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Nifl
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Beitragvon Nifl » 14.05.2007, 21:45

Version 2.5 / vorläufige Endfassung

Ich hole meinen Koffer aus dem Auto. Habe keine Eile. Bei der Gelegenheit trinke ich noch einen kleinen Schluck für die Verdauung. Und für die Nerven. Sicher steht meine Mutter am Küchenfenster. Etwas seitlich, damit sie schnell zurückweichen könnte, falls jemand in ihre Richtung blickt. Ich brauche noch ein paar Minuten für mich, zünde mir eine Prince Denmark an und setze mich auf die erste Treppenstufe zur Haustür. Fast wie früher.
Ein blonder Junge kommt mit dem Fahrrad die Straße entlang. Er reißt das Vorderrad hoch und fährt ein paar Meter auf einem Rad. "Kawasaki Z900" ruft er und versucht aus flacher Brust das Motorengeräusch nachzuahmen.
"Warte, ich möchte dir was sagen", rufe ich ihm zu. Aber da ist er auch schon wieder fort. So ein Blödsinn. Trotzdem bedaure ich es. Meine Finger zittern. Wie zur Ablenkung tippe ich auf die Zigarette und beobachte, wie die Asche in den feinen Kies zwischen meine Füße segelt.
Ein lautes Kratzgeräusch lässt mich aufschrecken. Der Junge macht eine Vollbremsung. Das blockierte Hinterrad zieht einen Halbkreis. Die Steinchen fliegen durch die Gegend. Er grinst wie Colt Seavers. Diesmal versuche ich nicht, ihn anzusprechen. Hoffe, dass er bleibt. Das Fahrrad hat er von seiner großen Schwester. Ein Mädchenfahrrad ohne Stange. Er hat eine Crossmaschine daraus gemacht und alle Schutzbleche abgebaut. "Ich werde mal Stuntman!" sagt er nun. Ich beiße mir auf die Lippen. Dann sieht er stolz auf seine Digitaluhr, als wolle er sich nur davon überzeugen, dass er sie nicht verloren hat, und natürlich will er sie mir auch zeigen."79DM".
Ich weiß es noch. Ein Vermögen damals. Hundertstelsekunden-Stoppuhr. Er ist dünn. Zu dünn. Das passt nicht zu einem Stuntman und ärgert ihn. Beinahe hätte man das silberne Armband nicht so weit kürzen können, bis es eng genug war. Seine Armbeugen sind wund gekratzt. "Ich guck mal, ob Ulli endlich mit den Hausaufgaben fertig ist. Wenn du Böcke hast, kannst ja mitkommen". Er verschwindet. Mir laufen die Tränen.




Version 2

Falls du Version 1 nicht gelesen hast, bitte keine Kommentare lesen.

Ich hole meinen Koffer aus dem Auto. Habe keine Eile. Bei der Gelegenheit trinke ich noch einen kleinen Schluck für die Verdauung. Und für die Nerven. Sicher steht meine Mutter am Küchenfenster. Etwas seitlich, damit sie schnell zurückweichen könnte, falls jemand zu ihr blickte. Ihre Stirnfalte wird ein Krater sein und die Mundwinkel hängen sicher runter, dass ihre Wangen wie Lefzen aussehen. Ich brauche noch ein paar Minuten für mich, zünde mir eine Prince Denmark an und setze mich auf die erste Treppenstufe zur Haustür. Fast wie früher.
Ein blonder Junge kommt mit dem Fahrrad die Straße entlang. Er reißt das Vorderrad hoch und fährt ein paar Meter auf einem Rad. "Kawasaki Z900" ruft er und versucht aus flacher Brust das Motorengeräusch nachzuahmen. Das gibt's doch nicht!
"Warte, ich möchte dir was sagen", rufe ich ihm zu. Aber da ist er auch schon wieder fort. So ein Blödsinn. Trotzdem bedaure ich es. Meine Finger zittern. Wie zur Ablenkung tippe ich auf die Zigarette und beobachte, wie die Asche in den feinen Kies zwischen meine Füße segelt.
Ein lautes Kratzgeräusch lässt mich aufschrecken. Der Junge macht eine Vollbremsung. Das blockierte Hinterrad zieht einen Halbkreis. Die Steinchen fliegen durch die Gegend. Er grinst wie Colt Seavers. Diesmal versuche ich nicht, ihn anzusprechen. Hoffe, dass er bleibt. Das Fahrrad hat er von seiner großen Schwester. Ein Mädchenfahrrad ohne Stange. Er hat eine Crossmaschine daraus gemacht und alle Schutzbleche abgebaut. "Ich will Stuntman werden, oder Schrotthändler", erzählt er nun. Ich beiße mir auf die Lippen. Dann sieht er stolz auf seine Digitaluhr, als wolle er sich nur davon überzeugen, dass er sie nicht verloren hat, und natürlich will er sie mir auch zeigen."79DM".
Ich weiß. Ein Vermögen damals. Hundertstelsekunden-Stoppuhr. Er ist dünn. Zu dünn. Das passt nicht zu einem Stuntman und ärgert ihn. Beinahe hätte man das silberne Armband nicht so weit kürzen können, bis es eng genug ist, weil die Glieder am Ende breiter werden. Seine Armbeugen sind wund gekratzt. "Ich guck mal, ob Ulli endlich mit den Hausaufgaben fertig ist. Wenn du Böcke hast, kannst ja mitkommen". Er verschwindet. Mir laufen die Tränen.


Version 1

Ich hole meinen Koffer aus dem Auto. Habe keine Eile. Meine Blicke schweifen umher. Ein blonder Junge kommt mit seinem Fahrrad die Straße entlang. Er reißt das Vorderrad hoch und fährt ein paar Meter auf einem Rad. "Kawasaki Z1000" ruft er und versucht aus flacher Brust das Motorengeräusch nachzuahmen.
"Warte, ich möchte dir was sagen", rufe ich ihm zu. Aber da ist er auch schon wieder fort. Ich bedauere es und will das Auto abschließen. Meine Hände zittern. Der Schlüssel fällt mir aus der Hand in den feinen Kies vor dem Doppelcarport. Ein lautes Kratzgeräusch lässt mich aufschrecken. Der Junge macht eine Vollbremsung. Das blockierte Hinterrad zieht einen Halbkreis. Die Steinchen fliegen durch die Gegend. Er grinst wie Colt Seavers. Diesmal versuche ich nicht, ihn anzusprechen. Hoffe, dass er bleibt. Das Fahrrad hat er von seiner großen Schwester. Ein Mädchenfahrrad ohne Stange. Er hat eine Crossmaschine daraus gemacht und alle Schutzbleche abgebaut. "Ich will Stuntman werden, oder Schrotthändler", erzählt er nun. Ich beiße mir auf die Lippen. Dann sieht er stolz auf seine Digitaluhr, als wolle er sich nur davon überzeugen, dass er sie nicht verloren hat, und natürlich will er sie mir auch zeigen."79DM".
Ich weiß. Ein Vermögen. Hundertstelsekunden-Stoppuhr. Er ist dünn. Zu dünn. Das passt nicht zu einem Stuntman und ärgert ihn. Beinahe hätte man das silberne Armband nicht so weit kürzen können, bis es eng genug ist, weil die Glieder am Ende breiter werden. Seine Armbeugen sind wund gekratzt. "Ich guck mal, ob Ulli endlich mit den Hausaufgaben fertig ist. Wenn du Böcke hast, kannst ja mitkommen". Er verschwindet. Mir laufen die Tränen.
Zuletzt geändert von Nifl am 06.06.2007, 19:28, insgesamt 4-mal geändert.
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 18.05.2007, 17:23

Also,

ich habe keinen Kommentar gelesen und nur die Version 2.5.
Mir war sofort klar, dass der Prot sich selbst sieht in dem kleinen Jungen.
Es geht noch einen Schritt weiter: Selbst der Leser findet sich in ebendem wieder, so er denn die passende Altersstufe hat.
Hat das jetzt was geholfen, Nifl?

Sehr schön zu lesen,
Tom.

p.s. Wundervoll: "Vorläufige Endfassung"
Sowas sagen doch normalerweise nur... *jajaschlagtmich*... Mädchen? :o)))))
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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eva
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Beitragvon eva » 18.05.2007, 18:06

Hallo Anwalt der Verlorenen ;-),
das Schöne am Schreiben ist für mich oft, dass sich etwas anbahnt, dass eben nicht so geplant war. Und die Kargheit deiner 2.5. Skizze lässt mir den Raum für die verschiedensten Geschichten. So habe ich durchaus den gesehen, der sich selbst als Kind sieht (er muss doch nicht zwingend halluzinieren, es kann doch irgendein Kind sein, das ihn erInnern lässt), aber vielleicht sieht er sich auch in seinem Sohn, seinem kleinen Bruder? Er war jedenfalls fort (im Knast, im falschen Leben - wo auch immer) und versucht nun heimzukehren und schafft es erst mal nur bis zur ersten Stufe.

Ja und nun habe ich die Kommentare gelesen und neige dazu mein Schreibzeug einzupacken, weil ich das (wie so oft) ganz anders lese und empfinde und vermutlich von einer präziseren Zeichnung der Story eher gelangweilt wäre? (was natürlich mehr über mich als über deine Schreibkunst aussagt)

Aber ich lasse es jetzt so (zu spät und zu wenig durchdacht) mal stehen. Noch ein paar Randbemerkungen aus meiner Sichtwelt:
Schmeiss die Mama aus dem Zug, die braucht der Text für mich nicht, schon gar nicht die Verachtungsform. Aber den Schrotthändler mochte ich in seiner Doppeldeutigkeit und Wertfreiheit, das ist die Power, die ich bei Kindern so schätze - Stuntman / Schrotthändler gleich stark. Erst die Erwachsenen machen die Bewertung, dein Looser ja auch.
Unzensierte Grüße aus der Holledau
Jetzter wird's nicht. D. Wittrock

Max

Beitragvon Max » 18.05.2007, 22:04

Lieber Nifl,

gut geschrieben. Das detailgenaue Erzählen und das Bildererschaffen dadurch gefallen mir. Nur einmal wird es mir zu viel: Dass es nun eine Prince Denmark ist, hätte ich nicht wissen müssen. Sie sieht nicht anders aus als eine andere Zigarette und vermutlich schmekct sie auch nicht arg anders, also wieso ist es wichtig?

Es stimmt, was hier andere schon bemerkt haben (irgendwann habe ich mein heeres Zeile, alle Komms zu lesen, bevor ich schreibe, aufgegeben), dass die beiden Ebenen weitgehend unverbunden sind - auch in der neuen Fassung. Hier gibst Du natürlich mit dem "ich weiß es noch" einen deutlichen Hinweis und daran leigt es schlussendlich, dass ich mehr in die von Dir gewünschte Richtung spekuliere.
Dennoch: Ich will eigentlich mehr wissen üner die bedien. Vielleicht will der Text ja auch weiter erzählt werden?

Liebe Grüße
Max

Max

Beitragvon Max » 18.05.2007, 22:06

offtopic an Tom: ich habe in meinem anderen Leben einen Coautor, der so lange auch nur potenziell ein Komma fehlen könnte "extremly preliminary version" über die Texte schreibt.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 19.05.2007, 10:33

Hey Tom!

Mir war sofort klar, dass der Prot sich selbst sieht in dem kleinen Jungen.

Geht doch! Ich muss mir eben nur die richtigen Leser suchen! *lach

Es geht noch einen Schritt weiter: Selbst der Leser findet sich in ebendem wieder, so er denn die passende Altersstufe hat.

Das hatte ich auch gehofft, aber Mädels fanden wohl 100stelsekundenstoppuhren nicht so sexy und können sich nicht mehr daran erinnern, wie es war, als sie erschwinglich wurden. Und manche kennen auch keine Zeiten mehr, bevor es Mountainbikes gab und alle brav Schutzbleche an den Fahrrädern hatten….

Hat das jetzt was geholfen, Nifl?

Ja, doch ! Danke!

Sowas sagen doch normalerweise nur... *jajaschlagtmich*... Mädchen? :o)))))

*lach… ich stehe zu meiner weiblichen Seite. Habe eben Schrotthändler gespielt und der alten Schwedin neue Bremsscheiben verpasst… da war der Rock allerdings schon ein bisschen unpraktisch…


Eva! *hüpf

Danke für die Schilderung deiner Leseweisen. Das ist sehr sehr spannend für mich.
Er war jedenfalls fort (im Knast, im falschen Leben - wo auch immer) und versucht nun heimzukehren und schafft es erst mal nur bis zur ersten Stufe.

*wow

Ja und nun habe ich die Kommentare gelesen und neige dazu mein Schreibzeug einzupacken, weil ich das (wie so oft) ganz anders lese und empfinde und vermutlich von einer präziseren Zeichnung der Story eher gelangweilt wäre? (was natürlich mehr über mich als über deine Schreibkunst aussagt)

Eigentlich -ja ja, kann man nachträglich immer behaupten- war es auch intendiert mehrere Leseweisen zu erlauben. Allerdings schon "geführt". Und da anfänglich überhaupt keiner meinen Pfad "erlas", musste was geschehen.

Schmeiss die Mama aus dem Zug, die braucht der Text für mich nicht, schon gar nicht die Verachtungsform. Aber den Schrotthändler mochte ich in seiner Doppeldeutigkeit und Wertfreiheit, das ist die Power, die ich bei Kindern so schätze - Stuntman / Schrotthändler gleich stark. Erst die Erwachsenen machen die Bewertung, dein Looser ja auch.

Du siehst mich wankend!

Danke für deinen tollen Kommentar.


Hi Max!

Nur einmal wird es mir zu viel: Dass es nun eine Prince Denmark ist, hätte ich nicht wissen müssen.


Ja, da hast du wohl Recht (besonders bei Nichtrauchern).
Zwei Hinweise haben mich bewogen:
1. Prince Denmark sind sehr starke Zigaretten (besonders die Zollfreien) … (Protag ist "fertig")
2. Man bekommt die kaum in Süddeutschland …. also ein hauchdünner "Setting-Hinweis"

Dennoch: Ich will eigentlich mehr wissen üner die bedien. Vielleicht will der Text ja auch weiter erzählt werden?

Da freut mich sehr… ich werde mir den Typen noch mal vorknöpfen!


Eure Kommentare waren wirklich überwältigend! Hat mir riesig Spaß gemacht und mir sehr viel gebracht. DANKE!

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Max Dernet

Beitragvon Max Dernet » 19.05.2007, 13:56

Hallo Nifl,

vom Max D(estruktiv) noch einige Anmerkungen.

Zuerst zwei Kleinigkeiten:

„Wie zur Ablenkung tippe ich auf die Zigarette und beobachte, wie die Asche in den feinen Kies zwischen meine Füße segelt.“

‚Wie zur Ablenkung tippe ich...’ Das könntest du als Beobachtung an einem anderen so schreiben, aus der Perspektive der Selbstbeobachtung scheint es mir unpassend formuliert.

„Beinahe hätte man das silberne Armband nicht so weit kürzen können, bis es eng genug ist.“

Muss es nicht heißen:
Beinahe hätte man das silberne Armband nicht wie genug kürzen können, dass (bis) es eng genug war.


Für mich, trotz allen Lobes:
Plastisch und für mich gut beschrieben ist der Junge in seiner Zeit, wogegen der Alte eher karg und als diffus erschüttert (mit Tendenz zur ...) skizziert wird.
Der Grund der Erschütterung bleibt außen vor, jedenfalls ist die Interpretation der Selbstbegegnung nicht zwingend, auch bleibt offen, wie diese stattfindet. Man kann (und soll vermutlich) die Begegnung auf verschiedene Weise deuten können. Das wäre reizvoll, wenn jede Lesart den Text in anderem Licht erscheinen ließe. Das scheint mir aber nicht so.
Welche Interpretation man auch wählt, Alt trifft sich selbst, Alt trifft kranken Jungen, oder eine der sonst aufgeführten Deutungen, der Text produziert immer dieselbe Konfrontation: den Jungen in seinen Illusionen, den Alten erschüttert. Diese Offenheit an der ‚Nahtstelle’ des Text stimuliert also nicht zu unterschiedlichen Lesarten wie z.B in Texten von Borges, sondern belässt alles wie es ist.


Grüße

Max D.

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eva
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Beitragvon eva » 19.05.2007, 16:56

der Text produziert immer dieselbe Konfrontation: den Jungen in seinen Illusionen, den Alten erschüttert.

das ist eine lesart, max d., eine andere wäre: der junge in seinem potential, der alte in seiner erInnerung daran. so entsteht für mich raum.

subjektive grüße
eva
Jetzter wird's nicht. D. Wittrock

Max Dernet

Beitragvon Max Dernet » 19.05.2007, 17:29

eva hat geschrieben:der Text produziert immer dieselbe Konfrontation: den Jungen in seinen Illusionen, den Alten erschüttert.

das ist eine lesart, max d., eine andere wäre: der junge in seinem potential, der alte in seiner erInnerung daran. so entsteht für mich raum.

subjektive grüße
eva


hallo eva,
welches potential des jungen liest du aus dem text? welche erinnerung des alten?

ebensolche

max

Nifl
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Beitragvon Nifl » 19.05.2007, 21:44

Huhu Max D.

vom Max D(estruktiv) noch einige Anmerkungen

Max Destruktiv ? Ne, Der net (schwäbisch)

‚Wie zur Ablenkung tippe ich...’ Das könntest du als Beobachtung an einem anderen so schreiben, aus der Perspektive der Selbstbeobachtung scheint es mir unpassend formuliert.

Ja, liest sich künstlich. Ohne "Wie" wäre es mE. schon besser… aber noch nicht ganz genau. Eigentlich ist es ja auch mehr eine Verdrängung (ich denke laut) *hm hm hm

Beinahe hätte man das silberne Armband nicht wie genug kürzen können, dass (bis) es eng genug war.

Das schrieb aram auch schon. Ich bin der Meinung, weil es Konjunktiv ist, darf es "ist" heißen.

wogegen der Alte eher karg und als diffus erschüttert

Ich-Erzähler sind oft schwach gezeichnet, weil diese Perspektive die äußere Figurenzeichnung nicht einfach macht. Das muss man tricksen… ihn in einen Spiegel sehen lassen oder so. Aber auch die anderen Dimensionen sind nur unzureichend ausgearbeitet, da hast du Recht. Warum ist er ein Looser? Was will er Zuhause? Wovor wollte er sein Ich-Kind warnen? Usw. usf. Hätte ich auch beniflt.

Ich bin aber nicht der Meinung, dass der Interpretationsspielraum unbedingt die totale Divergenz erlauben muss, bevor er akzeptabel ist. Warum sollte ein gradueller Facettenreichtum nicht legitim sein? Sicher bleibt immer die Basis "Alt trift Jung" bestehen.

Danke für deine intensive Auseinandersetzung.

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Max Dernet

Beitragvon Max Dernet » 19.05.2007, 21:58

hallo nifl,

gern geschehen. wäre ich der meinung (meinung!) gewesen, der text taugt nix, hätt ich mir gar nicht erst die mühe gemacht. ich glaube halt(meinung!), dass du das angerissene potential nicht ausschöpfst, aber das hab ich ja alles schon (wiederholung!)...

und nun genug von meiner seite

viele grüße

max dernet (auch in bayrisch gleichsinnig)

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eva
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Beitragvon eva » 21.05.2007, 08:25

welches potential des jungen liest du aus dem text? welche erinnerung des alten?

hallo max d.
das potential entsprich in etwa der erinnerung, weil alt sich ja in jung spiegelt: z.b. draufgängertum, wage-mut, kraft, phantasie, die fähigkeit, sich die welt zurecht zu bauen (das crossradl) - dass sich in diesem potential auch zugleich die schwächen finden lassen, zeigt für mich das dann vermutlich gelebte leben des protagonisten.
verspätete grüße
e.
Jetzter wird's nicht. D. Wittrock

Max Dernet

Beitragvon Max Dernet » 21.05.2007, 12:03

eva hat geschrieben:
welches potential des jungen liest du aus dem text? welche erinnerung des alten?

hallo max d.
das potential entsprich in etwa der erinnerung, weil alt sich ja in jung spiegelt: z.b. draufgängertum, wage-mut, kraft, phantasie, die fähigkeit, sich die welt zurecht zu bauen (das crossradl) - dass sich in diesem potential auch zugleich die schwächen finden lassen, zeigt für mich das dann vermutlich gelebte leben des protagonisten.
verspätete grüße
e.


hallo eva,
ich meinte das ganz individuelle potential des jungen (das was ihn einzigartig, zu person macht und ihn womöglich auch scheitern läßt).
darüber er fährt man nämlich, so scheint mir nach erneuter lektüre, im grunde nichts.
was man erfährt:
er ist geschickt auf dem rad(allerdings auch nicht außergewöhnlich geschickt), körperlich eher schwach(könnte sich rauswachsen), will (trotzdem) stuntman werden, wie wohl tausende anderer jungen, die damals diese serie gekuckt haben, stammt vermutlich aus eher armen verhältnissen, hat eine neigung zu ekzemen (dünne hat), die mit einer psychischen disposition des alten (schlechte nerven) korrespondiert

wo du da als heraushebenswert ‚draufgängertum, wagemut’ (in üblichen grenzen) kraft (eher zu wenig) und ‚phantasie’(imitiert einen fernsehhelden) herausliest, bleibt mir verschlossen, und ‚die fähigkeit, sich die welt zurecht zu bauen’, besteht soweit ich sehe, im entfernen der kotflügel des schwesterlichen rades

über den alten: vermutlich alkoholiker, vermutlich starker raucher, schlechte nerven, heftig erschüttert. aber womöglich ist es ja dieses fehlen, das ihn scheitern läßßt


mittagsgruß

max

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eva
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Beitragvon eva » 21.05.2007, 14:25

hallo max,
zuerst dachte ich, ok - halbvolles oder halbleeres glas wasser, über blickwinkel lässt sich nun mal nicht wirklich diskutieren. man kann natürlich ankreiden, dass die geschichte den blickwinkel so weit offen lässt, was ich eher schätze (was aber womöglich literarisch unbefriedigend ist - da habe ich zu wenig ahnung).
dann kam mir, dass das vielleicht eine frage der zuordnung ist - wie alt sind denn der alte und der junge knabe, die du wahrnimmst? - aber schließlich lande ich nur wieder bei der persönlichen erfahrung, aus der sich unsere betrachtungen oder bewertungen speisen. und ich sehe gerade bei jungen wie alten überlebenskünstlern halt ein potential...
aber jetzt werde ich unterbrochen, aber das ist vielleicht ganz gut hier.
nachmittagsgruß
eva
Jetzter wird's nicht. D. Wittrock

Max Dernet

Beitragvon Max Dernet » 21.05.2007, 15:42

eva hat geschrieben:hallo max,
zuerst dachte ich, ok - halbvolles oder halbleeres glas wasser, über blickwinkel lässt sich nun mal nicht wirklich diskutieren.


womöglihc nicht - aber über texte und aussagen über texte

eva hat geschrieben:man kann natürlich ankreiden, dass die geschichte den blickwinkel so weit offen lässt, was ich eher schätze (was aber womöglich literarisch unbefriedigend ist - da habe ich zu wenig ahnung).


ich weiß nicht, was literarisch befriedigend ist aber ich weiß, das dies ein literaturforum ist, in dem über texte dikutiert wird

eva hat geschrieben:dann kam mir, dass das vielleicht eine frage der zuordnung ist - wie alt sind denn der alte und der junge knabe, die du wahrnimmst?


der junge um die zehn, der alte erwachsen, alter unbestimmt - aber wäre meine argumentation unzutreffend, wenn der junge beispielsweise 8 wäre und sich herausstellte, der alte wäre 34?


eva hat geschrieben:- aber schließlich lande ich nur wieder bei der persönlichen erfahrung, aus der sich unsere betrachtungen oder bewertungen speisen. und ich sehe gerade bei jungen wie alten überlebenskünstlern halt ein potential...
aber jetzt werde ich unterbrochen, aber das ist vielleicht ganz gut hier.
nachmittagsgruß
eva


was macht ihn zum überlebenskünstler? etwa, daß er überlebt hat?
meine gerade gemachte erfahrung ist, dass du kaum auf das eingehst, was ich zur frage des potentials schrieb, ich kann ja durchaus falsch liegen, dann korrigiere mich, sondern dich zu unterschieden von blickwinkeln und einem nachmittagsbesuch ausließest.

gruß zurück

max d(er überlebenskünstler)


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