Die Ratten überleben die Pest

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Gast

Beitragvon Gast » 05.11.2007, 06:44

Die Ratten überleben die Pest


Nun ist sie endlich fort
die Pest
Satt von unserer Fäulnis und unserem Dreck
ist sie verschwunden

Verstummt ist des Quietschen und Klappern
der Totengräberkarren
das Glockengeläut
das Gebetsgemurmel

Man predigt dem Leben Frühling und Wohlfahrt
Wir besingen die Gunst Gottes
dessen Finger durch unsere Erleichterung hindurch
auf das Werk eines neuen Tages zeigt

Die Nebel sind versunken
in der dunklen Erde frischer Gräber
Licht und Lärm füllen nun den Marktplatz
auf dem wir wieder Waren verkaufen
und
teils aus Rache teils präventiv

die Hexe verbrennen
und den Juden erschlagen

Gast

Beitragvon Gast » 05.11.2007, 07:18

Hier hadert allem Anschein nach ein Autor/Autorin mit sich und ihren Mitmenschen, ohne eigenes Verhalten zu reflektieren.

Zwar mutet die gewählte Form im Plural zu schreiben an, es solle sich darum handeln, dass hier die Menschheit insgesamt angklagt wird, bei mir ensteht jedoch der merkwürdige Eindruck, dass ich es mit einer persönlichen Abrechnung des Autors zu tun bekomme.

Gerade die letzten beiden Verse mit den bestimmten Artikeln verstärken diesen Eindruck.

Natürlich ist dies nur meine subjektive Leseart und sicher kann man aus dem Text auch die Bearbeitung von den Greueln der Pest im übertragenen Sinn - also von den Greueltaten der Menschheit, die trotz Aufklärung und Protestbewegungen in den vergangenen Jahrhunderten andauern, herauslesen.
Leider aber nicht konsequent, weil in Vers 1 schon die Rede davon ist, dass sie endlich fort ist, was sich hier auf der vordergründigen Ebene ausschließlich auf die Pest bezieht und einer Übertragung in meinem Sinn nicht standhält.

Für mich deutet das auf ein Autorenich, dass über sich selbst schreibt, weil es sich gern in einer Opferrolle sieht.
Und dieser Eindruck überlagert für mich den gesamten Text.

Das Besingen der Gunst Gottes nach dem Verstummen des Gebetsgemurmels, soll eigentlich wohl zum Ausdruck bringen, dass nach Meinung des Autors ein großartiger Mensch, der von anderen Menschen verkannt wurde von (irgendeiner) Bühne abtritt, und das Besingen des Frühlings wird in den Augen des Autors zur Selbsttäuschung jener anderen.

Der Schluss ist einfallslos und abgedroschen, dass ich mich frage, warum diese Gedicht wirklich geschrieben wurde ... aber ... s. o. ... und ich glaube es zu erahnen.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 05.11.2007, 15:13

Auch mir fällt es hier schwer, unvoreingenommen an den Text zu gehen. Nicht nur der Inhalt (fast jede Zeile), sondern auch der Titel für sich allein, sind derart offensichtlich, dass sich mir der konzentrierte Fokus - rein auf den Text, frei von subjektivem Ausleuchten, soweit das generell überhaupt möglich ist, verschließt und ich hier einen Racheakt des Autoren lese, zumal das Wort "Rache" auch im Text vorkommt.
Mucki
edit. 18.12 Uhr


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