Die Freunde werden auch immer schwieriger

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leonie
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Beitragvon leonie » 28.01.2007, 13:11

Nur die wörtliche Rede im Schlabberdeutsch:

Wir waren über das lange Wochenende mal wieder bei Ilse und Herbert. Da fahren wir immer hin, einmal im Jahr, für ein paar Tage. Die können ja nicht weg wegen der Katzen. Und der Kaninchen. Sagen sie jedenfalls.

Es war ja auch ganz schön. Aber auf der Rückfahrt, da sag ich zu meinem Klaus: „Also, der Herbert könnte sich auch mal was Neues kaufen. So schlecht verdient der doch nich.“ Klaus brummt. „Den grünen Pulli hatte der vor drei Jahren schon an, der is an den Ärmeln schon bald durch. Dass Ilse das aber auch nich merkt.“

Klaus brummt wieder. Das macht der immer. Brummen. So tief, hinten in der Kehle.

„Ich mein, da muss man doch 'n bisschen drauf achten“, sag ich. „Die Ilse könnte doch mal mit dem Einkaufen gehen. Mach ich doch auch mit dir.“

„Hm,“ Klaus drückt aufs Gaspedal.
„Nu ras doch nich immer so“, sag ich. „Da wird mir ganz schlecht von“. Aber er muss ja unbedingt an dem Laster vorbei.

„Dabei is Ilse doch sonst so etepetete“, sag ich. „Die putzt ja dauernd hinter einem her. `Nen richtigen Fimmel hat se, das wird immer schlimmer... Na, war ja auch ´n Schweinewetter. Aba man kann doch nich jedes Mal die Schuhe ausziehen.“

„Mensch, pass doch auf“, sag ich. „Da vorne is rot.“ „Hm“, brummt Klaus und tritt voll auf die Bremse. Manchmal denk ich, das macht der extra...

„Und mit dem Essen“ sag ich. „Die weiß doch, dass ich keine Paprika mag. Aber was kocht se? Chili. “Du, hab ich gesagt, Ilse, kannste mir vielleicht `n bisschen ohne Paprika machen. Und tu da man auch nicht so viele Bohnen rein, da krieg ich immer so Blähungen von.“
Hat se dann ja auch gemacht, hat ja auch wohl geschmeckt. Obwohl `n bisschen viel Bohnen warn da immer noch drin.“

Klaus brummt. Naja, der isst ja alles. Dem könnt man auch `ne Dose Chappi warm machen.
"Aba dass man das immer sagen muss“, sag ich. „Hätt se doch auch mal was andres machen können.
Morgen brat ich uns erstmal `n anständiges Kotelett.“

Ich bin jedenfalls froh, wenn wir wieder zuhause sind, habe ich gedacht. Die Freunde werden auch immer schwieriger. Nächstes Jahr fahren wir da gar nicht mehr hin. Die haben ja nicht einmal gesagt, dass wir wiederkommen sollen.
Unhöflich werden sie auch noch.

Alles im Schlabberdeutsch:

Wir warn über das lange Wochenende mal wieder bei Ilse und Herbert. Da fahren wir immer hin, einmal im Jahr, fürn paar Tage. Die können ja nicht weg wegen der Katzen. Und der Kaninchen. Sagen se jedenfalls.

Es war ja auch ganz schön. Aber auf der Rückfahrt, da sag ich zu meinem Klaus: „Also, der Herbert könnte sich auch mal was Neues kaufen. So schlecht verdient der doch nich.“ Klaus brummt. „Den grünen Pulli hatte der vor drei Jahren schon an, der is an den Ärmeln schon bald durch. Dass Ilse das aber auch nich merkt.“

Klaus brummt wieder. Das macht der immer. Brummen. So tief, hinten in der Kehle.

„Ich mein, da muss man doch 'n bisschen drauf achten“, sag ich. „Die Ilse könnte doch mal mit dem Einkaufen gehen. Mach ich doch auch mit dir.“

„Hm,“ Klaus drückt aufs Gaspedal.
„Nu ras doch nich immer so“, sag ich. „Da wird mir ganz schlecht von“. Aber er muss ja unbedingt an dem Laster vorbei.

„Dabei is Ilse doch sonst so etepetete“, sag ich. „Die putzt ja dauernd hinter einem her. `Nen richtigen Fimmel hat se, das wird immer schlimmer... Na, war ja auch ´n Schweinewetter. Aba man kann doch nich jedes Mal die Schuhe ausziehen.“

„Mensch, pass doch auf“, sag ich. „Da vorne is rot.“ „Hm“, brummt Klaus und tritt voll auf die Bremse. Manchmal denk ich, das macht der extra...

„Und mit dem Essen“ sag ich. „Die weiß doch, dass ich keine Paprika mag. Aber was kocht se? Chili. “Du, hab ich gesagt, Ilse, kannste mir vielleicht `n bisschen ohne Paprika machen. Und tu da man auch nicht so viele Bohnen rein, da krieg ich immer so Blähungen von.“
Hat se dann ja auch gemacht, hat ja auch wohl geschmeckt. Obwohl `n bisschen viel Bohnen warn da immer noch drin.“

Klaus brummt. Naja, der isst ja alles. Dem könnt man auch `ne Dose Chappi warm machen.
"Aba dass man das immer sagen muss“, sag ich. „Hätt se doch auch mal was andres machen können.
Morgen brat ich uns erstmal `n anständiges Kotelett.“

Ich bin jedenfalls froh, wenn wir wieder zuhause sind, hab ich gedacht. Die Freunde werden auch immer schwieriger. Nächstes Jahr fahrn wir da gar nich mehr hin. Die ham ja nichmal gesagt, dass wir wiederkommen sollen.
Unhöflich werden se auch noch.


Erstfassung:

Waren wir doch über das lange Wochenende mal wieder bei Ilse und Herbert. Da fahren wir immer einmal im Jahr hin, für ein paar Tage. Die können ja nicht weg wegen der Katzen und der Kaninchen. Sagen sie jedenfalls.
Es war ja auch ganz schön. Aber auf der Rückfahrt, da sag ich zu meinem Klaus: „Sag mal, hast Du das auch bemerkt, ich glaube, der Herbert, der wäscht sich nicht richtig. Und der hatte auch die ganze Zeit denselben Pulli an.“ Klaus brummt. „Zu nah durfte man dem nicht kommen. Ob Ilse das gar nicht merkt?“
Klaus brummt wieder. Das macht der immer. Brummen. So tief, hinten in der Kehle.

„Ich mein, da muss man doch ein bisschen drauf achten“, sag ich. „Die Ilse könnte ihm doch morgens die Kleider hinlegen. Mach ich doch auch bei dir. Oder meist du, der will das nicht?“
„Hm,“ brummt Klaus und drückt aufs Gaspedal.

„Naja“, sagt er schließlich, „die Ilse war früher auch anders. Irgendwie lockerer. Die putzt ja jetzt dauernd hinter einem her. So schön ist das ja auch nicht, wenn sie da immer mit nem Lappen steht. Ich mein, man kann doch nicht jedes Mal, wenn man reinkommt, die Schuhe ausziehen. Und bei dem Schweinewetter, na ja.“

„Pass auf“, sag ich. „Da vorne is rot.“ „Jaja“, brummt Klaus, „bin doch nicht farbenblind.“

„Ja, mit der Ilse, das is mir auch aufgefallen,“ sag ich. „Auch mit dem Kochen. Die weiß doch nun, dass ich keine Paprika mag. Und was kocht se? Chili, mit Paprika. “Du, hab ich gesagt, Ilse, kannst mir vielleicht ein bisschen ohne Paprika machen. Und tu man da auch nicht so viele Bohnen rein, da krieg ich immer so Blähungen von“
Hat se dann ja auch gemacht, hat ja auch gut geschmeckt, obwohl bisschen viel Bohnen warn immer noch drin.“ Klaus brummt. „Aber das man das immer sagen muss. Hätt se doch auch mal was andres machen können.“

„Ich mag diesen neumodernen Kram sowieso nich so“, sagt Klaus, „mir wär ein anständiges Kotelett lieber.“

Ich bin jedenfalls froh, wenn wir wieder zuhause sind, hab ich gedacht. Die Freunde werden auch immer schwieriger. Die ham auch gar nicht gesagt, dass wir nächstes Jahr wiederkommen sollen. Unhöflich werden se auch noch.
Zuletzt geändert von leonie am 02.02.2007, 22:23, insgesamt 13-mal geändert.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 02.02.2007, 18:49

Hi Leo,

jetzt muss ich mal was fragen: Was soll denn das für ein Dialekt sein? Also für Ruhrpott passt da einiges nicht, und was anderes in der Art kenn ich nicht :o)
Ich bin leider etwas geplagt von zahllosen grottenschlechten Ruhrpott-Kolumnen in Tageszeitungen und Wegwerfblättchen, und tue mich da recht schwer. Einziger Lacher für mich ist die Dose Schappi. Ansonsten finde ich es ein bisschen fad.


Denn: So wie Mundart schulmäßig geschrieben wird, spricht kein Mensch.

Tom.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Beitragvon leonie » 02.02.2007, 20:09

Hi Tom,

das soll gar kein Dialekt sein (ich hochdeutsche Niedersachsin kann gar keinen, heul), sondern schlampiges Sprechen, wie es auch hier zuweilen vorkommt. Ich weiß, ich weiß, Klaras Berlinerisch kommt viel besser, aber so reines Hochdeutsch schien mir auch nicht angemessen.

Ansonsten ist mir schon klar, dass ich mich bei solchen Prosa-und-noch-dazu-ansatzweise-Humor-Versuchen noch sehr am Anfang bewege und dass man hier nicht durchgängig vor Lachen brüllt (das war aber auch gar nicht meine Absicht).

Liebe Grüße

leonie

Herby

Beitragvon Herby » 02.02.2007, 20:31

Lieber Tom, liebe leonie

Tom, jetzt muss ich Dir heftigst widersprechen (*harr*). Auch ich konnte bei leonies Text nicht vor Lachen brüllen, aber hier geht es nach meinem Empfinden eher um die leisen Töne und Zwischentöne des Humors und der Satire, die leonie, wie ich finde, wirklich super gelungen sind.

Leonie, nach Toms Kommentar hab ich Deinen Text noch einmal gelesen und überlege, ob Du die umgangssprachlichen Elemente nicht auf die wörtliche Rede beschränken könntest. Die erzählenden Passagen kommen auch ohne aus, die Unterhaltung wird durch sie allerdings lebendiger und vor allem authentischer.

Liebe Grüße
Herby

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 02.02.2007, 20:37

Liebe leonie,
ich find das schon gut beobachtet und ich bin inzwischen bei sowas überzeugt: Sowas gibt es auch 100 prozent in O-Ton! (Das ist schlimm, aber ich bin sicher...man hört soviel in der U-Bahn etc....
und ich habe sogar diesen Beweis hier: http://www.lustiges.ch/download/R%F6schenhof.mp3 <---das ist echt!!!).

Und das hier ist noch schlimmer:

Schlimm!!!

(entschuldige das Off-topic, aber es passte so gut)

Und darum find ich es auch witzig und gut geschrieben. Klaras Dialogform hat natürlich auch was....wäre was für die HörBar? ;-), aber mir gefällt es auch in deiner Version...

Das mit den Dialekten kann ich gut verstehen (komme ja auch aus dem Norden).


Minianmerkungen:

Die putzt ja jetzt dauernd hinter einem her <--- jetzt find ich überflüssig

„Mensch, pass doch auf“, sag ich. „Da vorne is rot.“ „Hm“, brummt Klaus und tritt voll auf die Bremse. Manchmal denk ich, das macht der extra..<--drittes pünktchen am ende fehlt


„Und mit dem Essen“ sag ich. „Die weiß doch, dass ich keine Paprika mag. Aber was kocht se? Chili. “Du, hab ich gesagt, Ilse, kannste mir vielleicht `n bisschen ohne Paprika machen. Und tu da man auch nicht so viele Bohnen rein, da krieg ich immer so Blähungen von“<--- fehlt auch Punkt...

Gerne mehr von dieser Leonie-Seite! Dass du böse beobachten kannst, hab ich aber schon vorher gemerkt (seit einem bestimmten Gedicht von dir ;-)).

Hat mir gut gefallen,
Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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leonie
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Beitragvon leonie » 02.02.2007, 21:34

Lieber herby,

danke für Deine Worte, freu...
Ja, das schlampige Sprechen nur in der wörtlichen Rede, den Vorschlag hatte Gerda auch schon gemacht. Aber es ist ja im Grunde dieselbe Person, die erzählt, ist es da nicht seltsalm, wenn sie einmal schlampig und einmal sauber "spricht"?

Liebe Lisa,

auch Dir danke! Die Anmerkungen sind eingearbeitet. Hm, diese Szene ist wirklich komplett ausgedacht, aber herby hat ja auch schon gesagt, dass er sowas schon in echt gehört hat...Freut mich, dass es Dir gefällt. (Röschenhof ist wirklich hübsch! Ohneeohnee, wenn man es nicht hören würde, würde man es doch kaum glauben, oder?)
So ganz häufig wird man mich hier nicht antreffen, und bis man vor Lachen brüllt, wird es wohl noch ein weiter Weg sein. Vielleicht mal ab und zu sone Kleinigkeit... Mal sehn...

Liebe Grüße

leonie

Herby

Beitragvon Herby » 02.02.2007, 22:13

Liebe leonie,

Aber es ist ja im Grunde dieselbe Person, die erzählt, ist es da nicht seltsalm, wenn sie einmal schlampig und einmal sauber "spricht"?


hmm ... stimmt. Und warum es mich erst jetzt beim wiederholten Lesen stört, weiß ich ehrlich gesagt noch nicht. Also grübele ich noch.
Aber ich wiederhole es noch einmal: Unterhaltungen dieser Art habe ich auf Rückfahrten von Einladungen mehr als einmal gehört, und jeder Widerspruch war vergebens. Ich litt!

So ganz häufig wird man mich hier nicht antreffen, und bis man vor Lachen brüllt, wird es wohl noch ein weiter Weg sein


Wie schade! Oft sind die leisen Lacher nachhallender als die Brüller. Bleib dran!!

Liebe Lisa,

zu dem Röschenhof eine PN. Köstlich und passend und gar nicht so offline, wie ich finde.

Herzliche Grüße Euch beiden
Herby

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leonie
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Beitragvon leonie » 02.02.2007, 22:24

Lieber herby,

also, Du hast echt was Ermutigendes! Vielen Dank dafür!

Ich habe jetzt probehalber mal eine Version eingestellt, wo nur die wörtliche Rede im Schlabberdeutsch ist.

Liebe Grüße

leonie

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 03.02.2007, 01:31

Herby,

ist doch lustig, wie sich ein korrigierter Irrtum auf dem Weg begibt... :o]

Tom
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Herby

Beitragvon Herby » 03.02.2007, 12:29

Liebe leonie,

diese letzte Version gefällt mir besser als die voherige. Nach einigem Nachdenken ist mir auch klar geworden, was mich irritierte. Du hast geschrieben:

ist es da nicht seltsalm, wenn sie einmal schlampig und einmal sauber "spricht"?


Das wäre dann ein legitimes Mittel, wenn es als sprachliches Mittel in irgendeiner Weise zur Charakterisierung der Person beitrüge oder für den Handlungsverlauf von Bedeutung wäre, aber beides sehe ich bei Deinem Text nicht. Ich würde es so wie in der zuletzt eingesetzten Version lassen.

Oh Tom, wie wahr! ;-)

Euch beiden liebe Wochenendgrüße
Herby


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