Das Leben kann grausam sein Teil I

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Jürgen

Beitragvon Jürgen » 03.04.2006, 10:45

´Nen Morgen, Kollegen, ich bin wieder da.
Trotz gestrigen Saufens im Kopf noch glasklar,
was nicht jeder hier von sich so sagen kann.
Als Beispiel führ ich die Kollegin jetzt an.

Trägt Stiefel aus Leder und Röcke so knapp,
geschminkt wie ´ne Leiche, da lacht man sich schlapp.
Ich sag es euch, Leute, die braucht nur nen Mann,
Der ihr das klein Köpfchen mal grad rücken kann.

Ich hab sie gefragt, was denn sie davon hält,
mein Partner zu werden mit allem was zählt.*
Sie ließ mich so stehen und hat nur gelacht.
Ich hab sie dafür im Betrieb schlecht gemacht.

Die and´re Kollegin, auch die sagte Nein.
Ich wär nicht ihr Typ, ja was fällt der denn ein?
Ein echter Kerl bin ich, mal hart, mal verträumt.
Will nur wahre Liebe und´s Küch aufgeräumt.

Mach ich meine Witze, habt ihr nie gelacht.
Sie sind halt aus derberem Stoffe gemacht.
Betreten schaut Ihr weg und tauscht Blicke aus.
Ich bin halt kein Softie, mein Maul spricht frei raus.

Der Chef geht am meisten mir gegen den Strich.
Ich leiste so Vieles, doch nie lobt er mich
In dem Maße, wie es mir wirklich gebührt.
Stattdessen hat er gegen mich Wort geführt.

Ich wurde schon Spießer von euch hier genannt.
Da täuscht ihr euch Leute, ihr habt mich verkannt.
Ich steh auf Pink Floyd, darum kann´s ja nicht sein,
Pink Floyd CDs hören fällt Spießern nicht ein.

*Änderung nach Vorschlag von Gerda Jäger
Zuletzt geändert von Jürgen am 04.04.2006, 20:49, insgesamt 1-mal geändert.

Träumer

Beitragvon Träumer » 03.04.2006, 13:47

Hallo Gurke,
jaja, die alten Rollenspiele!


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Ich hab sie gefragt, was denn sie davon hält

Ich glaube, ich würde das "denn" weglassen.

Herby

Beitragvon Herby » 03.04.2006, 14:49

Hallo Träumer,

was deinen Vorschlag angeht, muss ich dir widersprechen. Würde Jürgen dieses Wort auslassen, fehlte eine Silbe und das Versmaß stimmte nicht mehr!

LG Herby

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 03.04.2006, 15:01

Köstliche Ironie :mrgreen:

Hier und da bin ich beim Lesen hängengeblieben, wegen der Betonungen der Silben, aber als Gesamtes finde ich es so beißend komisch, daß ich jetzt nicht an einzelnen Wörtern herumkritteln mag. Da werden schon noch Feedbacks kommen, denke ich...

Jedenfalls macht es mich neugierig auf Teil 2.

Gruß
Frank

Gast

Beitragvon Gast » 03.04.2006, 15:29

Hallo Jürgen,

klasse gemacht, dasThema gut getroffen und satirisch aufgearbeitet.

Hallo Herby, Jürgen und alle hier im Faden Versammelten

Hm, hm, Versmaß hin Vermaß her,
Man muss diese Zeile entgegen dem natürliche Sprachfall betonen, wenn die Silbenzahl unbedingt übereinstimmen soll. "Würg" ;-)
Sprachvergewaltigung nenne ich das.
Das ist ohnehin etwas, was mir schon des Öfteren aufgefallen ist, das gezählt wird ohne Rücksicht auf betonte und unbetonte Silben, so wie sie sich im natürlichen Sprachfluss ergeben.
Heraus kommen dann Zeilen mit gleicher Silbenanzahl, die keine Sprachmelodie mehr haben. Denkt mal an die Sonettregeln was die Silbenanzahl angeht, je nach dem ob man mit einer männlichen oder weiblichen den jeweiligen Vers beendet.
Manch einer tut gut daran zu zählen, ja, aber noch besser ist es sich selbst mal laut vorzulesen, ob der Sprachfluss ausschließlich über den den Vortrag hinzubekommen ist, oder ob er dem natürlichen Verlauf folgt.
Sonst wäre das alles zwar Anwendung von theoretischem Wissen, aber Poesie oder Lyrik käme unter dem Strich nicht heraus ;-)
Es gibt auch Autoren, die brauchen nicht zählen, die haben es schlicht und einfachdrauf ( im Ohr, im Gefühl, wahrscheinlich weil sie schon viel viel Übung haben)

Ich greife, die zitierte Strophe jetzt mal auf und stelle ein wenig um:

Gefragt hab ich sie, was sie davon hält
mir Partner zu werden mit allem was zählt.
Doch sie ließ mich stehen und hat laut gelacht,
dafür hab ich SIE im Betrieb schlecht gemacht.


Original von Jürgen zjm Vergleich:

Ich hab sie gefragt, was denn sie davon hält,
ein Paar mit mir werden mit allem was zählt.
Sie ließ mich so stehen und hat nur gelacht.
Ich hab sie dafür im Betrieb schlecht gemacht.



M. E. klingt es so viel lockerer und fließender.

Liebe Grüße
an alle
Gerda

MarleneGeselle

Beitragvon MarleneGeselle » 03.04.2006, 16:35

Hallo Gurke,

bin beim Lesen kaum aus dem Grinsen rausgekommen - weil ich gleich drei Typen dieser Art kenne. Den Dreien ist es allerdings unterschiedlich ergangen, und jetzt bin ich gespannt, wie es deinem "Maulhelden" künftig geht.

Liebe Grüße
Marlene :mrgreen:

Wannendicht

Beitragvon Wannendicht » 04.04.2006, 15:19

§bump§

Ist ja hochinterressant...
Wo bleibt Teil Zwei??

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 04.04.2006, 20:47

Hallo Träumer, Herby, Frank, Gerda, Marlene und Wannendicht

Vielen Dank für Eure Kommentare. :grin:

Teil 2 ist im Moment nur ein Fragment. Allerdings, Marlene, wird es mit unserem Maulhelden darin nicht weitergehen. Mein Gedanke war, unter dieser Reihe Gedichte über Personen zusammenzufassen, deren Lebensstil ich hoffentlich niemals leben werde.

@Träumer
Tja, das "denn" brauchte ich für die Rhythmik. Es hat wohl zu sehr den Charakter eines Füllwortes.

@ Gerda
Au weia, Sprache vergewaltigen wollte ich nun wirklich nicht, nur daktylische Verse mit unbetontem Auftakt und betonter Endsilbe schmieden. Du hast Recht, Deine Version klingt flüssiger. Ich werde die Verse durchgehen und nach Verbesserungsmöglichkeiten suchen (frühestens aber erst am Wochenende :sad: ).

Zu Deinen Anregungen bez. zitierter Strophe:

"mir Partner zu werden mit allem was zählt."

ist sehr gut. Das möchte ich gerne übernehmen, werde aber mir durch mein ersetzten.

Beim ersten Vers der Strophe lasse ich das "denn" und suche eventuell nach einer ganz anderen Möglichkeit. Ich will den Rhythmus aufrecht halten. Es kann auch ein Ansporn sein, ein Versmaß halten zu wollen, ohne Sprache zu vergewaltigen ;-)

Bei Vers drei und vier gefiel mir die inhaltliche Betonung der zwei Beteiligten und ihres Tuns: sie ließ mich so stehen - ich hab sie dafür...
Gefällt mir noch immer, werde aber Deine Anregung im Kopf behalten.

Ich überlege übrigens, den Text zu einem Song zu machen...mal sehen. Es lässt sich wunderbar zum Dreivierteltakt (Walzer) singen.

Vielen Dank

Jürgen

steyk

Beitragvon steyk » 06.04.2006, 16:21

Hi Gurke,
selten so gegrinst beim lesen. Bin gespannt auf Teil II.
steyk

Wannendicht

Beitragvon Wannendicht » 09.04.2006, 14:08

Das mit der Serie ist eine interessante Idee, nur sind solche Gedichte erfahrungsgemäß am schwierigsten zu schreiben..

F´ly Wanne


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