Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 25.07.2016, 00:36

die wahrheit kann
man sich schwerer merken
in den eigenen vier wänden
ist sie oft
unbegreiflich
und unfassbar
sie ist
ein treuer schatten
aber ich halte sie nicht
und nichts hält sie
die von anfängen umrankt
und gefangen bleibt
in sich selbst
irgendwo über mir

pjesma

Beitragvon pjesma » 31.07.2016, 02:56

xxx
Zuletzt geändert von pjesma am 04.08.2016, 10:23, insgesamt 1-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 04.08.2016, 00:25

der fall ist ein startschuss
ein aufbäumen im sinken
und klebt doch im anfang

man müsste zertreten können
aussaugen der säfte wollen
das wegspucken der kerne dürfen

aber es bleibt
der gedanke an veränderung
der unzufrieden zurücklässt
was auf erneuerung wartet

irgendwann
ganz sicher
irgendwann

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nera
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Beitragvon nera » 04.08.2016, 01:02

die schwelle
war eine bohle
mein absatz könnte in der ritze stecken
bleiben
für einen moment
denke ich das und dass ich barfuss tanzen möchte
mit splitter zwischen den zähnen
wenn ich lügen nage
und dass
dass ich nie absätze zu grabe trage
nie tragen sie mein gewicht
zwischen tango und wahrheit oder walzer
(das flüsterst du mir trunken in die augen)
stolpern wir über unsere allzu kleinen schwellen

gestern ist einer gestorben und ich habe seine hand gehalten und nichts gedacht
heute ist etwas gestorben und wir haben es lachend gefeiert

ein wort nur ein wort ist eine schwelle eine ritze und absätze stöckeln und spinnen
spinnen worte von eiche zu eiche und wahrheit und wort

glühwürmchen wimmeln
und du tanzt mir einen garten

Niko

Beitragvon Niko » 04.08.2016, 02:56

über die schwellen
bin ich geschnitten
da war keine bohle kein pflock
aber überall war spliss aufgereiht
von beäugenden auguren
und jeder sah nur was alle sahen
sehen wollten
sich
selbst im vergessen
die verzückung des nachlasses
und wir alle ließen nach
bauten eine kirche des scheins
um unsere knöchernen leben
und grinsten
wie sich das für gestorbene gehört
nach einer weile

aber lasst uns das gestern planen
es wartet schon auf morgen
so dachten wir im abspann
und bemerkten das es zeit wurde
endlich locker
zu lassen
zu sein

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nera
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Beitragvon nera » 15.08.2016, 01:26

endlich locker zu
lassen

erwartet ein morgenmond
ganz blass
kämpft mit dem licht der sonne
um aufmerksamkeit und dem abendstern
morgenstern
endlich locker zu lassen
schimpft frau holle
marie und schüttelt sich sternschnuppen
aus den augen
ihr in die augen in die haare
locker mädchen die hüften
die schultern
dass es blüten regnet und küsse
und das mondlicht ist gefangen im brunnen
und leuchtet
leuchtet

endlich

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nera
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Beitragvon nera » 26.08.2016, 00:38

endlich hat der efeu mich ganz und gar
(wie deine augen)
umschlungen und das mondlicht
hat die welt in zwei lager geteilt
in die schatten von hornissen oder kolibri
und riesen ruhen lagern entfachen
feuer und singen wiegelieder und wiegen sich
zum knistern wenn hornissen die flieder melken
und der mond der mond
(wie augen) und auch
um
haaresbreite haarspaltend ein moment
der wind und die mondschatten
(der wind ist neu: zärteln deine augen)
doch der efeu blüht und ist alt ganz neu
und blickdicht

du träumst das lager eine wimperschlagzeitlang
dir singt ein kolibri das mondlied
und die schatten sind immer riesen und das licht
ein graben und du ordnest den tag
mit den augen

Niko

Beitragvon Niko » 26.08.2016, 17:22

also schreib ich nur
und danach und wonach mir zumute ist
klebe signalpflaster auf unauffälligkeiten
singe lieder über das verschwiegene

ich nenne mich rückwärts
und staune über alles hinweg
was mir gestern noch belanglos schien
ich bin wer bin ich wer
in der geldbörse ein verlorener groschen
der jetzt gesuchter cent heißt

das wars
warum die tage zwischen hell und dunkel
schwanken taumeln fallen
weil ein wort seine trauer verlor

Niko

Beitragvon Niko » 30.08.2016, 23:35

gerissen bin ich
durch mich und die mitte
ist ein ort ohne ränder
geworden ist alles leichter
zu vergehen und stehen
zu bleiben habe ich mir
immer untersagt
das stehen in der türe
zweideutige hinweise
auf die ausflüge in ein heiles
ein weltbild

hier schreibe ich also
rissige verse über
stark gekrümmte lebensadern
streue salz auf jeden nebenarm
und spucke in mein feuer
nichts soll heiß sein
was immer ich auch schmiede


.

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birke
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Beitragvon birke » 03.09.2016, 23:22

die ränder ausgefranst
jedes jahr leichter
zu fuß
durchs gebirge
übers meer
am horizont
mäandern wege
und jeder führt mich
zu mir
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

https://versspruenge.wordpress.com/

Niko

Beitragvon Niko » 07.09.2016, 11:12

Ich hab mich übersehen
und die mauern dazwischen
zwischen dem haufen einsamkeit
steht eine schüttere blüte
unausgegoren und doch
so sehr voller zukunftsahnen

und dann kam wer und pflücke sie
pflücke auch mich
und immernoch schreibe ich
mein requiem auf jedes
der fallenden blätter

Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.09.2016, 17:36

Aus meinen Fingern tropft es
und ich denke als Sprechender
wenn du singst, ein Mondlied
über flüchtige Zartheit
sich unsere Geschlechter umfassen
glatt geschrieben winden

In meinem Traum
stürzte ein kleiner Hund vom Plateau
und ein dicker Alter meinte
natürlich sei er verreckt
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Niko

Beitragvon Niko » 12.09.2016, 16:26

als ein gravierender meinen
etwas habe verändert
sich und mich
lieder einkerben
vom verlorenen sohn
über den felsspalten der sprachlosigkeit
ziehen verse der unachtsamkeit
und stürzen sich
singend in die tiefe
die immer einen Grund kennt

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 12.09.2016, 16:34



in meinem traum
sieht man nicht das weiß
im auge des pferdes
die panik vor den höhen und dem fall
den menschen und unwegen
umwege zwischen
hier und dort (lockt)
die flußüberquerung
flatternde fähnchen (im wund ruft das gedicht
im wind!) sorgenfallen plattenspielersprünge
die wahl der qual (funkelfurunkel)
((glückskekse))

der mond war still
und rau waren unsere stimmen
am lagerfeuer unserer geschichten

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)


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