Yberkrit (Falsche Asen 10)

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 16.11.2024, 18:37

Yberkrit

(Verse 1)
Ob tiefe Nacht, ob grauser Sturm
einen gab's, den schert' es nicht
und hoch auf Valhalls höchstem Turm
bei jenem großen Bücherwurm
brannt' zu jeder Stunde Licht.

Er, der alle Menschen scheute
hat sich niemals offenbart
fremd war'n ihm die Glaubensleute
nur wer zweifelte, erfreute
ihn – er war von gleicher Art.

Ein Gott der nur nach Wissen giert
jeden Tag, mit ganzer Kraft
stets grübelt, experimentiert
und rechnet, tüftelt, ausprobiert
als ein Freund der Wissenschaft.

(Chorus)
Götter warn'n zu jeder Zeit
meist eitel bis zur Peinlichkeit
ihnen, sollten sie nicht grollen
musste man beständig zollen
Lob und Preis auf Schritt und Tritt
anders war' mit Yberkrit:
Dieser Gott hat nicht erlaubt
dass irgend jemand an ihn glaubt.

(Verse 2)
Immer haben ihn verdrossen
die sich seine Jünger nannten
die, im Tempel, fest entschlossen
zu Gebet und and'ren Possen
ihn so ganz und gar verkannten.

Er entschied, sie zu bekehren
zum methodisch strengen Geist
sie das eine Wort zu lehren
Wahrheit und Verstand zu Ehren:
"Glaubt nur, was man euch beweist!"

Sich nach der Vernunft zu richten
und nicht nur auf einen, nein:
ganz auf Götter zu verzichten!
klar zu denken, statt zu dichten
gab er seinen Jüngern ein.

(Chorus)
Götter warn'n zu jeder Zeit
meist eitel bis zur Peinlichkeit
ihnen, sollten sie nicht grollen
musste man beständig zollen
Lob und Preis auf Schritt und Tritt
anders war' mit Yberkrit:
Dieser Gott hat nicht erlaubt
dass irgend jemand an ihn glaubt.


(Verse 3)
Und die Jünger überlegten
bis sich ihnen, mit der Zeit
allzu starke Zweifel regten
sie den Glauben niederlegten
und sprachen, voll Entschlossenheit:

"Nun, da wir es besser wissen
hat der Tempel keinen Sinn
doch wir würden ihn vermissen
würd' er einfach abgerissen
schön ist er ja weiterhin!"

Wie man nicht den Bau vergeude
haben sie kurz nachgedacht
und, zu Yberkritens Freude
endlich dann das Prachtgebäude
dem Prokraste-Kult vermacht.

(Chorus)
Götter warn'n zu jeder Zeit
meist eitel bis zur Peinlichkeit
ihnen, sollten sie nicht grollen
musste man beständig zollen
Lob und Preis auf Schritt und Tritt
anders war' mit Yberkrit:
Dieser Gott hat nicht erlaubt
dass irgend jemand an ihn glaubt.

jondoy
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Registriert: 28.02.2008

Beitragvon jondoy » 19.11.2024, 22:13

wirklich entspannend für mich, nach einem langen tag in den variationen dieser schrägen jedda-sage zu lesen, thor bekäm davon nen hammerunfall,
den ersten vers hier find ich besonders schön, ich seh vor mir den turm schwanken, ...doch einen gabs, den schert´ das nicht.....ein in Büchertau verschlungener Kaptän Ahab,

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 19.11.2024, 22:28

Wie schön, danke für deinen Kommentar! :-)


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