kindheitsland

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
scarlett

Beitragvon scarlett » 18.11.2013, 16:44

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wolpertinger

Beitragvon wolpertinger » 19.11.2013, 08:51

Hallo Scarlett,
ich habe ein paar Probleme mit dem Gedicht. Bereits bei den ersten beiden Zeilen, vor allem mit "ich erzählte dennoch". Abgesehen davon, dass ich persönlich mit dem Wort schön so nichts anfangen kann (ich mag das Wort im Gedicht ohnehin nicht, weil es nichts aussagt).

"ich schämte mich, ein wenig" . Ich habe keine Vorstellung davon, wie es ist, wenn man sich (ein wenig) schämt.

Und dann wirft die 4 . Strophe schließlich die Frage auf, was es denn zu erzählen gibt.

Das Wort "ferngeflimmt" verstehe ich nicht.

Ich denke, da ist so viel im Verborgenen, was ich gern erzählt haben möchte. Die vielen Bilder wie u.a. erdschwere Tage tun das nicht, oder anders ausgedrückt: es bleibt für mich alles so subjektiv wie das Wort -schön-

Grüße
Wolf

Mucki
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Beitragvon Mucki » 19.11.2013, 11:46

Hallo Monika,

mir geht es ganz anders mit deinem Gedicht als Wolf. Ich finde es sehr berührend. Und vor allem ist es wichtig, wie man es liest, an den richtigen Stellen eine Pause einlegt und mit der Stimme runtergeht, z.B. vor den Schrägstrichen. Auch dass man die erste Zeile als Frage lesen muss, etc. Da steckt so viel Nachdenklichkeit und traurige Poesie drin.

Wolf, "ferngeflimmt" = es wurde im Fernsehen übertragen.

Liebe Grüße
Gabi
P.S: den Titel mag ich auch sehr

wolpertinger

Beitragvon wolpertinger » 19.11.2013, 11:57

Hallo Gabi
Betr. ferngeflimmt.

aha,
Danke, habe ich noch nie gehört.
Grüße
Wolf

Mucki
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Beitragvon Mucki » 19.11.2013, 12:06

"ferngeflimmt" ist sicherlich ein Neologismus von Monika. ,-)
Ich erlese es lediglich aus dem Kontext.

PS: "Flimmerkiste", so werden doch Fernseher oft genannt.

scarlett

Beitragvon scarlett » 21.11.2013, 06:40

Tja, wolf, ums „schön“ geht es ja gerade nicht in meinem text.
Danach wurde ja nicht gefragt- in der zweiten verszeile heißt es ja nicht „ich erzählte ES dennoch“ – das würde bedeuten, dass das ich vom „schönen“ erzählt, sondern nur, dass das ich erzählt – strophensprung – und dann folgt das, wovon das ich spricht.

Das „dennoch“ macht klar, dass die erste verszeile als frage zu lesen ist, so wie die andere kursiv gesetzte auch einem anderen sprecher in den mund gelegt ist.

"ich schämte mich, ein wenig" . Ich habe keine Vorstellung davon, wie es ist, wenn man sich (ein wenig) schämt.

Da kann ich einerseits nur sagen, sei froh, wenn du dieses gefühl der scham nicht kennst /metaebene/, auf der textebene könnte man dieses benannte gefühl schon nachvollziehen, wenn man den inhalt dessen, worüber das ich spricht, den historischen gegebenheiten der zeit gegenüberstellt.
Um ferner letztere einordnen zu können sind die als zitat gesetzten verszeilen maßgeblich, ein blick zu google hilft da schon weiter.

Als nämlich das gesamte ausmaß des leids und der unmenschlichkeit eines umgestürzten systems über die bildschirme der welt flimmerte, also offensichtlich wurde, da fiel es so manchem, der dort aufgewachsen ist, schwer, überhaupt noch etwas gutes, schönes, in jenem land, von dem die rede ist, zu finden.
Der aussage „aber dort gab es ja nichts“ etwas entgegenzusetzen, war schier unmöglich, wie sollte man weiterhin von geborgenheit und hilfsbereitschaft, von gemeinschaft und einer wunderbaren landschaft, von gewachsenen traditionen und einem wenn auch kleinen glück erzählen – davon sprechen die mittleren strophen –
angesichts der tatsache, dass – um nur ein beispiel zu nennen - kinder unter unvorstellbaren zuständen in heimen vegetierten. Daher die scham.

Das gedicht heißt kindheitsland – aber das kindheitsland des lyrischen ich – so der text – war ein völlig anderes als das dieser kinder. Und konnte daher erzählt nur noch im gedicht überleben.

Ferngeflimmt ist meine erfindung, ja, aber wirklich so schwer zu verstehen?

Ja, es liegt vieles im verborgenen, aber es steht dennoch da, man muss es nur lesen wollen, sich ein wenig auf die suche begeben, sich fragen z.b., was das für lieder sein könnten, wenn sie erdschwer genannt werden – unbeschwerte kinderlieder können es ja wohl eher nicht sein, oder?
Vor allem wenn gleich danach von jahrhundertalten schatten die rede ist … 7

Und wenn man schließlich herausgefunden hat, um welches land, vielmehr um welchen teil dieses landes es geht /spätestens wenn man den namen karin gündisch ergoogelt hat, weiß man es, man muss mich, die autorin dafür nicht kennen und wissen, dass ich aus siebenbürgen stamme/ weiß man auch, dass es um die schatten einer 800jährigen tradition geht, die auf allem, auch auf den kindern bereits, in form einer verantwortung lasteten.

ich hoffe, ich konnte etwas zur entwirrung beitragen - ohne gleichzeitig zu viel zu erklären.

danke für die rückmeldung und liebe grüße,
scarlett

scarlett

Beitragvon scarlett » 21.11.2013, 06:49

liebe gabi,

was soll ich sagen, außer: ja!
deine lesart zeigt mir, dass der text zu verstehen ist, er macht es dem leser sicher nicht einfach, aber er funktioniert.

und ferngeflimmt - ja klar, meine erfindung, flimmerkiste plus fernseher ...

hab dank!

herzlich,
monika

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birke
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Beitragvon birke » 21.11.2013, 09:19

also, mir sagt dieser text sehr viel … berührt mich,
transportiert sehnsucht für mich; und eine traurigkeit ob des unverständnisses des jeweiligen gegenüber.

sehr tiefgründig, nicht leicht zugänglich vielleicht auf den ersten blick, allein durch die eingebauten zitate ist der leser gefordert, hier weiter zu denken (oder auch zu recherchieren).

aber das ist meines erachtens kein negativum, sondern spricht für die qualität des textes.

ich finde ihn wirklich stark, samt titel, oh ja, liebe mo!

herzlich,
deine di
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wolpertinger

Beitragvon wolpertinger » 21.11.2013, 09:59

Hallo Scarlett,
es tut mir leid, aber von alledem lese ich aus dem Gedicht nichts heraus, ich meine es könnte sich ja ebenso auf die frühe DDR beziehen, woher ich stamme.Es steht in der ersten Strophe und später noch einmal nur "dort". Im gesamten Text finde ich keinen geographischen Anhaltspunkt.
Ein Gedicht sollte sich doch auch erschließen, ohne dass man die Geschichte oder die Herkunft des Autors/Autorin kennt.

Und um noch einmal auf "schön" zu kommen, da bleibt, auch wenn es eine Frage ist, so ein Wort dermaßen subjektiv, sie ist weder im Gedicht, noch sonstwie zu beantworten, (mit... da war ja nichts u.s.w, auch nicht ) denn jeder Leser hat eine eigene ( subjektive) Vorstellung von schön. (Ich kann mein Leben schön findden, und da sagt ein anderer vielleicht zu mir: meine Güte, hast du ein armseliges Leben, und um es noch auf die Spitze zu treiben, könnte ich darauf antworten: ja aber armselig kann auch schön sein usw.
Nur das meinte ich.

Birke schreibt, das Gedicht transportiert Traurigkeit und Sehnsucht. Ja, aber das reicht mir nicht,dass ich nur Traurigkeit und Sehnsucht herauslese, ich kann sie nicht mitempfinden wenn da steht:

aber dort gab es ja nichts –
und ich schämte mich /ein wenig/
weiterhin von diesem nichts
zu sprechen und dann viel mehr

Mit dem Schämen meinte ich, dass man sich entweder schämt oder nicht schämt, man kann sich ja auch nicht ein wenig glücklich, ein wenig frei fühlen, oder etwas ein wenig sauber finden...

was im Gedicht nicht steht, beginnst Du in Deiner Erklärung auf einmal zu erzählen.

Grüße
Wolf

scarlett

Beitragvon scarlett » 21.11.2013, 10:10

wolpertinger hat geschrieben: ich meine es könnte sich ja ebenso auf die frühe DDR beziehen, woher ich stamme.Es steht in der ersten Strophe und später noch einmal nur "dort". Im gesamten Text finde ich keinen geographischen Anhaltspunkt.
Ein Gedicht sollte sich doch auch erschließen, ohne dass man die Geschichte oder die Herkunft des Autors/Autorin kennt.


wieso auf die ddr?
ist karin gündisch eine ddr-autorin?
handelt ihr buch "im land der schokolade und bananen" von einer auswanderung aus der ddr?
hat die ddr eine jahrhunderalte tradition?
und dass sich ein gedicht auch ohne kenntnis der herkunft der autorin erschließen muss, nichts anderes hab ich auch gesagt.

ich glaube, wir werden da diesmal nicht zusammenkommen, wolf, was ja aber auch nicht weiter schlimm ist.

liebe grüße,
scarlett

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 21.11.2013, 10:29

Kann man nicht - sich ein wenig glücklich fühlen? Doch doch, ich meine, das kann man. Ob mir diese Formulierung jetzt sooo gut gefällt, weiß ich nicht, aber der Sachverhalt stimmt schon: Es ist immer das Kontrapunktische schon mit drin. Ich bin krank, fühle mich mies, bekomme aber Post mit wunderbar persönlichem Inhalt (egal, ob verbal oder "dinglich"). Rundum glücklich geht nicht, denn ich habe ja Schmerzen oder bin sonstwie unpässlich, aber...
Genauso sehe ich das mit dem Schämen, nur anders herum: Es gibt zu viel Positives (und ich habe auch nichts getan, weshalb ich mich wirklich schämen müsste), dennoch begegnet mir etwas, v. a. eine Reaktion, durch die ich mich "ein wenig schäme". Z. B. habe ich mich nicht richtig angezogen, was weiß ich, T-Shirt auf links. Das ist aufs Ganze gesehen wie der chinesische Sack Reis, dennoch wird es den allermeisten so gehen wie mir: In dem Moment, wo mich jemand darauf anspricht, in der Bahn oder in der Arztpraxis, ist mir das unangenehm im Sinne des Ein-wenig-Schämens.
Ich kenne das auch ähnlich wie Scarlett: Wenn man als Kind armer Eltern in ein (neu-)reiches Haus kommt und die Kleidung moniert wird, ist das eben so. Das ist ein anderes Gefühl (gewesen), als wenn man in der Schule eine Fensterscheibe eingeworfen hat und dann zur Rede gestellt wird. Im ersten Fall geht es einem ja "eigentlich" (seelisch) gut, und dann kommt so ein (erwachsener) Blödian und sägt dran rum.

Ich muss allerdings auch sagen, dass ich mit der Zeile
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ziemliche Probleme habe. Da man alles erzählen kann, das Schöne wie ds Unerfreuliche und alles dazwischen, passt für mich das dennoch hier nicht hin.

Eine zweite Stelle, die ich nicht so gut finde:
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- ich empfinde sie als "zu gewichtig", d. h. sie konkurriert für mich damit zu sehr mit dem Böll-Zitat. Ich würde sie auf jedenfall ändern.

Aber sonst: Ein wunderbares Gedicht, das (wieder einmal) die Zerrissenheit zwischen zwei Welten/ zwei Polen gut rüberbringt. Wahrscheinlich spricht mich die Thematik bzw. die Umsetzung dermaßen stark an, weil es genau das lyrisch "erzählt", was ich von meiner Mutter kenne. Sie ist mit 16 aus Schlesien geflohen und hat immer betont, wie gut sie es "hier" angetroffen hat (auf lange Sicht), dass sie glücklich geworden ist (nicht nur "ein wenig"). Aber die Kindheit, die so anders war - und wohl Ähnlichkeiten aufweist mit dem, was Scarlett erzählt - spielte immer wieder eine Rolle: Das Leben war ein völlig anderes, und jeder "Rettungsversuch" konnte nur scheitern, weil es unwiederbringlich ist.

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Beitragvon birke » 21.11.2013, 10:44

nun, wolf, es ist doch so, dass das "schön" hier jemand anderem "in den mund gelegt wird".
genau um diese allgemeine floskel geht es doch hier, eine fast rhetorische frage, denn interessiert denn das gegenüber überhaupt die "wahrheit"?

ich meine, der text funktioniert auch ohne das wissen um die herkunft, warum denn nicht?
außerdem gibt es ja im text sogar einen konkreten hinweis durch das zitat am schluss.

und /ein wenig/ schämen - auch "fremd-schämen" steckt ja mit drin - ja doch, mir auch bekannt! :smile:

für mich ist es ein text, in dem einfach viel drin steckt ...

lg
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Beitragvon Mucki » 21.11.2013, 11:20

Hallo Wolf,
wolpertinger hat geschrieben:Mit dem Schämen meinte ich, dass man sich entweder schämt oder nicht schämt

Für mich gibt es etliche Nuancen des Schämens. Vom Schämen, dass ich in Grund und Boden versinke vor Scham und diese sehr lange in mir nachwirkt (teilweise noch nach Jahren, an diese Situation denkend, rot werde) oder ich schäme mich für einen kurzen Augenblick, den ich recht schnell wieder vergesse, und viele andere Schamsituationen mehr. Auch Fremdschämen, ja. Scham ist sehr facettenreich, finde ich.

Saludos
Gabriella

wolpertinger

Beitragvon wolpertinger » 21.11.2013, 12:27

Hallo scarlett,
nun gut, aber ich halte nichts davon, nach einem Buch recherchieren zu müssen, um zu verstehen, worum es sich handelt.

Hallo Gabriella,
dann liegt es offenbar an mir, denn ich habe die ganzen Nuancen des Schämens noch nicht erlebt.

Grüße
Wolf


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