Für einen Moment
schrob ich eine Schraube in die Mutter mitten in Gedanken zerteilend die Vehemenz vom Abend und versunkenen Schiffen genau durch die Weltmeere am Grund ihres Entstehens mit einem Walkman und Yello daraus tönend für eine Sekunde am Gewebe der Geburtsfolge meiner selbst in Folge eines Vaters mit einer Haartolle aus den Fünfzigern den Schmerz von ihm erahnend im Schrei von der schwarzen Platte mit einem offenem Mund in der Mitte wie ein Loch mit Lippenstift eingekreist erhob ich mich also von einer Mahlzeit aus zermahlenem Fleisch und einigen Streifen einstmals südamerikanischer Knollen wie getönt mit Weitsicht über die Gebete um Mahlzeit und Regen mitten in den Bus einer ganz ordinären Nummer voller Heimkehrender aus alltäglicher Mühsal mit den Gedanken nach Erlösung am Feierabend durch die Hoffnung nach dem Endgültigen an nichts gerichtet in diesen hundert Programmen auf Flachbildschirmen bis zur niemals gesehenen Morgenröte des Alltags.
Für einen Moment
Die Geschwindigkeit der Gedanken
Wie schnell kann ein Mensch denken? Die Frage stellt Susan Greendfield in ihrem Buch „Reiseführer Gehirn“. Die Antwort gibt es auch gleich auf dem Buchrücken. 360 Stundenkilometer.
Wir denken also so schnell, wie ein Formel 1 Auto auf der Geraden. Nur dass unser Denken in den Kurve nicht abbremsen muss, sondern jede Biegung mit der gleichen Geschwindigkeit nimmt. Das macht es so schwer den eigenen Gedanken zu folgen und, noch viel gravierender, sie festzuhalten und ihren Weg schreibend für einen Augenblick nachzuverfolgen. Das Bild ist nämlich schnell verwackelt und unscharf. Man sieht zwar die einzelnen Bewegungen, kann aber die Bahn nicht genau erkennen, welche die Gedanken entlangbrausen. Aber selbst wenn es gelingt, sich so zu fokusieren, dass ein scharfes Bild entsteht, so erfordert es doch ein großes Maß an Anstrengung lesend zu folgen.
Die Erwähnung von dem großen inneren Monolog der Molly, sechzig lange, lange Seiten, der das Ende von Joyce Ulysses bildet ist in diesem Zusammenhang obligatorisch. Oder auch Virginia Wolffs Miss Dalloway. Selbst die größten Bewunderer dieser Texte geben zu, dass es mühsam ist sie zu lesen. Dass man sich seine Begeisterung hart erarbeiten muss. Und wenn dann doch sehr viele zu dem Ergebnis kommen, die Mühe lohne sich, dann liegt das vor allem an der sprachlichen Virtuosität, mit der diese Gedankefolgen komponiert wurden. Der Gedankengegenstand ist im ersten Schritt von untergeordneter Wichtigkeit. Das Vergnügen ist zunächst ein ästethisches. Über die Zuneigung zur Form kommt dann die Beschäftigung mit dem Inhalt.
Ich betrachte die obigen Text also unter zwei Gesichtspunkten:
1. Gelingen ihm scharfe Bilder der schnell dahinfliegenden Gedanken?
2. Kann ich dem amorphen Zustand des Textes einen ästhetischen Reiz abgewinnen?
Beim zweiten Punkt habe ich meine Probleme. Zunächst einmal, weil mir dieses unglückliche „schrob“ den Weg in den Text versperrt. Meines Wissens existiert das Wort nicht. Die Deklination von „schrauben“ ist jedenfalls eine andere. Gut möglich, das es eine bewusste Wortschöpfung des Autors ist. Wenn ja, dann steht sie aber in keinem Bezug zum restlichen Text. Und dann stelle ich beim wiederholten Lesen fest, dass es eigentlich gar keine Gedanken sind, die festgehalten werden. Sondern sie werden sozusagen von außen betrachtet. Ich sehe also nicht das schnelle Gedankengefährt, sondern höre nur die Stimme aus dem Off, die mir, gleich einem Radiomoderator, das Geschehen berichtet. Was ich also erfahre, erfahre ich aus zweiter Hand. Auch wenn es die eigenen Gedanken sind, die betrachtet und kommentiert wird. Aber jeder weiß es: Man kann sich selbst am wenigsten trauen.
Ich finde also im Text keine unmittelbare Erfahrung, finde im Grunde Vorverdautes. Und das wirkt letztendlich kraftlos und unentschlossen.
Nun zu den Bildern. Die sind nicht durchgehend scharf, aber es gibt da eine Sequenz, welche die Möglichkeiten aufzeigt, die der Text bietet.
mit einem Walkman und Yello daraus tönend
für eine Sekunde am Gewebe der Geburtsfolge meiner selbst
in Folge eines Vaters mit einer Haartolle aus den Fünfzigern
den Schmerz von ihm erahnend im Schrei von der schwarzen Platte
mit einem offenem Mund in der Mitte wie ein Loch mit Lippenstift eingekreist
Das ist scharf, ohne statisch zu wirken und man spürt die Geschwindigkeit. Und auch das Einschwenken auf die Zielgerade ist geglückt.
in diesen hundert Programmen auf Flachbildschirmen bis zur niemals gesehenen Morgenröte des Alltags.
Leider ist das für mich zu wenig, um wirklich begeistert zu sein.
Aber was soll’s. Der Autor kann sich damit trösten, dass der Kritiker den Text mal wieder nicht verstanden hat. Dass er seinen ganz eigenen Text gelesen hat und nicht das, was der Autor geschrieben hat. Dass er mal wieder in die Falle der Bedeutungsvielfalt getappt ist, und sich dort hilflos plappernd verfangen hat.
Wie schnell waren die Gedanken? 360 km/h. Allerdings nicht nur die des Autors, sondern auch die des Lesers. Wenn die aber nicht die gleiche Richtung nehmen, dann sind sie sehr schnell sehr weit voneinander entfernt.
Dennoch: Gerne gelesen!
Sam
Wie schnell kann ein Mensch denken? Die Frage stellt Susan Greendfield in ihrem Buch „Reiseführer Gehirn“. Die Antwort gibt es auch gleich auf dem Buchrücken. 360 Stundenkilometer.
Wir denken also so schnell, wie ein Formel 1 Auto auf der Geraden. Nur dass unser Denken in den Kurve nicht abbremsen muss, sondern jede Biegung mit der gleichen Geschwindigkeit nimmt. Das macht es so schwer den eigenen Gedanken zu folgen und, noch viel gravierender, sie festzuhalten und ihren Weg schreibend für einen Augenblick nachzuverfolgen. Das Bild ist nämlich schnell verwackelt und unscharf. Man sieht zwar die einzelnen Bewegungen, kann aber die Bahn nicht genau erkennen, welche die Gedanken entlangbrausen. Aber selbst wenn es gelingt, sich so zu fokusieren, dass ein scharfes Bild entsteht, so erfordert es doch ein großes Maß an Anstrengung lesend zu folgen.
Die Erwähnung von dem großen inneren Monolog der Molly, sechzig lange, lange Seiten, der das Ende von Joyce Ulysses bildet ist in diesem Zusammenhang obligatorisch. Oder auch Virginia Wolffs Miss Dalloway. Selbst die größten Bewunderer dieser Texte geben zu, dass es mühsam ist sie zu lesen. Dass man sich seine Begeisterung hart erarbeiten muss. Und wenn dann doch sehr viele zu dem Ergebnis kommen, die Mühe lohne sich, dann liegt das vor allem an der sprachlichen Virtuosität, mit der diese Gedankefolgen komponiert wurden. Der Gedankengegenstand ist im ersten Schritt von untergeordneter Wichtigkeit. Das Vergnügen ist zunächst ein ästethisches. Über die Zuneigung zur Form kommt dann die Beschäftigung mit dem Inhalt.
Ich betrachte die obigen Text also unter zwei Gesichtspunkten:
1. Gelingen ihm scharfe Bilder der schnell dahinfliegenden Gedanken?
2. Kann ich dem amorphen Zustand des Textes einen ästhetischen Reiz abgewinnen?
Beim zweiten Punkt habe ich meine Probleme. Zunächst einmal, weil mir dieses unglückliche „schrob“ den Weg in den Text versperrt. Meines Wissens existiert das Wort nicht. Die Deklination von „schrauben“ ist jedenfalls eine andere. Gut möglich, das es eine bewusste Wortschöpfung des Autors ist. Wenn ja, dann steht sie aber in keinem Bezug zum restlichen Text. Und dann stelle ich beim wiederholten Lesen fest, dass es eigentlich gar keine Gedanken sind, die festgehalten werden. Sondern sie werden sozusagen von außen betrachtet. Ich sehe also nicht das schnelle Gedankengefährt, sondern höre nur die Stimme aus dem Off, die mir, gleich einem Radiomoderator, das Geschehen berichtet. Was ich also erfahre, erfahre ich aus zweiter Hand. Auch wenn es die eigenen Gedanken sind, die betrachtet und kommentiert wird. Aber jeder weiß es: Man kann sich selbst am wenigsten trauen.
Ich finde also im Text keine unmittelbare Erfahrung, finde im Grunde Vorverdautes. Und das wirkt letztendlich kraftlos und unentschlossen.
Nun zu den Bildern. Die sind nicht durchgehend scharf, aber es gibt da eine Sequenz, welche die Möglichkeiten aufzeigt, die der Text bietet.
mit einem Walkman und Yello daraus tönend
für eine Sekunde am Gewebe der Geburtsfolge meiner selbst
in Folge eines Vaters mit einer Haartolle aus den Fünfzigern
den Schmerz von ihm erahnend im Schrei von der schwarzen Platte
mit einem offenem Mund in der Mitte wie ein Loch mit Lippenstift eingekreist
Das ist scharf, ohne statisch zu wirken und man spürt die Geschwindigkeit. Und auch das Einschwenken auf die Zielgerade ist geglückt.
in diesen hundert Programmen auf Flachbildschirmen bis zur niemals gesehenen Morgenröte des Alltags.
Leider ist das für mich zu wenig, um wirklich begeistert zu sein.
Aber was soll’s. Der Autor kann sich damit trösten, dass der Kritiker den Text mal wieder nicht verstanden hat. Dass er seinen ganz eigenen Text gelesen hat und nicht das, was der Autor geschrieben hat. Dass er mal wieder in die Falle der Bedeutungsvielfalt getappt ist, und sich dort hilflos plappernd verfangen hat.
Wie schnell waren die Gedanken? 360 km/h. Allerdings nicht nur die des Autors, sondern auch die des Lesers. Wenn die aber nicht die gleiche Richtung nehmen, dann sind sie sehr schnell sehr weit voneinander entfernt.
Dennoch: Gerne gelesen!
Sam
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