Du auch
Du auch / willst teilhaben / an diesem flüchtigen Puls,
der an den Morgen noch einmal
die Vergangenheiten überspielt.
Nicht von gestern reden / von dem, was möglich ist!
Mit die kleinen Schiffe ziehen / sie loslassen / an den
leichten Schwellen / wie sie wirbeln in den
Morgenschein.
Diese Sprache / augenblicklich / im Mund,
als hätte sich ein Lid verschlafen / und blinzelt
auf der Zunge / schickt Wellen von der Wange
an das hinab sehende Herz. / Du. Oben? Ja?
Morgen.
Hallo Peter,
für mich beschreibt der Text die Möglichkeiten, die der Morgen birgt. Es ist der Moment, in dem der Tag noch unversehrt ist, in dem noch nichts schief gelaufen ist. Und dieser Blick nach vorne auf den Tag, an dem alles möglich ist, überstrahlt selbst die Schrammen und abgegriffenen Stellen der Vergangenheit, scheint sie auszulöschen - für eben diesen kleinen Moment.
Morgenlicht und Morgenluft verleihen uns und den Schiffen Leichtigkeit. Die Sprache ist ursprünglicher, unmittelbarer als sonst. Der Rest von uns ist noch schläfrig, aber die Zunge spricht die Wahrheit.
Kleinigkeiten, die mir im Text nicht klar sind:
der an den Morgen noch einmal
> Warum "noch einmal"? Könntest Du das weg lassen? Für mich klingt es nach "noch ein letztes Mal" - meinst Du das? Ein Abschied?
Mit die kleinen Schiffe ziehen / sie loslassen / an den
> Könntest Du das "Mit" streichen? Ist das gemeinsam hier wichtig? Ich dachte im ersten Moment es wäre ein Fehler und müsste "Mit den kleinen Schiffen ziehen" heißen. (Mir fällt auf, dass "loslassen" zum Abschied passen würde.)
als hätte sich ein Lid verschlafen / und blinzelt
> und blinzelte? Oder steht das nicht mehr unter dem "als ob"?
So wie ich ihn lese, ein Text von Leichtigkeit angesichts viel Schwere.
Gefällt mir sehr.
Gruß - annette
für mich beschreibt der Text die Möglichkeiten, die der Morgen birgt. Es ist der Moment, in dem der Tag noch unversehrt ist, in dem noch nichts schief gelaufen ist. Und dieser Blick nach vorne auf den Tag, an dem alles möglich ist, überstrahlt selbst die Schrammen und abgegriffenen Stellen der Vergangenheit, scheint sie auszulöschen - für eben diesen kleinen Moment.
Morgenlicht und Morgenluft verleihen uns und den Schiffen Leichtigkeit. Die Sprache ist ursprünglicher, unmittelbarer als sonst. Der Rest von uns ist noch schläfrig, aber die Zunge spricht die Wahrheit.
Kleinigkeiten, die mir im Text nicht klar sind:
der an den Morgen noch einmal
> Warum "noch einmal"? Könntest Du das weg lassen? Für mich klingt es nach "noch ein letztes Mal" - meinst Du das? Ein Abschied?
Mit die kleinen Schiffe ziehen / sie loslassen / an den
> Könntest Du das "Mit" streichen? Ist das gemeinsam hier wichtig? Ich dachte im ersten Moment es wäre ein Fehler und müsste "Mit den kleinen Schiffen ziehen" heißen. (Mir fällt auf, dass "loslassen" zum Abschied passen würde.)
als hätte sich ein Lid verschlafen / und blinzelt
> und blinzelte? Oder steht das nicht mehr unter dem "als ob"?
So wie ich ihn lese, ein Text von Leichtigkeit angesichts viel Schwere.
Gefällt mir sehr.
Gruß - annette
Hallo Annette,
deine Wahrnehmung spiegelt sich in meiner wider - bis auf diesen kleinen Moment einer Verschiebung, an dem es mir aber immer etwas unwohl wird. Es ist der, wo der Morgen, der im Gedicht auch ein Morgen ist, zu dem einen Morgen wird, der der Morgen ist. Weißt du, wie ich meine? Du zeigst aus dem Gedicht einen Allgemeinplatz auf, umschreibst ihn, und schließt dieses Umschreiben in der Nähe eines Sprichworts > was ja oft der natürlich Weg zu den und von den Allgemeinplätzen aus ist. Dadurch gerät das Gedicht in einen überflüssigen Zustand. Man kann dann fragen, warum gibt es das Gedicht, wenn es im letzten Sinn nur das allgemeine Rund allgemeiner Dinge beschreibt. Es will selbst Rundheit haben, ohne Vergleich. Es will einsichtig sein. Das "Morgen" am Ende des Gedichts begreift sich als Wortschöpfung. Dem muss man folgen, finde ich.
Zum Einzelnen: -"noch einmal" habe ich "abschiedig" gesetzt, ja. (Ein Weh-Laut für mich.)
- Das "mit" möchte ich nicht streichen, weil es eine Information birgt, die dann fehlen würde.
- Z5 endet mit "an den", um, so dachte ich, auf diese Silbe hinzusteuern, die, so:
Mit die kleinen Schiffe ziehen / sie loslassen / an den
leichten Schwellen / wie sie wirbeln in den
Morgenschein.
den eigentlichen Rhythmus hier bildet.
-Ich glaube wie ich die Gegenwart verwende in den letzten Zeilen ist wohl grammatikalisch falsch. Es müsste zumindest "blinzelte" heißen, aber... ich weiß nicht, in Erzählungen gibt es doch manchmal diesen Bruch: in eine Szene hineinzuspringen, so dachte ich hier auch, um das ganze vorzuhalten - aber das geht wohl so nicht. Hm.
Liebe Grüße,
Peter
deine Wahrnehmung spiegelt sich in meiner wider - bis auf diesen kleinen Moment einer Verschiebung, an dem es mir aber immer etwas unwohl wird. Es ist der, wo der Morgen, der im Gedicht auch ein Morgen ist, zu dem einen Morgen wird, der der Morgen ist. Weißt du, wie ich meine? Du zeigst aus dem Gedicht einen Allgemeinplatz auf, umschreibst ihn, und schließt dieses Umschreiben in der Nähe eines Sprichworts > was ja oft der natürlich Weg zu den und von den Allgemeinplätzen aus ist. Dadurch gerät das Gedicht in einen überflüssigen Zustand. Man kann dann fragen, warum gibt es das Gedicht, wenn es im letzten Sinn nur das allgemeine Rund allgemeiner Dinge beschreibt. Es will selbst Rundheit haben, ohne Vergleich. Es will einsichtig sein. Das "Morgen" am Ende des Gedichts begreift sich als Wortschöpfung. Dem muss man folgen, finde ich.
Zum Einzelnen: -"noch einmal" habe ich "abschiedig" gesetzt, ja. (Ein Weh-Laut für mich.)
- Das "mit" möchte ich nicht streichen, weil es eine Information birgt, die dann fehlen würde.
- Z5 endet mit "an den", um, so dachte ich, auf diese Silbe hinzusteuern, die, so:
Mit die kleinen Schiffe ziehen / sie loslassen / an den
leichten Schwellen / wie sie wirbeln in den
Morgenschein.
den eigentlichen Rhythmus hier bildet.
-Ich glaube wie ich die Gegenwart verwende in den letzten Zeilen ist wohl grammatikalisch falsch. Es müsste zumindest "blinzelte" heißen, aber... ich weiß nicht, in Erzählungen gibt es doch manchmal diesen Bruch: in eine Szene hineinzuspringen, so dachte ich hier auch, um das ganze vorzuhalten - aber das geht wohl so nicht. Hm.
Liebe Grüße,
Peter
Peter, Du schreibst von einem Allgemeinplatz, von Sprichwörtlichem und von einem überflüssigen Zustand.
Ich hoffe, Du hast das nicht alles aus meinem Kommentar herausgelesen. Es gibt Beobachtungen, die sind einleuchtend, nachvollziehbar, wie vielleicht die Dinge, die ich über den Morgen Deinem Gedicht entnommen habe. Aber ich finde deshalb nicht, dass der Text einen Allgemeinplatz beschreibt.
Der Begriff "Allgemeinplatz" hat für mich etwas Abwertendes, weil oft gemeint ist: etwas Nachgeplappertes, das allgemein angenommen wird, ohne darüber nachzudenken. Mit vielen Sprichwörter geht mir das auch so.
Und überflüssig wird der Text dadurch schon gar nicht (wenn Du das mit "überflüssigem Zustand" meinst). Man kann auch Bekanntes erdichten - auf eine neuartiges Weise, aus einer eigenen Perspektive.
Ich muss gestehen, dass mir das Wortspiel mit Morgen und Morgen erst jetzt deutlich wird.
Das mit der Wortschöpfung am Ende verstehe ich nicht.
Du meinst so, wie in Erzählungen das Tempus wechseln kann? Doch, ich glaube, das geht schon.
Nur ist es hier nicht das Tempus, sondern der Modus: "Als hätte" ist Konjunktiv, also irreal, und "blinzelt" ist wieder real. Es wechselt sozusagen der "Grad an grammatischer Realität". Und das kann ist ein Effekt, der sicher vergleichbar ist mit dem Sprung von der Vergangenheit in die Gegenwart.
Nach einigem Nachdenken würde ich sagen: Lass es so.
Gruß - annette
Ich hoffe, Du hast das nicht alles aus meinem Kommentar herausgelesen. Es gibt Beobachtungen, die sind einleuchtend, nachvollziehbar, wie vielleicht die Dinge, die ich über den Morgen Deinem Gedicht entnommen habe. Aber ich finde deshalb nicht, dass der Text einen Allgemeinplatz beschreibt.
Der Begriff "Allgemeinplatz" hat für mich etwas Abwertendes, weil oft gemeint ist: etwas Nachgeplappertes, das allgemein angenommen wird, ohne darüber nachzudenken. Mit vielen Sprichwörter geht mir das auch so.
Und überflüssig wird der Text dadurch schon gar nicht (wenn Du das mit "überflüssigem Zustand" meinst). Man kann auch Bekanntes erdichten - auf eine neuartiges Weise, aus einer eigenen Perspektive.
Es ist der, wo der Morgen, der im Gedicht auch ein Morgen ist, zu dem einen Morgen wird, der der Morgen ist.
Ich muss gestehen, dass mir das Wortspiel mit Morgen und Morgen erst jetzt deutlich wird.
Das mit der Wortschöpfung am Ende verstehe ich nicht.
als hätte sich ein Lid verschlafen / und blinzelt
auf der Zunge / schickt Wellen von der Wange
... ich weiß nicht, in Erzählungen gibt es doch manchmal diesen Bruch: in eine Szene hineinzuspringen, so dachte ich hier auch, um das ganze vorzuhalten - aber das geht wohl so nicht.
Du meinst so, wie in Erzählungen das Tempus wechseln kann? Doch, ich glaube, das geht schon.
Nur ist es hier nicht das Tempus, sondern der Modus: "Als hätte" ist Konjunktiv, also irreal, und "blinzelt" ist wieder real. Es wechselt sozusagen der "Grad an grammatischer Realität". Und das kann ist ein Effekt, der sicher vergleichbar ist mit dem Sprung von der Vergangenheit in die Gegenwart.
Nach einigem Nachdenken würde ich sagen: Lass es so.
Gruß - annette
Lieber Peter,
Für mich geht es nur so, also bitte nichts ändern!
Da ist der Gedanke, der Vergleich, das Bild, das ausgesprochen wird. Als würde man nach dem richtigen Namen für etwas suchen. Als wäre...aber dann geschieht es. Das wäre war ein war, ein ist, das Blinzeln wird spürbar, die Wellen, das Herz. Ich denke es ist hier keine grammatikalische Frage, sondern eine Frage, ob man/sich das Gedicht „ernst“ nimmt. Sozusagen, ob es selbst an diesen Puls und diese Möglichkeit glaubt. Ich würde es nicht als „vorhalten“ bezeichnen, sondern eher als "sich selbst erfüllen lassen". Mmmh, ich weiß nicht, versteht man das? Ich glaube das Gedicht kann das besser, weil es eben nicht erklärt, beschreibt, sondern ist.
Ein ganz wunderwahres Gedicht.
liebe Grüße smile
Ich glaube wie ich die Gegenwart verwende in den letzten Zeilen ist wohl grammatikalisch falsch. Es müsste zumindest "blinzelte" heißen, aber... ich weiß nicht, in Erzählungen gibt es doch manchmal diesen Bruch: in eine Szene hineinzuspringen, so dachte ich hier auch, um das ganze vorzuhalten - aber das geht wohl so nicht. Hm.
Für mich geht es nur so, also bitte nichts ändern!
Da ist der Gedanke, der Vergleich, das Bild, das ausgesprochen wird. Als würde man nach dem richtigen Namen für etwas suchen. Als wäre...aber dann geschieht es. Das wäre war ein war, ein ist, das Blinzeln wird spürbar, die Wellen, das Herz. Ich denke es ist hier keine grammatikalische Frage, sondern eine Frage, ob man/sich das Gedicht „ernst“ nimmt. Sozusagen, ob es selbst an diesen Puls und diese Möglichkeit glaubt. Ich würde es nicht als „vorhalten“ bezeichnen, sondern eher als "sich selbst erfüllen lassen". Mmmh, ich weiß nicht, versteht man das? Ich glaube das Gedicht kann das besser, weil es eben nicht erklärt, beschreibt, sondern ist.
Ein ganz wunderwahres Gedicht.
liebe Grüße smile
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)
Hallo Annette,
was ich mit Wortschöpfung meinte, könnte ich nicht schöner umschreiben als so, aus Smiles Kommentar:
Hallo Smile,
ja, ich verstehe. Vielleicht könnte man auch sagen, das Gedicht überwindet an der Stelle seine Metapher (für sich), und der Gruß am Ende ist.
Also, dann belass ich alles so.
Dank an euch und liebe Grüße,
Peter
was ich mit Wortschöpfung meinte, könnte ich nicht schöner umschreiben als so, aus Smiles Kommentar:
Als würde man nach dem richtigen Namen für etwas suchen. Als wäre...aber dann geschieht es.
Hallo Smile,
ja, ich verstehe. Vielleicht könnte man auch sagen, das Gedicht überwindet an der Stelle seine Metapher (für sich), und der Gruß am Ende ist.
Also, dann belass ich alles so.
Dank an euch und liebe Grüße,
Peter
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