Die Zeit des Kuckucks ist vorbei

scarlett

Beitragvon scarlett » 28.10.2006, 20:23

Die Zeit des Kuckucks ist vorbei

Jenseits der Wälder
rauscht das Vergessen
dürftig geflickt
über löchrigen Asphalt –

Am Brunnen vor dem Tore
die Bänke abmontiert
Eichbaum mit weisem Spruch
auf ewig chiffriert –

Hartnäckig hämmert
der Buntspecht
des letzten Kuckucks
Totenlied –
er wollte nicht ziehn
mit den anderen
war niemandes Herr
oder Knecht –

Zögernd nur schlagen die Uhren
im grünlich bröckelnden Licht
ach, schon ist es September
nur - er wußte es nicht.


scarlett, 2006
Zuletzt geändert von scarlett am 30.10.2006, 23:52, insgesamt 1-mal geändert.

Max

Beitragvon Max » 30.10.2006, 18:36

Liebe Scarlett,

dieses Gedicht kommt für mich ein wenig eigenwillig daher.

In Strophe 1 benutzt Du ein wunderschönes Bild, das rauschende Vergessen finde ich gut getroffen; darüber wie man Vergessen flickt, habe ich ein wenig nachgedacht, das Bild lebt.

Dann zitierst Du, wobei mir das zweite kursiv gedruckte (ich vermute es ist auch ein Zitat) unbekannt ist.

In Strophe 3 ist mir nicht ganz klar, wie ich das Kuckuck-Buntspecht-Bild deuten soll. Mit den krusiv gedruckten Zeilen in Strophe 4 ergeht esmir ähnlich wie mit denen in Strophe 2 - ich kenne sie nicht, vielleicht so dämmert mir, sind es gar keine Zitate?! ;-)

In der allerletzten Zeile würde ich darübner nachdenken ein "er" wegzunehmen. Das doppelte "er" trägt für meinen geschmack etwas dick auf ....


Liebe Grüße
max

scarlett

Beitragvon scarlett » 30.10.2006, 19:00

Lieber Max,

bezüglich der Zitate (ja, es sind welche), kannst du mal hier gucken:

http://www.sibiweb.de/ge_mu/elegie.htm

Das doppelte "er" wird entfernt, danke, du hast recht.

Zum Rest - später.

Lieben Dank erstmal,

scarlett

Max

Beitragvon Max » 30.10.2006, 20:21

Liebe Scarlett,

danke - ich bin mit dem Siebenbürgischen nicht so vertraut, eher mit dem Sudetendeutschen. Aber da geht es mir dann doch wieder wie Dir und gelegentlich klingen mir die Lieder meiner Großeltern in den Ohren.

Liebe Grüße
max

Trixie

Beitragvon Trixie » 30.10.2006, 21:43

Guten Abend scarlett!

Das ist eines dieser Gedichte, zu denen ich eigentlich nie was sagen kann, denn sie stehen da und scheinen so zu sein, wie sie sein müssen und wie sie gehören. Ein kleines, funkelndes Kästchen mit wunderhübschen Perlen darin und die sieht man sich einfach an, fährt vielleicht mit den Fingern darüber und bewundert ihre Abgestimmtheit. Das wollte ich nur mal loswerden :-)! Denn sowas gefällt mir, aber ich weiß eben nie wirklich was dazu sagen...

Liebe Abendherbstgrüße
Trixie

scarlett

Beitragvon scarlett » 31.10.2006, 16:16

Liebe Trixie,

das hast du wunderschön gesagt, wobei ich nicht sicher bin, ob mein Gedicht diese Zeilen von dir überhaupt verdienen - aber ich freue mich, daß du ihre Wirkung auf dich so poetisch beschrieben hast. Dafür danke ich dir.

Lieber Max,
ja, was hat es denn nun mit dem Kuckuck auf sich? -

Ich habe sehr lange und genau überlegt, was die Symbolik, die Bilder anbelangt.

Zunächst mal: der Kuckuck galt vielen Völkern als Seelenvogel, als Zukunftskünder und Frühlingsbote. Genau das wird in meinem Text auf den Kopf gestellt, er ist tot.
Anhand der Häufigkeit seines Rufes rechnete man sich aus (wir haben das als Kinder auch gemacht), wie viele Lebensjahre einem noch bevorstehen.

Ferner dient der Kuckuck seit dem 16. Jh als Umschreibung für Teufel, was sich in eingen Redewendungen erhalten hat - hols der Kuckuck, zum Kuckuck nochmal - Auch das schwingt unterschwellig mit.
In alten Texten wird er auch "gouch" (Gauch) genannt, was soviel wie Narr bedeutet.
Und schließlich gibt es Kuckucksarten die Zugvögel sind - das war wichtig für die Zeile
"er wollte nciht ziehen mit den anderen".
Last but not least gibt es zu all dem auch noch eine regionale Redewendung "einsam/allein wie ein Kuckuck sein" - was sicherlich darauf anspielt, daß dieser Vogel sich nciht um seine Nachkommen schert...

Ich habe dieses Bild für das endgültig Vergangene, den unwiderbringlichen Untergang in einer Landschaft ("jenseits der Wälder" = Siebenbürgen = Transsilvanien = lat. jenseits/hinter der/den Wälder/n) gewählt - derjenige der das nicht glaubt, nicht wahrhaben will, daß es da kein Zurück mehr gibt, ist ein Kuckuck ="Narr" -

Der Buntspecht hämmert, will kundtun, daß es da ncihts mehr gibt, aber da ist keiner mehr, den das überhaupt interessiert: "Bänke abmontiert" - der Spruch kann gar nicht mehr entziffert werden.
Das Verweben von Textzeilen aus einem alten deutschen Volkslied und aus der "Siebenbürgischen Elegie" soll gerade die Gegenwart unterbrechen und auf Vergangenes verweisen, außerdem ist das Teil des "notdürftig Geflickten" -

So, das solls jetzt gewesen sein - ich denke trotzdem, daß auch ohne Kenntnis der spezifisch siebenbürgischen Textzeilen das Gesamtverständnis eigentlich gewährleistet sein müßte, wenn auch nciht unbedingt so, wie mir das vorschwebt - ich habe ja auch bewußt erst das "am Brunnen vor dem Tore" gewählt...Altes deutsches Liedgut :-)

Vielleicht war das jetzt das letzte Gedicht mit dieser Thematik.... ich will schließlich nicht nur in dieser Ecke gesehen werden... :confused:

Liebe Grüße,

scarlett

Max

Beitragvon Max » 31.10.2006, 20:32

Liebe Scarlett,

danke für die ausführliche Erklärung. Ich fände es sehr bedauerlich, von dir nichts mehr zu diesem Thema zu hören. Jeder hat seine Heimat, auch sprachlich, hat einen Reichtum von dem er mehr berichten kann als andere. Bei Dir ist Deine heimat sicher auch in dieser Thematik zu suchen, Deine Gedichte hierzu lese ich immer gern.
Liebe Grüße
max

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Beitragvon leonie » 31.10.2006, 21:13

Liebe scarlett,

ich bin schon lange um dieses Gedicht herumgeschlichen. Mir geht es wie Trixie, ich mag es sehr! Nur mit dem „war niemandes Herr oder Knecht“ kann ich mich nicht anfreunden, ich finde, es engt den Freiraum des Lesers ein. Es erinnert mich an Hermann van Veen: Ich hab ein zärtliches Gefühl (da heißt es in einer Strophe:“der niemands Knecht ist, niemands Herr“).

Sehr gern schon mehrmals gelesen!
Liebe Grüße
leonie

Max

Beitragvon Max » 31.10.2006, 21:30

Liebe Leonie,

wir lesen anscheinedn nicht nur das gleiche, wir hören auch das gleiche. Genau diese Strophe von Hermann v. Veen ist mir auch in den Sinn gekommne.

Liebe Grüße
max

scarlett

Beitragvon scarlett » 31.10.2006, 21:54

und scarlett kennt das mal wieder nicht ! :12:
was soll mir das sagen????

gruß...s.

Liebe leonie,

ich werde nochmal über diese Stelle nachdenken...
es freut mich, daß dir das gedicht gefällt und danke für deine rückmeldung...

schönen abend noch,

scarlett

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Beitragvon leonie » 31.10.2006, 22:53

Lieber Max,

ja, und das ist schon im Langzeitgedächtnis, da kommt Alzheimer nicht so schnell ran.

Liebe scarlett,

macht nix, ist schon ein Weilchen her, war aber ne schöne Zeit...

Liebe Grüße
leonie


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