Unbezähmbar

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 24.04.2007, 19:34

Unbezähmbar

Meine größte Konsequenz ist meine Inkonsequenz
oder doch nicht?

Fiebrige Gedanken peitschen mich durch die Nacht, schlagen mich wund in den warmen Decken. Nein, sie sind eisig, wie meine Ehrlichkeit es sein muss. Ich gab mir das Versprechen! Schon so oft ... Kreuzte ich die Finger? Hohle Versprechen, Worthülsen ohne Brücke. Verfalle ich dem eigenen Verrat? Nein, es muss raus! Du hast mein Vertrauen verdient, mein Dunkel zu erfahren, endlich ... Ich forme mein Geheimnis, widerrufe, rede, widerrufe, ringe nach Silben. Wie kann harte Ehrlichkeit sanft sein, auch wenn sie Wahrheit ist, dich nicht in Abgründe stürzen, von denen ich dir erzählen muss? Es ist meine Wahrheit. Eitriges Geschwür in mir, aber meine Wahrheit. Wie ich Teil von dir bin. Du schläfst ruhig. Dein Atem. So gleichmäßig. Ich keuche, getrieben von Bildern, die mir den Schlaf stehlen. Schlaf, Schlaf ...Spitzen wuchern. Tausende ... Pfeile jagen zu mir zurück. Ein Zeichen, eine Warnung? Füge ich mir selbst Schmerz zu, wenn ich dir ... Sehe dich an der Wand stehen. Aufgespießt durch meine Worte, meine wahren ...
Du lebst, überlebst, doch deine Augen sterben, sterben ... Und ich mit ihnen ... Du wachst auf, lächelst mich an. Noch ...

© Mucki
24.04.2007

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 26.04.2007, 16:05

Hallo in die Runde,

da bisher keine Reaktionen zu diesem Text kamen, :blink1: denke ich: entweder, er ist für die Tonne, oder aber: ihr wisst nicht, was dazu sagen, versteht evtl. nicht, was oder wer "unbezähmbar" ist? :12:

Um euch den Text vielleicht ein bisschen näher zu bringen, habe ich ihn gelesen und eben in der Hörbar eingestellt.
Saludos
Mucki

Benutzeravatar
Ylvi
Beiträge: 9470
Registriert: 04.03.2006

Beitragvon Ylvi » 26.04.2007, 16:55

Hallo Mucki,
ich habe ihn gerade erst gelesen. Er ist nicht für die Tonne!
Es hat mich an ein Gedicht von Else Lasker-Schüler erinnert "Dir". (Hab leider keinen Link o.ä. anzubieten).
Ob ich die Setzung gelungen finde, weiß ich nicht so richtig, irgendwie irritiert es mich eher.
Wie kann harte Ehrlichkeit sanft sein, auch wenn sie Wahrheit ist, dich nicht in Abgründe stürzen, von denen ich dir erzählen muss?

das ist mir zu verschachtelt, im Vergleich zu den anderen Sätzen. Das würde ich auftrennen.
Vielleicht liege ich ja ganz falsch, aber für mich geht es um ein Fremdgehen, dass (noch) nicht gebeichtet wurde. Das Ich wäre dann der oder die Unbezähmbare.

liebe Grüße smile

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 26.04.2007, 17:07

Hallo smile,

Ob ich die Setzung gelungen finde, weiß ich nicht so richtig, irgendwie irritiert es mich eher.

Zitat:Wie kann harte Ehrlichkeit sanft sein, auch wenn sie Wahrheit ist, dich nicht in Abgründe stürzen, von denen ich dir erzählen muss?

das ist mir zu verschachtelt, im Vergleich zu den anderen Sätzen. Das würde ich auftrennen.


Ich habe im Text den "Fade-Effekt" (dieses Verblassen) bewusst angewendet und auch gerade diese Stellen flüsternd gelesen. (Übrigens: ein Nebeneffekt von diesem "Fade-Effekt" ist, dass danach automatisch ein Zeilenumbruch entsteht, was ich in diesem Text auch für sinnvoll halte, das passt irgendwie gut, finde ich)
Das LI möchte die Ehrlichkeit gerne sanft an das LyrDu weitergeben, kommt aber zu der Erkenntnis, dass dies eben nicht möglich ist.

Was deine Interpretation betrifft, sicher, es wäre eine Möglichkeit. Der Text lässt es offen.
Doch das LI ist nicht als das Unbezähmbare gemeint,-)
Saludos
Mucki
P.S. Danke dir für deinen Kommentar, und dass du den Text als "nicht für die Tonne" betrachtest,-)

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 26.04.2007, 17:20

Hallo smile,

ich war neugierig auf dieses Gedicht, das du erwähnt hast: habe den Link gefunden:

http://www.deutsche-liebeslyrik.de/lasker47.htm

Du hast Recht, ein Teil davon hat in der Tat eine gewisse Ähnlichkeit, nur das mit dem "Nicht-Empfinden" ist in meinem Text genau andersherum.
Saludos
Mucki

Gast

Beitragvon Gast » 26.04.2007, 17:42

Liebe Mucki,

das Lyrich hält innere Zwiesprache.

Für mein Dafürhalten, gehst du mit deinem Text, an eine tiefere Ebene als diejenige einen Fehltritt zu beichten, so wie ich den Text lese und du ihn vermutlich intendiert hast.
Das Lyrich trägt das Unbezähmbare in sich, es ist Teil des Wesens des Ichs.

Das "Du" kennt diesen Teil nicht, es sind "Blinde Flecken" vielleicht, "Schwarze Gedanken", "Lebensüberduss", der aus Anstrengungen herrührt, das Leben zu leben, wie es dem Lyrich auferlegt ist.
So viel ist mir klar: Das Lyrich ist hin- und hergerissen zwischen sich "Öffnen", (auch eine Art Erlösung für sich zu finden) und dem, dass es dem Du nicht weh tun will.

Ich werde mir deinen Text noch einmal ganz in Ruhe ansehen und später hören, mich dann noch einmal zu Wort melden.

Liebe Grüße
Gerda

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 26.04.2007, 19:07

Liebe Gerda,

du bist meiner Intention sehr nahegekommen,-) Schön, dass du das herausgelesen hast. *freu*
Danke! Ich bin gespannt, was du, nachdem du die Lesung gehört hast, meinst.
Saludos
Mucki

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 26.04.2007, 22:58

Liebe Mucki,

ich habe den Text so verstanden wie Gerda.

Und denke, das lyrIch ist in einem wahren Dilemma. Weil es keine "gute", befriedigende Entscheidung treffen kann. Sich dem vertrauten "Du" nicht zu öffnen, wäre eine Art Vertrauensbruch, weil es entscheidend Wichtiges von sich selbst zurückhält. Sich zu öffnen, könnte das Du gefährlich verletzen. Sich zu öffnen, könnte erlösend sein, aber den anderen töten und so wieder das lyrIch wieder "gefangennehmen".
Ich verstehe nicht ganz, warum Du mehrere Titel anbietest. Ist das ein Teil des "Dilemmas"?

Und die "Shadow"- Begriffe sind mir nicht ganz deutlich. Warum gerade diese Stellen? Ich sehe da noch keine "Linie".

Liebe Grüße

leonie

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 26.04.2007, 23:22

Liebe Mucki,

Das Unbezähmbare, das das LI nicht nach draußen lassen mag, es möglicherweise als inneren Anteil sogar hasst, quält offenbar. Es scheint mir als schaffe es eine Kluft zw. LI und dem Du, das nicht ahnt, was für Kriege in dem Menschen neben ihm stattfinden. Die Pfeile schießt das Unbezähmbare ab, ängstigt seinen "Wirt". Das LI ahnt oder weiß, wenn es spräche, bliebe wohl kein Stein auf dem anderen in der Beziehung.

Nein, sie sind eisig, wie meine Ehrlichkeit es sein muss. Ich gab mir das Versprechen!
Das wäre meine Interpretation, wenn es nicht den hier zitierten Satz gäbe. Das LI verbirgt doch das, was in ihm lauert? Daher hängt der Satz für mich in der Luft. Wahrscheinlich will LI endlich sein Geheimnis lüften, schafft es aber nicht, obwohl es Nacht um Nacht darum ringt.

Vielleicht verstehe ich den Text auch völlig falsch, mal sehen.

Mir gefällt die Setzung gut. Ist der kursive Satz in Fett ein Zitat?

Unklare Grüße,
ELsie
Schreiben ist atmen

Gast

Beitragvon Gast » 27.04.2007, 00:03

Liebe Mucki,

ich wollte mich nach dem Hören noch einmal melden.
Ich bitte dich dass du dich bis morgen geduldest. Ein wenig fehlt mir auch noch eine Linie (leonie sprach davon) auch beim Hören, aber ich will nicht voreilig sein und lieber noch einmal mit Abstand (Ja, den braucht es beim Besprechen manchmal auch) hören und überlegen.
Der Text hat etwas Absurdes, etwas wie ein Laufrad ... ha, jetzt plapper ich doch schon wieder los.
Ich glaube irgendwie, dass es keine Lösung geben kann weil das Lyrich keine Zäsur, keinen Schnitt machen kann, aus Angst, dass alles zerbricht.
Die Angst vor der Angst danach - keine Ende der Angst in Sicht???
Ein sich Reinsteigern und Rasen ...

Vielleicht abstrus, was ich hier loslasse...

Erst Mal
Liebe Nachtgrüße
Gerda

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 27.04.2007, 01:44

Liebe leonie,

Und denke, das lyrIch ist in einem wahren Dilemma.


So ist es.

Sich zu öffnen, könnte erlösend sein, aber den anderen töten und so wieder das lyrIch wieder "gefangennehmen".


nicht im Sinne von wirklich töten, sondern eher etwas absterben lassen.

Ich verstehe nicht ganz, warum Du mehrere Titel anbietest. Ist das ein Teil des "Dilemmas"?


Der Titel heißt: Unbezähmbar

Untertitel ist das Zitat, welches durch die Erweiterung wieder in Frage gestellt wird vom LI. Und ja, somit von Beginn an das "Dilemma" des LIs ausdrücken soll.


Und die "Shadow"- Begriffe sind mir nicht ganz deutlich. Warum gerade diese Stellen? Ich sehe da noch keine "Linie".


Es ist auch keine Linie, es kann keine Linie in diesem Konflikt geben. Hätte es eine Linie, wäre kein Konflikt da. In diesen Stellen liegt der Schlüssel. Einerseits die Zweifel des LIs, dann wiederum das sich selbst Antreiben und eine große Sehnsucht des LIs. Hierbei spielen die Worte

Schlaf, Schlaf

eine entscheidende Rolle im ganzen Text, auch wie ich sie gelesen habe.
Danke dir für deinen Kommentar,-)
Saludos
Mucki

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 27.04.2007, 02:05

Liebe Elsie,

Das Unbezähmbare, das das LI nicht nach draußen lassen mag, es möglicherweise als inneren Anteil sogar hasst, quält offenbar. Es scheint mir als schaffe es eine Kluft zw. LI und dem Du, das nicht ahnt, was für Kriege in dem Menschen neben ihm stattfinden. Die Pfeile schießt das Unbezähmbare ab, ängstigt seinen "Wirt".


das hast du ganz richtig interpretiert, ja.

Das LI ahnt oder weiß, wenn es spräche, bliebe wohl kein Stein auf dem anderen in der Beziehung.


Es geht sehr viel weiter, tiefer.

Nein, sie sind eisig, wie meine Ehrlichkeit es sein muss. Ich gab mir das Versprechen!

Das wäre meine Interpretation, wenn es nicht den hier zitierten Satz gäbe. Das LI verbirgt doch das, was in ihm lauert? Daher hängt der Satz für mich in der Luft. Wahrscheinlich will LI endlich sein Geheimnis lüften, schafft es aber nicht, obwohl es Nacht um Nacht darum ringt.


Ja, eben. Das LI gab sich dieses Versprechen (schon so oft ...) Es quält sich, ringt mit sich selbst, weil es um die Konsequenzen weiß, wenn es das Versprechen an sich selbst endlich erfüllen würde.

Vielleicht verstehe ich den Text auch völlig falsch, mal sehen.


Nein, gar nicht. Bis auf den Passus oben (dass kein Stein mehr auf dem anderen bliebe in der Beziehung), da geht es um mehr.

Mir gefällt die Setzung gut. Ist der kursive Satz in Fett ein Zitat?


Danke dir,-) Das Zitat ist von mir, ich habe es in diesen Text eingebaut, da es gut passte (und auch zu mir selbst *g*)
Danke für deine Kommentare,-)

Liebe Gerda,

Ich bitte dich dass du dich bis morgen geduldest. Ein wenig fehlt mir auch noch eine Linie


Lass dir Zeit. Zur Linie, siehe oben, was ich an Leonie schrieb. Vielleicht hilft es weiter?

Der Text hat etwas Absurdes, etwas wie ein Laufrad ... ha, jetzt plapper ich doch schon wieder los.
Ich glaube irgendwie, dass es keine Lösung geben kann weil das Lyrich keine Zäsur, keinen Schnitt machen kann, aus Angst, dass alles zerbricht.
Die Angst vor der Angst danach - keine Ende der Angst in Sicht???
Ein sich Reinsteigern und Rasen ...

Vielleicht abstrus, was ich hier loslasse...


Nein, überhaupt nicht. Das Wort "Laufrad" trifft das Dilemma des LIs ganz gut. Das "Unbezähmbare" läuft und läuft, quält das LI, das Rad kommt nicht zum Stillstand.
Danke auch dir,-)
Saludos
Mucki

Benutzeravatar
Ylvi
Beiträge: 9470
Registriert: 04.03.2006

Beitragvon Ylvi » 27.04.2007, 11:16

Hallo Mucki,
das Fremdgehen hatte ich emotional gemeint, war aber trotzdem wohl von deiner Intention weit entfernt. Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht weiß, was dieses Unbezähmbare ist, dieses dunkle Geheimnis, das das Ich erzählen will und nicht kann. Und warum es dem Partner so weh tun würde. Irgendwie will sich mir der Text nicht recht erschließen.

Deine Lesung fand ich stimmig mit dem, was du durch die Komms. erläutert hast.

liebe Grüße smile

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 27.04.2007, 11:19

Liebe Mucki,

Es geht sehr viel weiter, tiefer.


Das LI gab sich dieses Versprechen (schon so oft ...) Es quält sich, ringt mit sich selbst, weil es um die Konsequenzen weiß, wenn es das Versprechen an sich selbst endlich erfüllen würde.

Geht es um eine Überlegung des Freitodes? Der Gedanke kommt mir jetzt. Das Versprechen ist, in den Tod zu gehen?
Das wäre natürlich viel viel Tiefergehend als lediglich ein Beziehungsthema zum Du hin.

gedankenvolle Grüße,
ELsa
Schreiben ist atmen


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 9 Gäste