diese angenommene angst

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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birke
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Beitragvon birke » 10.10.2016, 18:56

.
die angst vor dem "fremden"
diese angst um die deutsche kultur
befremdet mich:
ich wäre allenfalls stolz
auf ein land
welches die arme öffnet
das bunte annimmt
und aufnimmt
ich jedenfalls mag
wildblumen, die das land
nicht nur verschönern
sondern befruchten






zeilen gestrichen, und somit eigentlich das ganze gedicht, weil offenbar zu missverständlich.



.
Zuletzt geändert von birke am 01.11.2016, 14:12, insgesamt 1-mal geändert.
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Zefira
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Beitragvon Zefira » 11.10.2016, 15:08

"Aber" und "jedoch" würde ich auch nicht setzen, weil das wie ein Gegensatz zum zuvor genannten Befremden wirkt, aber das Befremdetsein und das Stolzsein entspringen ja demselben Gefühl, nämlich, dass man die Neuankömmlinge willkommen heißen sollte.

(Danke, Last, für Deinen letzten Kommentar!)
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

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birke
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Beitragvon birke » 11.10.2016, 15:21

danke euch soweit erstmal :) - alle kommentare sehr interessant für mich (denn deshalb steht ja der text hier, um zu sehen, was er für reaktionen auslöst.)

liebe zefira, das mag sein… und nein, natürlich will ich nicht in diese richtung mit dem text. sondern in genau die andere?

lieber last, ja, danke, ein guter kommentar. natürlich ist es nicht so einfach!
dieser text ist schon ziemlich undifferenziert formuliert – aber genau das sind ja gewisse äußerungen wie: „deutschland den deutschen!“ auch – und dieses ist einfach eine art gegenpol.

funktioniert scheinbar aber nicht so richtig… ;) zumindest nicht bei jedem?!

lieber niko, danke sehr für deinen kommentar, der mir zeigt, dass der text offenbar polarisiert – einigen scheint der vergleich ja doch etwas zu sagen, und zwar etwas positives, so wie es natürlich hier gemeint ist, aber das geht ja auch aus dem text eindeutig hervor.
(die stelle mit dem „befremdet mich“ und „allenfalls“ muss ich noch mal überdenken, ich sehe da momentan keine echte diskrepanz? ein „aber“ oder „jedoch“ wäre für mich nicht richtig hier, denn es geht schon darum ein „wenn überhaupt“ auszudrücken)

liebe grüße
birke
Zuletzt geändert von birke am 11.10.2016, 15:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Zefira
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Beitragvon Zefira » 11.10.2016, 15:23

Warum nicht einfach "ich wäre stolz"? Das scheint mir am treffendsten.
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 11.10.2016, 20:58

Hallo birke,

ich wollt' noch sagen: Der Titel ist gut!

Aber genau deswegen enttäuscht mich das, was dann kommt. Es ist mir einfach zu "nett", und diese Nettigkeit wird sogar zum Blümchenbild am Schluss. Abgesehen, dass (Wild-)Blumen eben nicht "befruchten" können, finde ich auch das Bild der Wildblumen ziemlich bedenklich. Das würde ja sagen, dass sie keine "kultivierten" bzw. Kultur-Blumen oder Pflanzen sind - und ich weiß nicht ...

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Hetti
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Beitragvon Hetti » 11.10.2016, 21:54

Ich habe die letzten drei Zeilen als Bekenntnis zu Offenheit und Vorurteilsfreiheit gelesen. Es geht in dem Text nicht um gesetzlichen Mindestlohn für Flüchtlinge, sondern um deutsche Leitkultur, deren ängstliches Bewahren beim Lyrich Befremden auslöst. Geht mir genauso. Und ich komme damit klar, dass das blumig ausgedrückt wird. Aram fragt, wie befruchten Wildblumen das Land. Ja wie wäre es mal mit Phantasie? Die Phantasie ist natürlich immer abhängig vom kulturellen Hintergrund des Rezipienten. Deshalb kann ich die Bedenken zumindest von Aram nachvollziehen. Aber Birke hat das Gedicht vor ihrem kulturellen Hintergrund geschrieben. Und ich finde, dass sage ich jetzt mal in allerbester Feedback-Manier, ich finde ihren kulturellen Hintergrund, neben anderen kulturellen Hintergründen, die mir ebenfalls gefallen, ganz o.k.

Abendliche Grüße
Hetti

jondoy
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Beitragvon jondoy » 12.10.2016, 00:52

Hallo birke,

hab den Faden gelesen, es drängt mich spontan dazu, etwas dazu zu schreiben

ich fürchte :smile: , ich kann das Gedicht total verstehen, ich glaube genau zu wissen, was mit diesen zeilen ausgedrückt werden will, gleichzeitig bin ich mir absolut sicher, dass ich mich irre, woher soll ich denn das wissen, lediglich die überschrift befremdet mich etwas, es fällt mir schwer, mir die da im titel beschriebene angenommene angst überhaupt zu vergegenwärtigen, kann mich empathisch wohl nicht so wirklich in etwas für mich abstraktes, dass ich nicht so unterschreiben würde können, hineinversetzen, ...


..als kind lies meine phantasie im Kopfkino, wenn gezeitenmäßig sportliche Großereignisse die Medien in wochenlanges gewerbsmäßiges Verzücken setzten, dadurch angeregt, oft zusammenphantasierte `Märchenfilme´ vor meinen Augen abspielen, deren regisseur ich war und wohl deshalb ich sie natürlich mit mir in der Hauptrolle besetzte, die sportart, die die Hauptrolle betrieb, war völlig nebensächlich, die variierte in jedem Film, meine Phantasie tauschte sie aus, wie es ihr gefiel, die Hauptrolle wurde natürlich immer olympiasieger oder weltmeister und musste dann zur siegerehrung schreiten, als Sportler kam man offensichtlich nicht darum herum, das hatte ich als Kind gelernt, in diesen Filmen, die nie einen Verleiher gefunden haben, hat sich die Hauptrolle jedesmal medienwirksam geweigert, bei ihrer Siegerehrung der anwesenden Kapelle bzw. dem anwesenden Band das Abspielen die deutschen Hymne zu erlauben, obgleich ihr Ausweis dazu Anlass gegeben hätte, in meinem tagträumen hat die Hauptrolle jedes Mal eine andere Melodie „geordert“, keine offizielle hymne irgendeines landes, höchstens eine ihr Denken repräsentierende fiktive...die Ode an die Freude hätte es gerade noch durchgehen lassen,
damals als Kind fand ich es doof, dass sich ein sportler bzw. eine sportlerin nicht aussuchen darf, welche „Hymne“ zu dessen/deren Siegerehrung gespielt wird, sondern sich nach den wünschen seines geldgebers richten muss, der seinen sport finanziert hat, das fand ich als Kind obzön, dabei ahnte ich als Kind nicht mal ansatzweise, wie subversiv diese Vorstellung eigentlich war....

Das im letzten Absatz des Textes vewendete Bild mit den blumen, in meinen augen ein feminines, - vielleicht stand ja dieses indische Kraut als Assoziaton dieser Methapher Pate – , ist zwar ein Taktwechsel mitten im Song, ein Wechsel in in die Methaphersprache, aber dennoch für mich stimmig,
ich frag mich öfters, ob es immer sinnvoll ist, Lyrik zu sehr zu analysieren - ....durchgeführte Analysen haben ans Licht gebracht, dass die methapher schrägt, hinkt, wieder mal nicht die Probleme des um seine Schönheit gebrachten Landes löst, seine Eleganz im Bemühen, seine Probleme zu outsourcen, in ein zu hinterfragendes Licht rückt... - text aber braucht dieses Licht zum Leben, er fordert seine Analysierung wohl daduch heraus, weil er eindeutig eine hohe Dosis an
tagespolitischem Bezug hat, hätte seine finger davon lassen sollen...oder auch nicht ...

aber eines spreche ich dem text einfach nicht ab, er spricht klar aus, was es denkt, ich les den Text ohnehin als Statement, die Sichtweise, dass er sich eine rosa Brille trägt, lass ich nicht so ohne weiteres gelten, zweifellos machen selbst üble Sachen das Leben bunt,

der letzte Absatz des Textes verführt mich eher zu spielerischen Assoziationen, als zur Ablehnung des Textes........das Land draußen verändert sich.....neben dem Cockpit eine schwarze Wildblume, die neuerdings unblumenhaft vorne im Bus sitzt und hinaus ins tiefste Schwarz fährt, um mit unterschiedlichen, absichtlich nicht näher adjektivisierten (...um der Phantasie kein Stoppschild vor die Nase zu halten...) Lebensmodellen im Winter Schlitten zu fahren, eine zu einer Wildblume Gewordene, die gegossen werden will, nicht nur vom Regen, die sich ziert und kleidet, eine Eintagsfliege, die fremde Sprachen spricht, eine, die, wenn sie da draußen den ersten Winter überlebt, im Frühjahr neue Perspektiven austreibt...

Bloß so ein weiterer Eindruck für deine Sammlung.

namaste,
jondoy

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birke
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Beitragvon birke » 12.10.2016, 10:35

danke sehr, hetti, ja, genau so.

es werden doch oft menschen mit pflanzen verglichen (zb "ein mann wie ein baum" odoer "einen alten baum verpflanzt man nicht"), das ist ja auch nicht negativ gemeint und was sollte negativ sein an wunderschönen wildblumen, an jeder einzelnen und vor allem auch an der vielfalt? denn darum geht es hier doch. (wohl wissend um die komplexität des themas!)

und in diesem sinne auch herzlichen dank, jondoy, für den erfrischenden kommentar! aber ja, das gedicht ist ein statement.

und ich danke euch allen! freue mich darüber, dass doch manche von euch den text so lesen, wie er gedacht ist. und ich freue mich über die vielfalt der kommentare. ja, auch über die bedenken, die geäußert wurden. die kommunikation ist doch wichtig.
ich finde es ungeheuer schwierig, adäquat über dieses thema zu schreiben; die texte, die ich dazu gelesen habe (nicht hier) sind mir fast alle zu dogmatisch ("wir müssen/man muss...")
das thema ist mir ein anliegen und ich werde weiter nach worten suchen...

danke
von der birke
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Nifl
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Beitragvon Nifl » 14.10.2016, 19:41

Hallo Birke,

der Beginn ist harmlos betuliches und stumpfes "I love you all" prosaisch umgebrochen dargeboten. Ich frage mich, warum erzählt mir Lyi das? Aber dann kommt der Knaller, das Bekenntnis Wildblümchensex fürs ganze Land zu wollen. Ach du Schei***. Das Wort "wild" geht gar gar gar nicht. Oder denkst du wirklich in der Kategorie, Flüchtlinge seien Wilde?
Ich glaubte, wir hätten die Zeit hinter uns, Ureinwohner und Menschen aus anderen Kulturen so zu bezeichnen?
Und prompt sieht ein Kommentator eine schwarze Wildblume im Bus sitzen. Ich fasse es nicht.

Grüße
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 15.10.2016, 10:30

Je souffre avec toi.


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