüfung der Tatsache ist oftmals natürlich schwierig bis unmöglich; da sind wir uns einig, denke ich.


Pjotr

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Beitragvon Klara » 20.07.2016, 18:56

... ah gefunden.
Hier war ich noch eine Antwort schuldig, über einen anderen Wahrheitsbegriff.
Musste nur erstmal Zeit finden und den richtigen Faden suchen.

Der deinige, Pjotr, dem ich dies schuldig bin, bzw. der aussagenlogische Wahrheitsbegriff ist ja ein zutiefst technischer, funktionaler. Man könnte hier "wahr" auch mit "richtig" oder "korrekt" wiedergeben -und auf das Substantiv verzichten. Denn dieses hat ja auch einen emphatischen Mitklang, wenn nicht Urklang.

Aber du fragtest nach dem theologischen Wahrheitsbegriff - eine der emphatischen MÖglichkeiten, Wahrheit zu be-greifen:

"Die griechische Übersetzung des Alten Testamentes, die Septuaginta, gibt das hebräische Wort sowohl durch das griechische Wort, das wir mit GLUABE übersetzen (pistis), als auch durch das griechische Wort, das wir mit WAHRHEIT übersetzen (aletheia) wieder. Der GLAUBE hat also von Hause aus einen eminenten Bezug zur WAHRHEIT. Wahr aber nennt man im Alten Testament das, worauf man sich unbedingt verlassen kann. Wahr ist das, worauf man zuürkckommen kann - und siehe: es steht noch, es ist noch dasselbe. Auf die WAhrheit ist Verlaß. Was wahr ist, hat deshalb Bestand, ja es verleiht Bestand. In diesem Sinne wird vor allem Gott das Prädikat Wahrheit zugesprochen. Denn auf Gott kann man sich unbedingt verlassen." (Eberhard Jüngel)

So gesehen ist Wahrheit - Glaubenssache :)

Vergleich auch zum emphatischen bzw. religiösen WAhrheitsbegriff den Evangelisten Johannes, Kapitel 14, Vers 6: "Ich bin der Weg, die WAhrheit und das Leben."

Das ist sicherlich keine Aussage, die sich auf "richtig" (oder technisch "wahr") und "falsch" überprüfen bzw. herunterbrechen lässt - und spricht dennoch für viele eine Wahrheit (aus). Behauptet diese.

Was ich damit sagen will: "Wahrheit" hat eine Bedeutung, die über eine "richtige" und "falsche" Aussage hinausgehen kann - weil sie über die sprachlich/begrifflich Fassbare hinausgeht. Da fällt dann zwar die Verständigung schwer, was aber nicht notwendigerweise gegen diesen anderen Wahrheitsbegriff spricht.

Herzlich
klara

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Beitragvon Pjotr » 20.07.2016, 19:39

Danke für die Erläuterung. Ich akzeptiere sie jetzt einfach mal so.

Aber ich will hier trotzdem nochmal aufschreiben, was für Fragen mir durch den Kopf gehen, wenn ich diese Erläuterung lese:

"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben." -- Die drei Wörter Weg, Wahrheit, und Leben begreife ich hier als Umschreibungen für etwas anderes abstraktes. Ich frage mich, kann man das konkretisieren? Gott sei der Weg. Kann man das wie folgt konkretisieren? Gott habe alle Fäden in der Hand, er lenke alles, vertraue ihm, dein Leben geht nur via Gott. So? Dann zum nächsten Wort: Nur Gott weiß alles, er ist allmächtig, er bestimmt alles, daher ist zwangsläufig alles, was er über die Welt und über dich sagt, wahr. Zum dritten: Das Leben wird von Gott geschenkt, der Herr gibts, der Herr nimmts, er ist alles Leben. Kann man so das Gemeinte ungefähr annähern? Wenn ja, dann steckt im zweiten Teil klammheimlich und schlussendlich doch eine Aussage, beziehungsweise mehrere Aussagen: Alles, was Gott sagt, ist wahr. Gott ist alles, Gott ist auch Sprache, Sprechen, Sagen, Reden. Macht diese Interpretation Sinn?

Und dann frage ich mich, können diese "theologischen" Wahrheitsbegriffe denn auch Sinn machen -- egal ob Aussagen heimlich impliziert sind oder nicht? Es gibt ja diese alte Theodizee-Problematik, die vor allem im Zusammenhang mit dem Holocaust besonders problematisch ist: Wenn es wahr ist, dass Gott allmächtig und allgütig ist (das sind zwei Aussagen), wie kann er dann ausgerechnet dem jüdischen Volk, das so streng und treu dem alten Testament folgt, und das in der Antike gar als von Gott "auserwählt" galt, so etwas unendlich grausames widerfahren lassen? Hier frage ich mich, ob die Bibelautoren (ich bin mir sicher, dass nicht Gott sondern Menschen die Bibel schrieben) so eine Art "flexibler Wahrheitsbegriff" kommunizieren wollten -- ich will nicht sagen Halbwahrheit, aber vielleicht Zweidrittelwahrheit, wobei niemals alle drei Drittel zugleich aktiv sein können, weil sie sich gegenseitig abstoßen. Da haben es die Buddhisten leichter, sie schauen einfach nicht hin, wenn es nicht passt (was auch nicht mein Weg wäre).


Ahoy

Pjotr

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Beitragvon Klara » 21.07.2016, 11:33

Danke für deine Gedanken und Fragen, Pjotr.

Klar stecken darin Aussagen, die, wie mehr oder weniger alle Aussagen, Wahrheit behaupten.
Ich nehme an, dass der WAhrheitsgehalt nicht bei allen Aussagen überprüft werden kann.

Die Theodizee ist ein Schmerz, ja. Gott hat nicht die Macht, die Menschen vom Übel abzuhalten. WARUM HIMMEL HERRGOTT NOCHMAL .
Die Freiheit, die VErantwortung, Mist zu bauen, gehört zu uns Menschen dazu.
Wir sind so frei, einander zu töten, zu quälen, uns zu überheben, uns selbst zu zerstören und die Erde gleich mit.
Ich nehme an, Freiheit ist Gottes Wille, was wir damit machen, unser Bier.
Aber das wäre nun arg kurz gegriffen. Es gibt keine Antwort. Das ist vielleicht eine tatsächlich wahre Aussage: dass es keine Antwort gibt, auf viele Fragen. MItunter auf die wichtigsten. Da gibt es nur Fragen. So gesehen, frage ich mich, ob nicht doch eine Frage wahr sein kann, wahrer als eine Antwort, auch wenn - gerade weil - es keine Aussage ist.
Ich frage mich, ob Gott eine Frage ist. Die ich stelle. Die mir gestellt wird. Die Frage nach dem Guten.

Einen "flexiblen Wahrheitsbegriff" wollten die Autor(inn?)en der Bibel wohl nicht kommunizieren, sie hbaen sich ja auch nciht abgesprochen oder so. Es sind viele, die daran mitschrieben, über Jahrhunderte hinweg sind die Texte entstanden, zum Teil wurzelnd in noch viel älteren - ägyptischen, babylonischen, vermutlich auch matriarchalen - Kulturüberlieferungen.
Es ist wohl eher so, dass die Wahrheit, aus Sicht eines gläubigen Menschen, nie ganz erkannt oder enthüllt werden kann. Erkenntnis ist erst später möglich, nach dem Tod. Vgl. zum Beispiel den - auch ohne Gottglauben aus philosophischen, weltliterarischen und historischen Gründen übrigens äußerst lesenswerten - 1. Brief des Apostel Paulus (das ist der, der vorher der Saulus war) an die Korinther (Kapitel 13):
Das Hohelied der Liebe

Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.
Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf,
sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,
sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.

Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.
Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.

Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.

Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.


(Hervorhebung von mir, Übersetzung nach Luther 1984)

Vielleicht ist gute Literatur, unabhängig von ihrem aussagenlogischen Wahrheitsgehalt, emphatisch gemeint immer WAHR - weil sie klingt. Resonanz hat. Weil sie (auch für Liebe im weiteren Sinne) öffnet. Wahrheit ist ja, vermute ich, eine Frage, die die Menschen stellen - nicht die Pflanzen, Tiere, Steine. Als gläubiger Mensch gehe ich davon aus, dass die WAhrheitsfrage nicht von mir, Mensch, endgültig beantwortet werden kann - aber gestellt werden muss.

herzlich
klara


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