auch wenn

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
taiga
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Beitragvon taiga » 02.11.2025, 18:34

da wir immer alles nur
durch sein gegenteil
begreifen
freude durch leiden
die blume durch den schnee
den tod durch das leben
und das leben durch ideen
da wir immer alles nur
durch sein gegenteil
verstehn
geborgenheit durch fremdsein
das ich durch das du
stille durch tönen
durch den mond die erde
durch dauer die zeit
und durch die zeit einen hauch
von ewigkeit

da ist kein gegenteil
da ist kein verstehn
auch wenn wir immer
alles verdrehn

jondoy
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Beitragvon jondoy » 03.11.2025, 20:14

da wir immer alles nur,
das nenn ich eine widerspruch herausfordernde these kompromisslos an den anfang gestellt,

bei dem text nehme ich den klang der worte wahr,
der letzte absatz hat sich vielleicht sogar unbeabsichtigt gefügt zum reim, könnte ich mir vorstellen,

hab den text bzw. einzelne textzeilen einfach mal "spiegelverkehrt" gelesen,
bsplsweise
leiden (erst) durch freude (verstehen) usw.,

da wäre ich geneigt, es ein bischen zurückhaltender auszudrücken, "verstehen" ist so leicht dahergesagt, wirkliches verstehen setzt etwas voraus, find ich, bsplw. eigenes Erleben oder dass du darauf sensibilisiert worden bist, oder anderes

den letzten absatz verstehe ich nicht, mir nicht klar, was mit ihm ausgedrückt werden soll und auf was er sich bezieht, auf die ewigkeit oder alles vorhergesagte,
es kommt mir vor wie eine Verneinung vom Zuvorgesagten,
wenn dem so wäre, würde ich dies dann so interpretieren, bsplsweise, es gibt fremdsein und geborgenheit gleichzeitig miteinander, vielleicht liege ich damit ja völlig falsch,

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birke
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Beitragvon birke » 04.11.2025, 10:23

ein gedicht, das nachdenklich macht und fragen aufwirft – und ja, ich lese es (auch) so, dass die gesamte erste strophe am schluss negiert, dementiert wird?
„immer alles nur“ ist sehr absolut, da regt sich bei mir direkt widerspruch/ das sagte jondoy ja auch schon. und doch, gegenteile gibt es schon? stellt sich nur die frage, ob deine beispiele tatsächlich gegenteile sind?
ich denke schon, mal kurz gesagt, dass alles begreifbarer (auch verständlicher) wird, wenn man es in zusammenhänge bringt, in zusammenhängen sieht.
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taiga
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Beitragvon taiga » 04.11.2025, 18:46

Das war, als mich unterschiedliche Denkweisen beschäftigten, wie sie sich in der Menschheitsgeschichte in verschiedenen Weltgegenden manifestiert haben, aber ihr habt sicher insofern recht, als ich sie in dieser Form zu allgemein und zu kategorisch dargestellet habe, und daß es sich dabei um wesentlich komplexere und vielseitigere Erscheinungen handelt. Das empfinde ich jetzt auch selbst so. Mich reizt immer die Komprimierung, aber in diesem Fall führt sie zu unzulässigen Reduzierungen.

Danke euch vielmals für eure Einwendungen, Jondoy und birke!

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birke
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Beitragvon birke » 05.11.2025, 09:28

ja. aber dadurch, dass du im grunde alles am schluss negierst, funktioniert es ja durchaus. interessant ist es allemal!
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taiga
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Beitragvon taiga » 05.11.2025, 18:25

Die abschließenden Zeile sollten eigentlich das Augenmerk darauf richten, daß es auch ganz andere Denkweisen gibt, aber ihr habt insofern recht, als das da nicht steht. Das Thema fasziniert mich allerdings auch weiterhin, vielleicht kann ich es irgendwann noch einmal aus einem anderen Gesichtswinkel angehen.


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