Das Ei

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 08.01.2007, 21:58

Das Ei.

Seit einiger Zeit sitze ich am Tisch.

Gestern habe ich mir ein Ei gekauft und jetzt betrachte ich es.
Es ist kein besonderes Ei. Es sieht aus wie fast jedes Ei.
Es hat seine Schale in Eiform und ist hellbraun.
Ich hätte auch ein weißes Ei kaufen können, oder eines in beige. Es gibt auch gesprenkelte Eier, also mit vielen Punkten darauf. Aber die wollte ich nicht.
Ich wollte ein schlichtes braunes Hühnerei. Das habe ich bezahlt und auch bekommen.
Jetzt liegt es also vor mir auf dem Tisch.
Großen Hunger habe ich noch nicht, aber die Frage ist: Was soll ich jetzt mit meinem Ei machen?
Ich könnte es braten, also ein Spiegelei daraus machen. Ich könnte es auch kochen.
Mir wäre es auch möglich, ein kleines Loch in die Schale zu schlagen und es auszusaugen, roh.
Vielleicht hätte ich gar kein Hühnerei kaufen sollen, sondern vielleicht Wachteleier oder ein Gänseei.
Aber das ist ja jetzt restlos unerheblich, denn ich hatte ja nun ein braunes Hühnerei gekauft und es lag vor mir auf dem Tisch. Ganz natürlich in seiner Schale lag es da vor mir und ich sah es an.
Ob das ein Hühnerkind werden könnte, vielleicht sogar ein Hahn oder ein Henne mit mindestens zweihundert Küken womöglich?
Hm?
Aber das Ei gehörte nunmal mir. Ich hatte es gekauft.
Und langsam bekam ich jetzt doch Hunger. Nun, wenn man so ein Ei anschaut, dann darf man schon mal Hunger bekommen, denn zur Sättigung desselben hatte ich es ja gekauft. Was interessieren mich schon die Hühner und deren Fortpflanzung!
Ich holte die Pfanne aus meinem Küchenschrank, entzündete die mittlere Gasflamme, setzte die Pfanne darauf und träufelte etwas von dem restlichen Olivenöl in die Pfanne.
Das Wasser lief mir im Mund zusammen, bei dieser Abfolge von Verrichtungen.
Dieses Ei!
Dieses Ei würde bald gebraten sein!
Ein SPIEGELEI für mich!
Das war es!
Mit Salz und Pfeffer, ein wenig Muskat zu einem Stückchen Baguette.
Ich hatte also die Pfanne mitten auf den Herd gesetzt, und die Gasflamme entzündet. Bald war es zu einem erwartungsvollem Brutzeln gekommen.

Das Ei!
Ich sah es noch mal an, wie es da lag, nahm es dann in die Hand und betrachtete es von allen Seiten.
Irgendwo tat mir etwas leid. Ein unbestimmter Schmerz war unwillkürlich in meiner Brust.
Ich sah alle Möglichkeiten, die so ein Ei hatte, ganz unabhängig von der Farbe.
Aber welche Möglichkeiten hatte ich?
Ich hatte bezahlt und Hunger. Ja.
Also nahm ich das Ei nun endgültig und haute es auf den Pfannenrand, damit es nun endlich zerbräche und zu einem Spiegelei würde.
Es klappte.
Das Ei zerbrach, der Inhalt ergoss sich in die die heiße Pfanne und das Ei fing an zu einem gebratenem Spiegelei zu werden.
Mir war unglaublich wohl.
Ich war nunmal der Besitzer dieses Eies geworden, und nun gelang es mir mein Ziel zu erreichen.

Bevor ich das Ei aß, pustete ich erstmal aus, denn so glatt war es fast niemals gegangen.
Zuletzt geändert von moshe.c am 10.01.2007, 14:31, insgesamt 3-mal geändert.

Peter

Beitragvon Peter » 08.01.2007, 22:58

Moshe, du bis ein Minimalist!

(...)

Da wird aus nichts ein Text, ein Text mit goldengelber Mitte.

Einem philosophischen Sinn nach würde ich sagen: Die Idee (das Ei) wird zur Nahrung. Das Runde, Allgemeine, Weiße oder Gesprenkelte wird zur konkreten Empfindung. Die Idee wird zum Ausdruck.

Danach wundert sich das lyr. Ich, wie leicht das ging.

Auch der Leser wundert sich.

Aber will man mehr?

Für mich ein Modell, das zeigen will, wie das, was man Idee nennt oder was als Anfang steht, in seiner anfänglichen (und jungfräulichen) Geschlossenheit zu Raum wird,... oder wie breitet es sich aus... Oder es ist ein Modell oder ein Beispiel dafür, dass es dies überhaupt gibt.

Leider, aber das ist meist so, wenn man Geheimnisse offenlegt, bekomme ich selbst, wenn ich so nachdenke, kein Ei in meinen Kopf von deinem Text, und sehe dem lyr. Ich ein wenig neidisch zu, wie es ganz für sich allein sein spiegelndes Ei verschlingt.

Also sage ich ganz böse, wenigstens halte ich mich nicht in verschobenen Zeiten auf! (Deine Textzeiten musst du, wenn ich das richtig sehe, noch ein bisschen überdenken, lieber Moshe.)

Liebe Grüße
Peter

Mucki
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Beitragvon Mucki » 09.01.2007, 15:02

Lieber Moshe,

wenn mir jemand 100 Geschichten ohne die Autorennamen vorgelegt und mir gesagt hätte, eine davon ist von Moshe, welche? Ich hätte sofort diese gewählt! Deine Geschichte hat so viele Facetten, sie ist charmant, liebenswert, tragisch-komisch, absurd, hat Loriotsche Züge, (allein zu schreiben, ich habe mir ein Ei gekauft.), ist sehr eigen und hält einen in Bann. Ich finde sie sehr gelungen! Ich bin mal drin, sind ein paar Fehlerchen drin. Obwohl so viele Wiederholungen drin sind, würde ich sie drin lassen, da sie Stilmittel sind und gerade dieses Element die Geschichte so markant macht. Sehr gerne gelesen!
Saludos
Magic

moshe.c hat geschrieben:Das Ei.

Seit einiger Zeit sitze ich am Tisch.

Gestern habe ich mir ein Ei gekauft und jetzt betrachte ich es.
Es ist kein besonderes Ei.(.) Es sieht aus wie fast jedes Ei.
Es hat seine Schale in Eiform und ist hellbraun.
Ich hätte auch ein weißes Ei kaufen können(,) oder eines in beige. Es gibt auch gesprenkgelte Eier, also mit vielen Punkten darauf. Aber die wollte ich nicht.
Ich wollte ein schlichtes, braunes Hühnerei. Das habe ich bezahlt und auch bekommen.
Jetzt liegt es also vor mir auf dem Tisch.
Großen Hunger habe ich noch nicht, aber die Frage ist: Was soll ich jetzt mit meinem Ei machen?
Ich könnte es braten, also ein Spiegelei daraus machen. Ich könnte es auch kochen.
Mir wäre es auch möglich, ein kleines Loch in die Schale zu pieksen schlagen und es auszusaugen, roh.
Vielleicht hätte ich gar kein Hühnerei kaufen sollen, sondern vielleicht Wachteleier oder ein Gänseei.
Aber das ist ja jetzt restlos unerheblich, denn ich hatte ja nun ein braunes Hühnerei gekauft und es lag vor mir auf dem Tisch. Ganz natürlich in seiner Schale lag es da vor mir und ich sah es an.
Ob das ein Hühnerkind werden könnte, vielleicht sogar ein Hahn oder eine Henne mit mindestens zweihundert Küken womöglich?
Hm?
Aber das Ei gehörte nunmal mir. Ich hatte es gekauft.
Und langsam bekam ich Hunger. Nun, wenn man so ein Ei anschaut, dann darf man schonmal schon mal Hunger bekommen, denn zur Sättigung desselben hatte ich es ja gekauft. Was interessieren mich schon die Hühner und deren Fortpflanzung!
Ich holte die Pfanne aus meinem Küchenschrank, entzündete die mittlere Gasflamme, setzte die Pfanne darauf und träeufelte etwas von dem restlichen Olivenöl in die Pfanne.
Das Wasser lief mir im Mund zusammen, bei dieser Abfolge von Verrichtungen.
Dieses Ei!
Dieses Ei würde bald gebraten sein!
Ein SPIEGELEI für mich!
Das war es ! (Leerzeichen vor ! weg)
Mit Salz und Pfeffer, ein wenig Muskat zu einem Stückchen Baguette.
Ich setzte also die Pfanne auf den Herd, (die Pfanne ist bereits auf dem Herd oder hast du es absichtlich wiederholt?) und entzündete die Gasflamme. (Auch die Gasflamme ist bereits entzündet. Wenn du die Wiederholung hier bewusst gesetzt hast, dann: ich setzte also die Pfanne auf die entzündete Glasflamme) Bald brutzelte es erwartungsvoll.
http://www.blauersal
Das Ei!
Ich sah es nochmal noch mal an, wie es da lag, nahm es dann in die Hand und betrachtete es von allen Seiten.
Irgendwo tat mir etwas leid. Ein unbestimmter Schmerz war unwillkürlich in meiner Brust.
Ich sah alle Möglichkeiten, die so ein Ei hatte, ganz unabhängig von der Farbe.
Aber welche Möglichkeiten hatte ich?
Ich hatte bezahlt und Hunger. Ja.
Also nahm ich das Ei nun endgültig und haute es auf den Pfannenrand, damit es zerbräche und nun endlich zu einem Spiegelei nun endlich würde.
Es klappte.
Das Ei zerbrach, der Inhalt ergoss sich in die die heiße Pfanne und das Ei fing an, zu einem gebratenem Spiegelei zu werden.
Mir war unglaublich wohl.
Ich war nunmal der Besitzer dieses Ei's Eis geworden, und nun gelang es mir, mein Ziel zu erreichen.

Bevor ich das Ei aß, pustete ich erstmal aus, denn so glatt war es fast niemals gegangen.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 09.01.2007, 20:08

Lieber Peter!

Danke für deinen Kommentar. Ich bin halt ein Wanderer in den Zeiten, und dem kann man folgen oder bei sich bleiben.

Liebe Magic/Gabriella/ Gabi!

Entschuldige, daß ich bald nicht mehr weiß, was ich da schreiben kann, um dich anzusprechen. Ich weiß aber dein Du!

Nun, du hast mir ein sehr großes Lob angetan, wenn du mir schreibst, daß du mich aus einhundert Schreibern erkennen könntest. Das ist natürlich für mich eine Grundlage, die mir hilft, im Bereich von Prosa weiteres zu bewerkstelligen.

Auch danke ich dir sehr, den Fehlerteufel zu jagen.
Das Meiste übernehme ich.

Mit sehr liebem Gruß

Moshe

Max

Beitragvon Max » 09.01.2007, 20:12

Lieber Moshe,

ich finde es interessant und auch bezaubernd, dass man so ein Ei nicht nur braten und essen , sondern dies alles auch noch beschreiben kann. Zusätzlich zu den Punkten, die Magic schon angemerkt hat von mir noch dieser:

Bald brutzelte es erwartungsvoll.


Da ist das Ei mit Dir durchgegangen ;-) Nicht es brutzelt erwartungsvoll, sondern Du (bzw das lyr. Ich) bist erwartungsvoll, weil es so schön brutzelt ...

Spiegelige Grüße
Max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 09.01.2007, 20:43

Lieber Max!

Danke für dein Interesse für das Ei!

In Überschneidung mit dir habe ich nun die letzte Version unter Berücksichtigung der Hinweise von der lieben Gabriella hier eingestellt.

Bezüglich deines Hinweises möchte ich dir mitteilen, daß ein Ei durchaus auch so seine eigenen Erwartungen hat. Wozu ist es sonst da?
Genau wie wir selbst, dient es einer Erfüllung.
Deshalb brutzelt es.
Es kommt somit in die Situation sein Dasein zu erfüllen.
Willst du dem Ei das nehmen?
Was würde denn dann noch von ihm übrig bleiben?
Nur die Schale?

Lieber Max, du solltest mal zu einem Ei werden, zwischendurch, um es richtig zu verstehen.
Vielleicht wäre dir dann das Brutzeln auch nicht unangenehm.

Hm.

Moshe

P. S. : Bei uns gibt es heute Senfeier mit Böhnchen und Croquetten.

Max

Beitragvon Max » 09.01.2007, 20:54

Lieber Moshe,

vielleicht bekäme ich aber auch Brandblasen ...

Guten Appetit
Max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.01.2007, 13:43

Liebe Magic/Gabriella/ Gabi!

Entschuldige, daß ich bald nicht mehr weiß, was ich da schreiben kann, um dich anzusprechen.


Warum tust du dich damit schwer, Moshe?
Ein Name zur Anrede reicht doch, also nehme den, der dir am Nächsten ist.
Ich unterschreibe wieder mit Magic, da mich ja doch fast alle Magic nennen, ist ja auch klar, weil ich mit diesem Nick hier eingestiegen bin.

Auch danke ich dir sehr, den Fehlerteufel zu jagen.
Das Meiste übernehme ich.



Ein paar kleine Fehler hast du noch übersehen. (Ich meine jetzt nicht Vorschläge von mir wie z.B. "pieksen" statt "schlagen", sondern wirklich Fehler wie z.B. "gesprenkelt", gesprengelte ist nunmal falsch).
Saludos
M a g i c

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 10.01.2007, 14:30

LIebe Magic,
eines kannst du mir glauben: Ich bin über Lektoren meistens sehr froh.

Shalom

Moshe

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 13.01.2007, 12:45

Lieber moshe,

das ist schon ein Text, der ganz auf deine Art geschrieben ist ;-). Es ist durchaus humorvoll erzählt, weil die Szene skurril und doch normal zugleich wirkt, in der das lyrIch auszumachen versucht, was das bedeutet, aus dem, was einem zufällt, was man hat, etwas zu machen und was der Wille dabei ausmacht und und und. Auch gefällt mir gegenüber einigen Gedichten, dass du fast genau so viel weglässt, allein aber dadurch, dass es prosa ist, ich doch viel mehr meine zu verstehen.

Den Stil grundsätzlich dabei will ich nicht angreifen, finde aber nicht, dass er an an allen Stellen ausgereift ist, auch eine lässige, subjektive Sprache kann durchaus noch bearbeitet werden. Das fehlt mir etwas.

Was ich noch anmerken möchte, ich weiß, du wirst es wieder als zu biologisch werten, und vielleicht kann man an dieser Stelle wirklich darüber hinweglesen, auch wenn man es weiß, ist, dass aus deinem Ei zum Zeitpunkt, zu dem der Text beginnt, aus dem Ei kein Küken mehr werden könnte, da es unbefruchtet ist. Es kann als nicht mehr nachbefruchtet werden, nach dem es im Kühlreagl oder aus dem Nest aufgesammelt wurde. ich weiß, du wirst sagen, ich den Text da wieder zu direkt, es geht ja gar nicht um das Ei, du benutzt abr nun mal das Bild des Eis, um die Entscheidung des Ichs und die Konsequenzen, die für einen/etwas anderen/s daraus resultieren, zu beschreiben. das geht natürlich nicht, wenn eine Entscheidung, die das Ich zweifeln/überlegen/resümieren lassen schon längst gefallen ist.

Insgesamt ist der Text so ein Mittelding, ich habs ganz gern gelesen, mich über und mit dem text amüsiert, mitgedacht, aber weltbewegend (im Sinne von Archimedes) ist er auch nicht...

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 14.01.2007, 20:07

Hi Moshe, da könnte man dran rumkritisieren, nach Fehl-Stellen suchen, man kann es auch lassen...

Man kann auch einfach nur schmunzeln und sich mitnehmen lassen ins Innere des Eis. Und sich nicht wundern, warum es nicht vom Tisch kullert vor lauter Angeguckt-Werden :o)

Einzig der Zeitfehler am Anfang (es muss heißen: Gestern hatte ich mir ein Ein gekauft) sprang mich an, weiter- und zuende gelesen habe ich trotzdem gern.

Nach langer Zeit mal wieder
grüßt Tom.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Beitragvon Mucki » 15.01.2007, 02:18

den biologischen Einwand von Lisa kannst du ganz einfach rausnehmen, Moshe.

Bei diesem Satz hier:

Ob das ein Hühnerkind werden könnte, vielleicht sogar ein Hahn oder eine Henne mit mindestens zweihundert Küken womöglich?

schreibe: Ob das ein Hühnerkind hätte werden können, ......

Saludos
Magic


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