Weil Du so weit und ferne bist

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 02.05.2006, 14:20

Weil Du so weit und ferne bist

rollt die Sonne auf Zahnrädern
über richtungslose Krähenscharen
und im Föhn fliegen Dornenäste
auf mein verwelktes Lilienkleid

Weil Du so weit und ferne bist

Hustet die Welt schwarz, gräulich
aus einem bröckelnd´ Schornsteinschacht
und von blutgeziegelt´ Dächerdecken
weht im trüben Tageswind die Asche jeder Nacht

Weil Du so weit und ferne bist

verspeisen Ängste meine Hoffnungsreste
in lahmen Karawanen schlendern sie
in morschen Lebensgassen, meine Worte-
die versuchen eine Zeit zu fassen

In der wir uns so weit und ferne sind

gleich fremde Länder
fortgeweht vom Wind

gleich einer Blinden
Spiegelbilder weit und ferne

Nur in grünenden Gedanken rauschend näher sind.
Zuletzt geändert von Louisa am 20.08.2007, 23:39, insgesamt 3-mal geändert.

woitek

Beitragvon woitek » 02.05.2006, 21:32

Liebe Louisa,

ich bin heute schon einige Male um deinen Text herumgeschlichen und wage mich jetzt ihm zu nähern.

Nie zuvor gesehene Bilder strömen dabei in meine Wahrnehmung.

- eine Sonne die über Zahnräder rollt
- Dornenäste die mit dem Föhnwind fliegen
- blutgeziegelte Dächerdecken

das waren die interessantesten.

Währen der zweite Textblock noch ein sehr bewegtes Szenario schildert überwiegt beim dritten eine beängstigend morbide Stimmung.
Im fünften Block verlangsamt sich der Text, ja er scheint zu Ruhe zu kommen...zu verharren.

Nicht ganz verstehe ich die syntaktischen Beziehungen des einzelnen Verse untereinander, auch fehlt mir mitunter ein grammatikalischer Bezug.
und im Föhn fliegen Dornenäste
an verwelkte Lilienkleider der Vergangenheit

gegen etwas fliegen?
gleich einer Blinden
Spiegelbilder weit und ferne

Oder ist hier kein semantischer Bezug?
Nur in grünenden Gedanken rauschend näher sind.

hier eine Ellypse ohne Subjekt

Dadurch wirkt dein Text vor allem in den letzten Teilen, wie dahinstobende
Gedankenfetzen.

Bevor ich mich jetzt intensiver auf die Inhaltsebene begebe, warte ich einige andere Kommentare ab und lasse den Text noch ein wenig sacken.

Trotzdem habe ich das Gefühl, hier ein sehr gelungenes Werk zu lesen. O:)
Liebe Grüße
Woitek

Louisa

Beitragvon Louisa » 02.05.2006, 22:00

Hallo woitek !
Vielen, vielen Dank für deine Reaktion, es befielen mich schonwieder die Löschgelüste... (nach einer langen Schaffenskrise am gestrigen "Tag der (lyrischen) Arbeit" O:) .

Du hast auf jeden Fall Recht mit Deinen Anmerkungen..aber kann man wirklich nicht gegen etwas fliegen ?

Es soll ja diese sehbehinderten Vögel geben, die trotz fleißig angeklebter Warnvögel auf Glasfassaden gegen die Scheiben donnern...

Ich werde das "Werk" morgen überarbeiten, versprochen !

Schließlich ist jetzt schon beinahe Schlafenszeit.

Guten Abend, louisa

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 03.05.2006, 09:56

Hallo Louisa,

ich werde deinem Account die Löschtaste verbieten :razz:

Nie zuvor gesehene Bilder strömen dabei in meine Wahrnehmung.

- eine Sonne die über Zahnräder rollt
- Dornenäste die mit dem Föhnwind fliegen
- blutgeziegelte Dächerdecken


Ja, das war auch für mich so...vorallem,die Sonne, die über Zahnräder rollt...erzeugt eine seltsame Stimmung und ist mehr als gelungen.


Ich würde überlegen, ob ich für den Aufbau nicht vor Die Welt hustet (was dann hustet die Welt gräulich heißen müsste) auch die Zeilen "weil du so weit und ferne bist" setzen würde.

Diese Zeilen:
gleich fremden Ländern
längst verwehter Wind


sind Länder gemeint, die Winden gehören?
Vielleicht könnte man die fremden Länder als längst schon von den Winden verweht beschreiben?

Das Gedicht gefällt mir sehr, es hat ungemein starke Bilder und einen Ton, der die Stimmung einfärbt...immoment mein liebstes aktuelles Gedicht von dir,

Liebe Grüße,
Lisa

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Beitragvon Lisa » 03.05.2006, 09:57

PS: Ich finde übrigens hier könnte das Gedicht wie seine erste und zentrale Stelle heißen..nicht weit und ferne sondern : Weil du so weit und ferne bist, auch wenn sich die Zeile nachher noch einmal verändert.

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Beitragvon leonie » 03.05.2006, 11:56

Ja, Lisa, mach das mit der Löschtaste!!!

Louisa, Du dichtest schneller als ich Stellung nehmen kann, was nicht heißt, dass Deine Gedichte mir nicht gefallen! Dieses finde ich sehr stark.
Nur verwelkte Lilien der Vergangenheit finde ich doppelt gemoppelt, außerdem bin ich eine Kritikerin von Genitiven (besonders, wenn sie, wie hier überflüssig sind).
Mir hat das Bild von en Ängsten, die die Hoffnungsreste verspeisen imponiert!

Liebe Grüße

leonie

Last

Beitragvon Last » 03.05.2006, 11:58

Hallo Lousia,

ein wirklich tolles Gedicht :grin:
Du verwendest innovative Bilder, das gefällt mir sehr.

Mit grammatikalischen Bezügen hatte ich auch kein Problem.

gleich fremden Ländern
längst verwehter Wind


und

gleich einer Blinden
Spiegelbilder weit und ferne


habe ich ich jeweils als zwei verschiedene Bilder vertsanden, die etwas ähnliches ausdrücken, aber nicht direkt zusammen gehören.

Louisa

Beitragvon Louisa » 03.05.2006, 20:57

Hallo !

Vielen Dank. Leider bin ich auch heute wieder in entsetzlicher Eile und kann mich euren (sehr guten) Vorschlägen erst morgen annehmen.

Also, ich werde wohl noch selbst beurteilen dürfen, ob die Texte lesens- oder löschenswert sind... O:)

Vielen Dank!

Ja, leonie, ich weiß, die Werke stapeln sich wieder wie die damaligen Orangenkästen (Es sind auch verfaulte dabei, Lisa.)-

Aber ich befinde mich in einer Ausnahmesituation, die mich nur noch denken lässt: Gott bechütze die moderne Kommunikation.
(Das hat sich gereimt.)

Danke für euer Verständinis...ihr müsst es auch nicht lesen-

Es ist alles ein bisschen kompliziert, verstrickt und schleierhaft.

Liebe Grüße ! louisa

Louisa

Beitragvon Louisa » 03.05.2006, 21:53

Nachtrag: Glücklicherweise habe ich doch noch die abendliche Zeit gefunden euren Ratschlägen zu folgen.

Ist es jetzt servierfähig ?

Ferne, weite Grüße, louisa

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Beitragvon Lisa » 04.05.2006, 11:26

Liebe Louisa,

jaaa....auch dass du den Titel übernommen hast, finde ich wundervoll klingend.

Einzig frage ich mich ob fortwehen nicht zusammen geschrieben wird..der Duden sagt:

fortwehen - weht fort; wehte fort; hat fortgeweht...

also zusammen :-$

Wieder eine nicht verfaulte Louisa-Orangenperle!

Last

Beitragvon Last » 04.05.2006, 11:32

Genau bei solchen Verben greift ja die neue Rechtschreibung auch irgendwie, ich glaube man darf es sogar zusammen und auseinander schreiben, hmm...

Louisa

Beitragvon Louisa » 04.05.2006, 14:15

Ich glaube die beiden gehören zusammen (sie mögen sich sehr und sollten nicht so ferne und weit voneinander sein).

Vielen Dank für eure Hilfe !

(Orangenperle ist ein schönes Wort, Lisa)

Mittägliche Grüße, louisa


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