einen schönen 3. Advent wünsche ich
Flug ins Land der Trolle
Im Banne des Schamanen
Es ist die dritte Geschichte die ich hier schreibe, bei der es um die Begegnung mit einem Schamanen geht. Die Begegnung im Sommer, sie liegt nun schon 2 Jahre zurück, mein Leben es sollte sich dramatisch verändern. Nach einer sorgfältigen Vorbereitungszeit, verließ ich nach 30 Jahren Ehe, an meinem 53. Geburtstag meinen Mann und startete in eine ungewisse Zukunft, sicher eine Geschichte für sich.
So fand ich mich am abend meines 53. Geburtstages im Zug nach Norden wieder. Nach einem „netten“ Geburtstagskaffee hatte meine Schwester mich mitgenommen und mich in den Zug gesetzt, ich war still gegangen,ohne Auseinandersetzung. Ich beendete ein Kapitel meines Lebens, das sicher auch wert wäre eine längere Geschichte darüber zu schreiben.
Der Zug ratterte durch die Nacht, mein Blutdruck stabilisiert sich zunehmend. Schon in der ersten halben Stunde im Zug wußte ich, es war die richtige Entscheidung gewesen.
Ich hatte selbst die Tür des Käfigs geöffnet und versuchte nun mit gestutzten Flügeln den ersten Flug. Er sollte mich mit Zug und Schiff zu meinem Sohn nach Norwegen bringen. Eine Reise ins Ungewisse, nur mein Sohn war der erste Halt, ein wunderbarer Anlaufpunkt .
Am Kai in Oslo stand er und nahm mich in den Arm. Wir waren sicher es würde alles gut werden.
Zuversichtlich stürzte ich mich in den nächsten Tagen auf die Organisation meines Aufenthaltes in Norwegen, er sollte erst mal ein paar Monate dauern..
Ich bekam eine Stelle in der Rezeption eines Hotels auf Grund meiner englisch und norwegisch Kenntnisse, wie wunderbar. Ich wohnte 1000 m hoch in einem einsamen Haus, allein, genau richtig um in meiner Situation einen neuen Lebensweg zu suchen
Einer meiner ersten Wege in diesen aufregenden Tagen galt meinem alten Freund, dem Schamanen. Ich kannte ja nun schon sein Haus von meinen ersten Begegnungen.
Etwas zögerlich trat ich den Weg in die Berge an. Es war ein wunderschöner Tag, die Sonne schickte ihre Strahlen über die Berge. Sie tauchte das Tal des Schamanen in ein gleißendes Licht. Was würde er zu meiner veränderten Lebenssituation sagen, würde er es gutheißen? Verständnis haben? Um die nächste Biegung eines kleinen Weges wusste ich, dort stand sein kleines Haus in einer Talmulde. Die Sonne hatte es ein gelbes Licht getaucht, ein zauberhaftes Flecken Erde. Ich fühlte, hier würde ich willkommen sein. Nur einen Augenblick zögerte ich und klopfte leise an die Tür. Ich wartete nicht auf die Reaktion, meine Hand öffnete leise die Tür. Die Sonne zauberte eine wohlige Behaglichkeit in die kleine Stube. Am Fenster in einem großen Lehnstuhl saß Kjell, mein Freund der Schamane, so wie ich ihn in Erinnerung hatte. Ein staunendes, fragendes Lächeln ging über sein Gesicht. Er breitete seine Hände aus und ich lief zu ihm. Tränen der Freude rannen uns über die Wangen. Eine echte Wiedersehensfreude. Zwei Jahre waren schon wieder vergangen, eine lange Zeit. Es war so viel passiert. Er wusste nun ja schon von meinem Sohn, dass ich meinen Schritt in die Freiheit getan hatte
Der schlimmste Schritt ja schon hinter mir lag, ich den Mut, den er mir immer wieder zugesprochen hatte, auch gehabt hatte. Meine Reise in das neue Leben führte mich hierher, zu meinem Sohn.
Er freute sich sehr über meinen Besuch. Natürlich bot er mir den obligatorischen scheußlichen Tee an. Ich begleitete ihn in die kleine Küche, wir bereiteten, nein, wir zelebrierten den Tee. Seine Hände zitterten mehr als vor einem Jahr, die Spuren des Alters waren deutlich sichtbar.
Er setzte sich wieder in seinen alten Lehnstuhl und ich zog mir einen kleinen Schemel dazu und setzte mich ganz nah zu ihm. Nun war ich endlich so weit, fast fließend konnte ich ihm die Geschichte meiner Flucht nach Norwegen schildern, in seiner Sprache. Manchmal fehlten mir die Worte, aber er half mir nach und so erzählte ich mir lange alles von der Seele. Er nickte immer wieder verständnisvoll und weise. Manchmal fragte er nach lies mich aber ansonsten einfach ausreden.
Seine alten Hände streichelten mein Gesicht, er wollte mich trösten, den Trost, den ich so bitte nötig hatte. Bis hierher musste ich fahren um ihn zu erfahren, um mich bestätigt zu fühlen, um mir sicher zu sein, ich hatte den richtigen Weg gewählt.
Nein ich konnte nicht wissen was mich nun noch alles erwartet.
.
„Fliegst du mit mir“? fragte er “.In das Reich der Trolle, in das Reich der Rentiere und Schamanen in das Reich meiner Vorfahren der Samen? Ich zeige dir das Land der Freiheit, der gewaltigen Natur, das Leben im Land der niemals untergehenden Sonne, das Land der Dunkelheit im Winter.“
Ungläubig schaute ich ihn an.“Wohin?“ fragte ich “ Nach Kautokeino“ sagte er . Ich lade dich ein, begleite mich auf meiner Flugreise in meine Geburtsstadt . ich bin alt, ich kann nicht mehr allein fliegen. Du bist meine Begleitung, deinen Flug werde ich bezahlen.“ Ich schüttelte mit dem Kopf. Zu unwirklich war alles ich wollte und konnte das nicht annehmen, und doch, es war ein großer Reiz da. Ich wollt das nicht allein entscheiden, wollte meinen Sohn fragen. Eine Reise in das Reich der Trolle. Mein Sohn er lache mich aus wegen meiner Bedenken. “.Flieg....Mama… flieg“ sagte er, „ flieg in deine Freiheit, dort bekommst du einen freien Kopf, für die Dinge , die da noch im Leben auf dich warten.
Der Schamane wird auf dich aufpassen.“. So brachte mein Sohn uns ein paar Tage später zum Flughafen Dagali.
Ein Inlandflughafen, wo nur noch wenige Flüge stattfanden. In dem kleinen Flughafengebäude wurden wir herzlich begrüßt, man kannte Kjell den Schamanen hier und niemand fand es irgendwie verwunderlich, dass er mit mir in das Flugzeug stieg. Ein paar ältere, norwegische Ehepaare waren auch noch Fluggäste. Mein Sohn stand lachend winkend, ich hörte ihn noch rufen: “Mach die Augen auf“........ und „har det bra“, den norwegischen Abschiedsgruß
Der Flug ging über die Gletscher und Berge Norwegens und staunend und ehrfürchtig mit bangem Herzen und heißes Gesicht sah ich aus dem kleinen Fenster des Flugzeuges. Inlandflugzeuge fliegen nicht so hoch, jeder Berg, jeder See, jede Unglaublichkeit dieses Landes bot der Flug in das Reich der Trolle. In unserer Reihe saß noch ein altes Ehepaar, der Kleidung nach waren es Samen, die auf der Rückreise einer Urlaubsfahrt waren. Das Gesicht der alten Dame drückte Ängstlichkeit aus. Ich lächelte ihr zu und wechselte meinen Platz mit meinem Begleiter. Ich sprach beruhigend auf sie ein in meinem schlechten Norwegisch. Aber sie verstand mich offensichtlich, lächelte mir zu. Tausend kleine Fältchen überzogen ihr gegerbtes Gesicht. Dann sank sie in sich zusammen und schloss die Augen. Ganz leise fing sie an zu singen.
Die Gespräche im Flugzeug verstummten. Kjell erklärte mir ungefähr den Text des Liedes. Ein altes samisches Volkslied von der Liebe zum Land und den Menschen, den Tieren, von den Samen die über das Land zogen und miteinander das Leben lebten
Den Refrain sang ich leise mit, und auch viele andere im Flugzeug summten leise mit, eine unglaubliche Stimmung über den Wolken.
Mein Herz wurde ruhiger. Die Spannung ließ nach. Ich freute mich auf ein paar Tage im äußersten Norden der Welt. Es war Mitte Juni, die Mitsommernacht. In diesem Teil der Erde ging die Sonne nicht unter. Sie scheint Tag und Nacht, taucht das Land in ein bläulich schimmerndes Licht. Niemals habe ich solche Farben gesehen. Die Gletscher glitzerten, ich wünschte, dass dieser Flug niemals zu Ende gehen würde…..und doch… der Pilot kündigte den Senkflug an. Der Flieger machte eine Schleife und landete sicher in Alte, einem der nördlichsten Flugplätze auf dieser Welt.
Ein Flugplatz, wie es ihn bei uns wohl nicht mehr gibt, man wurde mit Handschlag verabschiedet, den Koffer musste man sich selber noch am Flugzeug abholen. Und dann ging es zu Fuß über die Rollbahn ein kleiner Haufen Norweger mit gegerbten Gesichtern, und ich.
Im Flughafengebäude wurden wir stürmisch begrüßt. Verwandte meines netten Freundes nahmen uns abwechselnd in den Arm, redeten in einem unglaublichen Kauderwelsch auf uns ein. Ich verstand kein Wort, war müde… unsicher…..worauf hatte ich mich da nur eingelassen. Mit einer Handbewegung brachte der Schamane alle zum Schweigen und gab leise Anordnungen. Mein Koffer wurde mir weggenommen, meinen Rucksack hielt ich grad noch zurück. Ein altes Auto, und ich wurde gebeten dort einzusteigen. Meine Gastfamilie fuhr zielstrebig durch die Stadt bis ans andere Ende zu einem kleinen Haus am Fjord. Dort hielt der Konvoi und nachdem alle noch mal um mich rumwuselten war ich plötzlich mit dem alten Mann allein in dem Haus. Ich schaute mich um. Kjell winkte mich zu einer Tür, hinter dem sich ein zauberhaftes Gästezimmer auftat, liebevoll eingerichtet sehr nordisch.
Ich sollte mich wohlfühlen mich ausruhen, leise schloss sich die Tür und ich war allein. Mein Koffer war schnell ausgepackt und ich warf mich einfach aufs Bett und schlief ein. die Aufregung, die neuen Eindrücke ich war völlig erschöpft…..
Ich weiß nicht wie lange ich schlief, ich hörte es klopfen, und wollte doch nicht in diese Welt zurück. Energisch wurde die Tür geöffnet…….“Kafe..“ lud Kjell mich ein. Der alte Mann hatte sich häuslich eingerichtet und ich fand mich ein paar Minuten später in der kleinen Stube wieder. Kaffee und Gebäck, alles süß und nordisch.
Die folgenden Tage, die ich nun erlebte waren ein Traum. Das Wetter war traumhaft schön , lauwarm, die Luft roch nach Sommer und Meer, die Sonne ging niemals unter in diesen Tagen.
Eine der schönsten Erinnerungen hat sich bei mir eingebrannt, die Reise nach Kautokeino, eines der letzten Lappenstädte. Schon auf dem Weg dorthin erzählte mein Gastgeber die Geschichte der Norweger hier oben, auch die schauderhaften Jahre der deutschen Besetzung im zweiten Weltkrieg, er besuchte alle markanten Punkte dieser Zeitgeschichte , in den ganzen Jahren Schule habe ich nicht so viel über die deutsche und norwegische Geschichte gelernt, wie auf dieser Fahrt durch die Finnmark. Richtung Maze und Kautokeino den letzten beiden Lappenstädten.
Hella
nordische Geschichten 3 Im Banne des Schamanen
Liebe Hella,
mir gefallen die Geschichten nach und nach immer besser..weil man ja schon alles kennt! Toll finde ich, dass deine Geschichte gar nicht von der eigentlichen Reise des Schamanen erzählt, sondern von einer ganz anderen Reise, die nur du gemacht hast....morgen lese ich dann noch den vierten teil...danke für diese Geschichten!
mir gefallen die Geschichten nach und nach immer besser..weil man ja schon alles kennt! Toll finde ich, dass deine Geschichte gar nicht von der eigentlichen Reise des Schamanen erzählt, sondern von einer ganz anderen Reise, die nur du gemacht hast....morgen lese ich dann noch den vierten teil...danke für diese Geschichten!
Wer ist online?
Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 7 Gäste