Version 2.5 / vorläufige Endfassung
Ich hole meinen Koffer aus dem Auto. Habe keine Eile. Bei der Gelegenheit trinke ich noch einen kleinen Schluck für die Verdauung. Und für die Nerven. Sicher steht meine Mutter am Küchenfenster. Etwas seitlich, damit sie schnell zurückweichen könnte, falls jemand in ihre Richtung blickt. Ich brauche noch ein paar Minuten für mich, zünde mir eine Prince Denmark an und setze mich auf die erste Treppenstufe zur Haustür. Fast wie früher.
Ein blonder Junge kommt mit dem Fahrrad die Straße entlang. Er reißt das Vorderrad hoch und fährt ein paar Meter auf einem Rad. "Kawasaki Z900" ruft er und versucht aus flacher Brust das Motorengeräusch nachzuahmen.
"Warte, ich möchte dir was sagen", rufe ich ihm zu. Aber da ist er auch schon wieder fort. So ein Blödsinn. Trotzdem bedaure ich es. Meine Finger zittern. Wie zur Ablenkung tippe ich auf die Zigarette und beobachte, wie die Asche in den feinen Kies zwischen meine Füße segelt.
Ein lautes Kratzgeräusch lässt mich aufschrecken. Der Junge macht eine Vollbremsung. Das blockierte Hinterrad zieht einen Halbkreis. Die Steinchen fliegen durch die Gegend. Er grinst wie Colt Seavers. Diesmal versuche ich nicht, ihn anzusprechen. Hoffe, dass er bleibt. Das Fahrrad hat er von seiner großen Schwester. Ein Mädchenfahrrad ohne Stange. Er hat eine Crossmaschine daraus gemacht und alle Schutzbleche abgebaut. "Ich werde mal Stuntman!" sagt er nun. Ich beiße mir auf die Lippen. Dann sieht er stolz auf seine Digitaluhr, als wolle er sich nur davon überzeugen, dass er sie nicht verloren hat, und natürlich will er sie mir auch zeigen."79DM".
Ich weiß es noch. Ein Vermögen damals. Hundertstelsekunden-Stoppuhr. Er ist dünn. Zu dünn. Das passt nicht zu einem Stuntman und ärgert ihn. Beinahe hätte man das silberne Armband nicht so weit kürzen können, bis es eng genug war. Seine Armbeugen sind wund gekratzt. "Ich guck mal, ob Ulli endlich mit den Hausaufgaben fertig ist. Wenn du Böcke hast, kannst ja mitkommen". Er verschwindet. Mir laufen die Tränen.
Version 2
Falls du Version 1 nicht gelesen hast, bitte keine Kommentare lesen.
Ich hole meinen Koffer aus dem Auto. Habe keine Eile. Bei der Gelegenheit trinke ich noch einen kleinen Schluck für die Verdauung. Und für die Nerven. Sicher steht meine Mutter am Küchenfenster. Etwas seitlich, damit sie schnell zurückweichen könnte, falls jemand zu ihr blickte. Ihre Stirnfalte wird ein Krater sein und die Mundwinkel hängen sicher runter, dass ihre Wangen wie Lefzen aussehen. Ich brauche noch ein paar Minuten für mich, zünde mir eine Prince Denmark an und setze mich auf die erste Treppenstufe zur Haustür. Fast wie früher.
Ein blonder Junge kommt mit dem Fahrrad die Straße entlang. Er reißt das Vorderrad hoch und fährt ein paar Meter auf einem Rad. "Kawasaki Z900" ruft er und versucht aus flacher Brust das Motorengeräusch nachzuahmen. Das gibt's doch nicht!
"Warte, ich möchte dir was sagen", rufe ich ihm zu. Aber da ist er auch schon wieder fort. So ein Blödsinn. Trotzdem bedaure ich es. Meine Finger zittern. Wie zur Ablenkung tippe ich auf die Zigarette und beobachte, wie die Asche in den feinen Kies zwischen meine Füße segelt.
Ein lautes Kratzgeräusch lässt mich aufschrecken. Der Junge macht eine Vollbremsung. Das blockierte Hinterrad zieht einen Halbkreis. Die Steinchen fliegen durch die Gegend. Er grinst wie Colt Seavers. Diesmal versuche ich nicht, ihn anzusprechen. Hoffe, dass er bleibt. Das Fahrrad hat er von seiner großen Schwester. Ein Mädchenfahrrad ohne Stange. Er hat eine Crossmaschine daraus gemacht und alle Schutzbleche abgebaut. "Ich will Stuntman werden, oder Schrotthändler", erzählt er nun. Ich beiße mir auf die Lippen. Dann sieht er stolz auf seine Digitaluhr, als wolle er sich nur davon überzeugen, dass er sie nicht verloren hat, und natürlich will er sie mir auch zeigen."79DM".
Ich weiß. Ein Vermögen damals. Hundertstelsekunden-Stoppuhr. Er ist dünn. Zu dünn. Das passt nicht zu einem Stuntman und ärgert ihn. Beinahe hätte man das silberne Armband nicht so weit kürzen können, bis es eng genug ist, weil die Glieder am Ende breiter werden. Seine Armbeugen sind wund gekratzt. "Ich guck mal, ob Ulli endlich mit den Hausaufgaben fertig ist. Wenn du Böcke hast, kannst ja mitkommen". Er verschwindet. Mir laufen die Tränen.
Version 1
Ich hole meinen Koffer aus dem Auto. Habe keine Eile. Meine Blicke schweifen umher. Ein blonder Junge kommt mit seinem Fahrrad die Straße entlang. Er reißt das Vorderrad hoch und fährt ein paar Meter auf einem Rad. "Kawasaki Z1000" ruft er und versucht aus flacher Brust das Motorengeräusch nachzuahmen.
"Warte, ich möchte dir was sagen", rufe ich ihm zu. Aber da ist er auch schon wieder fort. Ich bedauere es und will das Auto abschließen. Meine Hände zittern. Der Schlüssel fällt mir aus der Hand in den feinen Kies vor dem Doppelcarport. Ein lautes Kratzgeräusch lässt mich aufschrecken. Der Junge macht eine Vollbremsung. Das blockierte Hinterrad zieht einen Halbkreis. Die Steinchen fliegen durch die Gegend. Er grinst wie Colt Seavers. Diesmal versuche ich nicht, ihn anzusprechen. Hoffe, dass er bleibt. Das Fahrrad hat er von seiner großen Schwester. Ein Mädchenfahrrad ohne Stange. Er hat eine Crossmaschine daraus gemacht und alle Schutzbleche abgebaut. "Ich will Stuntman werden, oder Schrotthändler", erzählt er nun. Ich beiße mir auf die Lippen. Dann sieht er stolz auf seine Digitaluhr, als wolle er sich nur davon überzeugen, dass er sie nicht verloren hat, und natürlich will er sie mir auch zeigen."79DM".
Ich weiß. Ein Vermögen. Hundertstelsekunden-Stoppuhr. Er ist dünn. Zu dünn. Das passt nicht zu einem Stuntman und ärgert ihn. Beinahe hätte man das silberne Armband nicht so weit kürzen können, bis es eng genug ist, weil die Glieder am Ende breiter werden. Seine Armbeugen sind wund gekratzt. "Ich guck mal, ob Ulli endlich mit den Hausaufgaben fertig ist. Wenn du Böcke hast, kannst ja mitkommen". Er verschwindet. Mir laufen die Tränen.
Besuch
Elsa hat geschrieben:Hallo Max D.
Naja, man wird sich ja als Leser doch äußern dürfen, ob einem ein Kommentar gefällt oder nicht.
genau elsa,
drum nehme ich dieses recht auch für mich in anspruch
Elsa hat geschrieben:Ich finde den Text übrigens auch nicht larmoyant oder weinerlich, nö.
Lieben Gruß
ELsa
glaub ich dir aufs wort
liebe grüße
max d!
Oh Max Dernet,
ich glaube mit der Art wirst du du noch oft auf Granit beißen, schönen Gruß an deinen Zahnklempner.
... und übrigens bitte nicht: "der" Nifl, du weißt doch im Deutschen vor Eigennamen ...
Vielleicht magst du das Folg. explizit zur Kenntnis nehmen:
Es ist ein Unterschied, ob man wie du konstatiert, also allgemeingültig feststellt, oder einfließen lässt, oder man habe das Empfinden ...
Das substantivierte Verb "Empfinden" ohne den Zusatz "mein" ist übrigens völlig neutral.
Wenn das nicht wie eine ojektivierbare Feststellung formuliert ist, habe ich wahrscheinlich kein Einfühlungsvermögen.
Aber gut zu wissen, dass es ein Gefühlsäußerung sein soll.
Liebe Grüße
- und sei nicht do bockig -.gif)
Gerda
Sorry, lieber Nifl, das war jetzt alles OT, aber ich konnte mir das einfach nicht verkneifen.
Gerdanken
ich glaube mit der Art wirst du du noch oft auf Granit beißen, schönen Gruß an deinen Zahnklempner.

... und übrigens bitte nicht: "der" Nifl, du weißt doch im Deutschen vor Eigennamen ...

Vielleicht magst du das Folg. explizit zur Kenntnis nehmen:
Es ist ein Unterschied, ob man wie du konstatiert, also allgemeingültig feststellt, oder einfließen lässt, oder man habe das Empfinden ...
Das substantivierte Verb "Empfinden" ohne den Zusatz "mein" ist übrigens völlig neutral.
Max Dernet hat geschrieben:in der von dir vorgeschlagenen variante trieft der text geradezu vom selbstmitleid des protagonisten.
Wenn das nicht wie eine ojektivierbare Feststellung formuliert ist, habe ich wahrscheinlich kein Einfühlungsvermögen.
Aber gut zu wissen, dass es ein Gefühlsäußerung sein soll.
Liebe Grüße
- und sei nicht do bockig -
.gif)
Gerda
Sorry, lieber Nifl, das war jetzt alles OT, aber ich konnte mir das einfach nicht verkneifen.
Gerdanken
Huhu Elsa, Max D. Gabriella und Gerdanken.
Das Textlein ist wohl kein Grund zum Streiten.
Elternhaus ist gut… gefällt mir.
Was hast du für ein Bild von Buchhaltern? *lach … also Looser sind das für mich nicht, jedenfalls nicht so, dass es einen tränenerfüllt zerreißt, nur weil man sein Ichkind nicht vor seiner Zukunft warnen kann…
Hm ja. inhaltlich schon, aber stilistisch passt es für mein Gefühl nicht so. Das muss kantiger, schroffer, knapper …. Ich werde demnächst wieder in "ich" schlüpfen und dann aufschreiben wie er das machen würde *g.
Ihhh, echt? Ich bin ja immer der erste, der schreit: Larmoyanz! Kitsch! Sentimentalität! … Danke, dass du das ansprichst. Ich denke, wenn es mir nicht gelingt das zerreißende Gefühl der inneren Spannung des Protags im Leser zu erzeugen, kann der Text dahingehend gewertet werden.
Schauen wir mal, was die Revision 1 bringt.
Nun kloppt euch mal nicht, das Nifl kann mit harter Kritik umgehen… aus dem Alter der Überempfindsamkeit bin ich lange raus.
Danke noch mal.
LG
Nifl
Das Textlein ist wohl kein Grund zum Streiten.
Da müsstest du dem Leser noch ein paar kleine Hinweise übers Setting geben (Elternhaus).
Elternhaus ist gut… gefällt mir.
Was hast du für ein Bild von Buchhaltern? *lach … also Looser sind das für mich nicht, jedenfalls nicht so, dass es einen tränenerfüllt zerreißt, nur weil man sein Ichkind nicht vor seiner Zukunft warnen kann…
Ich hole meinen Koffer aus dem Auto. Habe keine Eile. Meine Blicke schweifen umher und meine Gedanken verlieren sich als ich das alte Fahrrad sehe ...
Hm ja. inhaltlich schon, aber stilistisch passt es für mein Gefühl nicht so. Das muss kantiger, schroffer, knapper …. Ich werde demnächst wieder in "ich" schlüpfen und dann aufschreiben wie er das machen würde *g.
vorgeschlagenen variante trieft der text geradezu vom selbstmitleid des protagonisten. ist das beabsichtigt?
Ihhh, echt? Ich bin ja immer der erste, der schreit: Larmoyanz! Kitsch! Sentimentalität! … Danke, dass du das ansprichst. Ich denke, wenn es mir nicht gelingt das zerreißende Gefühl der inneren Spannung des Protags im Leser zu erzeugen, kann der Text dahingehend gewertet werden.
Schauen wir mal, was die Revision 1 bringt.
Nun kloppt euch mal nicht, das Nifl kann mit harter Kritik umgehen… aus dem Alter der Überempfindsamkeit bin ich lange raus.
Danke noch mal.
LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)
Gerda Jäger hat geschrieben:Oh Max Dernet,
ich glaube mit der Art wirst du du noch oft auf Granit beißen, schönen Gruß an deinen Zahnklempner.![]()
... und übrigens bitte nicht: "der" Nifl, du weißt doch im Deutschen vor Eigennamen ...![]()
Vielleicht magst du das Folg. explizit zur Kenntnis nehmen:
Es ist ein Unterschied, ob man wie du konstatiert, also allgemeingültig feststellt, oder einfließen lässt, oder man habe das Empfinden ...
Das substantivierte Verb "Empfinden" ohne den Zusatz "mein" ist übrigens völlig neutral.Max Dernet hat geschrieben:in der von dir vorgeschlagenen variante trieft der text geradezu vom selbstmitleid des protagonisten.
Wenn das nicht wie eine ojektivierbare Feststellung formuliert ist, habe ich wahrscheinlich kein Einfühlungsvermögen.
Aber gut zu wissen, dass es ein Gefühlsäußerung sein soll.
Liebe Grüße
- und sei nicht do bockig -
Gerda
Sorry, lieber Nifl, das war jetzt alles OT, aber ich konnte mir das einfach nicht verkneifen.
Gerdanken
hallo gerda,
ich kapier nicht recht, was du unter 'granit' verstehst, kann schmollen versteinern und so hart werden wie? auch nehm ich ja nicht alles in den mund, was man mir so anbietet und tertio hab ich im tkd gelernt, ziegelsteine und auch bachkiesel von hand (oder fuß zu zerschlagen), kein problem also, wenns ein wenig härter wird.

objektive äußerungen von belang gibt es in der literatur kaum, 'dieser text umfasst 2400 buchstaben' wäre eine objektive, aber über qualitäten des textes sagt eine solche wenig aus. doch werde künftig die von paul ost (lob!) vorgeschlagene methode der charakterisierung meiner äußerungen in nachgesetzten klammern anwenden, damit mich keiner missversteht.
ich & bockig? das versteh wiederum ich nicht. kopfstöße sind zwar recht effektiv, aber ich nehm den meinen doch lieber zum denken her.
liebe grüße
max d!
Zuletzt geändert von Max Dernet am 17.05.2007, 10:54, insgesamt 4-mal geändert.
hallo nifl,
ohne die modifizierte version gelesen zu haben:
ich kann mir durchaus die möglichkeit denken, dass der protagonist äußerst selbstmitleidig dargestellt werden soll. andrerseits böte die begegnung mit dem früheren ich die möglichkeit, im alten ego eine vielzahl unterschiedlichster regungen ablaufen zu lassen. aber mehr nach der lektüre
max d.
ohne die modifizierte version gelesen zu haben:
ich kann mir durchaus die möglichkeit denken, dass der protagonist äußerst selbstmitleidig dargestellt werden soll. andrerseits böte die begegnung mit dem früheren ich die möglichkeit, im alten ego eine vielzahl unterschiedlichster regungen ablaufen zu lassen. aber mehr nach der lektüre
max d.
Lieber Nifl,
Naja, also einiges will mir nicht unter die Nase, aber die Sache mit der Mutter funktioniert jetzt ganz klar für mich. Schön!
damit sie schnell zurückweichen könnte. Hier könnte statt der Halbsatz eine "innere" Einschätzung des Protags kommen wie: Sie konnte es nicht ausstehen, wenn jemand sie beim Ausspionieren ertappte (oder so.)
Das war's von mir.
Lieben Gruß
Elsa
Naja, also einiges will mir nicht unter die Nase, aber die Sache mit der Mutter funktioniert jetzt ganz klar für mich. Schön!
Das kommt mir unschön formuliert vor.Etwas seitlich, damit sie schnell zurückweichen könnte, falls jemand zu ihr blickte.
damit sie schnell zurückweichen könnte. Hier könnte statt der Halbsatz eine "innere" Einschätzung des Protags kommen wie: Sie konnte es nicht ausstehen, wenn jemand sie beim Ausspionieren ertappte (oder so.)
weg! Zuviel!Das gibt's doch nicht!
weg. zuviel.Trotzdem bedaure ich es.
Das war's von mir.
Lieben Gruß
Elsa
Schreiben ist atmen
hall nifl,
also - mit muttern und dem schluck aus der pulle sind die akzente anders gesetzt. die tränen lese ich jetzt (auch) als reaktion auf die nervliche anspannung.
ich hab vor kurzem, beim ordnen einer hinterlassenschaft, einen brief entdeckt , den ich im alter von 10 an meine großmutter geschrieben habe. das war so eine konfrontation mit mir als jungem. da lief eine ganze reihe von emotionen ab, erstaunen, verblüffung, wiederkennen, melancholie ...
ich meine (meinung!) du könntest aus dem text mehr machen, in dem du die reaktion des alten ich breiter anlegst.
was mir (wertung!) noch fehlt:
dies ist ja keine science fiction geschichte (oder etwa doch?), in der zeitreisen möglich sind, also: wie kommt die begegnung/konfrontation zustande? mit einem satz, der auch klarstellt, das sich hier kind-ich und erwachsenen-ich begegnen fände ich (meinung!)den text präziser.
max d.
also - mit muttern und dem schluck aus der pulle sind die akzente anders gesetzt. die tränen lese ich jetzt (auch) als reaktion auf die nervliche anspannung.
ich hab vor kurzem, beim ordnen einer hinterlassenschaft, einen brief entdeckt , den ich im alter von 10 an meine großmutter geschrieben habe. das war so eine konfrontation mit mir als jungem. da lief eine ganze reihe von emotionen ab, erstaunen, verblüffung, wiederkennen, melancholie ...
ich meine (meinung!) du könntest aus dem text mehr machen, in dem du die reaktion des alten ich breiter anlegst.
was mir (wertung!) noch fehlt:
dies ist ja keine science fiction geschichte (oder etwa doch?), in der zeitreisen möglich sind, also: wie kommt die begegnung/konfrontation zustande? mit einem satz, der auch klarstellt, das sich hier kind-ich und erwachsenen-ich begegnen fände ich (meinung!)den text präziser.
max d.
Hallo Nifl!
Hm. In der ersten Version muss man als Leser zugegebermaßen etwas grüblen, aber in der zweiten ziehst du ihm gleich den dicken Vorschlaghammer über
Irgendwo dazwischen wäre schön - so etwa?!
Ich hole meinen Koffer aus dem Auto. Habe keine Eile. Zünde mir eine Prince Denmark an und setze mich auf die erste Treppenstufe zur Haustür.
Fast wie früher.
Ein blonder Junge kommt mit dem Fahrrad die Straße entlang. Er reißt das Vorderrad hoch und fährt ein paar Meter auf einem Rad. "Kawasaki Z900" ruft er und versucht aus flacher Brust das Motorengeräusch nachzuahmen. Das gibt's doch nicht!
"Warte, ich möchte dir was sagen", rufe ich ihm zu. Aber da ist er auch schon wieder fort. So ein Blödsinn. Trotzdem bedaure ich es. Meine Finger zittern. Wie zur Ablenkung tippe ich auf die Zigarette und beobachte, wie die Asche in den feinen Kies zwischen meine Füße segelt.
Ein lautes Kratzgeräusch lässt mich aufschrecken. Der Junge macht eine Vollbremsung. Das blockierte Hinterrad zieht einen Halbkreis. Die Steinchen fliegen durch die Gegend. Er grinst wie Colt Seavers. Diesmal versuche ich nicht, ihn anzusprechen. Hoffe, dass er bleibt. Das Fahrrad hat er von seiner großen Schwester. Ein Mädchenfahrrad ohne Stange. Er hat eine Crossmaschine daraus gemacht und alle Schutzbleche abgebaut. "Ich will Stuntman werden, oder Schrotthändler", erzählt er nun. Ich beiße mir auf die Lippen. Dann sieht er stolz auf seine Digitaluhr, als wolle er sich nur davon überzeugen, dass er sie nicht verloren hat, und natürlich will er sie mir auch zeigen."79DM".
Ich weiß. Ein Vermögen damals. Hundertstelsekunden-Stoppuhr. Er ist dünn. Zu dünn. Das passt nicht zu einem Stuntman und ärgert ihn. Beinahe hätte man das silberne Armband nicht so weit kürzen können, bis es eng genug ist, weil die Glieder am Ende breiter werden. Seine Armbeugen sind wund gekratzt. "Ich guck mal, ob Ulli endlich mit den Hausaufgaben fertig ist. Wenn du Böcke hast, kannst ja mitkommen". Er verschwindet.
Mir laufen die Tränen.
Durch das Absetzen des "Fast wie früher" gewinnt es ja noch an Signalwirkung und müsste so eigentlich jeden Leser auf die richtige Fährte führen?!
Elsas Kürzungsvorschläge finde ich stimmig.
"wie die Asche in den feinen Kies zwischen meine Füße segelt." Da antwortest du 2x auf die Frage "wohin?" - klingt mir etwas seltsam... eventuell "zwischen meinen Füßen"?
Ferdigruß!
Hm. In der ersten Version muss man als Leser zugegebermaßen etwas grüblen, aber in der zweiten ziehst du ihm gleich den dicken Vorschlaghammer über

Ich hole meinen Koffer aus dem Auto. Habe keine Eile. Zünde mir eine Prince Denmark an und setze mich auf die erste Treppenstufe zur Haustür.
Fast wie früher.
Ein blonder Junge kommt mit dem Fahrrad die Straße entlang. Er reißt das Vorderrad hoch und fährt ein paar Meter auf einem Rad. "Kawasaki Z900" ruft er und versucht aus flacher Brust das Motorengeräusch nachzuahmen. Das gibt's doch nicht!
"Warte, ich möchte dir was sagen", rufe ich ihm zu. Aber da ist er auch schon wieder fort. So ein Blödsinn. Trotzdem bedaure ich es. Meine Finger zittern. Wie zur Ablenkung tippe ich auf die Zigarette und beobachte, wie die Asche in den feinen Kies zwischen meine Füße segelt.
Ein lautes Kratzgeräusch lässt mich aufschrecken. Der Junge macht eine Vollbremsung. Das blockierte Hinterrad zieht einen Halbkreis. Die Steinchen fliegen durch die Gegend. Er grinst wie Colt Seavers. Diesmal versuche ich nicht, ihn anzusprechen. Hoffe, dass er bleibt. Das Fahrrad hat er von seiner großen Schwester. Ein Mädchenfahrrad ohne Stange. Er hat eine Crossmaschine daraus gemacht und alle Schutzbleche abgebaut. "Ich will Stuntman werden, oder Schrotthändler", erzählt er nun. Ich beiße mir auf die Lippen. Dann sieht er stolz auf seine Digitaluhr, als wolle er sich nur davon überzeugen, dass er sie nicht verloren hat, und natürlich will er sie mir auch zeigen."79DM".
Ich weiß. Ein Vermögen damals. Hundertstelsekunden-Stoppuhr. Er ist dünn. Zu dünn. Das passt nicht zu einem Stuntman und ärgert ihn. Beinahe hätte man das silberne Armband nicht so weit kürzen können, bis es eng genug ist, weil die Glieder am Ende breiter werden. Seine Armbeugen sind wund gekratzt. "Ich guck mal, ob Ulli endlich mit den Hausaufgaben fertig ist. Wenn du Böcke hast, kannst ja mitkommen". Er verschwindet.
Mir laufen die Tränen.
Durch das Absetzen des "Fast wie früher" gewinnt es ja noch an Signalwirkung und müsste so eigentlich jeden Leser auf die richtige Fährte führen?!
Elsas Kürzungsvorschläge finde ich stimmig.
"wie die Asche in den feinen Kies zwischen meine Füße segelt." Da antwortest du 2x auf die Frage "wohin?" - klingt mir etwas seltsam... eventuell "zwischen meinen Füßen"?
Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)
Hallo Nifl,
der Fokus ist mir in der 2. Fassung zu sehr auf die Mutter gerichtet. Man denkt jetzt, dass das LI ein Problem mit der Mutter haben könnte, aber es geht ja um das, was im LI selbst vorgeht. Damit der Leser weiß, dass LI bei den Eltern zu Besuch ist, würde ein Satz genügen. Aber dieses "Deja-Vu" kommt m.E. noch nicht klar genug heraus. Die Gedanken des LIs würde ich alle kursiv setzen und ein bisschen mehr ausweiten.
Saludos
Mucki
der Fokus ist mir in der 2. Fassung zu sehr auf die Mutter gerichtet. Man denkt jetzt, dass das LI ein Problem mit der Mutter haben könnte, aber es geht ja um das, was im LI selbst vorgeht. Damit der Leser weiß, dass LI bei den Eltern zu Besuch ist, würde ein Satz genügen. Aber dieses "Deja-Vu" kommt m.E. noch nicht klar genug heraus. Die Gedanken des LIs würde ich alle kursiv setzen und ein bisschen mehr ausweiten.
Saludos
Mucki
Lieber Nifl,
da es hier immer wieder darum geht, ob das "Déjà vu" deutlich genug wird oder nicht, will ich Dir mal meinen Eindruck beim ersten Lesen der Neufassung schildern.
Hier war ich schon ziemlich verwirrt. Nach meinem Gefühl müsste es heißen: "etwas seitlich, damit sie schnell zurückweichen kann, falls jemand zu ihr blickt." Das "sicherlich steht meine Mutter am Küchenfenster" evoziert ja schon ein gedachtes Bild, was soll dann im Folgesatz noch der Konjunktiv? Im darauf folgenden kommt nun plötzlich das Futur hinzu, was für mich das Durcheinander komplett macht; es sei denn, Du meinst ein umgangssprachliches Futur wie etwa in dem Dialog: "Ist deine Mutter daheim?" - "Wird schon so sein."
Nach dem kompletten Lesen und nachdem ich weiß, was der Text beabsichtigt, könnte ich mir vorstellen, dass diese Unklarheit am Anfang bewusst geschaffen wurde - trotzdem hätte ich, gerade wegen der traumhaften Sequenz mit dem Jugend-Ich, gern am Anfang ein stabiles Bild gehabt - die Mutter ist genau so, wie der Erzähler sie sich denkt. Ich kann mir vorstellen, dass das den Einstieg des Lesers in seine Vorstellungswelt vielleicht sogar fördert.
Aber ich glaube, Du meinst nicht, dass die Glieder am Ende breiter werden, sondern an der Seite zur Uhr hin. Das ist allerdings so verzwickt, dass ich in diesem Punkt überhaupt auf Genaigkeit verzichten würde und einfach schreiben: "Das silberne Armband hat man nur mit Mühe soweit kürzen können, dass es ihm passt" oder so ähnlich.
Ich persönlich habe dann noch das Problem, dass ich weder Colt Seavers kenne noch die Kawasaki Z1000, aber das ist vermutlich nicht so schlimm, ich kann mir schon denken, worum es sich handelt.
Einen Vorschlag hätte ich noch:
Wie wäre es an dieser Stelle mit einem "Wo ist Ulli jetzt?" oder "Was ist aus Ulli geworden?" Nur so zusätzlich zum besseren Verständnis.
So hundertprozentig klar geworden ist mir das nicht, dass es sich bei dem Jungen und dem Erzähler um die gleiche Person handelt. Obwohl Du mit dem "Ich weiß. Ein Vermögen damals" eigentlich einen eindeutigen Hinweis gibst. Wie wäre es mit "Ich weiß es noch. Ein Vermögen damals."?
Gern gelesen. Ein sehr männlicher Text übrigens nach meinem Gefühl. Ich denke gerade darüber nach, wie eine weibliche Fassung laufen könnte.
Lieben Gruß von der "spinnerten" Zefi!
da es hier immer wieder darum geht, ob das "Déjà vu" deutlich genug wird oder nicht, will ich Dir mal meinen Eindruck beim ersten Lesen der Neufassung schildern.
Sicher steht meine Mutter am Küchenfenster. Etwas seitlich, damit sie schnell zurückweichen könnte, falls jemand zu ihr blickte. Ihre Stirnfalte wird ein Krater sein
Hier war ich schon ziemlich verwirrt. Nach meinem Gefühl müsste es heißen: "etwas seitlich, damit sie schnell zurückweichen kann, falls jemand zu ihr blickt." Das "sicherlich steht meine Mutter am Küchenfenster" evoziert ja schon ein gedachtes Bild, was soll dann im Folgesatz noch der Konjunktiv? Im darauf folgenden kommt nun plötzlich das Futur hinzu, was für mich das Durcheinander komplett macht; es sei denn, Du meinst ein umgangssprachliches Futur wie etwa in dem Dialog: "Ist deine Mutter daheim?" - "Wird schon so sein."
Nach dem kompletten Lesen und nachdem ich weiß, was der Text beabsichtigt, könnte ich mir vorstellen, dass diese Unklarheit am Anfang bewusst geschaffen wurde - trotzdem hätte ich, gerade wegen der traumhaften Sequenz mit dem Jugend-Ich, gern am Anfang ein stabiles Bild gehabt - die Mutter ist genau so, wie der Erzähler sie sich denkt. Ich kann mir vorstellen, dass das den Einstieg des Lesers in seine Vorstellungswelt vielleicht sogar fördert.
Dieses "erzählt er nun" ist mir erstens zu bewusst - als ob sich der Junge dächte, dass er dem Mann auf der Treppe irgendwas erzählen müsse - und die Formulierung "Ich will Stuntman werden oder Schrotthändler" ist mir viel zu erwachsen. Ein Junge würde einfach sagen: "Ich werde mal Stuntman!" Vielleicht erleichtert es auch das Verständnis der Szene, wenn Du indirekt formulieren würdest: "Er will Stuntman werden, oder Schrotthändler." (Warum denn übrigens ausgerechnet Schrotthändler? Ist das ein typischer Jungenstraum?)"Ich will Stuntman werden, oder Schrotthändler", erzählt er nun.
Da hab ich mich schon sehr anstrengen müssen.Beinahe hätte man das silberne Armband nicht so weit kürzen können, bis es eng genug ist, weil die Glieder am Ende breiter werden.

Ich persönlich habe dann noch das Problem, dass ich weder Colt Seavers kenne noch die Kawasaki Z1000, aber das ist vermutlich nicht so schlimm, ich kann mir schon denken, worum es sich handelt.
Einen Vorschlag hätte ich noch:
"Ich guck mal, ob Ulli endlich mit den Hausaufgaben fertig ist. Wenn du Böcke hast, kannst ja mitkommen". Er verschwindet. Mir laufen die Tränen.
Wie wäre es an dieser Stelle mit einem "Wo ist Ulli jetzt?" oder "Was ist aus Ulli geworden?" Nur so zusätzlich zum besseren Verständnis.
So hundertprozentig klar geworden ist mir das nicht, dass es sich bei dem Jungen und dem Erzähler um die gleiche Person handelt. Obwohl Du mit dem "Ich weiß. Ein Vermögen damals" eigentlich einen eindeutigen Hinweis gibst. Wie wäre es mit "Ich weiß es noch. Ein Vermögen damals."?
Gern gelesen. Ein sehr männlicher Text übrigens nach meinem Gefühl. Ich denke gerade darüber nach, wie eine weibliche Fassung laufen könnte.
Lieben Gruß von der "spinnerten" Zefi!
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
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