denn jeder Morgen
hat ein neues Licht
und löst ein Stück vom
Schleier dunkler Schatten
in meine Hände
nehm ich dein Gesicht und
taste nach den Träumen
die wir hatten
in meinen Träumen
nehm ich dein Gesicht
von jedem Morgen
den wir hatten
ein Stück vom Schleier
tastet nach den Schatten
in meinen Händen
löse ich das Licht
alle Tage
Klingt für mich schön rhythmisch. Jeder der vier Abschnitte wirkt auf mich wie eine sanfte Welle. Die jeweils ersten beiden Zeilen haben etwas Aufsteigendes, und die jeweils folgenden beiden etwas erleichterndes -- sowohl inhaltlich als auch musikalisch. Es sind außerdem so eine Art musikalische Fugen drin, Wiederholungen, die sich im Gefüge verschieben, und einen Fluß im Fluß erzeugen. Ich denke, dieser Stil bringt frische Abwechslung ins Forum.
Ahoy
Ahoy
ja, sehr schön rhythmisch, träumerisch, leicht - es klingt und schwingt. präzise die worte gesetzt/ versetzt. ein wahrlich sanftes feines erwachen!
lg, birke
lg, birke
ja, gefällt mir auch sehr, für mich Ausdruck eines Verlustschmerzes, der sich langsam legt.
Aber auch gestalterisch schön gemacht wie die erste mit der letzen und die mittleren Strophen ineinandergreifen, sich spielerisch leicht ergänzen/verändern. Nur das Wort "Stück" gefällt mit nicht, fällt aus dem Rahmen, auch wenn es auch in dieser Weise genutzt werden kann.
Aber auch gestalterisch schön gemacht wie die erste mit der letzen und die mittleren Strophen ineinandergreifen, sich spielerisch leicht ergänzen/verändern. Nur das Wort "Stück" gefällt mit nicht, fällt aus dem Rahmen, auch wenn es auch in dieser Weise genutzt werden kann.
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)
Grüß euch, Pjotr, birke und Nifl!
Danke für eure Gedanken zu diesem Gedicht.
Dabei @Nifl: was wäre denn dein Ersatzvorschlag hier für "Stück"?
Ich habe den Text übrigens in zwei Varianten geschrieben, einmal
als Liebes-, einmal als Nicht-Liebesgedicht. Zu unterscheiden nur
durch die Veränderung zweier Worte im ersten Vers der dritten
Strophe durch Anhängen eines 'n':
in meine(n) Träume(n)
nehm ich dein Gesicht
von jedem Morgen
den wir hatten
Erschließt sich hier dem Leser der Unterschied, oder ist das Bild
beim Nicht-Liebesgedicht zu schwierig oder zu krude?
LG, flyy
Danke für eure Gedanken zu diesem Gedicht.
Dabei @Nifl: was wäre denn dein Ersatzvorschlag hier für "Stück"?
Ich habe den Text übrigens in zwei Varianten geschrieben, einmal
als Liebes-, einmal als Nicht-Liebesgedicht. Zu unterscheiden nur
durch die Veränderung zweier Worte im ersten Vers der dritten
Strophe durch Anhängen eines 'n':
in meine(n) Träume(n)
nehm ich dein Gesicht
von jedem Morgen
den wir hatten
Erschließt sich hier dem Leser der Unterschied, oder ist das Bild
beim Nicht-Liebesgedicht zu schwierig oder zu krude?
LG, flyy
Erschließen könnte man die Nuance an der Stelle durchaus, wenn nicht schon die vorigen Zeilen etwas Reales erzeugen würden:
in meine Hände
nehm ich dein Gesicht
Das Gesicht ist also körperlich da und muss nicht erträumt werden. Man nimmt das Reale mit in den Traum. Unter diesen Voraussetzungen klingt auch das nachfolgende "in meinen Träumen" eher auf eine vorherige Realität bezogen als auf eine Erträumung bezogen. "In meine" und "in meinen" machen dann an der Stelle keinen Unterschied mehr, meine ich.
P.
in meine Hände
nehm ich dein Gesicht
Das Gesicht ist also körperlich da und muss nicht erträumt werden. Man nimmt das Reale mit in den Traum. Unter diesen Voraussetzungen klingt auch das nachfolgende "in meinen Träumen" eher auf eine vorherige Realität bezogen als auf eine Erträumung bezogen. "In meine" und "in meinen" machen dann an der Stelle keinen Unterschied mehr, meine ich.
P.
sehe ich ähnlich; klar, die textstelle ändert sich, diese nuance hat aber nur wenig relevanz für das gesamte gedicht, finde ich. für mich ist es so oder so ein liebesgedicht. überhaupt, warum diese kategorisierung, es gibt ja so vieles, so viele nuancen, zwischen "liebes-" und "nicht-liebesgedicht" :) oder wie meinst du das? ist das wichtig für dich/ für das gedicht?
lg, birke
lg, birke
Aber birke und Pjotr,
es ist doch ein ganz entscheidender Unterschied, ob hier
das lyrische Ich das Gesicht des Gegenübers -eher zärtlich-
in seine Träume hineinnimmt, oder ob es ebendieses Gesicht
in seinen Träumen -eher gewaltsam- von jedem gemeinsamen
Morgen herabnimmt ...
Und ich muss gestehen, dass ich dieses Gedicht ohne diesen
morbiden Aspekt, wie versteckt auch immer, sonst so nicht
geschrieben hätte. Wär mir einfach etwas zu leicht, zu lieb
und zu fad gewesen.
LG, flyy
es ist doch ein ganz entscheidender Unterschied, ob hier
das lyrische Ich das Gesicht des Gegenübers -eher zärtlich-
in seine Träume hineinnimmt, oder ob es ebendieses Gesicht
in seinen Träumen -eher gewaltsam- von jedem gemeinsamen
Morgen herabnimmt ...
Und ich muss gestehen, dass ich dieses Gedicht ohne diesen
morbiden Aspekt, wie versteckt auch immer, sonst so nicht
geschrieben hätte. Wär mir einfach etwas zu leicht, zu lieb
und zu fad gewesen.
LG, flyy
Ja, ich denke auch, das ist ein großer Unterschied.
Aber erzeugen die Formulierungen "in den Traum nehmen" bzw. "im Traum nehmen" notwendig Bilder von Zärtlichkeit bzw. Gewalt? Kann man es nicht sogar auch umgekehrt auffassen?
In dem Zusammenhang ist ausschließlich von "Nehmen" die Rede; "Nehmen" kann man als Gewalt auffassen, ja. Deren Dosis kann man relativieren, je nach dem, ob das Nehmen im Traum beginnt oder ob das Nehmen im Wachzustand beginnt.
Mir kam beim ersten Lesen der Gewaltbegriff erst gar nicht in den Sinn. Als nehmender Maler und Musiker verstehe ich das Nehmen nicht immer nur als gewaltsame Amputation eines Objekts, sondern meist eher als Projektion eines Objekts auf Leinwände und Trommelfelle; also eher Kopie als Wegnahme. Daher kommt mit dem Begriff "nehmen" allein nicht eindeutig Gewalt ins Spiel, finde ich. Und selbst wenn, kann die Gewalt sowohl im Traum als auch vor ihm entstehen.
Aber erzeugen die Formulierungen "in den Traum nehmen" bzw. "im Traum nehmen" notwendig Bilder von Zärtlichkeit bzw. Gewalt? Kann man es nicht sogar auch umgekehrt auffassen?
In dem Zusammenhang ist ausschließlich von "Nehmen" die Rede; "Nehmen" kann man als Gewalt auffassen, ja. Deren Dosis kann man relativieren, je nach dem, ob das Nehmen im Traum beginnt oder ob das Nehmen im Wachzustand beginnt.
Mir kam beim ersten Lesen der Gewaltbegriff erst gar nicht in den Sinn. Als nehmender Maler und Musiker verstehe ich das Nehmen nicht immer nur als gewaltsame Amputation eines Objekts, sondern meist eher als Projektion eines Objekts auf Leinwände und Trommelfelle; also eher Kopie als Wegnahme. Daher kommt mit dem Begriff "nehmen" allein nicht eindeutig Gewalt ins Spiel, finde ich. Und selbst wenn, kann die Gewalt sowohl im Traum als auch vor ihm entstehen.
Du hast völlig recht, Pjotr,
das Herunternehmen des Gesichts muss nicht zwangsläufig gewaltsam sein,
sondern kann im Gegenteil auch ganz behutsam und zärtlich erfolgen.
Mir ging es mit meinem Hinweis vorrangig darum, aufzuzeigen, wie leicht man
Dinge in einem Text "überlesen" kann, weil sie nicht ins gefühlte Textbild
passen.
LG, flyy
das Herunternehmen des Gesichts muss nicht zwangsläufig gewaltsam sein,
sondern kann im Gegenteil auch ganz behutsam und zärtlich erfolgen.
Mir ging es mit meinem Hinweis vorrangig darum, aufzuzeigen, wie leicht man
Dinge in einem Text "überlesen" kann, weil sie nicht ins gefühlte Textbild
passen.
LG, flyy
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