Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 15.05.2011, 12:23

wie sie die Geschichte krümmt
bis sie sich lehnen kann
an seine Kühle


immer der Abgleich, Winkelzüge, einen Teppich
unter die Füße schieben, die Fragen:
was wäre zu tun, was wäre zu sagen, was
wenn sie einfach in seiner Sichtweite säße
ihr aufgeschlagenes Buch in der Hand
einfach so! ohne woher, wohin, wozu
(die ausgewachsene Version des Sesamstraßensongs)
und vor lauter hin und weg, die eigenen Gedanken
lesend würde sie erröten, weil das Schwarz
plötzlich am Himmel hängt und Nacht heißt und lacht
weil man es fürchtet, wie das Schweigen
das einem die Entfernung zwischen zwei
Sternen beweist, die doch aussahen
als berührten sie sich aus der Ferne

die Geschichte ist rund, denkt sie
so krümmt sie den Raum, um uns herum
jedes Wort war ein Wimpernschlag
wir sahen uns - wir sahen uns nicht
mit zähem Kaugummi zwischen den Zähnen
voreinander stehen - zzz
(Kopfschütteln)
Löcher wären Atempausen an den Rändern
fänden sich Hasenspuren neben Ranunkeln
dort sammelten wir Luft in Sprudelflaschen
und ließen sie in Innenstädten, Bahnhöfen
und unseren Blicken frei, wer zählt schon
die Sekunden eines Kusses, wären wir
froh gingst du vorbei - einfach so!
wie ein Stern sich zum anderen neigt

Auf Wiedersehen
(ein Nicken)


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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Eule
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Beitragvon Eule » 15.05.2011, 14:06

Auf Wiedersehen (ein Nicken)

wären warum Warane
Wegen gestern

gefahren ohne geringe
Gesundung im

Palast der Erfahrung
morgen mäandert
Ein Klang zum Sprachspiel.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 15.05.2011, 14:54

Ein trauriges Leed

Eines Abends zur Muschelzeit sagte das Urmel zum Waran:
Jemand hat mich ausgedacht. Und der Seelefant hob zu singen an.
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 15.05.2011, 17:50

Blicke zulesen
wie aus einem (einzigen) Buch (einem Gesangbuch)
dann könnte es klingen
als spiele ein anderer deine Melodie
(die, die du nie hergeben wolltest)
weil man wohl verlöre und gewänne
und er würde so gerne
erkennen (auch wenn das Buch dabei zuklappte)
nicht auszudenken die Berührung
(weil sie aus dem Echten schöpfte)
wie ein Finger, der schneller über die Zeilen fährt
als man je lesen könnte
(in Wahrheit ist er woanders)
(und dann spielt sich die Liebe in Klammern ab)
(in denen, die von anderen nicht mitgelesen werden)
(die, die sich auf einmal öffnen und zwei hineinlassen)
(er schriebe nur noch in Klammern)
(sie würden Umarmung werden)
Außerhalb lachte sie (ein Klammerlachen)
über die guten Wünsche
und die Überraschung
(das beruhigt ihn)
vielleicht würde er sie doch erkennen
so ganz außer sich
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Gerda

Beitragvon Gerda » 16.05.2011, 10:45

neben-zeit
(liebe in klammern)

unsere zeit / meine / deine zeit / berechnete augenblicke / die nirgends sonst zählen /
obgleich lebendiges leben /
unbedeutend /
dein / und mein geheimnis_
indes verändert nicht den lauf der zeit / mag es auch mäandern sich auswachsen /
unsere zeit spielt keine rolle im zeitgeschehen /
bedeutung erwächst für uns insgeheim / unter der oberfläche paralell zur zeitrechnung

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Eule
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Beitragvon Eule » 16.05.2011, 15:51

ein kleines wort
für viele anlässe

wäre der Konjunktiv
schwieriger als
Multiplikator
Ein Klang zum Sprachspiel.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 21.05.2011, 21:38

orden & streif

der konjunkt rief
bitterlich
die nacht legte sich über seinen ruf
begrub mit sternen
seine eine stimme wie viele andere zugleich, zuvor und gleich auch wieder
jetzt ist es schon geschehen

ich warte auf meinen stern
auf das, zu dem ich gelernt habe,
stern zu sagen
warte auf den streif

vielleicht wird es wehtun
aber das tut es jetzt ja auch schon

also noch ein wenig weiter,
und dann ...
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 22.05.2011, 11:00

ich suche den streif
jede nacht
beim blick aus dem fenster
um zwei worte wunschzudenken
die alles bedeuten
doch wird er nicht kommen
solange ich ihn suche

ob ich die zwei worte noch finde
wenn der streif vorbeihuscht
im moment der nichtsuche

Gerda

Beitragvon Gerda » 22.05.2011, 13:18

Sternschnuppen

Die Nacht ist lau, lädt ein um zu verweilen,
der Himmel hat ein Feuerwerk entfacht,
ein Silberregen fließt - ist’s Amor der da lacht?
Zum Greifen nah - entfernt so viele Meilen?

Kein Auge hab ich bisher zugemacht,
will mit dem Brief an dich, mit jetzt beeilen,
deswegen gibt es auch nur ein paar Zeilen,
wer weiß, vielleicht bist du grad aufgewacht.

Dann sieh hinaus, was diese Sterne treiben,
fast bühnenreif ihr Auftritt mir erscheint,
wie sich die Schnuppen aneinander reiben.

Du meinst, ich schwelge, muss darüber schreiben,
gerade haben zwei sich regelrecht vereint
um nach dem Flug am Boden zu verbleiben.

©GJ20040814

Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.06.2011, 22:41

zwei haben sich vereint
treten bald die große reise an
und kommen hier an

ob sie bleiben
steht in den sternen

Klara
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Beitragvon Klara » 03.06.2011, 23:00

Ein Fluss
darüber eine Brücke
die große Stadt
welches ist die Straße?
Ohne Frage.

Ein Herz
davor mauerdick
was einst Wald war (genauer!)
verkümmert
zu mickriger Erinnerung
das Gesicht schaut die Antwort

Ein Leben
am Rande der Welt
mittendrin wo die Grashüpfer
Heuschrecken werden
und trotzdem zertreten
zur Masse gewählt:
freie Isolation
die Hoffnung so dumm
und so weich wie
die Frage
die Antwort
bist du

und immer ein neuer Ort
in meiner Stadt
die mich nicht gehen lässt
denn der Fluss
ist in Wirklichkeit ein Kanal
und die Phantasie
hat noch lange nicht ausgespielt

Nifl
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Beitragvon Nifl » 04.06.2011, 18:01

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Einem Farbtropfen aus zehn Metern Höhe beim Fallen zusehen
Glauben, die Zukunft einer grauen Frucht läge im Nahbereich
Sich mit einer einfachen Gabel aus Verästelungen befreien wollen
Meinen, gut isoliert würde einem nichts geschehen
Immer freundlich guten Appetit wünschen
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 04.06.2011, 19:51


Bild
© Gabriella Marten Cortes 2011


ein blauer farbtropfen wird meer
das meer zum sog
glaubte ich nicht an seine kraft
kein blau ließe sich mehr nieder


Gerda

Beitragvon Gerda » 07.06.2011, 12:09

Im Blau sich niederlassen, wäre himmlisch,
sagte das Rot zum Gelb und lief Violett an,
während sich das Gelb Richtung Grün veränderte.

Violett und Grün:
Wir sind keine richtigen Varben
Wir sind vehlerhaft und valsch.


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