Bang Bang

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
maxl

Beitragvon maxl » 21.10.2006, 13:30

2. Version

Bang Bang

Crazy schleppte mich in diese abgefuckte Kneipe. Die fuhren dort voll ab auf die Oldies aus den Siebzigern. Der Tresen kurz vor dem Zusammenbrechen. Wir hielten die Biergläser fest, damit sie nicht von der Resopalplatte runterrutschten.
„Ist der coolste Lesbentreff in town“, brüllte Nina. Crazy nannte sie sich seit dem Unglück. „Ist doch voll toll, ne?“ Ihre grünen Augen strahlten. Mit der typischen Bewegung – sich fast bis zum Boden vornüberbeugend – warf sie ihre hennaroten Dreads auf den Rücken. „Prost“, schrie sie in die Runde. Keine der Frauen reagierte. Jimi Hendrix und seine Experience dröhnten aus den Boxen an der Decke.
„Was machen wir hier eigentlich?“, fragte ich.
„Hä?“
Ich legte meinen Mund an ihr Ohr.
„Finale!“ Crazy wischte den Schaum vom Mund. Das Bier war lauwarm. Außer der Theke gab es kein Mobiliar. An der Ziegelwand dahinter klebte in silbernen Lettern: „Die Rock-Weiber“. Hendrix Foxy Lady lief.
„Los, schwing deinen Luxuskörper.“ Crazy zerrte mich zur Tanzfläche. Nach einer Stunde extremen Headbangings gingen wir erhitzt vor die Tür.
Sie grinste mich an. „Traurig, dass du lieber mit Männern rummachst, Baby.“

Seit dreißig Jahren nannte sie mich so. Wir waren Nachbarskinder, ich zwei Jahre jünger und sie beschützte mich. Haute ihre Schaufel jedem auf den Kopf, der mir meine Sandformen oder den Eimer wegnehmen wollte. Später in der Schule und während der Pubertät war sie meine Löwenmutter. Wir haben uns erst am Tag des Unglücks aus den Augen verloren. Es hatte zwei Jahre gedauert, bis sie wieder Kontakt mit der Welt und mit mir aufnahm.

„Muss was trinken“, sagte Crazy und schob mich zurück ins „Die Rock-Weiber“.

Sie soff. Man sah es ihr mittlerweile auch an. Der Alkohol schwemmte sie auf. Meine Bitten, sie möge eine Therapie machen, überhörte sie oder, wenn sie schlecht drauf war, brüllte sie: „Lass mich mit dem Psychoscheiß in Ruh! Herzbruch, verstehst du? Irreparabel, verdammt.“
Dann knallte sie meine Wohnungstür zu. Ich hörte sie nebenan heulen; wir waren wieder Nachbarn.
Ich sagte nichts mehr.

Crazy kippte das dritte Bier, bestellte Southern Comfort. „Damit hat sich Janis Joplin totgesoffen, na denn!“, sagte sie und zündete das Getränk mit dem Zippo an. Weiche blaue Flamme. Als sie erlosch, trank Crazy gierig. Leckte die Lippen ab. „Bourbon und Pfirsichlikör – es gibt nichts Besseres.“
Plötzlich flog sie in meine Arme, irgendwer hatte sie gestoßen. Mit einem Schrei schnellte sie herum, packte jemanden an der Kehle. „Bist du bekloppt! Leg dich ja nicht an mit mir.“
Crazy schlug ihre Stirn gegen die der Frau. Wieder und wieder. Ich zerrte sie an der Taille, die Leute schrien: „Lass gut sein, Crazy!“
Nach ein paar Minuten sackte die andere weg. Crazy warf einen triumphierenden Blick in die Runde, ihre Stirn blutete. „Nicht mit mir!“ Sie bestellte noch einen Southern Comfort.
Ein paar Gäste halfen der Frau auf die Beine. Sie zog heulend ab.
„Mensch, Crazy, das war echt nicht nötig“, sagte ich.
Sie blickte mich von oben herab an: „Hast du eine Ahnung, was alles nötig ist, Baby.“ Sie trank, zahlte. „Let’s go!“

Auf der Straße breitete Crazy die Arme aus. „Was für ein herrlicher Abend! So was sollte ich mir öfter mal gönnen.“
„Jemanden zusammenschlagen?“
Sie nickte, lief ein Stück voraus, legte den Kopf in den Nacken und jaulte den Mond an.
Als ich sie eingeholt hatte, grinste sie. „Mach du auch mal, Baby!“
„Lass uns heimgehen, ich kann das nicht.“
„Fuck you!“
Aber sie ging mit.

Crazy hatte keine Beziehung. In kürzester Zeit trat sie alles kaputt. Eigentlich wollte sie mich. Nach einem Versuch miteinander, beließ ich es bei der Freundschaft, ich brachte es einfach nicht.
Wir küssten uns und jede ging in die eigene Wohnung. Unsere Betten standen an einer Wand; diejenige, die das Licht zuerst abdrehte, klopfte einen Rhythmus dagegen. Die andere antwortete.
Heute war ich erledigt und klopfte zuerst. Wartete. Hämmerte. Keine Antwort. Ich rief sie an, hörte ihr Telefon klingeln, sie nahm nicht ab. Ich kramte Crazys Reserveschlüssel aus dem Schreibtisch. Hauslatschen an und rüber.
Sie saß am Küchentisch. Die Wimperntusche rann in zwei Streifen über ihre Wangen, sie hatte den Lauf einer Pistole in den Mund gesteckt.
„Crazy“, flüsterte ich, „ich liebe dich.“
„Das Kind ist in den Brunnen gefallen“, nuschelte sie,
die Tränen tropften ins Dekolletee.
„Es ist sieben Jahre her, Nina, du konntest nichts dafür. Ein Unfall ...“
Sie riss den Lauf aus dem Mund, fuchtelte herum, brüllte. „Nur weil das Arschloch mir unbedingt in seiner Mittagspause an die Wäsche wollte! Deswegen nie wieder Kerle!“ Crazy zitterte am ganzen Körper. „Baby, Johnny war nicht mal vier! Ich hab ihn allein gelassen im Garten, verstehst du? Und er ist in den Brunnen ...“ Ihre Augen funkelten, ich hatte eine Heidenangst, dass sie den Abzug drückte.
Vorsichtig sagte ich: „Er war dein Mann, du hast ihn ... geliebt.“ Das letzte Wort konnte ich nur noch flüstern, denn sie war aufgesprungen und hielt mir den Griff der Waffe hin. „Baby, shoot me down.“
Ich prallte zurück, sagte: „Hey ... Nina, ohne dich ... mein Leben ist Scheiße ohne dich.“
„Blödsinn! Ich bin Scheiße.“ Sie zitterte vor Wut und was weiß ich noch alles.
„Du bist Crazy, meine Löwenmutter.“
Sie plumpste auf den Stuhl. „Sag das nicht, Baby, bitte nicht“, schluchzte sie.
„Du bist besoffen, weißt du, morgen sieht es wieder besser aus.“ Mann, war ich platt! Ich setzte mich ihr gegenüber. „Ich meine, es gibt noch so viel ...“
Sie schmiss die Pistole auf den Tisch. Ein irrer Krach. Die Kugel steckte in der Wand.
Wir schauten zu, wie Putz herunterrieselte. Dann sahen wir uns in die Augen.
„Finale, ja?“, fragte ich.
Sie blies auf ihren Zeigefinger, zielte auf mich. „Bang, bang.“
Wie der Blitz pfefferte Crazy die Waffe in den Wasserkasten auf dem Klo, ich klemmte mit einer Reißzwecke eine Ansichtskarte übers Einschussloch. Als die Bullen kamen, spielten wir Schwarzer Peter.
Wir lachten stundenlang, es war egal, dass die Nachbarn an die Wand trommelten.


1. Version

Bang Bang

Das war ja vielleicht eine abgefuckte Kneipe, in die Crazy mich geschleppt hatte. Der Tresen vor dem Zusammenbrechen, wir hielten die Biergläser fest, damit sie nicht von der Resopalplatte runterrutschten.
„Ist der coolste Lesbentreff in town“, sagte Nina oder Crazy. So nannte sie sich seit dem Unglück. „Ist doch voll toll, ne?“ Ihre grünen Augen strahlten. Mit der typischen Kopfbewegung warf sie ihre hennaroten Dreads auf den Rücken. „Prost“, schrie sie in die Runde. Keine der Frauen reagierte. Jimi Hendrix und seine Experience dröhnten aus den Boxen an der Decke.
„Was machen wir hier eigentlich?“
„Hä?“
Ich brüllte ihr ins Ohr. Das Bier war lauwarm. Außer der Theke gab es kein Mobiliar, kein Wunder, dass die sich nur mit Mühe aufrecht hielt, wenn alle dran lehnten.
In silbernen Lettern klebte an der Ziegelwand dahinter: „Die Rock-Weiber“
Foxy Lady lief. „Los, schwing deinen Luxuskörper.“ Crazy zerrte mich zur Tanzfläche.
Nach einer Stunde Extremshaken gingen wir erhitzt vor die Tür.
Sie grinste mich an. „Traurig, dass du lieber mit Männern rummachst, Baby.“

Seit dreißig Jahren nannte sie mich so. Wir waren Nachbarskinder, ich zwei Jahre jünger und sie beschützte mich. Haute ihre Schaufel jedem auf den Kopf, der mir meine Sandformen oder den Eimer wegnehmen wollte. Später in der Schule und während der Pubertät war sie meine Löwenmutter. Wir haben uns erst am Tag des Unglücks aus den Augen verloren. Es hatte zwei Jahre gedauert, bis sie wieder Kontakt mit der Welt und mit mir aufnahm.

„Muss was trinken“, sagte Crazy und schob mich zurück ins „Die Rock-Weiber“
Sie soff. Man sah es ihr mittlerweile auch an. Manche werden ausgemergelt, Crazy schwemmte der Alkohol auf. Meine Bitten, sie möge doch eine Therapie machen, überhörte sie oder, wenn sie schlecht drauf war, brüllte sie: „Lass mich mit dem Psychoscheiß in Ruh! Herzbruch, verstehst du? Irreparabel, verdammt.“
Sie knallte meine Wohnungstür zu. Ich hörte sie nebenan heulen; wir waren wieder Nachbarn.
Ich sagte nichts mehr.

Crazy kippte das dritte Bier, bestellte Southern Comfort. „Damit hat sich Janis Joplin totgesoffen, na denn!“, sagte sie und zündete das Getränk mit dem Zippo an. Weiche blaue Flamme. Als sie erlosch, trank Crazy. Leckte die Lippen ab. „Bourbon und Pfirsichlikör – es gibt nichts besseres.“
Plötzlich flog sie in meine Arme, irgendwer hatte sie gestoßen. Mit einem Schrei schnellte sie herum, packte die Frau an der Kehle. „Bist du bekloppt! Leg dich ja nicht an mit mir.“
Crazy war stark, mit einer Hand umklammerte sie die Kehle der Frau, mit der anderen ihre Handgelenke.
Mir blieb die Luft weg, sie rammte sie mit der Stirn. Wieder und wieder. Ich zerrte sie an der Taille zurück, die anderen schrieen: „Lass gut sein, Crazy!“
Nach ein paar Minuten sackte die andere weg. Crazy warf einen triumphierenden Blick in die Runde, ihre Stirn blutete. „Nicht mit mir!“ Sie bestellte noch einen Southern Comfort.
Ein paar Gäste halfen der anderen auf die Beine. Sie zog heulend ab.
„Mensch, Crazy, das war nun echt nicht nötig“, sagte ich.
Sie blickte mich von oben herab an: „Hast du eine Ahnung, was alles nötig ist, Baby.“ Sie trank, zahlte. „Let’s go!“

Auf der Straße breitete Crazy die Arme aus. „Was für ein herrlicher Abend! Sowas sollte ich mir öfter mal gönnen.“
„Jemanden zusammenschlagen?“
Sie nickte, lief ein Stück voraus, legte den Kopf in den Nacken und jaulte den Mond an.
Als ich sie eingeholt hatte, grinste sie. „Mach du auch mal, Baby!“
„Lass uns heimgehen, ich kann das nicht.“
„Fuck you!“
Aber sie ging mit.

Crazy hatte keine Beziehung. In kürzester Zeit trat sie alles kaputt. Eigentlich wollte sie mich, nach einem Versuch miteinander, beließ ich es bei der Freundschaft, ich brachte es einfach nicht.
Wir küssten uns und jede ging in die eigene Wohnung. Unsere Betten standen an einer Wand; diejenige, die das Licht abdrehte klopfte einen Rhythmus an die Wand. Die andere antwortete.
Heute war ich erledigt und klopfte zuerst. Wartete. Hämmerte. Keine Antwort. Ich rief sie an, hörte ihr Telefon klingeln, sie nahm nicht ab. Ich kramte nach Crazys Reserveschlüssel im Schreibtisch. Hauslatschen an und rüber.
Sie saß am Küchentisch. Die Wimperntusche rann in zwei Streifen über ihre Wangen, sie hatte den Lauf einer Pistole in den Mund gesteckt.
„Crazy“, flüsterte ich, „ich liebe dich.“
„Das Kind ist in den Brunnen gefallen“, nuschelte sie,
die Tränen tropften ins Dekolletee.
„Es ist sieben Jahre her, Nina, du konntest nichts dafür. Ein Unfall ...“
Sie riss den Lauf aus dem Mund, fuchtelte herum, brüllte. „Nur weil das Arschloch mir unbedingt in seiner Mittagspause an die Wäsche wollte! Baby, Johnny war nicht mal vier! Ich hab ihn allein gelassen im Garten, verstehst du? Und er ist in den Brunnen ...“ Ihre Augen funkelten, ich hatte eine Heidenangst, dass sie den Abzug drückte. Vorsichtig sagte ich: „Er war dein Mann, du hast ihn ... geliebt.“ Das letzte Wort konnte ich nur noch flüstern, denn sie war aufgesprungen und hielt mir den Griff der Waffe hin. „Baby, shot me down.“
Ich prallte zurück, sagte: „Hey ... Nina, ohne dich ... mein Leben ist Scheiße ohne dich.“
„Blödsinn! Ich bin Scheiße.“ Sie zitterte vor Wut und was weiß ich noch alles.
„Du bist Crazy, meine Löwenmutter.“
Sie plumpste auf den Stuhl, hielt sich die Ohren zu, die Pistole baumelte am Zeigefinger. „Sag das nicht, Baby, bitte nicht“, schluchzte sie.
„Du bist besoffen, weißt du, Morgen sieht es wieder besser aus.“ Mann, war ich platt! Ich setzte mich ihr gegenüber. „Ich meine, es gibt noch so viel ...“
Sie nahm die Hände runter, schmiss die Pistole auf den Tisch.
Ein irrer Krach. Die Kugel steckte in der Wand.
Wir schauten zu, wie Putz herunterrieselte. Dann sahen wir uns in die Augen. Sie blies auf ihren Zeigefinger, zielte auf mich. „Bang, bang.“
Wir lachten die restliche Nacht, es war egal, dass die Nachbarn an die Wand trommelten.


by maxl
Zuletzt geändert von maxl am 28.10.2006, 17:24, insgesamt 5-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 21.10.2006, 14:01

Oh ha, das muss ich wohl noch Mal lesen, denn das war jetzt derart spannend, dass ich keine Gelegenehit hatte überhaupt an Kritik zu denken ;-)

Also liebe maxl, du hast mich erreicht mit deiner harten heftigen Short Story.
Mehr zum Text, später.

Liebe Grüße
Gerda

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 21.10.2006, 15:02

Feuer frei!

Diese Erzählung fasziniert mich besonders wegen der outlaw-romantischen Atmosphäre, auch wenn mir die dramatis personae im wesentlichen umsympathisch sind. Der lässige Stil passt gut zum Inhalt. Cool!

Grüsse

Merlin

Mucki
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Beitragvon Mucki » 21.10.2006, 16:46

Hey maxl,

das ist klasse! Du bist ein Kind der Prosa, aber hallo! Ich bin ganz hin und weg! :-), habs in einem Zug gelesen, klasse, wie du die Umgangssprache einheitlich durchziehst!
Begeisterte Gabriella

maxl

Beitragvon maxl » 21.10.2006, 17:40

Hallo Gerda, Merlin, Gabriella,

Danke sehr für das Lob. Wenns gefällt bin ich froh.

Ja, ich bin Prosaschreiber, das ist korrekt.
Schuster bleib bei deinem Leisten, Lyrik ist nicht so mein Ding. Leider. :blink2:

@Gerda: Bin auf Kritik gespannt.

lg
maxl

Gast

Beitragvon Gast » 22.10.2006, 15:34

Hallo maxl.

wie schon geschrieben, ich bin begeistert von Stil und Tempo deiner Geschichte

Ein paar Dinge - zugegeben im Grunde Kleinigkeiten fielen mir dennoch auf.

Da ist der nicht ganz stimmige Anfang:
maxl hat geschrieben:
Das war vielleicht eine abgefuckte Kneipe, in die Crazy mich geschleppt hatte.

Da im Weiteren erzählt wird, dass die beiden Protag. seit geraumer Zeit im gleichen Haus, nebeneinander wohnen, frage ich mich: Wieso war die Kneipe für die Erzählerin neu?
Vielleicht abändern z. B. in: Crazy schleppte mich in diese angesagte abgefuckte Kneipe.
Dann geht nichts verloren.

maxl hat geschrieben:Jimi Hendrix und seine Experience dröhnten aus den Boxen an der Decke.


Nur Kenner wissen, dass es das Debütalbum von Hendrix war, und dass Foxy Lady nicht nur der Nick einer Dame aus dem Pornogeschäft ist, sondern der Titel eines der Songs von jener Experience…
Da taucht bei mir die Frage auf, willst du das so lassen?

Wann spielt deine Geschichte eigentlich etwa?
Diese zweite Frage habe ich auch im Zusammenhang mit dem Tanzstil: Skake…?
Das ist doch ewig her, oder sagt man das jetzt wieder?

maxl hat geschrieben:Sie soff. Man sah es ihr mittlerweile auch an. Manche werden ausgemergelt, Crazy schwemmte der Alkohol auf..


Die Formulierung, dass manche ausgemergelt werden, ist überflüssig.
In der Regel schwemmt Bier auf, Crazy trinkt Bier.
Ausgemergelt bedeutet bei Bier trinkenden Alkoholikern, (meist in Kombination mit Schnaps um überhaupt auf ihren „Pegelstand“ zu kommen): Endstadium.
Stirbt ein Alkoholiker an Leberzirrhose, ist er in der Regel ausgemergelt.

Du erzählst beispielhaft eine Szene aus der Vergangenheit.
Ich würde es eindeutiger finden wenn der Satz:
maxl hat geschrieben:Sie knallte meine Wohnungstür zu.
mit einemDann beginnen würde.


maxl hat geschrieben:schrieen
: nach der Reform fällt ein e weg, also schrien

maxl hat geschrieben:Ich kramte nach Crazys Reserveschlüssel im Schreibtisch


Da deine Protag. offenbar den Schlüssel findet, wäre es angebracht zu schreiben:
Ich kramte Crazys Reserveschlüssel aus dem Schreibtisch

maxl hat geschrieben:... sich die Ohren zu, die Pistole baumelte am Zeigefinger

Wie kann ein so schweres Ding, wie ein Pistole beim Ohren zuhalten am Zeigefinger einer Frau baumeln?(Sie ist ja kein Gewichtheber oder Zehnkämpfer) ;-)

maxl hat geschrieben:Wir lachten die restliche Nacht, es war


Das kann ich mir nicht vorstellen, ich denke die Beiden kippten irgendwann von den Stühlen, schliefen ein oder gingen zu Bett.
Das mit der Klopferei der Nachbarn gefällt mir ja, ;-)
ist aber leider eher unwahrscheinlich, bes. nachdem ein Schuss gefallen war.
Mit Sicherheit ist längst die Polizei alarmiert worden...
So seelenruhig sind Nachbarn nicht, dass sie nur Klopfen.

Das wären die Stellen, die mir für den logischen Verlauf her, überprüfenswert erscheinen.
Ich habe nicht auf Zeichensetzung geachtet. (Kann ich nicht gut)
Ferner nicht explizit auf Schreibung, außer einmal wo es mir auffiel.

Ich hoffe, du lässt jetzt nicht den Kopf sacken sondern krempelst die Ärmel hoch.
Denn es bleibt eine gute Story, die flott erzählt ist, einen Spannungsbogen hat und bereits recht gut ausgearbeitet ist.
Ich habe dein erstes Prosastück hier sehr gern gelesen.

Sonntagsgrüße
Gerda

maxl

Beitragvon maxl » 22.10.2006, 23:03

Hallo Gerda,

ich sage ein großes Dankeschön für die Arbeit mit meinem Text!

Du hast mich inspiriert, am Ende etwas ausführlicher zu werden.
Die 2. Version ist on.

lg
maxl

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 23.10.2006, 10:26

Hi maxl.

Ich komme jetzt erst seit einigen Tagen (oder Wochen?) wieder dazu, mal in der Prosa zu schnüffeln, und dann DAS HIER!!!

Wieso ist mir nie ein Text von dir aufgefallen bisher? Scheiß Geldverdienerei, die wirklich wichtigen Sachen verpasse ich anscheinend. Ich freue mich, dass du so ein Pfeffer in die Prosabude bringst. Astrein, ähj!

Ich kann nämlich ähnlich wie Gerda erstmal nur den ersten Eindruck hinschreiben: Genial erzählt, guter Rhythmus und sattes Tempo. Spannend, fesselnd, erlebt, alles gut. Ein paar kleine Fehlerchen, aber nichts Gravierendes.

Das Teil nehme ich mir später nochmal ausführlich zur Brust. Kann aber ein bisschen dauern.

Dein Fan (aber voll in echt)
Tom.

p.s. Hast du keine Kolumne am Start? Und wenn nicht: Magst du mal eine schreiben? Guck mal ins 'BlaueBrett'.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

maxl

Beitragvon maxl » 23.10.2006, 13:54

Hi Tom,

Ich komme jetzt erst seit einigen Tagen (oder Wochen?) wieder dazu, mal in der Prosa zu schnüffeln, und dann DAS HIER!!!
Wieso ist mir nie ein Text von dir aufgefallen bisher? Scheiß Geldverdienerei, die wirklich wichtigen Sachen verpasse ich anscheinend. Ich freue mich, dass du so ein Pfeffer in die Prosabude bringst. Astrein, ähj!


Na, das freut mich aber, danke! Dir ist nichts aufgefallen, weil ich nicht viel gezeigt habe. Lass dir nur Zeit mit Kritik.

Dein Fan (aber voll in echt)


Da juble ich ja. Bin auch deiner, hast ja gesehen.

Kolumne: Why not? Ich schick dir einen Versuch PM.

lg
maxl

Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.10.2006, 20:46

Huhu Maxl.

Schrille, laute Geschichte, in der die leisen Töne etwas untergehen. Die zweite Fassung hat mE. sehr gewonnen.
Insgesamt kommt sie mir unglaubwürdig vor. (zum Glück hast du die "Zahlen" in der zweiten Fassung rausgenommen... da war das Niflchen nämlich schon wild beim Rechnen *g)...

Fassen wir zusammen ...: Eine "paralysierte" Alkoholikerin "rauscht" überdreht durch einen Abend und wird von dem schwachen Ich-Erzähler vor dem Suizid bewahrt... Der Schwache ist am Ende der Starke und umgekehrt... eine interessante Entwicklung.

Aber dass das Kind märchenhaft in den Brunnen (wo gibt es denn noch Gärten mit unabgedeckten Brunnen??... mach da bitte einenTeich draus) fällt, weil die Mutter mit dem Vater in der Mittagspause bumst ... äh .. ne ...

Auch hätte ich mir gewünscht, dass diese merkwürdige Liebe (oder mehr Abhängigkeitsverhältnis, Hörigkeit?) zu der Abgewrackten verständlicher wird ...So kommt das zu "behauptet" bei mir an .... Warum hat zB. ER kein Leben?
("Nina, ohne dich ... mein Leben ist Scheiße ohne dich." Warum?)

Auch die "Wandklopferei" glaube ich nicht ... das sind doch keine Teenies?!


volltoll

Hat das einen Grund, dass du das zusammenschreibst?


Das letzte Wort konnte ich nur noch flüstern, denn sie war aufgesprungen und hielt mir den Griff der Waffe hin. „Baby, shot me down.“

Warum nimmt er denn die Waffe nicht? Es ist ja nicht der Lauf, sondern der Griff?


Als die Bullen kamen, spielten wir Schwarzer Peter.

Wegen einem Knall kommt doch nicht gleich die Polizei?

Die Sprache klingt sehr authentisch ... ist dir gut gelungen.
Was die Figurenzeichnung angeht, finde sie etwas holzschnittartig ... besonders der Ich-Erzähler ist mir nicht vor Augen.

Trotz allem mE. kurzweilige Unterhaltung!

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

maxl

Beitragvon maxl » 23.10.2006, 23:31

Hi Nifl,

zuerst danke, dass du dich beschäftigt hast.
Ich fang mal an:
Der IE transportiert nur Crazys Story. Es sollte eine S/W-Skizze sein, mehr nicht. Wenn ich der anderen Figur auch noch ein Leben verpasse, ist es keine Kurzgeschichte mehr.

Die Polizei ist nun drin, weil Gerda zu bedenken gab:
bes. nachdem ein Schuss gefallen war.
Mit Sicherheit ist längst die Polizei alarmiert worden...
So seelenruhig sind Nachbarn nicht, dass sie nur Klopfen.


Gefällt mir aber recht gut, weil der Text sowieso eher schräg gedacht ist. Ebenso mit dem Kind im Brunnen. Vermutlich war es ein Teich. Crazy sagt es eben so.
Wandklopfen: nein, keine Teenies, aber sie haben das eben immer schon so gemacht.
Die "merkwürdige Liebe", wie du sagst. Ich denke, es ist vor allem die Gewohnheit, wenn man sich 30 Jahre kennt.
Natürlich ist sein Leben nicht Scheiße ohne sie. Um jemand vorm Abdrücken zu bewahren, ist lügen aber erlaubt.
Waffe: warum sollte er die Waffe nehmen? Menschen in Ausnahmesituation reagiern selten logisch.

Tut mir leid, wenn ich dich nicht überzeugt habe damit, und du den Text unglaubwürdig findest, aber die Fragen woltte ich dir gern beantworten.

"volltoll" korrigiere ich.

Nochmal danke!

lg
maxl

Gast

Beitragvon Gast » 24.10.2006, 09:36

Guten Morgen maxl,

gerade wollte ich ansetzen und an Nifl schreiben ;-)
Aber nun hast du es ja bereits selbst getan.
Ich finde nicht, dass eine solche Geschichte im landläufigen Sinn "glaubhaft" sein muss.
Wenn sie in sich logisch, stimmig ist, dann finde ich das in Ordnung, zumal sie wirklich gut erzählt ist.

Meinst du nicht lieber Nifl,
dass das Leben oft noch härter und unglaubwürdiger ist, für diejenigen ,die nicht betroffen sind...
Zum Schuss und der Polizei:
Wenn in einem Mietshaus ein Schuss fällt, glaubst, du dass die Nachbarn beim anschließenden Gelächter nur an die Wand trommeln?
So wie es vorher in der Geschichte stand, die ganze Nacht?
Das wiederum halte ich für unwahrscheinlich.


Für mich ist eine Geschichte nicht schon deshalb unglaubwürdig, weil Dinge geschehen, die meine Vorstellung übersteigen. Die innere Logik, das Zusammenspiel der "Ungereimtheiten", die Spannung dieser Geschichte, all das gefällt mir.
Dass da viel Platz für die eigene Phantasie ist, gefällt mir besonders gut.
Das was du vermisst, die leisen Töne, sieht diese Art der Erzählung nicht vor.
Natürlich kann man meckern oder "nifln" ;-) dass zu vordergründig erzählt wird, eine tiefere Ebene fehlt... aber so wie ich die Geschichte lese, hat maxl so und nicht anders erzählen wollen.

Eine Frage habe ich:
Ich bin davon ausgegangen, dass es sich um zwei Frauen handelt.
Also, Crazy lesbisch und die Erzählerin hetero, wieso dann folgende Formulierung?
Zitat:
Natürlich ist sein Leben nicht Scheiße ohne sie. Um jemand vorm Abdrücken zu bewahren, ist lügen aber erlaubt.
Ende
(Vielleicht nur weil Nifl: Wartum nimmt er die Waffe nicht, schreibt.)

Zitat:
Waffe: warum sollte er die Waffe nehmen? Menschen in Ausnahmesituation reagiern selten logisch.Ende
Ich denke, das kann genauso passieren, anderherum würde ich fragen: Hat wohl zu viel Krimis gesehen und will den Helden spielen...

Liebe Grüße
Gerda

maxl

Beitragvon maxl » 24.10.2006, 10:26

Schönen Vormittag, Gerda,

Also du sagst das viel besser als ich in deiner Antwort, ja, so ist das.

Das sein in meiner Antwort bezog sich auf Nifls er, genau.
Es geht um 2 Frauen.

Nochwas: wenn man Menschen in einer Kneipe z.B. beobachtet, kriegt man manchmal
Sachen mit, die einem absolut ungläubig staunen lassen. Dennoch sind sie wahr.

aber so wie ich die Geschichte lese, hat maxl so und nicht anders erzählen wollen.


That's it!

lg
maxl

Nifl
Beiträge: 3909
Registriert: 28.07.2006
Geschlecht:

Beitragvon Nifl » 24.10.2006, 18:31

Na Ihr.


Sie grinste mich an. „Traurig, dass du lieber mit Männern rummachst, Baby.“

Hier dachte ich, dass "er" schwul ist.


Eigentlich wollte sie mich. Nach einem Versuch miteinander,

Und sie haben es miteinander versucht?
Also das Geschlecht des Erzählers ist für mich nicht klar.


Der IE transportiert nur Crazys Story. Es sollte eine S/W-Skizze sein, mehr nicht. Wenn ich der anderen Figur auch noch ein Leben verpasse, ist es keine Kurzgeschichte mehr.

Das sehe ich überhaupt nicht so. Der Erzähler ist doch voll in die Handlung verstrickt? ...dann muss er auch als Figur gezeichnet werden. Du meinst, es gibt nur Kurzgeschichten mit einer einzigen, dreidimensionalen Figur?
Warum hast du dann die Ich-Erzählerperspektive gewählt? ... so wie du es erklärst, wäre doch eine auktoriale Erzählstimme geeigneter gewesen?


Ich denke, es ist vor allem die Gewohnheit, wenn man sich 30 Jahre kennt.

Aber sie schlafen doch nicht 30 Jahre Wand an Wand? Was hatte ihr Mann dazu gesagt? Ist ihr Kind zu Lebzeiten nicht davon aufgewacht?*g


Waffe: warum sollte er die Waffe nehmen?

Na, um die Situation zu entschärfen. Das ist ja geradezu ein Geschenk.


und du den Text unglaubwürdig findest, aber die Fragen woltte ich dir gern beantworten.

Den Zusammenhang verstehe ich nicht.



Ich finde nicht, dass eine solche Geschichte im landläufigen Sinn "glaubhaft" sein muss.

...das hast du gut ausgedrückt!*g ...da haben wir unterschiedliche Auffassungen. Von mir aus kann ein Text "die unglaublichsten Dinge" erzählen... aber sie müssen mir als Leser plausibel sein UND sich vor allem aus der Geschichte entwickeln... sonst sind das Taschenspielertricks, bloße Behauptungen, die dir der Leser übel nimmt...


Meinst du nicht lieber Nifl,
dass das Leben oft noch härter und unglaubwürdiger ist, für diejenigen ,die nicht betroffen sind...

siehe oben


Wenn in einem Mietshaus ein Schuss fällt, glaubst, du dass die Nachbarn beim anschließenden Gelächter nur an die Wand trommeln?

Also hier bewahren sich die Kids immer Chinaböller auf und "verteilen" sie aufs Jahr ... da ist noch nie Polizei gekommen.


Das was du vermisst, die leisen Töne, sieht diese Art der Erzählung nicht vor.

Doch, ich denke schon, gerade diese Art ... und es fehlt mE. auch nicht viel.


Waffe: warum sollte er die Waffe nehmen? Menschen in Ausnahmesituation reagiern selten logisch.Ende
Ich denke, das kann genauso passieren, anderherum würde ich fragen: Hat wohl zu viel Krimis gesehen und will den Helden spielen...

Nun, er/sie versucht verzweifelt den Selbstmord zu verhindern und dann wird ihm/ihr die Waffe hingehalten und nimmt sie nicht ... wenn das so kurios ist, dann möchte ich wissen warum ... oder dass sie wenigstens selbst über dieses Nichthandeln erstaunt ist ...


Dennoch sind sie wahr.

Mir ist das vollkommen gleichgültig, ob es wahr ist oder nicht ... es muss mir nur wahr erscheinen... und gerade "Unglaublichkeit" ist ja enorm spannend ... aber da musst du als Autor die Geschichte so aufbauen, dass die Unglaublichkeit klar wird. ZB. schnippelt eine Protagonistin mit einer Rasierklinge an sich herum ... unglaublich, aber wahr ... in einer guten Geschichte müsste in diesem Fall ausgeholt werden und ein genaues Psychogramm her ... samt Sozialisation der Figur... usw.


aber so wie ich die Geschichte lese, hat maxl so und nicht anders erzählen wollen.


That's it!

Dann is ja jut, ik mein ja nur ....

Interessanter Diskurs.

Liebe Grüße
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)


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