Vom Erinnern

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 10.07.2009, 13:35

Vom Erinnern

Es bröckelt. Niederlagen von früher. Traurigkeiten ~ die ums Haar getötet hätten ~ sind leise geworden. Still die wilden Geschichten, die mit Lachen durch mich fluteten. Auch die Liebesangelegenheiten. Damals erschütterten sie ins Tiefste. Sind nur noch Hauch.

Wird alles Jahr um Jahr dünner. Schichten platzen ab. Dummes altes Mauerwerk. Die Türen klemmen, so vollgestopft sind die Räume mit Vergangenem. Und ich kanns kaum mehr fühlen! Neues kommt nimmer dazu.


by ELsa

edit: Korr.: durch mich fluteten, mit Freude. danke an Mucki und Trix.
Doch Neues kommt nimmer dazu. danke an Flora.
Zuletzt geändert von Elsa am 17.07.2009, 17:56, insgesamt 2-mal geändert.
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leonie
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Beitragvon leonie » 10.07.2009, 13:57

Liebe Elsa,

ist das traurig!

Schön geschrieben, finde ich. Aber sehr melancholisch.

Zum Glück erlebe ich, dass das Erinnern auch eine andere Seite hat: als hebe man einen Schatz.

Liebe Grüße

leonie

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 10.07.2009, 14:11

Liebe leonie,

Danke! Ich habe mir einen Menschen als LI gewählt, der in seinen letzten Stunden angekommen ist, beispielsweise im Hospiz oder im Altenheim.

In jüngeren Jahren - auch in meinen - wird man das noch nicht so betrachten. Ich weide mich an den "Schätzen" immer wieder gern :-)

Lieben Gruß
Elsa
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 11.07.2009, 14:48

Liebe Elsie,

in der Tat ein sehr trauriges Fazit, das LI hier zieht. Sozusagen der Antipol zum: "Ich habe gelebt"
Hier:
Still die wilden Geschichten, die mit Lachen durch mich fluteten, mit Freude.

würde ich "mit Freude" streichen, da es in dem "Lachen" und "fluteten" enthalten ist.

Saludos
Mucki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 12.07.2009, 14:17

Liebe Mucki,

Ja, Antipol sozusagen, stimmt. Ich denke über deinen Voschlag nach, danke!

Lieben Gruß
ELsie
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DonKju

Beitragvon DonKju » 12.07.2009, 14:20

Hallo Elsa,

die Überschrift, und auf solche Wendungen beschränken sich meine Französischkenntnisse, ist Deinem Text Programm; Für die eine oder andere Stelle wage ich nachfolgend mal Vorschläge:

"... Still die wilden Geschichten, die mich mit Lachen fluteten, mit Freude ... Damals erschütterten sie bis ins Innerste [OK, das ist gängiger, trifft's aber doch genau, oder ?] ...

Wird alles Jahr um Jahr dünner. Schicht um Schicht platzt ab ... Und ich fühle kaum mehr! Neues kommt nimmer dazu."

Mit lieben Sonntagsgrüßen dazu von Hannes

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 12.07.2009, 14:26

Lieber Hannes,

Danke für deine Anregungen und "Bonjour tristesse".

Ins Innerste habe ich absichtlich nicht genommen, weil ich es mehr körperlich betrachtet haben will.

Schicht um Schicht ist mir zu verbraucht vorgekommen und Ich kanns kaum mehr fühlen mag ich lieber, weil es meiner Sprache entspricht. Ich hoffe, du verzeihst mir meine Bockigkeit ;-)

Liebe Grüße
Elsa
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Trixie

Beitragvon Trixie » 17.07.2009, 00:29

Ohhh,
liebe Elsa,
Draußen schreien und fauchen sich die Katzen jämmerlich unter dem abnehmenden Mond an, die Tanne steht groß und schwarz vor meinem Fenster, es ist immer noch drückend heiß - und ich suche einen Text, der zu meiner etwas melancholischen Stimmung passt.
Und da entdecke ich das hier. Das ist wieder einmal ein sehr ausdrucksstarker, gefühlvoller, treffsicherer Text. Er nimmt mich mit und auch, wenn ich immer wieder "eigentlich" keine Ahnung haben dürfte von dem, was du da schreibst, schaffst du es, genau zu vermitteln, wie sich eine Person fühlt, sei sie nun alt oder noch älter oder was auch immer ;-). Das ist wirklich eine wahre Kunst, finde ich...
Ich stimme Mucki zu - ob der Kürze könnte man "mit Freude" streichen, es ändert nichts und stört auch nicht den Rhythmus, finde ich.

Liebe Grüßlein
die Trix

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 17.07.2009, 09:16

Liebe Trix,

Herzlichen Dank! *hüpf*

Aus deinem 1. Absatz ließe sich gut lyrische Prosa machen!

Ja, die Freude kann weg, habs nur vergessen mw. ;-)

Lieben Gruß
ELsa
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Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 17.07.2009, 09:47

Liebe Elsa, obwohl oder weil wir bestimmt dieselben Feste gefeiert haben, vielleicht die eine tanzender, die andere zuschauender, ist es für mich manchmal schwierig - deine Texte an mich heranzulassen. Sie berühren mich sehr, aber meine erste Reaktion ist : (ich sags jetzt mal so ohne Umschweife:) bitte etwas weiter weg, mehr Abstand ... Das ist seltsam, weil es meinem Naturell nicht entspricht.
Dieses allerdings hat sich nun langsam in mir breitgemacht:
Es bröckelt. Niederlagen von früher. Traurigkeiten ~ die ums Haar getötet hätten ~ sind leise geworden. Still die wilden Geschichten, die mit Lachen durch mich fluteten. Auch die Liebesangelegenheiten. Damals erschütterten sie ins Tiefste. Sind nur noch Hauch.

Sehr feinfühlig und tiefgehend ausgedrückt. Ich habe den - schwindenden Hauch gespürt.

Wird alles Jahr um Jahr dünner. Schichten platzen ab. Dummes altes Mauerwerk. Die Türen klemmen, so vollgestopft sind die Räume mit Vergangenem.



dito

aber hier eine inhaltliche Kritik :
Doch Neues kommt nimmer dazu.


das stimmt einfach nicht ... und wenn eine Stimmung diesen Gedanken aufkommen lässt, ist es doch mehr die Furcht, die Ahnung, dass Neues nicht mehr kommen könnte, oder kein Platz mehr ist - ich meine nur, die Tür steht offen, solange der Tod sie nicht verschließt ?

Ich habe jetzt einfach spontan herunter geschrieben, was mir einfiel ...

Kennst du Vöcklabruck? Dort bin ich geboren.
liebe Grüße
Renée

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 17.07.2009, 10:12

Hallo Elsa,

das hat mir auch gleich gefallen, ich hatte nur vergessen, es dir auch zu schreiben. :rolleyes:
Doch Neues kommt nimmer dazu.

Einzig das „doch“ verstehe ich an dieser Stelle nicht. Für mich würde es zur inneren Situation des LIch und zum Klang der vorausgehenden Zeilen besser passen, es würde wegfallen.

liebe Grüße
Flora

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 17.07.2009, 14:49

Liebe Renée,

Ja, ich kenne Vöcklabruck. Find ich ja nett, so viele aus Ö sind ja nicht hier :-)

ist es für mich manchmal schwierig - deine Texte an mich heranzulassen. Sie berühren mich sehr, aber meine erste Reaktion ist : (ich sags jetzt mal so ohne Umschweife:) bitte etwas weiter weg, mehr Abstand ... Das ist seltsam, weil es meinem Naturell nicht entspricht.

Würd mich natürlich interessieren, warum es dir so geht. Und was den Abstand betrifft, ich kann - auch wenn das LI (meist) nichts mit mir zu tun hat, meist nur ganz nahe schreiben. Dass das nicht allen gefällt, ist mir klar. Aber da du andererseits schreibst, sie berühren dich, ist das spannend für mich.

Liebe Flora,

Ah, fein, das freut mich.

@Beide: Die Schlusszeile, hm ... Ich dachte mir so, wenn ein Mensch sehr alt ist, ist die Vrgh. um ein Vielfaches größer als das, was noch kommen kann. Was soll schon Neues kommen im Pflegeheim z.B.? Nur der Tod, nicht wahr?

Sollte ich vielleicht schreiben: Neues kommt nimmer hinzu/ Neues kommt kaum mehr hinzu?

Liebe Grübelgrüße
ELsa
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 17.07.2009, 15:10

Hallo Elsa,
Sollte ich vielleicht schreiben: Neues kommt nimmer hinzu/ Neues kommt kaum mehr hinzu?

Jein ("dazu" fand ich stimmiger)/Nein! :o)
Das "nimmer" finde ich wichtig und genau richtig, weil es ja keine objektive Aussensicht oder relativierte Betrachtung sein soll, oder? Mir ging es nur um das "doch".

liebe Grüße
Flora

Mucki
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Beitragvon Mucki » 17.07.2009, 16:25

Liebe Elsie,
Sollte ich vielleicht schreiben: Neues kommt nimmer hinzu/ Neues kommt kaum mehr hinzu?

wenn dann würde ich: "Neues kommt nimmer hinzu" schreiben, da du sonst eine WH von "kaum" hättest.

Saludos
Mucki


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