Augenblick

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 17.04.2006, 19:02

Hey Mephisto,
komm doch mal
zu mir!

Wenn ich zurückschau',
seh' ich manchen
Augenblick, von
dem ich dächte,
ich wär' lieber da,
als hier.

Verlier' nicht Deine
Wetten mit dem
dummen Faust.

Setz' auf 'nen echten
Loser. Es ist Ostern
und Paul Ost ist
noch zuhaus.

Last

Beitragvon Last » 17.04.2006, 19:35

Hallo Paul,

inhaltlich finde ich dein Gedicht ansprechend, einen ähnlichen Gedankengang hatte ich auch schon, nur, dass ich mich dabei stärker mit dem jungen Goethe identifiziert hab. Diese Träumerei in ein Gedicht zu verwandeln, auf die Idee bin ich aber nicht gekommen :???:

Die Umsetzung gefällt mir weniger, solche ganz direkten Gedichte mag ich nicht so, jemand anderes kann damit vielleicht mehr anfangen. Das Gedicht ist ja ziemlich formlos gehalten, so wirkt es auf mich noch eher wie ein niedergeschriebener Gedanke, als wie ein Gedicht. Die Unterteilung in Sinnabschnitte ist gelungen, nur würde ich mir jede Strophe etwas ausgearbeiteter Wünschen, vielleicht sogar mit einem einfachen Reimschema (das würde zur Thematik sehr passen und es würde etwas ironischer wirken).

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 17.04.2006, 20:50

Hallo

Ist das Gedicht wirklich so direkt, wie Last schreibt? Ich bin jedenfalls nicht so sicher, ob ich es richtig verstehe. Ich glaube nicht, dass Paul ernsthaft Fausts Wette eingehen möchte und tu mich mit Strophe zwei schwer.

Aber die flapsige Sprache wirkt passend.

Gruß

Jürgen

Last

Beitragvon Last » 17.04.2006, 21:11

Strophe zwei bietet eine Differenz zur Situation bei Goethe, wo ja die Wette verloren wäre, wenn Faust zu einem Augenblick sagt, verweile doch du bist so schön. Das lyr. Ich hier hat schon schöne Momente gelebt, über die es jetzt reflektiert und meint, dass sie schöner gewesen wären, als das Jetzt. Davon wird aber über den Konjunktiv etwas distanziert. So hab ich das aufgefasst, deshalb dann auch "Setz' auf 'nen echten Loser" in der letzten Strophe.

Max

Beitragvon Max » 18.04.2006, 14:13

Hallo Paul,

ich mag Deinen Ton. Er ist anders als alles, was man hier sonst noch lesen kannst. Freu mich auf Deine nächsten Werke.

Liebe Grüße
Max

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 18.04.2006, 18:41

Meine logische Denkkraft ist ein wenig beeinträchtigt, aber wir wollen doch mal schauen, ob es da keine klare Antwort gibt. Faust sagt bei Goethe:

Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehen!
Dann mag die Totenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frei,
Die Uhr mag stehen, die Zeiger fallen,
Es sei die Zeit für mich vorbei!

Mein alter ego im Gedicht klingt also ein wenig lebensmüde. Vom taedium vitae infiziert. Würde Mephisto bei ihm vorbeikommen und eine solche Wette eingehen, dann müsste er sich nicht so viel Mühe geben. Paul weiß, dass er viele Augenblicke erlebt hat, die er sich zurückwünscht. Er ist ein Sentimentalist, wie mir scheint, lebt im Gestern und ist überhaupt leicht verführbar. Mit einem Kandidaten wie Paul Ost könnte der Teufel seine Wette viel schneller gewinnen. Aber vielleicht ist das der Fehler im Gedicht. Schließlich ist ja Gott von Fausts Qualitäten überzeugt und lässt sich allein deshalb auf die Wette ein...

Was Sprache und Form angeht, handelt es sich tatsächlich eher um einen Gedankensplitter und - zugegeben - um eine sprachliche Respektlosigkeit gegenüber Goethe, mit dem ich so meine Probleme habe (s. Weimar I und II in diesem Forum).

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Beitragvon Lisa » 20.04.2006, 10:16

Gefällt mir...die ganze Thematik...den Faust und seinen Augenblick kann man wohl durch alle Zeiten drehen und wenden...mir gefällt sowohl die Umsetzung als auch der Blickwinkel.


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